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Staatsarchiv des Kantons Zürich

Zentrale Serien seit 1803 online: Kantonsratsprotokolle

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SignaturStAZH MM 24.123 KRP 1988/080/0005
TitelPostulat Dr. Ueli Mägli (SP, Zürich), Vreni Müller-Hemmi (SP, Adliswil) und Thomas Büchi (GP, Zürich) vom 1. Februar 1988 betreffend den Ausbau der Lehrerfortbildungskurse im Bereich der Umwelterziehung (schriftlich begründet) KR-Nr. 42/1988, RRB-Nr. 1508/11.5.1988 (Stellungnahme)
Datum28.11.1988
P.5115–5126

[p. 5115] Fortsetzung der Beratungen

S. Huggel (EVP, Hombrechtikon): Das vorliegende Postulat fordert, wie Sie wissen, den Ausbau der Lehrerfortbildung, der Kurse zum Thema Umwelterziehung. Im Zusammenhang mit dem bereits angelaufenen Langschuljahr oder Kurzschuljahr, wie immer man das handhabt, auf das der Vorstoss ja eingeht, hat dieses Postulat wohl im heutigen Zeitpunkt keine Bedeutung mehr. Hingegen war zu untersuchen, welchen Stellenwert Umwelterziehung in der allgemeinen Lehrerbildung einnimmt. Da gehen die Meinungen auseinander.

Sie erinnern sich vielleicht an die letzte Diskussion zu diesem Thema und haben vielleicht auch das entsprechende Protokoll nachgelesen. In jedem Fall ist darauf hinzuweisen, dass gerade beim Thema Umweltschutz der Einfluss der Schule auf das Familienverhalten sehr, sehr gross [p. 5116] ist. Kinder vermögen mit viel Überzeugungskraft die Familie zu motivieren. Klar hat das ja auch der KEZO-Lehrer, der den sogenannten Güselunterricht erteilt, immer wieder bestätigt.

Nun zur Frage der Notwendigkeit eines Vorstosses zur Verbesserung der Weiterbildung zu diesem Thema: Vor mir liegt ein Zeitungsartikel über den Entwurf eines Expertenberichtes zum Thema Umwelterziehung an Schweizer Schulen. Es ist dies ein Auftrag der Erziehungsdirektorenkonferenz. Frau Müller hat letztes Mal bereits darauf hingewiesen. Was ich da lese, beunruhigt mich doch sehr. Es heisst, Umwelterziehung sei oft in unseren Schulen nur ein zufälliges Nebenprodukt, und solange keine konkrete Verpflichtung bestehe, Umwelterziehung zu erteilen, bleibe es ein modisches Randthema. Es heisst, dass es bis heute keine kantonale Stelle gibt mit dem Auftrag, Umwelterziehung zu fördern, und es wird davon gesprochen, dass es keine genügenden Lehrmittel gibt und viel zu wenig Finanzen. Unterdessen liegt ja auch die Stellungnahme der Erziehungsdirektorenkonferenz vor, und hier wird festgehalten, dass die Erziehungsdirektoren keine gesamtschweizerischen Aktivitäten planen. Die Kantone sollen hier reagieren. Diese Meinung wundert mich eigentlich doch sehr. Erst kürzlich wurden wir von der gleichen EDK zu gesamtschweizerischem Schuldenken aufgefordert, zur Koordination. Sie erinnern sich, dass dies im Zusammenhang mit der Einführung des Frühfranzösisch oder des Frühdeutsch der Fall war. Bei der Umwelterziehung ist nun offenbar die kantonale Schulhoheit sehr zentral. Machen denn unsere Umweltprobleme an den Kantonsgrenzen halt? Da habe ich doch etwas Mühe, und es stellt sich die Frage, ob der EDK denn das Frühfranzösisch oder das Frühdeutsch wichtiger als die Umwelterziehung ist.

