Signatur | StAZH MM 24.136 KRP 1993/111/0005 |
Titel | Einzelinitiative Marcel Achermann, Dietikon, vom 28. Oktober 1987 betreffend Unterstellung der Videotheken unter die Ladenschlussvorschriften des Ruhetags- und Ladenschlussgesetzes (Bericht und Antrag des Regierungsrates vom 19. April 1989 und Antrag der Kommission vom 22. März 1993) 2989a |
Datum | 17.05.1993 |
P. | 7097–7115 |
[p. 7097] Paul Zweifel (SVP, Zürich), Präsident der vorberatenden Kommission: Die Einzelinitiative Marcel Achermann wurde am 28. Oktober 1987 eingereicht. Am 16. November desselben Jahres wurde sie durch den Kantonsrat vorläufig unterstützt. Am 19. April 1989 folgte der Bericht des Regierungsrates mit dem Antrag, die Einzelinitiative nicht definitiv zu unterstützen. Am 19. September des gleichen Jahres fand eine erste Kommissionssitzung statt.
An der zweiten Sitzung vom Januar 1990 wurde beschlossen, die Beratung solange auszusetzen, bis die Regierung Bericht und Antrag über die Einzelinitiative Siegfried und die Motion betreffend Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten gestellt habe, welche ebenfalls unserer Kommission zur Beratung überwiesen wurden.
Grund für die Einreichung der Einzelinitiative Achermann war die Lärmbelästigung durch die Benützer einer Videothek in Dietikon ausserhalb der Ladenschlusszeiten. Eine von der Regierung in Auftrag gegebene Umfrage bei den Gemeinden zeigte, dass nur wenige diesbezügliche Reklamationen eingegangen sind. Die Regierung gibt zu [p. 7098] bedenken, dass nur ausleihende Videotheken der Ladenschlussverordnung nicht unterstellt sind. Betriebe, die sowohl vermieten wie auch verkaufen, unterstehen somit bereits jetzt den Ladenschlussvorschriften.
Seit der Einreichung der Einzelinitiative Achermann hat sich die Situation stark verändert. Zum Kauf angebotene Videokassetten wurden immer billiger und damit der Kauf gegenüber dem Mieten immer attraktiver. Damit haben Videotheken, die ausschliesslich vermieten, stark an Bedeutung eingebüsst und verschiedene ihren Betrieb geschlossen. Die bestehende Regelung hat den Vorteil, dass weiterhin Vermieten und Kaufen klar getrennt bleiben. Eine allfällige Annahme der Einzelinitiative schafft neue Ungerechtigkeiten in bezug auf Bibliotheken, Ludotheken, Schiff-, Fahrrad- und Motorfahrzeugvermietungen.
Während der Kommissionsarbeit kamen auch die Brutalo- und Porno-Videos zur Sprache. Die Fragen zu diesem Thema stehen jedoch in keinem Zusammenhang mit der Initiative. Man kam zum Schluss, dass durch die Unterstellung aller Videotheken unter die Ladenschlussvorschriften die Problematik der Videos nicht aus der Welt geschafft ist. Der Antrag der Kommission lautet: Die Einzelinitiative Achermann wird nicht definitiv unterstützt. Den Minderheitsantrag wird Herr Huonker begründen. Die SVP-Fraktion wird die Initiative grösstenteils nicht unterstützen.
Dr. Thomas Huonker (SP, Zürich) zur Begründung des Minderheitsantrags: Namens der Sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen Fraktion und als Vertreter des Kommissions-Minderheitsantrags rede ich zur Einzelinitiative Achermann, Dietikon, vom 28. Oktober 1987 – ich wiederhole: 1987! – betreffend Unterstellung der Videotheken unter die Ladenschlussvorschriften gemäss Antrag des Regierungsrates vom 19. April 1989 – ich wiederhole: 1989! – und gemäss Kommissionsantrag vom 22. März 1993.
Sie konnten sicher leicht nachrechnen, dass sich die Videothekenbetreiber während fünfeinhalb gesegneten und umsatzsteigernden Jahren hinter der Hinhaltetaktik unserer Regierung und der Kommissionsmehrheit verstecken konnten, um mit Öffnungszeiten bis um Mitternacht, inklusive Samstag und Sonntag, in profitabler Weise auf Zeitgeist und Konsumverhalten, insbesondere der jüngeren Generationen, einzuwirken.
Ich möchte erstens kurz begründen, weshalb ich den Betrieb von Videotheken, insbesondere nachts und während der Wochenenden, für nicht fördernswert halte; dies ganz im Unterschied und nicht in falscher [p. 7099] Gleichsetzung zum Betrieb von Theatern, Opernhäusern, Museen, Kinos und andern Kulturstätten. Zweitens muss ich die sehr argumentefaule, aber äusserst effiziente Hinhaltetaktik unserer Regierung kritisieren. Drittens werde ich Ihnen die allein schon durch ihr hohes Alter sehr ehrwürdige und wertvolle Einzelinitiative Achermann ganz herzlich zur Annahme empfehlen.
Alle Eltern von in Zürich schulpflichtigen Kindern erhielten im Frühjahr 1990, als die Einzelinitiative Achermann immerhin schon ein Alter von drei Jahren erreicht hatte, ein Merkblatt des Schulamtes. Es heisst darin: «Seit längerer Zeit haben Lehrer/innen und Erzieher/innen beobachtet, dass viele Kinder und Jugendliche zu Hause mit oder ohne Wissen der Eltern Videofilme mit brutalem oder verrohendem Inhalt anschauen. Von Psychologen, Polizei und Gerichten wurde bis jetzt ein beunruhigender Zusammenhang zwischen brutalem Verhalten bis hin zu Verbrechen und dem Konsum harter Brutalo- und Pornovideos festgestellt.» Diese amtliche Verlautbarung trifft den Nagel auf den Kopf. Sie haben vielleicht auch mit einiger Erschütterung auf die mutmassliche Ermordung des zweijährigen Jamie Bolder in Liverpool durch zwei siebenjährige Kinder reagiert. Sie wurden durch die Videokamera eines Einkaufszentrums registriert, wie sie ihr Opfer aus dem Kinderwagen nahmen; später wurde es zerstümmelt, tot, auf einem Bahndamm gefunden. Englischen Zeitungen hat man entnehmen können, dass die beiden mutmasslichen siebenjährigen Täter bereits abgebrühte Konsumenten von Brutalo- und Actionfilmen sind, teils ab privaten Fernsehsendern, teils ab Video.
Ein anderer Fall: Im Schweizer Radio wurde ein Interview mit einem sechzehnjährigen Heimzögling ausgestrahlt, der sagte, er habe in seinem bisherigen Leben rund 5000 Filme konsumiert, grösstenteils ab Video, hauptsächlich Actionfilme und Krimis. Die dort vorgeführten Verhaltensmuster waren ihm völlig vertraut; andere Verhaltensmuster, die er im Umgang mit seinen Mitmenschen vermutlich besser brauchen könnte, waren entsprechend abgebaut.
