Signatur | StAZH MM 24.141 KRP 1995/216/0013 |
Titel | Verordnung über die Organisation und den Geschäftsgang des Sozialversicherungsgerichts (Antrag des Sozialversicherungsgerichts vom 6. Oktober 1994 und gleichlautender Antrag der Justizverwaltungskommission vom 7. Dezember 1994) 3413 |
Datum | 06.02.1995 |
P. | 13735–13738 |
[p. 13735] Max Moser (FDP, Meilen), Präsident der Justizverwaltungskommission: Das Sozialversicherungsgericht besteht zur Zeit aus acht Mitgliedern, vier vollamtlichen und vier teilamtlichen Richterinnen und Richtern. § 5 des Gesetzes sieht sechs vollamtliche und sechs Ersatzmitglieder vor.
Gestützt auf § 7 Abs. 1 des Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht hat das Gesamtgericht durch Verordnungen zu regeln:
a) die Organisation und den Geschäftsgang
b) die Gebühren, Kosten und Entschädigungen
c) die Organisation und die Aufgaben des Sekretariates und der Kanzlei.
Diese Verordnungen bedürfen der Genehmigung des Kantonsrates. In der Sitzung vom 31. Oktober 1994 hat der Rat diese Geschäfte der JVK zur Beratung und Antragstellung zugewiesen. Unsere Kommission hat die Geschäfte in der Sitzung vom 7. Dezember durchberaten.
[p. 13736] Wie das Gericht ausführte, zeigte sich, dass die beiden Themenkreise Organisation und Geschäftsgang einerseits sowie Organisation und Aufgaben des Sekretariates und der Kanzlei anderseits materiell nicht getrennt behandelt werden können, ohne dass unnötige Überschneidungen entstünden. Unsere Kommission teilte die Ansicht, dass die beiden Bereiche in einer Verordnung zusammengefasst geregelt werden.
Bei der Ausarbeitung dieser Verordnung hielt sich das Sozialversicherungsgericht an die Verordnung über die Organisation des Obergerichts und die Verordnung über die Organisation und die Geschäftsführung der Obergerichtskanzlei sowie das Reglement für das Eidgenössische Versicherungsgericht. Es mussten jedoch ein paar Anpassungen an Besonderheiten des Sozialversicherungsgerichts vorgenommen werden. So erscheint es beispielsweise als nicht sinnvoll, die Zahl der Kammern in der Verordnung definitiv festzulegen. Diese Regelung bleibt der internen Gerichtsorganisation überlassen. Dies erlaubt eine rasche Anpassung an veränderte Verhältnisse. Die Flexibilität zieht sich durch die ganze Verordnung hindurch.
Unsere Kommission hat die Verordnung durchberaten und ihr mit 8:0 Stimmen zugestimmt. Wir beantragen Ihnen, einstimmig auf die Vorlage einzutreten und sie zu genehmigen.
Susanne Huggel-Neuenschwander (EVP, Hombrechtikon): Beim Studieren der beiden Verordnungen zur Organisation und zur Gebührenpraxis des neuen Sozialversicherungsgerich[t]s fällt auf, dass hier in vielen Belangen ein neuer, sozusagen entstaubter Wind weht. Nicht bloss die geschlechtsneutrale Sprachregelung zeugt davon – über die zum Teil noch gewählte Doppelform könnten linguistische Puristen allerdings auch Vorbehalte anmelden –, auch bei der Regelung der internen Gerichtsorganisation sind sinnvollerweise gewisse Freiräume offengehalten worden. Erst die eigentliche Praxis, der Gerichtsbetrieb, erfordert eventuell interne Anpassungen, und diese sollten – immer im entsprechenden Kompetenzbereich – rasch und ohne Gesetzesänderungen erfolgen können.
Unter diesem Aspekt ist wohl auch der einstweilen sehr umfangreiche Geschäfts- und Aufgabenkatalog des Gesamtgerichts zu sehen, während die Verwaltungskommission meines Wissens, anders als beim Obergericht, über wenig Kompetenzen verfügt. Also auch hier: Wenig Hierarchie, viel Partnerschaft und verteilte Entscheidungsbefugnis.
Dazu passt auch die bloss zweijährige Präsidialzeit. Die Möglichkeit von teilamtlicher richterlicher Arbeit erforderte punkto Stimmenanteil [p. 13737] eine neue gesetzliche Regelung – ein weiteres Novum –, ebenso der Losentscheid bei Wahlen in § 9. Die Aufgabenumschreibung des nichtjuristischen Personals erfolgte ebenfalls erstaunlich offen.
