Selfhtml

Staatsarchiv des Kantons Zürich

Zentrale Serien seit 1803 online: Amtsblatt

https://www.zh.ch/staatsarchiv



SignaturStAZH ABl 1992 (S. 1701-1705)
Titel3272 Beschluss des Kantonsrates über die Bewilligung eines Beitrags an die Stiftung Oskar Reinhart, Winterthur, zu Lasten des Fonds für gemeinnützige Zwecke (vom ...)
Datum04.12.1992
P.1701–1705

[p. 1701]

Antrag des Regierungsrates vom 21. Oktober 1992

Der Kantonsrat,

nach Einsichtnahme in einen Antrag des Regierungsrates,

beschliesst:

I. Für das internationale Ausstellungsprogramm 1993-1995 derStiftung Oskar Reinhart, Winterthur, wird zu Lasten des Fonds fürgemeinnützige Zwecke ein Beitrag von Fr. 880 000 gewährt.

II. Mitteilung an den Regierungsrat zum Vollzug.

Weisung

1. Die Stiftung Oskar Reinhart, Winterthur

Am 10. Oktober 1940 widmete Dr. Oskar Reinhart der nach ihmbenannten Stiftung einen Teil seiner privaten Gemäldesammlung,nämlich «Gemälde von schweizerischen, deutschen, österreichischenund anderen Meistern, hauptsächlich des 19. Jahrhunderts, mit Ausschluss der französischen Meister» (Stiftungsurkunde, Ziffer 3). DieStiftung verfolgt den Zweck, diese und eventuell weitere ihr gewidmeteKunstgegenstände «dauernd in ihrem unveränderten Bestande beisammenzuhalten und der breiten Öffentlichkeit und Allgemeinheit zurBesichtigung zugänglich zu machen ... » Die Sammlung soll «dauernd indem umzubauenden alten Gymnasium in Winterthur untergebrachtwerden; vorbehalten bleiben die Bestimmungen sub Ziffer 13 derStiftungsurkunde» (ebendort, Ziffer 4, Abs. 1 und 2).

Ziffer 13 der Urkunde hält unter dem Titel «UnvorhergeseheneUmstände» folgendes fest: «Sollte aus irgendeinem heute nicht voraussehbaren Grunde in einem späteren Zeitpunkt die Unterbringung der

[p. 1702]

Sammlung im alten Gymnasium in Winterthur nicht mehr möglich sein,so ist der Stiftungsrat ... berechtigt, ... die Sammlung und die übrigenKunstgegenstände der Stiftung in einer anderen Stadt der Schweizunterzubringen ... ». Zudem können nach Ziffer 6 der Urkundeausnahmsweise und auf einstimmigen Beschluss des Stiftungsrateseinzelne Gemälde leihweise an fremde Ausstellungen geschickt werden.

2. Das Stiftungsmuseum

Heute beherbergt das Museum Stiftung Oskar Reinhart eineSammlung von etwa 500 Gemälden deutscher, österreichischer undschweizerischer Maler vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Diese giltfür ihren Bereich als eine der schönsten und repräsentativstenüberhaupt. Besondere Schwerpunkte bilden Werke der deutschenRomantik und des Realismus sowie Schweizer Malerei von Liotard bisHodler.

Das Museum umfasst den einen Teil der ehemaligen Privatsammlung Oskar Reinharts; der andere befindet sich im Besitz derSchweizerischen Eidgenossenschaft und ist seit 1970 «am Römerholz»ebenfalls öffentlich zugänglich. Dessen wichtigste Werke stammen vonverschiedenen alten Meistern und vor allem französischen Malern des19. Jahrhunderts.

3. Die Ausstellungstournee 1993-1995

3.1 Ausgangslage

Sowohl die Räumlichkeiten der Römerholz-Sammlung als auch jenedes Stiftungsmuseums müssen in den nächsten Jahren einer gründlichenRenovation unterzogen werden. Deshalb haben die verantwortlichenBehörden beider Häuser erwogen, ihre attraktivsten Kunstwerkevorübergehend im Ausland auszustellen. Während das New York-Projekt der Römerholz-Sammlung infolge umstrittener Ausleihbestimmungen inzwischen wieder zurückgezogen wurde, erlaubt die Urkundeder Stiftung hingegen die Realisierung einer grösseren Tournee in undausserhalb von Europa. Darin werden zwar zeitweilige Schliessungenwegen Umbauarbeiten nicht spezifisch erwähnt, doch die oben zitiertenZiffern 6 und 13 gewähren dem Stiftungsrat für Ausleihen und«unvorhergesehene Umstände» einen grösseren Bewegungsspielraum.