Sicher sind das Extremfälle, aber sie sind die Spitze eines Eisbergs. Ich höre und hörte schon die verharmlosenden Voten, wonach das Angebot der Videotheken durchaus vergleichbar mit dem der Grosskinos oder der Fernsehsender sei und auch gute Filme umfasse. Das ist teilweise richtig, aber eben nur teilweise. Sicher gibt es auch Kunden von Videotheken, die dort Naturfilme, Filmklassiker oder Mickey Mouse holen. Aber das Schwergewicht des Umsatzes liegt ganz eindeutig in der Action- und Brutalosparte, sortiert nach Handelsrubriken wie Horror, Western, Krimi, Krieg, Action, Karate usw. Währenddem ein Kino wohlweislich erst ab 18 oder 16 Jahren zugänglich ist, wird das [p. 7100] Heimkino auch für die kleinen Geschwister zur Prestigesache. Dabei ist es klar und erwiesen, dass der Konsum schon relativ durchschnittlicher Krimis oder Kriegsfilme absolut verrohend auf Kinderseelen wirkt, insbesondere auf Kinder, deren Eltern oder ältere Geschwister den Fernseher oder das Video als Babysitter, Märchen-, Natur-, Bewegungs- und Erziehungsersatz einsetzen. Ein gewisser Prozentsatz dieser Kinder wird dann zu den erwähnten Extremfällen. Für einen weit grösseren Prozentsatz, die ich nicht als Extremfälle bezeichnen würde, sind Begriffe aus der Videowelt wie Porno, Sado, Maso, Brutalo, Rambo, Kung-Fu Identifikationsmuster wie früher Heidi oder die Turnachkinder.
Geschätzte Anwesende, Sie müssen nach diesen Ausführungen nicht befürchten, die Einzelinitiative Achermann ziele auf ein Verbot der Videotheken. Sie will nur, dass Rambos, Kung-Fu, die Killerbrigade, oder wie die Hits dieser Branche alle heissen, nicht rund um die Uhr erhältlich sind. Damit würden auch die Lärmimmissionen, denen die Nachbarn von Videogeschäften ausgesetzt sind, nachts und an Wochenenden wegfallen. Schliesslich ist der Zweck des Ruhetagsgesetzes nicht die Umsatzsteigerung um jeden Preis, sondern die Ruhe.
Nun zu Punkt zwei: Unsere Regierung und ihre obersten Beamten behaupten nicht, auf dem Gebiet der Videos besonders kundig zu sein. Man hörte im Lauf der Kommissionssitzungen die erstaunlichsten Äusserungen. Wenn man die Videotheken dem allgemeinen Ladenschluss unterstellen würde, müsste man auch das Vermieten von Pedalos, Badehosen oder Schlittschuhen am Sonntag verbieten, ebenso das Ausleihen von Büchern in Bibliotheken. Diese Argumentation vergisst erstens, dass Bibliotheken im allgemeinen am Sonntag geschlossen sind, dass es sich zweitens um vom Staat finanzierte Institutionen handelt und nicht um private Geschäftslokale.
Drittens wehre ich mich persönlich natürlich ebenso vehement für die Vermietung von Pedalos, Schlittschuhen und Badehosen ausserhalb jeglicher Ladenschlusszeiten wie ich mich gegen die Öffnung von Videotheken zu allen Tages- und Nachtzeiten wehre. Dies ganz einfach deswegen, weil ich «Bötlifahren», Baden und Schlittschuhlaufen jedermann herzlich empfehlen kann, verrohenden Videokonsum, insbesondere von Minderjährigen, hingegen für verheerend halte. Ich muss mir schon erlauben, entweder am Sachverstand oder an der Ehrlichkeit jener zu zweifeln, welche alle diese Branchen und Tätigkeiten über einen Leisten schlagen wollen. So dumm sich Regierung und Verwaltung stellen, wenn es um das Thema Video geht, so raffiniert wurde beim Traktandieren dieses Themas vorgegangen. Zuerst stellte sich die Regierung auf den Standpunkt: Natürlich müssen die Video- [p. 7101] theken dem Ladenschlussgesetz unterstellt werden, aber gewiss nicht durch sofortige Verwaltungsmassnahmen, sondern auf dem Weg einer Änderung dieses Gesetzes, das ohnehin nächstens, 1987–1989, verändert werden sollte. So wurde die Einzelinitiative in der Zwischenzeit schubladisiert.
Neuerdings wundern sich Regierung und Verwaltung, dass es überhaupt noch Videotheken gebe; man habe gemeint, diese Branche würde von selbst wieder aussterben. Dabei ist ganz offensichtlich das Gegenteil der Fall, und zwar massiv. Plötzlich sind nun Regierung und Verwaltung zu scharfsinnigster Differenzierung beim Thema Video fähig. Jetzt dürfen nur diejenigen Videotheken dem allgemeinen Ladenschluss unterstellt werden, die Videos verkaufen, nicht aber diejenigen, welche Videos nur vermieten. Dabei gehört zum Service, mindestens einer grösseren Videokette, sowohl der Verkauf wie das Vermieten. Ich bin gespannt, von unserer Regierungsrätin zu hören, was diesbezügliche Abklärungen bei der Gewerbepolizei ergeben haben. Im übrigen hat das Bundesgericht auf die Klage eines Luzerners hin zutreffend festgestellt, dass in den modernen Geschäftsnormen kaum eine Abgrenzung zwischen Verkauf, Vermietung oder Leasing gemacht werden könne, so dass inzwischen wenigstens die Luzerner Regierung zur Einsicht gekommen ist, Videotheken hätten gegenüber andern Geschäften keine Sonderrechte. Der zuständige Zürcher Chefbeamte meinte dazu in der Kommissionssitzung, es stehe ja jedem Privaten und jedem Kommissionsmitglied frei, ebenfalls in Lausanne Klage zu erheben. Vorher würde man sich der Auffassung unserer obersten Richter keinesfalls beugen. Ich frage mich schon, was hinter solchen politischen Figinen [sic!] steckt. Ist es einfach die Unfähigkeit, auf neuartige Entwicklungen in der Verkaufsbranche zu reagieren? Ist es pure Bequemlichkeit, oder hat die blühende Videobranche einen ähnlichen Einfluss auf unsere zuständigen Organe wie andere einflussreiche Branchen es hatten und haben?
Derweil ich gespannt der Antworten auf diese Fragen harre, empfehle ich Ihnen, erstens im Interesse der öffentlichen Ruhe, zweitens im Sinne der Rechtsgleichheit und drittens aus gesellschaftspolitischen Gründen ganz herzlich die Unterstützung der hochbetagten Einzelinitiative Achermann.