Die einzelnen Paragraphen gaben im weiteren zu keinen Einwänden Anlass. Das gleiche gilt für die Vorlage 3414 bezüglich Gebühren, Kosten und Entschädigungen. Hier gilt nach wie vor der Grundsatz der Kostenlosigkeit; bloss bei aussergewöhnlichen, besonders schwierigen Streitsachen erwachsen Kosten.
Die EVP-Fraktion wird beide Vorlagen einstimmig gutheissen.
Thomas Büchi (Grüne, Zürich): Die vorliegende Verordnung ist gemäss Gesetz über das Sozialversicherungsgericht durch den Kantonsrat zu genehmigen. Anlass zur Diskussion in der Kommission gab vor allem § 8, der dem Gesamtgericht sehr viele Aufgaben und Kompetenzen überträgt. Insbesondere Herr Rappold – er wird in seinem Votum sicher noch darauf zu sprechen kommen – regte an, einige der Aufgaben unter lit. a) bis k) einer Verwaltungskommission zu übertragen, wie wir das bei andern Gerichten kennen.
Persönlich hat mich das offensichtlich gute Arbeitsklima über die Parteigrenzen hinweg, das am Sozialversicherungsgericht herrscht, beeindruckt. Die Pionieraufgabe dieses neugeschaffenen Gerichts wirkt sich offensichtlich positiv auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, wenn das neue Richterkollegium gewillt ist, die anstehenden Organisationsaufgaben möglichst gemeinsam zu lösen. Ich bin der Ansicht, diese Haltung sei vom Rat zu respektieren und zu unterstützen. Mir gefallen auch kreative Lösungen, wie sie z. B. in § 9 vorgesehen sind, wonach bei Sachgeschäften dem Vorsitzenden Mitglied der Stichentscheid zufällt, bei Wahlen hingegen das Los entscheidet. Positiv vermerkt unsere Fraktion die durchgehende geschlechtsneutrale Formulierung, die offenbar für die Mitglieder des Gerichts selbstverständlich ist.
Lassen Sie mich einen letzten, den für uns entscheidendsten Punkt beleuchten. In § 20 ist die Akteneinsicht geregelt. Gemäss Usanz anderer Gerichte werden entsprechende Unterlagen grundsätzlich nur Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zugestellt. Ich habe auf einen Minderheitsantrag verzichtet, der auch Parteien ohne Rechtsvertretung das Recht auf Aktenzustellung eingeräumt hätte, weil ich mich erstens davon überzeugen liess, dass eine sorgfältige Behandlung der Akten unter Wahrung des Persönlichkeitsschutzes nicht in allen Fällen sichergestellt sein dürfte und weil mir zweitens vom Gerichtspräsidenten und [p. 13738] der Vizepräsidentin versichert worden ist, dass das Gericht gegenüber klagenden und beklagten Privatpersonen eine sehr liberale Praxis verfolgen werde, was die Aktenherausgabe betreffe. Dass ein grösstmögliches Entgegenkommen gegenüber körperlich Behinderten beachtet wird, gilt als selbstverständlich. Mit dieser im Protokoll festzuhaltenden Zusicherung können wir dem vorliegenden § 20 und damit auch den beiden Verordnungen zustimmen.
Wir wünschen dem Sozialversicherungsgericht, in das wir hohe Erwartungen setzen, dass es diese zur Zufriedenheit aller zu erfüllen vermag.
Dr. Jörg Rappold (FDP, Küsnacht): Eine Bitte an den Präsidenten der Redaktionskommission, meinen Gemeindekollegen Spieler: Ich ersuche um vernünftige Formulierungen. Ich bin mich gewohnt, merkwürdige Dinge zu lesen und auch zu tun, aber eine geschlechtsneutrale Formulierung wäre jedenfalls vorzuziehen. So, wie es jetzt lautet, ist die Verordnung schlicht unleserlich.
Regine Aeppli Wartmann (SP, Zürich): Die SP-Fraktion stellt Antrag auf Genehmigung dieser Verordnung. Wir haben von unserer Seite kein Problem mit der geschlechtsneutralen Formulierung, welche Herr Rappold merkwürdig findet. Wir stimmen der Verordnung zu.
Eintreten
ist beschlossen, nachdem kein anderer Antrag gestellt wurde.
Detailberatung
Das Wort wird nicht verlangt.
Schlussabstimmung
Der Kantonsrat stimmt der Verordnung über die Organisation und den Geschäftsgang des Sozialversicherungsgerichts gemäss Antrag von Regierungsrat und Justizverwaltun[g]skommission mit 93:0 Stimmen zu.
Das Geschäft ist erledigt.