Die Schonung unserer Umwelt und Mitwelt und der Umgang im Alltag mit diesen Problemen, das Wecken eines Bewusstseins beim Kind und beim Schüler ist doch wahrhaftig eine dringende, wichtige und gesamtschweizerische Aufgabe. Bevor wir in unserer Fraktion die Notwendigkeit des vorliegenden Postulats beurteilen, möchten wir von unserem Erziehungsdirektor wissen, welche Konsequenzen er für unseren Kanton aus diesem Bericht ziehen wird. Der Bericht ist ein Auftrag der Erziehungsdirektorenkonferenz, also muss er doch an jener Stelle, nämlich in der Erziehungsdirektion, begutachtet und beherzigt werden. Deshalb bitte ich unsern Erziehungsdirektor um konkrete Folgerungen.

Dr. U. Mägli (SP, Zürich): Die Zweiteilung dieser Diskussion macht es natürlich etwas mühsam, nun auf früher geäusserte Argumente zurückzukommen. Ich will es trotzdem versuchen. Es wurde in der Diskussion vor rund vier Monaten betont, dass man im Prinzip ja schon für [p. 5117] Umwelterziehung sei, aber diese konkrete Massnahme sei nicht nötig, also schön im Stil von Radio Eriwan: Im Prinzip ja, aber hier doch nicht. Im Bereich der Umwelterziehung, angesichts der prekären Umweltsituation, müssen doch alle Schritte, welche in die richtige Richtung laufen, unterstützt werden. Es wurde gesagt, der Lehrer müsse eben als Vorbild wirken. Das ist sehr richtig. Ich glaube, ein Lehrer, der in seinem Verhalten und in seinem Handeln umweltgerecht lebt, kann sehr viel mehr erreichen, als dies Hochglanzbroschüren in der Lage sind. Aber gerade weil der Lehrer eine so wichtige Funktion als Vorbild hat, ist die Überweisung dieses Postulats wichtig.

Von Frau Longoni wurde bezweifelt, dass das Angebot an Lehrerfortbildungskursen im Bereich der Umwelterziehung so klein sei. Ich muss sagen, dass ich hier keine Veranlassung habe, den Angaben der Regierung, dass eben für die Volksschullehrer im Langschuljahr 1988/89 gerade zwölf Kurse in diesem Bereich angeboten werden, zu zweifeln. Gerade immer hat die Regierung ja auch nicht Unrecht. Ich möchte zudem betonen, dass an der Berufsschule 1988 kein einziger Kurs in diesem Themenbereich angeboten wurde.

Im weiteren wurde behauptet, dass Umweltschutzorganisationen gar nicht an einer Zusammenarbeit mit der Lehrerfortbildung interessiert seien. Das muss klar zurückgewiesen werden. Diese Bereitschaft besteht. Sie müssen von den entsprechenden Institutionen nur in Anspruch genommen werden, und dieser Wille ist eben bis heute nicht genügend vorhanden. Herr Bolli bringt wieder einmal das abgedroschene Schlagwort vom Einrennen der offenen Türen ins Spiel. Nehmen wir diese recht phantasielose Metapher einmal beim Wort: Möglicherweise sind die Türen im Bereich der Umwelterziehung tatsächlich offen. Wenn aber der Raum, zu dem der Eintritt so schön offen ist, unmöbliert, ungeheizt, unwirtlich ist, so lässt sich eben darin nicht wohnen. Im Klartext: Das Angebot an Kursen im Bereich der Umwelterziehung ist einfach ungenügend. Das kann nicht wegdiskutiert werden. Wenn sich Herr Bolli auf Pestalozzi beruft, so kann ich ihn nur unterstützen. Nur bin ich im Unterschied zu Herrn Bolli der Meinung, dass Pestalozzi heute eben der Umwelterziehung in seiner Schule einen sehr hohen Stellenwert zumessen würde. Ich glaube, Herr Pestalozzi würde für dieses Postulat aufstehen.