Christian Bretscher (FDP, Birmensdorf): Die kulturkritischen Erläuterungen von Herrn Huonker, die Sie soeben zu Beginn seines Votums gehört haben, mögen recht interessant sein, und sie würden es auch verdienen, vertieft zu werden. Allerdings nicht in dieser Diskussion. Hier geht es um Ladenöffnungszeiten, nicht um die Qualität von [p. 7102] Filmen, die in irgendwelchen Videotheken angeboten werden. Ich möchte darauf am Schluss meiner Ausführungen nochmals zurückkommen.
Im Moment möchte ich nochmals versuchen, auf den eigentlichen Inhalt der Einzelinitiative zurückzukommen, nämlich auf die Öffnungszeiten dieser Videotheken. Wie kam es zur Initiative? Soweit sich das rekonstruieren lässt, ist der Anfang der Initiative vor einigen Jahren gesetzt worden, als die Videotheken einen eigentlichen Boom erlebten. Diese Videotheken waren ausschliesslich im Verleih tätig, da konnte man sich für wenig Geld – ich denke, es waren damals zehn Franken Tag und Nacht –, mit mehr oder weniger aktuellen Filmen eindecken. Das hat zu einem erheblichen Andrang in diesen Videotheken geführt. Offensichtlich bestand eine Nachfrage für dieses Angebot, ob qualitativ hochwertig oder nicht. Dieser Andrang hat naturgemäss zu Immissionen geführt. Ebenso naturgemäss haben sich die Anwohner solcher Videotheken über diese Immissionen geärgert.
Genau ein solcher Ärger hat zur vorliegenden Einzelinitiative geführt. Das ist der gleiche Ansatz, den vorhin Herr Huonker gemeint hat, an sich aber bereits ein falscher Ansatz. Wie jedem anderen Nachbarn hätte nämlich Herrn Achermann die Möglichkeit zugestanden, privatrechtlich gegen diese Störungen vorzugehen; das Nachbarrecht des ZGB schützt ihn gegen übermässige Immissionen seitens seiner Nachbarn. Aus irgendeinem Grund hat er aber einen andern Weg gewählt. Erstens ist er einfacher, zweitens gibt er ihm mehr Publizität, und drittens hat er wahrscheinlich den Vorteil, dass man die ganze Angelegenheit etwas grundsätzlicher aufarbeiten kann. Er hat also einen andern Weg gewählt und eine Einzelinitiative eingereicht. Wir stehen nun vor der Situation, dass ein ganz konkretes Problem, das hier im Einzelfall und wahrscheinlich durchaus auch in andern Einzelfällen besteht, aus der Welt geschaffen werden soll, indem man eine allgemeingültige Regelung trifft. Man geht also nach dem Prinzip vor: Es trifft einen Schuh, verbieten wir also schnell, schnell die Schuhe. Es ist kaum verwunderlich, dass ein solches Prinzip einer schnellen Ausgestaltung recht schnell Probleme aufwirft, auch wenn Herr Huonker dies ins Lächerliche gezogen hat. Es ist durchaus nicht klar, wer oder was von einer solch neuen Regelung betroffen werden sollte. Sollte es etwa jeder Verleih sein, oder sollten es nur gerade die Videotheken sein? Dann aber mit welcher Begründung und vor allem mit welcher wettbewerbspolitischen Begründung? Wenn sich Herr Achermann nur gerade über die Videotheken aufgeregt hat, frage ich mich: Was geschieht, wenn sich in zwei/drei Wochen ein anderer [p. 7103] möglicher Einzelinitiant besonders über motorisierte Kirchengänger aufregt? Macht er dann dasselbe?
Ein vernünftiges Kriterium zur Unterscheidung von echten und unechten Videotheken findet sich nicht. Videotheken, die länger offenhalten dürfen und solche, die schliessen müssen, können Sie vielleicht unterscheiden. Ein solcher Versuch wurde auch bereits unternommen. Oder man könnte unterscheiden, ob sie gewinnorientiert seien oder nicht. Das wird auch von Ihrer Seite häufig gesagt; dies ist aber trotzdem wieder einmal ein Überbleibsel aus der Zeit des Klassenkampfs. Dies lässt sich ungefähr so auf einen Nenner bringen: Wer Gewinne erzielen will, muss von vornherein als verdächtig eingestuft und logischerweise viel stärker eingeschränkt werden als jemand, der ohne Gewinnabsicht, vielfach auf Kosten der Allgemeinheit, dasselbe tut.
Zu diesem innern Widerspruch der vorliegenden Einzelinitiative kommt, dass sie inzwischen von der Realität überholt worden ist, indem die reinen Verleihvideotheken stark zurückgegangen sind. Herr Huonker hat selber angetönt, dass viele Videotheken in der Zwischenzeit Filme auch zum Kauf anbieten. Wenn solche Videotheken weiter über die gültigen Ladenschlusszeiten hinaus offenhalten, ist das nicht ein Problem der Gesetzgebung, sondern eines der Durchsetzung der geltenden Gesetze, das auf diesem Weg angegangen werden muss und nicht über eine zusätzliche Einschränkung.
Herr Huonker hat dann die Situation in Luzern zitiert. Das erstaunt mich. Wir haben bereits in der Kommission lange Zeit darauf verwendet, auszuleuchten, dass es sich dort um ein anderes Gesetz handelt als im Kanton Zürich. Ich finde es schade, dass er, als ob diese Diskussion nicht stattgefunden hätte, wieder auf das alte Argument zurückgreift.
Ich bitte Sie also, dieses nachbarrechtliche Problem, das unmittelbar auf dem gerichtlichen Weg gelöst werden könnte, nicht durch Unterstützung dieser Einzelinitiative zu lösen versuchen. Dies besonders deshalb nicht, weil sich das Problem vom rein rechtlichen Gesichtspunkt her in der Zwischenzeit von selbst gelöst hat. Es geht nicht an, dass wir eine Gruppe von Gewerbetreibenden oder Geschäftsleuten – ich nenne sie so – in ihrer Handels- und Gewerbefreiheit einfach deshalb einschränken, weil wir finden, diese Branche geniesse nicht gerade das höchste Ansehen. Wenn wir jetzt damit beginnen, habe ich Bedenken, wie in Zukunft die Beurteilung der Gewerbefreiheit von Rechtsanwälten, von Autooccasionshändlern oder – behüte, noch viel schlimmer – von PR-Beratern geschieht. [p. 7104] Ich möchte Sie, auch im Namen der FDP-Fraktion bitten, diese Einzelinitiative nicht zu unterstützen.
