Signatur | StAZH ABl 1999 (S. 1050-1055) |
Titel | 3720 Bericht und Antrag des Regierungsrates an den Kantonsrat zum Postulat KR-Nr. 272/1995 betreffend Errichten einer Bewachungsstation für Inhaftierte in einem Zürcher Spital (vom 6. Juli 1999) |
Datum | 16.07.1999 |
P. | 1050–1055 |
KR-Nr. 272/1995
Der Kantonsrat hat dem Regierungsrat am 8. Juli 1996 folgendesvon den Kantonsräten Peter Marti, Winterthur, und Kurt Krebs,Zürich, eingereichte Postulat zur Prüfung überwiesen:
Der Regierungsrat wird eingeladen zu prüfen, in welchem Spitaldes Kantons Zürich eine Bewachungsstation für Inhaftierte eingerichtet werden kann.
Der Regierungsrat erstattet hierzu folgenden Bericht:
Das Bedürfnis, flucht- und gemeingefährliche Untersuchungs -,Sicherheits- und Strafgefangene bei medizinischer Notwendigkeit soin einem Spital unterbringen zu können, dass trotzdem eine mit dennormalen Haftumständen vergleichbare Sicherheit vor Flucht und unerlaubten Kontakten mit Dritten gegeben ist, ist seit längerem unbestritten: Nachdem bis etwa 1970 die Hospitalisierung regelmässig inzusätzlich gesicherten Patientenzimmern im normalen Spitalbereich,allenfalls ergänzt mit Bewachung durch Anstaltspersonal oder Polizeibeamte, als ausreichend angesehen worden war, führten verschiedeneFluchten und Fluchtversuche einerseits und der mit einer ausreichenden Bewachung verbundene Aufwand anderseits 1971 zur Schaffungder Bewachungsstation im Inselspital in Bern und 1977 zur Einrichtung einer besonders gesicherten Spitalabteilung im UniversitätsspitalGenf. Die Erfahrungen, insbesondere mit der Bewachungsstation desInselspitals in Bern, bestätigten die in die neuen Einrichtungen gesetzten Erwartungen: Behandlungsbedürftige Gefangene konnten vom
[p. 1051]vollständigen Angebot eines grossen und vielseitigen Spitals profitieren, ohne dass dies mit erhöhtem Fluchtrisiko verbunden gewesenwäre, und die dafür erforderlichen Sicherheitsvorkehren verursachtennicht den hohen Aufwand einer Einzelbewachung rund um die Uhr ineiner normalen Spitalabteilung.
Die Bewachungsstation des Inselspitals in Bern, die in ursprünglichals geschützte Operationsstelle für den Zivilschutz vorgesehenen undweitgehend in unterirdischen Räumlichkeiten eingerichtet wurde, verfügt über fünf Krankenzimmer mit zwei Betten und ein Reservezimmer, in dem weitere zwei Gefangene untergebracht werden können.Die medizinische Versorgung erfolgt wie bei den übrigen Abteilungendes Inselspitals, wobei für die Pflege eine Oberschwester und zweiSchwestern oder Pfleger der Station fest zugeteilt sind. Für Leitungund Bewachung sind 15 Personen tätig, die der bernischen Kantonspolizei unterstellt sind.
Das «Quartier cellulaire» im Universitätsspital Genf verfügt überzehn Betten. Für Pflege und Bewachung stehen 15 Angestellte zur Verfügung, die dem medizinischen Dienst des UntersuchungsgefängnissesChamp-Dollon in Genf angehören und damit auch dort eingesetztwerden können.
Die Bewachungsstation im Inselspital in Bern hat seit ihrer Einrichtung immer auch Gefangene aus anderen Kantonen aufgenommen. Der Kanton Zürich weist mangels einer entsprechenden eigenenEinrichtung alle Untersuchungs -, Sicherheits- und Strafgefangenen,bei denen dies aus Sicherheitsgründen erforderlich ist, zur Spitalbehandlung in diese Abteilung ein. Dies hat, abgesehen von vereinzelten Fällen, in denen die Belegung der Bewachungsstation eine kurzfristige Verschiebung des Eintrittstermins erforderte, und von einemFall, in dem erst Verhandlungen zwischen der Polizeidirektion desKantons Bern und der Justizdirektion des Kantons Zürich nach ursprünglicher Weigerung die Aufnahme eines Gefangenen im Hungerstreik in die Bewachungsstation ermöglichten, zu keinen Schwierigkeiten geführt. Trotz dieser fast völlig reibungslosen Zusammenarbeithaben sich aber aus dem Umstand, dass der Kanton Zürich über keineeigene Einrichtung dieser Art verfügt, erhebliche Nachteile ergeben:
[p. 1052]- Jede Einweisung in die Bewachungsstation des Inselspitals ist miterheblichem Transportaufwand für die Kantonspolizei verbunden,da die Verlegung dorthin regelmässig nicht per Bahn erfolgen kannund immer wieder einen begleiteten Transport mit Krankenwagenerfordert.