Es wurde auch noch betont, dass es doch gar nichts bringe, wenn nun noch einmal in Kursen über Umwelt gesprochen werde. Das ändere ja doch nichts. Dieser Meinung bin ich auch. Ich glaube, dass eben die Umwelterziehung sehr anders angelegt werden müsste, eine Umwelterziehung quasi im Sinne von Pestalozzis Kopf, Herz und Fuss beispielsweise. Ich kann Ihnen nur ein Beispiel nennen, wie meiner [p. 5118] Meinung nach Umwelterziehung wirksam sein könnte, eben nicht in papierenen Schlagworten, sondern in Aktionen, die umweltgerechtes Handeln einschliessen. Beispielsweise könnte ich mir Kurse vorstellen über umweltgerechten Tourismus. Mit andern Worten: Statt von Tiefgarage zu Tiefgarage in die Ferien zu fahren, statt die schlechte Luft von Zürich gegen die nur unwesentlich bessere Luft von Davos zu vertauschen, statt in Anlehnung von städtischen Siedlungen ähnlich städtisch zersiedelte Ferienzentren zu schaffen, statt den Luxus, den wir uns in Zürich zum Teil leisten, in den Ferienzentren blindlings und stereotyp zu kopieren, liessen sich ganz andere, dezentrale Formen von Tourismus in der Schweiz denken, wenn Sie die Natur schonen, die Landschaft erhalten, auf die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung Rücksicht nehmen und die Bodenpreise nicht in für Einheimische unerschwingliche Höhen hinaufklettern lassen.

Solche Formen von umweltschonendem Tourismus könnte zum Beispiel in einem Projekt der Lehrerfortbildung behandelt werden, eben nicht so, dass Umwelterziehung in Form von Referaten und Tonbildschauen in klimatisierten Sälen in Zürich konsumiert würde, sondern dass die Lehrer Gelegenheit hätten, selber zu handeln, Augenschein zu nehmen an Orten, die mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuss erreicht werden können, den Erholungswert von Orten geniessen, welche noch nicht durch Beton verschandelt und durch die Technik des Tourismuskommerzes aus dem Gleichgewicht gebracht wurden. Im Gespräch mit Einheimischen könnten die wirklichen Probleme von Randregionen kennengelernt werden. Man könnte Unterkünfte benützen, welche nicht den maximalen Komfort bieten, die sich dafür in der Bauweise dem traditionellen Stil anpassen, eine umweltschonende Energieversorgung aufweisen und mit dem öffentlichen Verkehrsmittel erreichbar sind. Das ist nur ein Beispiel, wie solche Projekte für die Umwelterziehung in der Lehrerfortbildung angelegt sein könnten: zu praktischem, umweltgerechtem Handeln anleiten und nicht einfach nur auf dem Papier das Problem zerreden.

Nun sagen Sie nicht, das geschehe heute schon in breiter Weise. Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe selber erfahren müssen, dass ich mit einem ähnlichen Projekt in den Berufsschulen auf den grössten Widerstand gestossen bin. Ich meine, Umwelterziehung in einer Situation, wie sie beispielsweise die Schüler in Wipkingen am Schulhaus Nordstrasse erleben müssen – da müssen Sie nicht mehr viel erzählen. Diese Kinder geniessen den Unterricht in einer Luft, die so schadstoffbelastet ist, dass die Grenzwerte trotz Filteranlagen stark überschritten werden. Solchen Kindern könnte man praktische Umwelterziehung bereits im Schulhaus selber anbieten. Dort sind es dann bereits Kurse, die zum Überleben [p. 5119] dienen. Man könnte sich hier Smogferien überlegen, den Einsatz der Gasmaske im Unterricht oder eben die Verlegung des Unterrichtes in den Wald.

Nun mögen Sie sagen, das seien zynische Beispiele, aber sie sind leider von der Wirklichkeit bereits fast eingeholt worden. In diesem Sinn finde ich es wichtig, dass die wenigen Schritte, die heute unternommen werden, im Bereich der Umwelterziehung gefördert werden. Ein Postulat dient ja als kleiner Schritt in dieser Richtung.