Vreni Püntener-Bugmann (GP, Wallisellen): Die GP-Fraktion ist mehrheitlich für die definitive Unterstützung der Einzelinitiative Marcel Achermann. Sie meint, dass es sinnvoll und durchaus erwünscht sei, dass alle Videotheken den Ladenöffnungszeiten unterstellt seien. Sie meint auch, dass dies nicht nur ein Nachbarschaftsproblem sei. Die heutige Situation im Bereich der Videotheken ist unbefriedigend und mit Vollzugsproblemen belastet. Videotheken, welche die Videos nur oder auch zum Verkauf anbieten, müssen sich an die Ladenöffnungszeiten halten, solche dagegen, die nur vermieten, dürfen länger offenhalten. Es ist klar, dass diese komplizierte Regelung Probleme beim Vollzug schafft. Wo gibt es einen Videoanbieter, der neu sagt, dass er nun auch verkaufe und trotzdem noch die langen Öffnungszeiten beanspruche? Dazu habe ich gesehen, dass am 16. Februar 1993 im Amtsblatt eine Arbeitszeitbewilligung für dauernde Verschiebung der Tagesgrenzen in Verbindung mit Tonbandarbeit beantragt wurde. Wie wurde dort entschieden? Wie steht es jetzt? Warum wurde diese Bewilligung dann doch erteilt, obwohl in der Kommission auf dieses Problem hingewiesen wurde? Wir sehen, diese Regelung öffnet Tür und Tor für falsche Anwendung. Es ist schwierig, jeden einzelnen Betrieb zu kontrollieren.
Im Sinne einer klaren Gesetzgebung und in Anbetracht dessen, dass Videos je länger, je mehr verkauft statt verliehen werden, ist die Grüne Fraktion der Ansicht, dass diese Videotheken auf Gesetzesstufe den Ladengeschäften gleichgestellt werden sollen. Der Gesetzestext könnte ja so ausgestaltet werden, dass nichtkommerzielle Videoverleiher, also die Videotheken, weiterhin während ihren Öffnungszeiten auch Videos verleihen dürfen. Es gibt zwar einen qualitativen Unterschied, weil dort verschiedene Angebote bestehen, diese geprüft werden und nicht irgend etwas angeboten wird. Ich danke Ihnen, wenn Sie die Initiative definitiv unterstützen.
Liliane Waldner (SP, Zürich): Im Gegensatz zu Herrn Bretscher bin ich der Meinung, dass das Problem mit den Videotheken noch lange nicht gelöst ist. Diese haben den Charakter von Verkaufsgeschäften, halten sich aber nicht an die Ladenöffnungszeiten. Bäcker, Metzger und andere Verkaufsgeschäfte wie Kleidergeschäfte usw. haben geschlossen, derweil der Videopalast geöffnet ist. Die Nachbarschaft klagt über mächtige Belästigungen, welche der Betrieb, d.h. der Publikumsverkehr, auslöst. [p. 7105] Es wäre ein leichtes, dieses Problem zu lösen. Wir sollten uns auch nicht davon ablenken lassen, dass andere Verleihbetriebe existieren. Bibliotheken werden in der Regel nicht kommerziell geführt, und der Verleih ist oft gratis. Auto- und Bootverleih unterscheiden sich deutlich von Läden; sie haben etwas mit dem Tourismus zu tun. Wir waren uns in der Kommission einmal völlig einig, und zwar am 30. Januar 1990 in der damaligen Zusammensetzung. Diese Einigkeit erleichterte die Information über ein Bundesgerichtsurteil bezüglich einer Videothek im Kanton Luzern. Die Luzerner Behörden haben es durchgesetzt, dass die Videotheken den Ladenöffnungszeiten zu unterstellen sind. Hier, Herr Bretscher, täuschen Sie sich. Das Bundesgericht hat die Haltung des Kantons Luzern gestützt und deshalb in seiner Begründung Argumente geliefert, die im Grunde genommen auf jeden andern Kanton, auch mit unterschiedlicher Gesetzgebung, übertragbar wären. Was schreibt das Gericht nun in der Urteilsbegründung? «Unter einem Laden ist nicht nur ein Geschäft zu verstehen, in welchem im Sinne des Privatrechts Sachen verkauft werden. Vielmehr handelt es sich beim Laden um einen Dienstleistungsbetrieb, der seinen Kunden während bestimmten Zeiten irgendwelche Leistungen erbringt, für welche bezahlt werden muss.» Eine weitere Begründung: «Der Beschwerdeführer verleiht Videokassetten gegen Entgelt.» Nach dem soeben Gesagten kann sein Betrieb ohne Willkür als Verkaufsgeschäft betrachtet und damit der Ladenschluss- und Ruhetagsgesetzgebung unterstellt werden. Die Rüge der Willkür erweist sich damit als unbegründet. Weiter ein Kernsatz aus dieser Urteilsbegründung: «Die Videothek unterscheidet sich nach Art und Weise der darin abgewickelten Geschäfte in keiner Weise von Verkaufsgeschäften.» Dies ist die bundesgerichtliche Definition. Am 30. Januar 1990 entschied die kantonsrätliche Kommission – hören Sie gut – mit 11:0 Stimmen, die Videotheken seien dem Ladenschlussgesetz zu unterstellen. Sie empfahl der Regierung, dies über eine Verfügung zu tun. Man hatte das Gefühl, man müsse kein besonderes Gesetz schaffen, weil das Urteil bezüglich des Nachbarkantons deutlich genug sei. Herr Regierungsrat Künzi, der damals noch im Amt war, versprach zu handeln. Es geschah jedoch nichts. Offenbar wollte der Gesamtregierungsrat nichts unternehmen.
Wie ist nun die Sachlage? Sie wäre zwar einfach, nur bringt die Zürcher Regierung nicht zustande, was der Luzerner Regierung gelingt. Wir sind nicht für Volksabstimmungen und Gesetze auf Vorrat, aber wir sind angesichts des mangelnden Handlungswillens seitens unserer Regierung gezwungen, die Einzelinitiative Achermann definitiv zu unterstützen [p. 7106] und dem Volk zur Annahme zu empfehlen. Ich empfehle Ihnen deshalb, für die definitive Unterstützung der Einzelinitiative aufzustehen.
Laurenz Styger (SVP, Zürich): Ich weiss, dass ich jetzt auf der rechten Ratsseite eine Minderheit vertrete, wenn ich die Forderung aufstelle, dass die Einzelinitiative Achermann definitiv unterstützt werde, dahingehend, dass die Öffnungszeiten der Videotheken dem Ladenschlussgesetz unterstellt werden. Eine Differenzierung gegenüber dem Verleihgeschäft sollte möglich sein. Dabei spielen folgende Überlegungen eine Rolle: Erstens, wo liegt schliesslich der Unterschied zwischen Verkauf und Verleih? Zweitens, wer kann das kontrollieren und überprüfen? Beide Arten dieser Geschäfte, dieses Handelns, bringen Ruhestörungen, sei es durch die verschiedenen Verkehrsmittel oder durch die Ansammlung von Menschen bis spät in die Nacht hinein. Wenn die Immissionsfreiheiten bis spät in die Nacht hinein andauern und voll ausgeschöpft werden, kann etwas einfach nicht stimmen. Es ist dies ein Missstand, der von der betroffenen Bevölkerung nicht mehr länger hingenommen wird und nicht mehr länger hingenommen werden kann. Dies zeigen auch die immer wieder eingehenden Reklamationen betroffener Anwohner aus meinem Wahlkreis. Ich verstehe diese Leute und gehe auf deren Anliegen ein. Erklären oder begründen Sie einmal einem Betroffenen die nächtlich störenden Öffnungszeiten. Sie werden auf Unverständnis und Widerstand stossen. Deshalb geht meine Forderung dahin, das Verleih- und Vermietgeschäft undifferenziert anzugehen, und ich bitte Sie, den Minderheitsantrag der Spezialkommission zu unterstützen.