- Die Distanz zwischen Zürich und Bern schliesst - wenn nicht einkostspieliger Helikoptertransport erfolgen soll - eine direkte Verlegung in die Bewachungsstation bei Notfällen aus. Ist die Behandlung äusserst dringlich, muss zuerst eine Einlieferung in ein zürcherisches Spital erfolgen, und erst nach Behandlung und einem mitBewachungsaufwand verbundenen kurzen Aufenthalt kann dieVerlegung nach Bern erfolgen.
- Eine 1997 bei den Gefängnisärzten durchgeführte Umfrage ergab,dass verschiedentlich wegen der Umtriebe und Kosten der Verlegung in die Bewachungsstation im Inselspital in Bern auf eine ansich wünschbare Spitaleinweisung verzichtet worden war. Selbstverständlich war dies in allen Fällen medizinisch vertretbar; dieGefängnisärzte hätten trotzdem in diesen Fällen eine Abklärungoder Behandlung in einem Spital vorgezogen.
- Für den Aufenthalt in der Bewachungsstation wird ein Tagesansatzvon Fr. 650 in Rechnung gestellt. Der Anteil von Fr. 125 für dieBewachung ist angemessen; die eigentliche Spitaltaxe liegt erheblich über den innerkantonalen Ansätzen.
Neben diesen bei jeder Einweisung zumindest teilweise vorhandenen Nachteilen besteht ein grundsätzliches Risiko, das sich bis heutezwar nie verwirklicht hat, angesichts der möglichen Folgen aber nichtunterschätzt werden darf: Nachdem auch in keinem anderen Kantonder ostschweizerischen Vereinbarung über den Strafvollzug eine Spitalabteilung für Gefangene zur Verfügung steht, muss der Kanton ZürichGefangene, bei denen dieser Sicherheitsstandard erforderlich ist, füreine Spitalbehandlung zwingend in die entsprechende Abteilung inBern einweisen. Eine Betriebsstörung beispielsweise durch einenBrand oder eine volle Belegung der 12 Plätze der Bewachungsstationdes Inselspitals kann genau dann zusätzliche Aufnahmen ausschliessen, wenn der Kanton Zürich dringendst darauf angewiesen wäre, einegrössere Gruppe von Gefangenen dort unterzubringen. Ein solcherBedarf kann bei einem grösseren Unfallgeschehen, wie beispielsweiseim Zusammenhang mit einem Brand in einem Gefängnis, oder im Zusammenhang mit schweren ansteckenden Erkrankungen, zum Beispiel der heute wieder vermehrt auftretenden offenen Tuberkulose,eintreten. Wäre der Kanton Zürich nur für wenige Gefangene verantwortlich, wäre ein solches Risiko vielleicht hinnehmbar; in seinen Gefängnissen und Anstalten ist aber mit über 1350 Gefangenen knapp ein
[p. 1053]Viertel der gesamten schweizerischen Gefängnispopulation untergebracht. Wird zusätzlich berücksichtigt, dass es sich dabei mit Ausnahme der etwas mehr als 100 Insassen der ArbeitserziehungsanstaltUitikon und der Kolonie Ringwil der Strafanstalt um Gefangene handelt, die in geschlossenen Institutionen inhaftiert sind und grösstenteilsauch bei einer Spitaleinweisung entsprechend unterzubringen sind,kann das erwähnte Risiko längerfristig nicht hingenommen werden.
Solche Überlegungen haben die Justizdirektion zusammen mit derKantonspolizei schon 1988 dazu bewogen, die Gesundheitsdirektionum die Schaffung einer Bewachungsstation in einem geeigneten Spitalim Kanton Zürich zu ersuchen. Dabei wurde zur besseren Auslastungund gleichzeitigen Lösung eines weiteren Problems angeregt, dieseBewachungsstation auch als Anlaufstation und Basis für die beimheutigen Ablauf mit erheblichen Risiken verbundenen Einzelvorführungen zur ambulanten Behandlung zu verwenden. Die Gesundheitsdirektion hat daraufhin vorgesehen, fünf besonders gesicherte Einzelzimmer für Gefangene in die Planung für das Universitätsspitalaufzunehmen. Damit wäre die Hospitalisierung von Gefangenenetwas erleichtert worden; schon in mittlerem Grad fluchtgefährlicheInhaftierte hätten aber zusätzlich bewacht werden müssen, sodass mitdiesen gesicherten Zimmern kein tauglicher Ersatz für eine Bewachungsstation geschaffen worden wäre.