Dr. A. Heinimann (FDP, lllnau-Effretikon): Ich möchte besonders die seinerzeit und auch heute von Herrn Mägli und das letzte Mal von Herrn Büchi aufgezeigte Situation betreffend die Berufsschullehrer in umwelterzieherischen Belangen korrigieren. Die Ausbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich sind entgegen der Meinung der beiden Votanten sehr vielfältig und werden auf drei verschiedenen Stufen angeboten. Auf Bundesebene ist Umwelterziehung am Schweizerischen Institut für Berufspädagogik im Lehrplan für die Berufsschullehrer integriert, einmal in die Fächer Wirtschafts- und Staatskunde. Dazu werden während eines Semesters zwei Wochenstunden spezifisch der Thematik Ökologie gewidmet, und im letzten Semester der Lehrerausbildung werden Umweltprobleme auch im Rahmen der Didaktik des fächerübergreifenden Unterrichts berücksichtigt. Zwei wöchentliche Kurse im Bereich Umwelterziehung sind dieses Jahr vom Schweizerischen Institut für Berufspädagogik angeboten worden. Herr Mägli kann das nachlesen und kann auch nachfragen. In einem Kursbuch dieses Institutes finden wir für 1988/89 etwa 20 einschlägige Veranstaltungen, die in verschiedenen Kantonen abgehalten und auch als empfehlenswert aufgeführt werden. Auf kantonale Ebene waren im Programm Intensivfortbildung für Berufsschullehrer 1988 zwei Tage der umwelterzieherischen Problematik gewidmet.

Das im Zusammenhang mit dem Spätsommerschulbeginn vorliegende kantonale Projekt für Berufsschullehrerfortbildung enthält für 1989 unter dem Titel Mensch und Umwelt rund ein Dutzend Kurse umwelterzieherischer Art. Dabei ist unter anderem auch der Name des Postulanten Herr Mägli als Kursleiter angeführt. Sie sehen, dass Sie die Möglichkeit haben, hier sehr initiativ selbst mitzuwirken. Sie müssten also zumindest darüber Bescheid wissen, was auf kantonaler Ebene allein in Verbindung mit dem Spätsommerschulbeginn an Kursen dieser Art geplant ist. Zu erwarten gewesen wäre, dass Sie, Herr Mägli, und auch Herr Büchi, beides Berufsschullehrer, sich darüber hinaus auch beim SIBP erkundigt hätten, wie es um die entsprechende Ausbildung auf Bundesebene steht.

[p. 5120] Auf einer dritten Ebene, der schulinternen, ist es der Initiative der einzelnen Berufsschulen anheimgestellt, Kurse ökologischer Art für Lehrer durchzuführen. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung versichern, dass dafür ebenso grosszügige Unterstützung von seiten des Amtes für Berufsbildung des Kantons Zürich gewährt wird, wie das beispielsweise bei der Durchführung von sogenannten Informatikkursen der Fall ist. Diese Bemerkung sei speziell an Herrn Büchi gerichtet, der das letzte Mal etwelche Zweifel geäussert hat, ob auch die Informatik allenfalls als wertvoller betrachtet werde als zum Beispiel umwelterzieherische Belange. Das ist nach meiner Erfahrung nicht der Fall. Im übrigen hätten die Postulanten bei der Erziehungsdirektion leicht in Erfahrung bringen können, dass der entsprechenden Ausbildung für Volks- und Mittelschullehrer ebenfalls massgebliche Beachtung geschenkt wird. Mit etwas sorgfältigerer Vorarbeit hätte dieser Vorstoss überhaupt vermieden werden und damit eine zusätzliche Belastung von Verwaltung und Parlament ausbleiben können.

Im Bereich der umwelterzieherischen Fortbildung von Lehrern liegt es doch vor allem an der Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Lehrkräfte, vom vielfältigen Angebot Gebrauch zu machen und auch aktiv an dessen Ausgestaltung mitzuwirken und nicht daran, dass ein zu geringes Kursangebot besteht, wie die Postulanten dies behaupten. In diesem Zusammenhang wäre zum Beispiel mehr eigene ökopraktische Basisarbeit allemal wertvoller und vorbildlicher als eine ökopolitische Publizitätsentfaltung mit an sich unnötigen parlamentarischen Vorstössen. Ich bitte Sie deshalb, den regierungsrätlichen Antrag auf Nichtüberweisung des Postulats zu unterstützen.

G. Camenisch (GP, Freienstein): Ob Lehrer eine Weiterbildung benötigen, und das ausgerechnet im Bereich des Umweltschutzes, kann man sich wohl fragen, heute, in einer Zeit, in der jeder alles weiss. Anhand eines Beispiels möchte ich aber doch die Berechtigung einer Umwelterziehung erläutern, ein Beispiel, das sich vor meiner Haustüre abgespielt hat, und zwar vor ungefähr drei Wochen.