Aurelia Favre (SP, Winterthur): Auf eine Anfrage eines ehemaligen SP-Kantonsrates vor 9 Jahren erteilte der Regierungsrat folgende Antwort: «Ausschliesslich vermietende oder ausleihende Videotheken unterstehen nicht den Ladenschlussvorschriften. Findet indes ein auch nur geringer Verkauf statt, sind die Bestimmungen der Ladenschlussvorschriften zu beachten.» Und nun, wenige Jahre später, lehnt der Regierungsrat die Unterstellung der Videotheken unter die Ladenschlussvorschriften ab, obwohl hinlänglich bekannt ist, dass nebst dem Verleih eine tendenziell steigende Zunahme auch des Diskettenverkaufs besteht. Dies ist eine Tatsache, die mir seitens der Gewerbepolizei der Stadt Winterthur bestätigt wurde. Es ist wohl müssig, noch lange erklären zu wollen, Herr Bretscher, warum es schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, die sogenannten Videoverleih- und -Vermietgeschäfte zu kontrollieren. Dass es trotzdem sowohl in Zürich wie in Winterthur schon zu diesbezüglichen Verzeigungen gekommen ist, wurde uns in der Kommission durch eine KIGA-Vertreterin bestätigt. [p. 7107] Die Schlussfolgerung kann demnach nur sein: Unterstützen Sie bitte den Minderheitsantrag, auf dass die Videotheken den Ladenschlussvorschriften unterstellt werden.
Rudolf Bolli (FDP, Fällanden): Es ist schon merkwürdig, wie man einfach als Befürworter dieser Initiative die Augen verschliesst vor dem geltenden Gesetzestext, um den es hier geht. Wir haben nicht irgendein Ladenöffnungszeitengesetz, sondern ein Gesetz, das explizit, ausdrücklich die Öffnungszeiten der Verkaufsgeschäfte im Detailhandel regelt. Der Kanton Luzern hat ein anderes Gesetz, dessen Geltungsbereich anders umschrieben ist. Das Bundesgericht hat das Luzerner Gesetz und folglich ein anderes Gesetz beurteilt. Man kann nicht hingehen und sagen, wenn das Bundesgericht ein anderes Gesetz so beurteile, wie es dies gemacht hat, gelte das für den Kanton Zürich auch, weil eine ganz andere Umschreibung des Gesetzesbereichs vorhanden ist. Man muss sich auch ein bisschen überlegen, was man macht, wenn man einfach das Luzerner Gesetz dem zürcherischen gleichstellen will. Man könnte nämlich auf die Idee kommen, man müsste beispielsweise die wesentlich erweiterten Ladenöffnungszeiten im Kanton Luzern an Feiertagen tel quel auf den Kanton Zürich überwälzen. Im Kanton Luzern stellt man sich eben auf den Standpunkt, das diene dem Tourismus, und es sei richtig, weil eine ganze Reihe von Verkaufsgeschäften offen seien. Im Kanton Zürich hat man offenbar nicht das Gefühl, dass man für den Tourismus soweit gehen müsse; das nur en passant.
Wir müssen uns also mit dem ausdrücklichen Inhalt unseres zürcherischen Gesetzes befassen und nicht mit irgend etwas anderem, das uns gerade so passen würde, weil für gewisse Leute die Videos, die vertrieben werden, etwas Unsympathisches sind. Wenn wir der Meinung sind, die Eingrenzung auf die Verkaufsgeschäfte des Detailhandels sei zu eng – ich kann das verstehen, man kann sagen, eigentlich möchte man Lokale mit viel Publikumsverkehr aus Gründen der Sonntags- und Nachtruhe unter Kontrolle bringen –, ist das ein verständliches Argument. Aber dann kann man nicht einfach die kommerziellen Videotheken herauspicken, denn die Tatsache, dass jemand nach der Ladenöffnungszeit sich vielleicht einen widerlichen Videofilm besorgt, beeinträchtigt die öffentliche Ruhe nicht in anderer Weise, als wenn jemand an einem andern Ort völlig legalerweise eine kommerzielle Aktion zur gleichen Tageszeit unternimmt. Sie müssen sich immerhin vor Augen halten, dass wir mit diesem Gesetz nicht jegliche Geschäftstätigkeit ausserhalb dieser Zeiten verbieten. Es gibt eine ganze Reihe von Dienstleistungen, sogar Verkaufsgeschäfte, die [p. 7108] nicht den Detailhandel betreffen, aber Publikumsverkehr verursachen, die mit diesem Gesetz nicht erfasst werden.
Wenn Sie nun finden, man müsse etwas ganz anderes diesem Gesetz unterstellen, brauchen wir eine Totalrevision des Gesetzes und nicht einen Eingriff, der sehr nach Verstoss gegen die Handels- und Gewerbefreiheit und gegen das Gleichheitsgebot verstösst, das auch kommerziell Handelnde in Anspruch nehmen dürfen. Sie können, Herr Huonker, doch nicht stets sagen, Sie seien für Rechtsgleichheit und wollen die kommerziell Handelnden ausschliessen. Was Sie in Ihrem Eintretensvotum vorgetragen haben, bezeugt, was ich seit längerem in diesem Rat feststelle: Sie reden von moralischen, sozial bedenklichen Aspekten, gegen die Sie sich wenden wollen. Dazu nehmen Sie das erstbeste Gesetz, das Ihnen in den Kram passt. Ob es rechtlich irgendwie durchsetzbar ist, kümmert Sie offenbar gar nicht. Unterstellen Sie doch beispielsweise auch gerade noch das Fernsehen dem Ladenschlussgesetz! Es könnte damit vielleicht erreicht werden, dass Fernsehen DRS nicht immer ausgerechnet am Ostersonntag einen James-Bond-Film programmiert. Das ist ja auch nicht im Sinn und Geist des zürcherischen Ruhetagsgesetzes. Wahrscheinlich haben aber auch Sie, Herr Huonker, bemerkt, dass es kaum geht, gegen das Fernsehen mit dem Ladenschlussgesetz vorzugehen. Es braucht dort andere Instrumente.
Es ist ein Abgrenzungsproblem: Wie wollen Sie die Sache umschreiben, wenn sie sich nicht mehr auf die Geschäfte im Detailhandel beziehen wollen? Wo sind denn beispielsweise die Abgrenzungen zu ziehen gegenüber all den andern Dienstleistungsgewerben, die auch ausserhalb der Ladenöffnungszeiten betrieben werden dürfen? Es gibt einfach kein Naturgesetz, das kommerzielle Tätigkeiten zu gewissen Tageszeiten als zumutbar und zu andern Tageszeiten als nicht zumutbar betrachtet. Wenn wir das regeln wollen, müssen wir klare Kriterien haben, ein klares öffentliches Interesse geltend machen und nicht einfach ad hoc sagen können: «Diese Videos passen uns nicht, also weg damit.» Stets müssen wir die Folgen auf die Rechtsgleichheit und auf die Handels- und Gewerbefreiheit im Auge behalten, sonst passiert es, dass uns das Bundesgericht sagen muss, man könne ein Gesetz so nicht handhaben.