1995 wurde die Schaffung einer eigentlichen Bewachungsstation indie Spitalplanung aufgenommen. Wenig später zeichnete sich für denKanton die Möglichkeit ab, die Liegenschaft des Rotkreuzspitals zuerwerben. 1997 wurde überprüft, ob dort eine gesicherte Spitalstationfür Gefangene mit vertretbarem Aufwand erstellt werden könnte. 1998wurde dieses Vorhaben dann in die Machbarkeitsstudie für die Verwendung der Liegenschaft des Rotkreuzspitals nach einem Erwerbdurch den Kanton aufgenommen, doch mussten diese Planungsarbeiten und damit auch die Bearbeitung des Projekts für eine Bewachungsstation anfangs 1999 eingestellt werden, weil die Stiftung «Schwesternschule und Krankenhaus vom Roten Kreuz Zürich-Fluntern» nichtmehr zu einem Verkauf ihrer Liegenschaft an den Kanton Zürich bereit war. Die Gesundheitsdirektion nahm darauf eine neue Machbarkeitsstudie für eine Bewachungsstation für Gefangene in Angriff, dieim Sommer 1999 abgeschlossen werden und die Grundlage für einengemeinsamen Entscheid der beteiligten Direktionen über das weitereVorgehen bilden soll. Dann wird auch mit den übrigen Kantonen der
[p. 1054]ostschweizerischen Strafvollzugsvereinbarung zu klären sein, ob eineSpitalabteilung für Gefangene im Kanton Zürich als Konkordatsbetrieb allen Mitgliedskantonen zu öffnen ist, um für eine bessere Auslastung und damit eine grössere Wirtschaftlichkeit zu sorgen.
In zeitlicher Hinsicht besteht damit nach wie vor Ungewissheit darüber, wann das Projekt einer Bewachungsstation für Inhaftierte imKanton Zürich verwirklicht werden kann. Dagegen wird das Bedürfnisfür eine solche Einrichtung heute anerkannt, und es geht lediglichdarum, auf Grund der laufenden Abklärungen Grösse, Struktur undBetriebsform genau festzulegen und den Entscheid darüber zu treffen,bei welchem der dafür in Frage kommenden grossen Spitäler im RaumZürich und Winterthur die besten Voraussetzungen für Einrichtungund Betrieb einer Spitalabteilung für Gefangene gegeben sind. Danach ist die Projektierung und die Ausarbeitung eines Kreditantragesmöglich, und das Vorhaben kann in die Investitionsplanung aufgenommen werden. Diese Arbeiten werden einige Zeit beanspruchen; eskann jedenfalls nicht damit gerechnet werden, dass auch bei einer Verlängerung der Frist für die Behandlung des Postulats bis zum Vorliegenvon Bericht und Antrag an den Kantonsrat bereits auf ein konkretesProjekt abgestellt werden könnte. Ohne ein solches und ein detailliertes Betriebskonzept sind auch verlässliche Angaben zu Bau- und Betriebskosten nicht möglich.
Auch wenn der Kanton Zürich bis heute für eine Hospitalisierungvon Gefangenen nur über die Möglichkeit einer Einweisung in die Bewachungsstation des Inselspitals in Bern verfügte, ohne dass sich daraus nicht hinzunehmende Nachteile ergaben, ist das Fehlen einer entsprechenden Einrichtung im Kanton Zürich mit einem erheblichenRisiko verbunden. Dieses ist angesichts des Umstandes, dass in denAnstalten und Gefängnissen des Kantons Zürich rund ein Viertel derschweizerischen Gefängnispopulation untergebracht ist, längerfristignicht hinnehmbar. Nach dem Scheitern des Vorhabens für den Erwerbder Liegenschaft des Rotkreuzspitals in Zürich, in der eine Bewachungsstation für Gefangene hätte untergebracht werden können,wird nun durch die Gesundheitsdirektion eine Machbarkeitsstudieausgearbeitet, die als Grundlage für en Entscheid über das weitereVorgehen dienen soll. Dafür wie für die anschliessende Ausarbeitungeines Projektes wird noch einige Zeit erforderlich sein, doch kannheute davon ausgegangen werden, dass eine solche Spitalabteilung fürGefangene, die nach Möglichkeit auch von den übrigen Kantonen derostschweizerischen Strafvollzugsvereinbarung genutzt werden soll, in-
[p. 1055]nert nützlicher Frist realisiert werden kann, sofern die Finanzplanungdies zulässt.
Gestützt auf diesen Bericht beantragt der Regierungsrat dem Kantonsrat, das Postulat KR-Nr. 272/1995 als erledigt abzuschreiben.
Im Namen des RegierungsratesDie Präsidentin:
Der Staatsschreiber:Diener
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