Ich wohne am Rande der Bauzone, habe zwei Nachbarn, einen jungen, tierliebenden Familienvater, der sich bei genügendem Platz viele Tiere hält, Hühner, Enten, Schafe und auch eine Ziege. Der Nachbarin ist das allerdings nicht ganz behaglich, und aus irgendeinem Grunde ist sie bei der Polizei vorstellig geworden. Die Polizei hat die Beschwerde weitergeleitet an den Tierschutzverein, worauf umgehend ein Vertreter auf dem Platz erschienen ist und einen Augenschein genommen hat. Sofort ist er zu mir gekommen, und zwar, weil die Frau des Tierhalters, eine Peruanerin, nicht deutsch spricht.

[p. 5121] Er hat mir erklärt, da bestünden gewisse Schwierigkeiten. Er habe zum Beispiel die Sitzstangen der Hühner kontrolliert und mit dem Meter nachgemessen und festgestellt, dass eines dieser zwölf Hühner keinen Sitzplatz habe, worauf ich ihm den grossen Auslauf und die vielen Sitzmöglichkeiten dieser Hühner gezeigt habe. Dann hat er ein anderes Problem angezogen und gesagt, der Schafbock, der sich unter diesen Schafen befinde, sei sehr mager, sehe kränklich aus und sei nicht vital. Er hat zugefügt, viel schöner sähen die Schafe aus, sie seien rund, korpulent und machten ihm einen sehr guten Eindruck. Da musste ich den Kopf schütteln. Ich habe ihm gesagt, dass die Schafe noch nicht geschoren sind, während der Bock vor zwei Tagen geschoren worden sei. Er hat dann die Augen gross aufgemacht und den Mund und brachte ihn kaum mehr zu.

Dieser Mann kennt sich sehr gut im Bereich des Umweltschutzes aus. Er kennt auch das Umweltschutzgesetz. Da müssen wir ihm überhaupt keine Vorwürfe machen. Er kennt aber die Natur nicht und kann nicht ein gesundes von einem kranken Tier unterscheiden. Das aber kann man ihm nicht zum Vorwurf machen. Die meisten unserer Einwohner haben da Schwierigkeiten. Sie leben wohl nach dem Buchstaben, aber was sich in der Natur abspielt, kennen sie nicht. Sie sind wohl Theoretiker, aber nicht Praktiker. Sie sollten die Natur erleben, erfahren. Das gilt auch für die Lehrer. Ich zähle mich auch dazu. Darum möchte ich Sie bitten, dieses Postulat zu überweisen, mit dem Hinweis darauf, dass praktische Kurse für die Lehrer eingeführt werden sollten, praktische Fortbildungskurse mit der Betonung auf die Praxis, damit sie ihren Kindern nicht nur Theorie beibringen.

V. Müller-Hemmi (SP, Adliswil): Mein Hauptargument vor fünf Monaten, als wir dieses Postulat zu diskutieren begannen, war folgendes: Ich verwies auf die erste interkantonale Tagung für Umwelterziehung der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz. Frau Huggel hat es vorhin aufgegriffen. Ein Plus der langen Pause, die wir hatten, um das Postulat nun hoffentlich heute fertig zu beraten und hoffentlich auch zu überweisen, ist, dass ich ein neues Argument dazubekommen habe, und zwar genau auch von der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz.

Die Plenarversammlung der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz verabschiedete im Oktober mit breiter Zustimmung Thesen, wie die Umwelterziehung gefördert werden soll. Im wesentlichen verlangen diese Thesen, dass die Umweltschutzerziehung als fächerübergreifendes Prinzip auf allen Schulstufen stärker in den Unterricht, in die Lehrpläne und Lehrmittel Eingang findet. Ferner soll die Aus- und Weiterbildung [p. 5122] der Lehrer in diesem Bereich intensiviert werden. Die Tatsache, dass auf der Ebene der EDK erkannt ist, dass Aus- und Weiterbildung ausgebaut und intensiviert werden müssen, untermauert doch gerade die Forderung unseres Postulats. Ich möchte nochmals unterstreichen, dass damit nicht offene Türen eingerannt werden. Der Untersuchungsbericht der EDK hat klar aufgezeigt, dass auch im Kanton Zürich ein Konzept für ein Kursangebot dringend nötig ist. Es fehlt heute, und die Eigeninitiative der Lehrkräfte hat eben bis heute nichts oder zu wenig gebracht. Das weiss Herr Heinimann, und das wird in diesem Untersuchungsbericht klar bestätigt. Im neuen Lehrplan soll ja die Wechselbeziehung Mensch–Umwelt mehr Gewicht erhalten. Es soll ihr mehr Raum eingeräumt werden. Unser Postulat zeigt ja gerade einen Weg auf, wie dies erreicht werden soll.