Daniel Vischer (GP, Zürich): Ich bin, im Gegenteil zu Herrn Bolli, der Meinung, dass uns die Regierung in ein ziemliches Schlamassel geführt hat. Es stimmt, in diesem Ladenöffnungsgesetz ist von Verkauf die Rede. Aber jede Konsumentin, jeder Konsument, jeder aufmerksame Beobachter weiss, dass heute vieles in öffentlichen Angeboten daherkommt, das längst nicht mehr mit verkaufstechnischen Dingen zu tun [p. 7109] hat. Ich glaube nicht, dass Frau Regierungsrätin Lang der Meinung wäre, eine Garage, welche Autoleasing betreibt, sei anders zu behandeln als eine solche, die Autos verkauft. Es ist doch absurd, im Lichte einer zeitgemässen Auslegung unserer durchaus altertümlichen Gesetze nicht eine sinnvolle Anpassung vorzunehmen. Verkauf besteht nur dann, wenn tatsächlich das Eigentum übergeht. Aber das moderne Rechtsleben kennt nun weiss Gott manche Rechtsformen, die sich gerade dadurch auszeichnen, dass keine Übereignung stattfindet und wir uns trotzdem so verhalten, als wären wir Käuferinnen und Käufer. Das heisst, wir machen in unserem Alltagsverhalten darin keinen grossen Unterschied.
Und nun kommt Herr Bolli und sagt, der Kanton Luzern sei anders als der Kanton Zürich. Das stimmt an sich. Aber die Frage ist, ob das Bundesgericht das Ladenöffnungsgesetz anders ausgelegt hätte als jenes des Kantons Luzern. Da muss ich Ihnen sagen: Nein. Das Bundesgericht sagt ja, die Videotheken unterschieden sich nach Art und Weise der abgewickelten Geschäfte in keiner Weise von Kaufgeschäften. Das ist der zentrale Satz des Bundesgerichts. Das ist auch das zentrale Anliegen des besagten Initianten aus Dietikon, gewissermassen aus «Nottertown», und dieser Initiant ist in der dummen Lage, dass er etwas verlangt, das eigentlich gar nicht sinnvoll ist. Er verlangt nämlich eine Änderung des Gesetzes; ich hingegen verlange eine zeitgemässe Auslegung, ein sofortiges Handeln des Regierungsrates. Es könnte sich eine sehr dumme Situation insofern ereignen, als das Volk diese Änderung des Ladenschlussgesetzes ablehnt, woraus die Regierung schliessen könnte, sie sei nun erst recht nicht zu einer zeitgemässen Auslegung des bestehenden Gesetzes verpflichtet. Ich finde es nicht sehr geschickt, die Einzelinitiative zur Ablehnung zu bringen; vielmehr müsste der Kantonsrat mit deutlicher Klarheit der Regierung sagen: So nicht! Behandeln Sie Gleiches was gleich ist und Ungleiches, was ungleich ist, und schliessen Sie diese privaten Videotheken, wenn auch andere ihre Geschäfte schliessen müssen. Machen Sie keine Spitzfindigkeiten!
Ihr Chefjurist, Frau Regierungsrätin Lang, war an der letzten bzw. vorletzten Kommissionssitzung auch nicht so wahnsinnig sicher. Es ist ja nicht so, dass er in diesem Saale mit Überzeugung sagen könnte: Das Bundesgericht meinte alles, nur nicht den Kanton Zürich. Er sagte: Ja, wenn Sie meinen, könnte man es auch anders auslegen. Frau Lang, es geht auch um den materiellen Gehalt einer Norm. Sie sind mit Herrn Huonker wahrscheinlich inhaltlich einig, stellen sich aber aus formalen Gründen gegen eine richtige Auslegung der bestehenden Gesetzesbestimmung. Und dies wahrscheinlich nur, weil Sie schlecht [p. 7110] beraten wurden. Ich empfehle Ihnen deshalb – ja, ich weiss auch nicht was! Vielleicht, dass der Kantonsrat die Regierung beauftragt, diese Norm anzuwenden und Sie, Frau Lang, heute eine Erklärung abgeben, dass das Ladenöffnungsgesetz aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung so ausgelegt werden muss. Dann hat der Initiant die Möglichkeit, seine Einzelinitiative zurückzuziehen. Damit würde das Ganze sinnvoll gelöst. Wir hätten dann eine unnötige Volksabstimmung umgangen, und wir hätten erst noch, materiell gesehen, der Mehrheit in diesem Saale zum Durchbruch verholten. Denn die Leute, welche materiell der Meinung sind, man dürfe sinnvollerweise rund um die Uhr Kassetten vertreiben, welcherlei auch immer, habe ich gar nicht gehört. Ich habe nur formale Argumente gehört. Machen wir es also so, dann wird der Initiant uns wahrscheinlich dankend Recht geben.
Roland Brunner (SP, Rheinau): Ich bin es gewohnt, dass die juristischen Fragen in diesem Parlament selten eindeutig geregelt werden. Von daher vertraue ich dem Bundesgericht und denke, wenn das nötig sein sollte, könnte ja die entsprechende Branche in Lausanne noch einmal nachfragen, ob für Zürich anderes gelte als für Luzern. Niemand von uns hat bestritten, dass nebst Videotheken auch andere kommerzielle Nutzungen und Freizeitbeschäftigungen Immissionen, im Klartext gesagt, Lärmbelästigungen, verursachen können. Niemand von uns hat behauptet, er möchte in Zukunft beispielsweise die Fussballspiele der Zürcher Grasshoppers verbieten, auch wenn diese vielleicht nicht immer so spielen, dass wir alle dabei sein müssten. Ich denke aber, dass Videotheken – und da sehe ich, Herr Bolli, tatsächlich einen Unterschied – in aller Regel eben doch Verkaufsgeschäfte sind. Selbst in der Kommission musste die Verwaltung zugeben, dass ihr nicht immer klar und bekannt war, welche Verleihketten tatsächlich nur verliehen haben und welche Ketten zwischenzeitig auch auf Verkauf umgestellt haben. Herr Huonker konnte in der Kommission ohne Schwierigkeiten ein Projekt einer Videoverleihkette aufzeigen, aus welchem klar hervorging, dass in diesen Geschäften auch verkauft wurde. Man sieht also, dass da eindeutig eine Grauzone besteht. Es ist hier ein Unternehmenszweig aufgetaucht, der diese Grauzone ausnützt, diese Grauzone zwischen Verkaufs- und Verleihgeschäft. Wir sind der Meinung, dass im Moment die Unterstützung der Einzelinitiative der einzig gangbare Weg ist, diese Grauzone wieder in ein klares Schwarz-Weiss einzuteilen.