[p. 1703]

3.2 Programm

Die geplante Ausstellungstournee soll ungefähr 100 Hauptwerke derStiftungssammlung erfassen und in fünf erstklassigen Museen in Europaund Amerika gezeigt werden, nicht zuletzt deshalb, «um das Interessean gewissen stilistischen Strömungen und Künstlern die im internationalen Vergleich vielleicht noch zu wenig bekannt sind, zu fördern».Darüber hinaus verspricht man sich eine starke Werbewirkung zugunsten des Stiftungsmuseums, des Tourismus- und WirtschaftsstandortsWinterthur sowie der Kunsthäuser und -hallen von Zürich undUmgebung (Zürich, Winterthur, Schaffhausen, Baden). Die einzelnenStationen der Tournee sind:

- Mai bis August 1993:Berlin, Alte Nationalgalerie

- Oktober 1993 bis Januar 1994: Los Angeles County Museum of Art

- Februar bis April 1994:New York, Metropolitan Museum

- Sommer/Herbst 1994:London, National Gallery

- Herbst/Winter 1994/1995:Genf, Musée d'art et d'histoire

Dazu schreibt der Stiftungsrat: «Es ist nicht zufällig, dass dieAusstellungstournee in Berlin eröffnet wird, steht doch Berlin rechteigentlich am Beginn von Oskar Reinharts Sammeltätigkeit. Hierempfing er im Jahre 1906 anlässlich der in der Nationalgalerie gezeigtensogenannten Jahrhundert-Ausstellung, welche einen umfassendenÜberblick über das künstlerische Schaffen im deutschen Sprachraum im19. Jahrhundert geben wollte, die entscheidenden Anregungen zumAufbau einer eigenen Sammlung. Über 20 der dort gezeigten Gemäldehat er im Laufe der Zeit für seine Sammlung erwerben können. Hinzukommt, dass zahlreiche Gemälde Oskar Reinharts aus alten BerlinerPrivatsammlungen stammen.

Drei Stationen der Ausstellung befinden sich im englischen Sprachraum, wo vor allem in der letzten Zeit ein besonderes Interesse für diedeutsche und schweizerische Malerei des 19. Jahrhunderts festzustellenist. Dies äussert sich etwa in Neuerwerbungen von Museen oder inAusstellungen, wie über Caspar David Friedrich in London, New Yorkund Chicago oder über Schweizer Malerei in Atlanta. Viele der in derAusstellung der Stiftung Oskar Reinhart gezeigten Bilder dürften fürdiese Länder einer Neuentdeckung gleichkommen.

Eine besondere Vorliebe hatte Oskar Reinhart stets für die Malerder Genfer Schule ... So hat er die wohl bedeutendste Sammlung vonsolchen Werken ausserhalb von Genf aufgebaut. Daher ist es sinnvoll,die Ausstellung auch im Musée d'art et d'histoire in Genf zu zeigen.»

[p. 1704]

3.3 Werbung und besondere Massnahmen

Für die Tournee wurde ein Patronatskomitee gebildet, welchemunter anderem die deutschen und schweizerischen Bundespräsidentensowie verschiedene Botschafter angehören. Die Schweizerische Verkehrszentrale sorgt für eine gezielte Besucherwerbung an den einzelnenVeranstaltungsorten.

Zum Ausstellungsprojekt soll auch ein Katalog in deutscher,französischer und englischer Sprache erscheinen, worin alle gezeigtenWerke farbig abgebildet und beschrieben sein werden. Darüber hinauswird er einen Überblick über die Sammlungstätigkeit Oskar Reinhartssowie über dessen Museumsgründungen geben. Auf der Basis desKatalogs soll anschliessend auch ein neuer Sammlungsband der Stiftungentstehen.

Die Tournee wird von der finanziell nicht besonders verwöhntenStiftung ausserdem dazu benützt, in einer ausserordentlichen Aktionkurzfristig 50 Gemälde und 30 Zeichnungen, welche sich in einemunbefriedigenden Erhaltungszustand befinden, zu restaurieren.Schliesslich kommen noch verschiedene, für die Transporte unerlässliche Verglasungen mit bruchsicherem, entspiegeltem Spezialmaterialhinzu, welche ihrerseits die permanente Ausstellung in Winterthuraufwerten werden.

3.4 Kosten und Finanzierung

Das aktuelle Tourneebudget präsentiert sich wie folgt:

Versicherungen Fr. 1 427 000
Restaurierungen Fr. 220 000
Transporte Fr. 295 000
Vorbereitungsarbeiten(ausserordentlicher Personalaufwand) Fr. 520 000
Verschiedene Fotoarbeiten Fr. 23 000
Katalog und Sammlungsband Fr. 405 000
Reserve Fr. 90 000
Total Fr. 2 980 000

Dafür schlägt die Stiftung das folgende Finanzierungsmodell vor:

Kanton Zürich Fr. 880 000
Stadt Winterthur Fr. 450 000
Pro Helvetia Fr. 200 000
Diverse Sponsoren Fr. 200 000
[p. 1705]
Museen/Galerien: Berlin Fr. 300 000
London Fr. 300 000
USA Fr. 500 000
Genf Fr. 150 000
Total Fr. 2 980 000

Der bereits bewilligte Beitrag der Stadt Winterthur ist ausschliesslich für Personalkosten bestimmt, die Beiträge der Museen undGalerien im Ausland und in Genf für Versicherungsprämien.

Im übrigen wird die Stadt Winterthur die Gesamtsanierung desMuseumsgebäudes allein übernehmen (veranschlagter Aufwand:Fr. 6 200 000).

4. Antrag

Der Regierungsrat begrüsst die internationale Ausstellungstournee1993-1995 der keine Subventionen aus dem allgemeinen Staatshaushaltbeziehenden Stiftung Oskar Reinhart und ersucht den Kantonsrat, denBeitrag von Fr. 880 000 zu Lasten des Fonds für gemeinnützige Zweckezu gewähren.

Zürich, den 21. Oktober 1992

Im Namen des Regierungsrates

Der Präsident:Hofmann

Der Staatsschreiber:Roggwiller