Zusammengefasst: Der Bericht der Fachgruppen der EDK, die Thesen der EDK-Plenarsitzung vom Oktober untermauern unsere Anregung und die Zielsetzung unseres Postulats. Ich kann nicht verstehen, wie Votanten verschiedener Parteien diese Tatsachen nicht berücksichtigen, negieren. Ich verstehe auch nicht, warum der Regierungsrat, im speziellen der Erziehungsdirektor, unser Postulat nicht als willkommene Unterstützung eben gerade zur Erreichung der Ziele des neuen Lehrplans entgegennehmen will.

Th. Büchi (GP, Zürich): Ich möchte auf einen Aspekt hinweisen, der ja im Postulat selbst zum Ausdruck kommt und der ein Hauptgrund ist, warum ich das Postulat mitunterzeichnet habe. Dass nur ein Regierungsrat da ist, mag angehen im Sinne der Arbeitsökonomie. Es müssen sicher nicht zwei Regierungsräte anwesend sein. Hingegen muss es doch bedenklich stimmen, wenn auch im Postulat nur der Erziehungsrat und die Direktion des Erziehungswesens Antwort geben, nicht auch die Volkswirtschaftsdirektion, der wir ja seit dem 1. Mai als Berufsschule unterstehen. Es ist schwierig, weil es um subtile Dinge geht. Herr Heinimann, wir haben nie behauptet, dass vom SIBP oder von der Volkswirtschaftsdirektion keine Unterstützung komme, wenn sich Lehrer, wie dies Herr Mägli tut, für Umwelterziehung in der Lehrerbildung oder im Freifachangebot stark machen. Ich verweise aber auf das Beispiel der Informatik, das ja Herr Regierungsrat Künzi während drei, vier Jahren an jeder Berufsschullehrerkonferenz betonte, darüber Referate hielt, wie wichtig der Anschluss sei, während die Volkswirtschaftsdirektion nicht müde wurde, ein Unterrichtsmaterial zur Verfügung zu stellen, das seinesgleichen im Berufsschulunterricht sucht. Das Blackbox-Programm ist sehr umfassend. Da wurden Materialien, Arbeitsblät- [p. 5123] ter pfannenfertig den Lehrern zur Verfügung gestellt. Das ist ja heute bereits ein Diskussionspunkt. Ich habe vor mir den Bericht zum Blackbox-Programm, den Sie wahrscheinlich auch gelesen haben und der ja zum Schluss kommt, man habe hier vielleicht zu schnell zu perfekte Materialien geliefert, weil gewisse Zielsetzungen bereits von der Entwicklung überrollt wurden.

Um diese subtile Gewichtung innerhalb der Regierung geht es mir in der Forderung, bei den Berufsschulen die Gewichtung anders vorzunehmen. Wenn Sie heute sagen, im Programm 1989 des SIBP habe es mehr Umweltkurse, dann freut mich das. Hoffentlich freut es auch Sie. Das ist bereits ein kleiner Anstoss. Ich unterstelle der Regierung nicht, dass sie hier nicht den Willen habe, etwas zu tun. Ein Postulat ist eine Aufforderung, eine Bitte an die Regierung, das vermehrt zu tun. Im Blatt des Amtes für 1989 sind unter den 16 Kursen zwei, die man wirklich als ökologisch bezeichnen kann. Man kann nicht einfach den Titel Mensch–Umwelt nehmen und dann alle Veranstaltungen dazuzählen.