Germain Mittaz (CVP, Dietikon): Zwischen 1986 und 1990 war der Initiant, Marcel Achermann, Polizeivorstand der Stadt Dietikon. [p. 7111] Während dieser Zeit wurden unter anderm einige Videotheken in Dietikon eröffnet, eine davon, eine mächtige, mit Tag- und Nachtservice. Die Nachtruhe wurde für viele Einwohner sehr stark gestört. In der Folge entstanden unzählige Reklamationen und ein Vorstoss beim Stadtrat.
Sie sehen, wir behandeln hier nicht etwa eine Initiative mit theoretischem Inhalt, sondern sie ist begründet aus den gemachten Erfahrungen. Zugegeben, die Lage in Dietikon ist inzwischen ein bisschen besser geworden, aber das Problem besteht nach wie vor. Persönlich sehe ich nicht ein, weshalb für Videotheken ein Sonderzüglein in Sachen Ladenschlussvorschriften gefahren werden muss. Ich stehe zur Gewerbe- und Handelsfreiheit wie meine Vorredner, aber ich bin auch für Nachtruhe. Unterstützen wir heute diese Initiative; es geht nicht um Schliessungen, sondern um eine Verbesserung der Qualität der Nachtruhe. Nach der Unterstützung der Initiative können wir dann unsere Gesetzgebung ändern.
Erhard Bernet (parteilos, Zürich): Ich finde es absurd, dass in diesem Rate gegen Videolädeli und Öffnungszeiten so lange diskutiert wird. Da, wo in unserem Kanton in unserer Stadt Zürich bedeutend mehr Probleme bestehen, wie Schuldenlasten in Millionenhöhe, da wird nichts gemacht, nichts geredet. Aber auf einem kleinen Videolädeli hackt man herum. Da gehen Steuern aus dem Videolädeli weg, es gehen Stellen verloren. Das kann man machen! Dabei könnte man die Sache einfacher lösen: Man könnte die Videolädeli einfach schliessen! Diese Initiative ist gerade dazu da, um wieder ein Gewerbe zu zerstören. Die Sozialdemokraten können nicht dauernd dazu beitragen, dass eines ums andere zerstört wird, und dann die ersten sein, welche die vielen Arbeitslosen beklagen. Auch die Leute, die in diesen Läden arbeiten, sind wahrscheinlich Sozialdemokraten, aber sie finden bei Ihnen kein Gehör.
Unterstützen Sie die Initiative also nicht; da kommt wieder einmal der Neid der Besitzlosen zum Vorschein. Sie glauben wahrscheinlich, wenn einer ein Videolädeli betreibe, habe er mehr als ein Arbeiter. Da sind die Gewerkschaften schuld. Wenn sie Ausländer hereinholen, die billiger arbeiten, sind sie schuld, dass die Schweizer weniger verdienen. Eine offene Frage ist mir: Wieso kommt ein Most- und Weinhändler dazu, den Minderheitsantrag zu unterstützen, wenn doch auch Most und Wein über die Gasse verkauft wird? Es ist eine kuriose Zusammenstellung der Unterzeichner dieses Minderheitsantrages; ich werde ihn nicht unterstützen.
[p. 7112] Dr. Thomas Huonker (SP, Zürich): Herr Bolli, ich möchte mich nur kurz gegen diesen Guinnessrekord des wirrsten Zeugs, den Sie mir verliehen haben, verwahren. Mir geht es um die Rechtsgleichheit, um eine juristisch vertretbare und vollzugsmässig vernünftige rechtsgleiche Durchsetzung und Regelung der Handels- und Gewerbefreiheit. Die Videobranche ist hier in eine Lücke gesprungen, weil es eine neue Branche ist. Sie können nun lange behaupten, sie habe im Namen der Handels- und Gewerbefreiheit ein Recht dazu. Es besteht ein Verstoss gegen die Rechtsgleichheit, gerade gegenüber den andern Geschäften, die ja auch Miet- und Leasinggeschäfte betreiben. Gerade z. B. in der Radio- und Fernsehbranche wäre es sehr schwierig abzugrenzen, was Verkauf und was Leasing ist, wenn man die Vollzugsweisheit durchziehen wollte, die Sie so loben.
Ich möchte mich auch dagegen verwahren, dass Sie mich als Feind jeglichen kommerziellen und gewinnorientierten Treibens hinstellen wollen. Ich bin durchaus für kommerzielle Bootsvermietung. Wie gesagt, das sind Privatbetriebe, deren Handels- und Vermietfreiheit ich in keiner Weise einschränken möchte. Ich will gar nicht alles so über einen Leisten schlagen, wie Sie mir das unterstellen. Sie tun das, wenn Sie alles aufzählen und sagen, Videos, Bootsvermietung usw. sei alles dasselbe. Lassen wir doch den Dingen ihren Lauf. Das ist unklar und schlecht durchdacht!
Hans-Jacob Heitz (FDP, Winterthur): Der Vorschlag, dass künftig die Gesetze durch diesen Rat auf dem Weg einer Einzelinitiative ausgelegt werden sollten, scheint mir ein bedenkliches Unterfangen zu sein. Entweder findet man das in den Kommissionsprotokollen aus der Zeit, da dieses Gesetz geschrieben wurde – wenn man es nicht findet, haben wir ein schlechtes Gesetz geschrieben –, oder dann tut das der Richter. Wenn wir in diesem Punkt sagten, wir wären kompetent, würden wir sicher wieder in einer andern Grauzone fündig und würden dann von Nebel zu Nebel weiterstochern.
Ich finde diese Diskussion insofern verhängnisvoll, als heute der Ruf nach Deregulierung und Liberalisierung in der Öffentlichkeit steht. Was wir jetzt diskutieren, ist aber genau das Gegenteil. Der Ansatzpunkt ist der verkehrte, was immer man von diesen Videotheken und Videofilmen hält. Das Pferd wird hier einmal mehr am Schwanz aufgezäumt. Deshalb möchte ich Ihnen empfehlen, dass wir unsere Energie in das nächste Traktandum, in die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten stecken.
Regierungsrätin Hedi Lang: Ich bin mit Herrn Huonker der gleichen Auffassung, was die Auswirkungen der sogenannten Action- und [p. 7113] Brutalofilme auf die Kinder und Jugendlichen bedeutet. Gerade aber, wenn man dieser Auffassung ist und etwas tun möchte, kann man nicht einfach eine Einzelinitiative unterstützen, die nur den Verleih durch das Ladenschlussgesetz regeln will. Vielmehr müsste man ein Verbot all dieser Filme fordern. Das wurde übrigens auch in diesem Rat schon gefordert und diskutiert. Aber man weiss, wie schwierig dies ist, weil man nicht nur Videofilme mit erwähnten Inhalten kaufen kann, sondern dass man das gleiche auch bei den öffentlichen Medien konsumieren kann. Das ist das Schwierige.
Was die Unterstellung der verleihenden Videotheken betrifft, haben wir die Gemeinden angefragt, um die neuesten Zahlen zu haben. Wir haben ja wie einige von Ihnen festgestellt, dass die Zahl ausleihender Videotheken sehr stark zurückgegangen ist und das, was in den 80er Jahren stattfand, nicht mehr vorhanden ist. In den 171 Gemeinden im Kanton bestehen noch in deren 36 Videotheken. Allerdings sind in diesen 36 Gemeinden nicht alle nur verleihende, sondern der grössere Teil verkauft auch. Wenn auch ein Verkauf stattfindet, ist es klar, dass ein solches Geschäft dem Ladenschlussgesetz unterstellt ist. Wir stellen fest, dass noch etwa 50 ausschliesslich verleihende Videotheken bestehen. Selbstverständlich sind solche in den ländlichen Gegenden nicht so zahlreich. In Winterthur sind von rund 30 Videotheken 9 nur verleihende. In der Stadt Zürich sieht es anders aus, dort sind von 15 Videotheken 10 nur verleihende. Alles in allem stellen wir fest, dass das Problem, wie es Herr Achermann seinerzeit feststellen musste, nicht mehr in dieser Grössenordnung vorhanden ist. Wenn der Betrieb einer Videothek zu übermässigen Immissionen führt, können die Gemeinden – und sie tun es auch – gestützt auf polizeiliche Normen einschreiten. Deshalb rechtfertigt es sich nicht, das Ladenschlussgesetz zu ändern und die nur verleihenden Videotheken auch diesem Gesetz zu unterstellen.
Ich bitte Sie daher, dem Antrag des Regierungsrates zu folgen und die Einzelinitiative Achermann nicht definitiv zu unterstützen. Bringen Sie den Regierungsrat nicht in Versuchung, von sich aus Gesetze zu interpretieren, wie es gerade aktuell wünschbar wäre, sei es seitens des Kantonsrates oder des Regierungsrates. Das ist kein richtiger Rechtsweg. In unserem Kanton müssen Gesetze und Änderungen von Gesetzen dem Volk vorgelegt werden.
Daniel Vischer (GP, Zürich): Ich bin mit dem, was Herr Heitz gesagt hat, in keiner Weise einverstanden. Jede Verwaltungsbehörde muss doch Gesetze auslegen; das macht sie täglich. Es ist eben nicht so, dass in jedem Gesetz alles klar geregelt ist, dass man einfach wie ein [p. 7114] Kleinkind in der ersten Schulstunde ja oder nein sagen kann. Glauben Sie, die Fremdenpolizei lege nicht täglich Gesetze aus, wenn sie Bewilligungen erteilt oder eben nicht erteilt? Wir sagen Ihnen ja nur, Frau Regierungsrätin, Sie hätten dieses Gesetz als Verwaltungsbehörde, nicht als Regierungsrätin, zeitgemäss auslegen können. Sinnigerweise äusserten Sie sich jetzt nicht zu diesem Teil der Debatte. Sie sagten einfach, es brauche die Einzelinitiative nicht. Mir ist zwar nicht ganz klar, weshalb es sie nicht braucht. Sie sagen einfach, es gebe nur wenige Verleihgeschäfte; aber wir reden ja jetzt über diese wenigen. Wir reden nicht über die vielen, die es nicht gibt, sondern über die wenigen, bei denen wir uns fragen, weshalb sie nicht den Ladenöffnungszeiten unterstehen.
Da denken wir, dass Sie sich jetzt total ins Niemandsland begeben haben. Sie sagen auf der einen Seite: Ich bin ganz Herrn Huonkers Meinung, er ist moralisch auf der richtigen Seite. Aber wenn er auf der richtigen Seite ist, soll er doch eine Verbotsinitiative machen. Mit diesem Argument bekämpfen Sie die Anpassung der Ladenöffnungszeiten. Sie sagen nichts darüber, weshalb Sie durch Ihr eigenes Verhalten als Verwaltungsbehörde überhaupt zu dieser Initiative Anlass gaben. Das finde ich seltsam.
Regierungsrätin Hedi Lang: Ich muss Herrn Vischer kaum daran erinnern, dass er als Rechtsanwalt weiss, dass, wenn Interessen vertreten werden, man diese auch gut und meistens mit Erfolg vertritt. Wenn wir fragwürdige Gesetzesauslegungen machen, die nicht abgestützt sind, werden solche, die den Rechtsweg beschreiten, Erfolg haben. Das wollen wir nicht; hier sind wir nicht der gleichen Auffassung. Ich wollte aber noch etwas anderes darstellen: Wenn ich betreffend der Auswirkungen dieser Brutalo- und Horrorfilme der gleichen Auffassung bin wie Herr Huonker, meine ich, man müsste sie verbieten können. Es ist aber nicht besser, wenn man sie einfach dem Ladenschlussgesetz unterstellt und trotzdem verkauft. Auch wenn die verleihenden Videotheken dem Ladenschlussgesetz unterstellt werden, werden die Filme genau gleich in Umlauf gebracht. Es ist weder besser noch schlechter, ob ein solcher Film gekauft oder ausgeliehen wurde. Wenn nun aber nur noch eine kleine Minderheit besteht, die nur verleiht, und wir das andere im Griff haben, müssen wir hier nicht noch zusätzliche gesetzliche Regelungen treffen.
Paul Zweifel (SVP, Zürich): Zum Votum von Herrn Vischer und der Idee des Rückzugs der Initiative kann ich Ihnen sagen, dass mir der Initiant im letzten Telefongespräch mitgeteilt hat, dass er die Initiative [p. 7115] nicht zurückziehen werde. Wenn sie nun definitiv unterstützt wird, werden die Stimmbürger darüber abzustimmen haben. Ich möchte die Meinung der Kommissionsmehrheit nochmals in Erinnerung rufen: Sie heisst, die Einzelinitiative soll nicht definitiv unterstützt werden.
Abstimmungen
Für die definitive Unterstützung der Einzelinitiative Marcel Achermann stimmen 65 Ratsmitglieder. Damit ist das notwendige Quorum erreicht. Die Einzelinitiative wird den Stimmberechtigten vorgelegt.
Der Rat beschliesst mit 66:65 Stimmen, den Stimmberechtigten die Einzelinitiative zur Ablehnung zu empfehlen.
Die Einzelinitiative geht an den Regierungsrat zur Abfassung des Beleuchtenden Berichts und zur Ansetzung der Volksabstimmung.
Das Geschäft ist erledigt.
Hier werden die Beratungen abgebrochen.
Schluss der Sitzung: 11.55 Uhr.
Nächste Sitzung: Montag, 24. Mai 1993, 8.15 Uhr.
Zürich, den 17. Mai 1993
Der Protokollführer:
H. Kuhn
Vom Büro des Kantonsrates in seiner Sitzung vom 10. Juni 1993 genehmigt.