Die Subtilität der Gewichtung geht ja so weit, dass bei gewissen Veranstaltungen, zum Beispiel der «Infel», die Eigenkosten bei 20 Franken veranschlagt werden, bei vergleichbaren Kursen zur Sonnenenergie ist dann eben der Teilnehmerbeitrag bei 50 oder bei 100 Franken. Es sind diese ganz feinen Indizien, die uns bewogen haben, die Regierung zu bitten, hier eine Umgewichtung, eine Initiative zu ergreifen. Ich bin mit Herrn Heinimann einverstanden: Wenn alle Lehrer wollen und zeitlich können, dann klemmt die Regierung hier nicht ab, aber die Informatik hat uns gezeigt, dass die Regierung auch als Vordenker, als Vorschreiter eine wichtige Zugpferdrolle spielen kann. Unsere Bitte, die wohl legal ist, auch ohne persönliche Angriffe, ist die, dass die Regierung im Umweltbereich das gleiche unternimmt.

A. Ganz (SVP, Wädenswil): In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit verzichte ich darauf, zum ersten Mal in diesem Rat und zum zweiten Mal zum gleichen Thema zu sprechen. Ich möchte einzig darauf hinweisen, dass sich nach der langen Zeit von fünf Monaten für unsere Fraktion keine neuen Aspekte ergeben haben, die uns veranlassen würden, auf unsere damalige ablehnende Haltung zurückzukommen. Im übrigen möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Frage von Frau Huggel, warum ein gesamtschweizerisches Projekt für Umwelterziehung am geschlossenen Widerstand der welschen Kantone gescheitert ist, ja auf meine Anfrage vom 31. Oktober sicher noch beantwortet werden wird.

Ratspräsident H. Hauser: Bevor ich nun dem Herrn Erziehungsdirektor das Wort erteile, gratuliere ich ihm zu seinem heutigen Geburtstag [p. 5124] recht herzlich, verbunden mit meinen besten Wünschen für – so hoffe ich – viele vor ihm liegende Jahre.

Regierungsrat Dr. A. Gilgen: Ich möchte mich ganz herzlich bedanken für die Gratulation. Ich kann Ihnen versprechen, dass ich mein Bestes tun werde.

Zum ersten habe ich eine Bemerkung zu den Äusserungen von Herrn Kantonsrat Büchi, warum ich allein hier bin und nicht auch der Herr Volkswirtschaftsdirektor anwesend ist. Es gibt in der Regierung so etwas wie eine Ökonomie der Kräfte, und Sie sehen, dass in dieser Antwort, zumindest in der Stellungnahme, die Berufsschullehrer mit erwähnt sind auf Seite 2. Daraus können Sie schliessen, dass die Antwort in der Regierung erst nach Rücksprache mit der Volkswirtschaftsdirektion beschlossen wurde. Wir können ja gelegentlich auch ohne doppelte Anwesenheit vorher miteinander reden.

Ein zweiter Punkt betrifft nahezu einen grundsätzlichen Aspekt. Vor allem Frau Huggel hat das angetönt. Es geht um die Frage, wer wen erzieht. Ich bin durchaus der Meinung, es sei Aufgabe der Schule, nicht nur Wissen zu vermitteln, Unterrichtsinhalte weiterzugeben, sondern auch, wie man so schön und modern sagt und wie es im Lehrplan steht, Handlungsziele oder Haltungen zu vermitteln. Bezüglich der Umweltgestaltung spielen diese Haltungen zweifellos eine grosse Rolle. Das ändert aber nichts an meiner grundsätzlichen Auffassung, dass es primär Aufgabe der Eltern ist, die Kinder zu erziehen, nicht die Aufgabe der Kinder, die Eltern zu erziehen. Es wurde ja nicht expressis verbis gesagt, aber die Gegenseitigkeit schimmert im Votum von Frau Huggel immerhin durch.

Unsere Volksschule, die Mittelschule und auch die Berufsschule ist nicht die Erziehungsinstitution für die ganze Nation. Es wird immer so sein, dass die Schule viel eher den Zustand der Gesellschaft widerspiegelt, als dass die Schule dazu benützt oder missbraucht werden soll, die ganze Nation zu erziehen, abgesehen davon, dass das auch nicht gelingen würde. Es ist meiner Ansicht nach auch nicht Aufgabe der Schule, bezüglich der Lebenshaltung und Lebensgestaltung von der Schule aus Konflikte zwischen Eltern und Kindern in das Leben der Familie hineinzutragen. Natürlich hat das, was die Kinder in die Familie hineintragen, auch Rückwirkungen auf das Verhalten der Eltern. In einer einigermassen aufgeschlossenen Familie soll es ja so sein, dass Eltern und Kinder auch den Lebensstil und die Lebenshaltung miteinander diskutieren. Abgesehen davon meine ich aber, dass die Verantwortung für die Erziehung klar bei den Eltern liegt.

[p. 5125] Im übrigen muss ich leider sagen, dass sich auch immer wieder zeigt, dass die Kinder zwar recht üppig sind, wenn es darum geht, den Eltern bezüglich Lebenshaltung Forderungen zu stellen, dass sie aber bezüglich der konsequenten Anwendung dann gelegentlich doch etwas zurückstehen. So kommt es immer wieder vor, dass Kinder von den Eltern verlangen, die Mutter dürfe nicht mit dem Auto einkaufen gehen, lassen sich dann aber selber recht gern von der Mutter per Auto in die Musikschule fahren. Die theoretische Konsequenz der Kinder ist grösser als die praktische.

Zu einem dritten Punkt bezüglich der Erziehungsdirektorenkonferenz: Die Erziehungsdirektorenkonferenz hat zur Frage der Umwelterziehung nicht einfach nein gesagt. Ich muss aber noch beifügen, dass ich an der Jahrestagung der Erziehungsdirektorenkonferenz, die im Oktober stattfand, diesmal nicht anwesend war, weil ich im Militärdienst war. Die Erziehungsdirektorenkonferenz ist durchaus bereit, das Thema Umweltschutz auf der Traktandenliste zu belassen. Es wird auch im nächsten oder übernächsten Jahr wieder eine Veranstaltung der Erziehungsdirektorenkonferenz stattfinden. Mehrheitlich wurde aber nicht gewünscht, dass auf Jahre hinaus regelmässige Veranstaltungen, so eine Art von zwei Zyklen, die alternierend, jedes zweite Jahr zur Durchführung gekommen wären. Hier hat man gesagt, man müsse den Kantonen den entsprechenden Freiraum für die Gestaltung belassen. Ich finde das auch im Prinzip richtig.

Zum Französischunterricht, der zum Vergleich herangezogen wurde: Auch im Französischunterricht hat die Erziehungsdirektorenkonferenz Empfehlungen und Richtlinien abgegeben, aber die Ausführung und Durchführung verbleibt zu Recht bei den einzelnen Kantonen. Darum gab es ja auch Abstimmungen in einzelnen Kantonen. Das Verhalten bezüglich Umwelterziehung und Französisch ist also nicht grundlegend verschieden.

Als letzte Bemerkung möchte ich Frau Müller-Hemmi sagen, warum ich das Postulat nicht entgegennehmen möchte. Es wird in diesem Postulat gefordert, das Angebot an Fortbildungsveranstaltungen zu vergrössern. Ich möchte das Postulat nicht entgegennehmen, weil ich, ähnlich wie Herr Heinimann, der Ansicht bin, dass das Angebot genügend gross ist. Es muss nur genutzt werden. Auch im Postulat war ja nicht die Rede davon, man müsse die Kurse obligatorisch erklären. Ich glaube, in kluger Voraussicht stand das nicht im Postulat. Das Angebot ist vorhanden. Wir wollen das Angebot auch weiterhin ausbauen und fördern, aber es muss auch benützt werden. Darum bin ich nicht für Entgegennahme des Postulats.

[p. 5126] Schlussabstimmung

Für die Überweisung des Postulats stimmen 58 Ratsmitglieder, gegen die Überweisung stimmen 85 Ratsmitglieder. Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Das Geschäft ist erledigt.

Hier werden die Beratungen abgebrochen.

Schluss der Sitzung: 12.25 Uhr.

Nächste Sitzung: Montag, 5. Dezember 1988, 8.15 und 14.30 Uhr (Doppelsitzung).

Zürich, den 28. November 1988

Die Sekretärin:

Elisabeth Bachmann

Vom Büro des Kantonsrates in seiner Sitzung vom 12. Januar 1989 genehmigt.