Signatur | StAZH MM 24.54 KRP 1922/070/0609 |
Titel | Rechenschaftsbericht des Regierungsrates für das Jahr 1920. |
Datum | 20.02.1922 |
P. | 1144–1150 |
[p. 1144]
Peter-Pfäffikon hält das einleitende Referat und führt aus: Die Kommission hat in 15 Sitzungen und einem halben Dutzend Augenscheinen den Bericht des Regierungsrates, den Bericht der Obersteuerrekurskommission und des Kirchenrates durchberaten. Von der Ansicht ausgehend, daß die Beratungen in der Kommission ersprießlicher sind als diejenigen im ohnehin schon überlasteten Rate, hat sie die Lösung ihrer Aufgabe besonders gründlich betrieben. Sie hofft, daß der Rat dieses [p. 1145] Vorgehen billige und den Bericht möglichst rasch erledige. Bei einer künftigen Revision der Geschäftsordnung des Kantonsrates sollte die Rechenschaftsberichtsprüfungskommission zu einer ständigen mit dreijähriger Amtsdauer erhoben werden. Oder es sollten wenigstens die Fraktionen sich dahin verständigen, ihre Vertreter für drei Jahre abzuordnen, damit weniger Wechsel in der Bestellung der Kommission eintritt. Die Kommission hat bei ihren Prüfungen die Verwaltungsmaschine in gutem Zustande befunden. Wer am Staatshaushalt Kritik übt, sollte den Mut haben und bei der Budgetberatung genau sagen, wo es nach seiner Ansicht fehlt. Mit allgemeinen Anklagen und Phrasen ist nichts erreicht. Richtig ist, daß einzelne Anstalten, wie z. B. Rheinau und Burghölzli, zu groß geworden sind und kaum mehr überblickt werden können. Im allgemeinen darf aber konstatiert werden, daß die Anstalten unter tüchtiger Leitung stehen, und daß die Millionen von Franken, die alljährlich darin vergraben werden, gut angewendet sind. Die Nebenbeschäftigungen unserer Beamten sollten etwas mehr unter die Lupe genommen werden. Man wird bei der Revision des Wahlgesetzes daran denken müssen. Der Redner gibt dann noch eine gedrängte Übersicht über die in der Kommission zu den einzelnen Direktionen gemachten Bemerkungen und hebt hervor, der gedruckte Bericht sei etwas mager ausgefallen, weil die meisten Fragen schon in der Kommission ihre Erledigung fanden.
Ohne Diskussion wird dem Antrag des Referenten, auf die Beratung des Berichtes einzutreten, zugestimmt.
Einzelberatung in Abschnitten.
Militär.
Ohne Bemerkung genehmigt.
Polizei.
Prof. Rütsche-Zürich referiert. Die Kommission hat sich nochmals mit der Angelegenheit Weyermann beschäftigt, wird aber hierüber einen besonderen Bericht erstatten. Auf ihre Anfrage, ist ihr mitgeteilt worden, daß sich die Trennung der Justizdirektion von der Polizeidirektion bewährt hat. Mit der von der Polizeidirektion angestrebten Eindämmung des Lotteriewesens ist die Kommission einverstanden. Bei der Automobilpolizei wird strenge Ahndung aller Übertretungen der beste- [p. 1146] henden Vorschriften gewünscht. Die Vorlage eines neuen Automobilgesetzes sollte nicht lange auf sich warten lassen. Unbefriedigend ist das gegenwärtige Verhältnis zwischen Stadtpolizei und Kantonspolizei. Die Kommission ist sodann der Ansicht, daß der Wanderlagerhandel möglichst eingeschränkt werden sollte, und daß Gesuche von Ausländern um Bewilligung von Wanderlagerverkäufen abzuweisen seien.
Müller-Rüschlikon weist auf den Schaden hin, der bei Bergprüfungsfahrten den Landwirten angerichtet wird. Diese Fahrten sollten auf das Spätjahr verlegt werden, oder dann sollte man die Veranstalter verpflichten, einen gewissen Betrag zur Deckung des entstehenden Schadens zu hinterlegen.
Wyß-Zürich verlangt bessere Regelung des Automobilverkehrs. Das unverantwortliche rasche Fahren gewisser Fahrzeuglenker trägt die Schuld an der großen Vermehrung der Verkehrsunfälle. Um eine bessere Kontrolle zu ermöglichen, sollten die Nummernschilde der Wagen größer sein. Auf der andern Seite ist allerdings auch zu sagen, daß das Publikum noch nicht auf den angewachsenen Verkehr eingestellt ist. Die Behörden sollten strenge darauf achten, daß bei den Leuten, welche eine Fahrbewilligung erhalten, die Versicherung in Ordnung ist.
Müller-Kern, Winterthur, findet es auffallend, daß der Staat einer privaten Pfandleihanstalt eine Konzession erteilt hat, die derjenigen der Kantonalbank Konkurrenz macht. Für den Automobilverkehr regt er periodische Straßenkontrolle durch zwei bis drei Kantonspolizisten an.
Dr. Weisflog-Zürich betont, daß auf Grund der bestehenden Gesetze die Verleihung der Konzession für eine private Pfandleihanstalt nicht zu umgehen war. Man sollte aber das Geschäftsgebaren dieser neuen Anstalt genau beobachten und namentlich untersuchen, ob sie nicht der Hehlerei Vorschub leiste.
Maurer, Polizeidirektor, berichtigt, daß die Zahl der eigentlichen Wanderlagerpatente lange nicht so groß ist, wie die Kommission angenommen hat. Dem Gesuch der Kommission um Abweisung der ausländischen Bewerber für Wanderlagerverkäufe kann angesichts des Art. 31 der Bundesverfassung nicht entsprochen werden. Bei der Ausübung der Auto- [p. 1147] mobilpolizei sind den Behörden durch die geltende Gesetzgebung die Hände gebunden. Bei den Bergprüfungsfahrten wird man künftig zum Rechten sehen. Die Eigentümer der geschädigten Liegenschaften haben übrigens zivilrechtliche Ansprüche auf Schadenersatz. Daß bei der Versicherung der Fahrzeugfahrer allerlei Kniffe zur Anwendung kommen, ist den Behörden wohl bekannt; es hält aber schwer, den Betrügern beizukommen. Über die Ausscheidung der Kompetenzen der Stadt- und der Kantonspolizei schweben Unterhandlungen, die in den nächsten Tagen zu einem Antrag an den Regierungsrat führen werden. Bei der privaten Pfandleihanstalt spielt wiederum der Art. 31 der Bundesverfassung eine Rolle. Das Simonsche Unternehmen, um das es sich handelt, ist übrigens keine eigentliche Konkurrenzanstalt zur Pfandleihanstalt der Kantonalbank. Daß sie einem Bedürfnis entspricht, scheint aus der starken Frequenz, deren sie sich erfreut, hervorzugehen.
Der Abschnitt ist erledigt.
Gefängniswesen.
Ohne Bemerkungen genehmigt.
Finanzwesen.
Wirz-Winterthur referiert. Die Kommission hat sich über eine Reihe von Punkten von der Finanzdirektion Auskunft geben lassen, so über die Handhabung des Wirtschaftsgesetzes, über die Steuereinschätzung der bäuerlichen Betriebe, über Rechnungsfehler bei Ablieferung der Staatssteuern durch die Gemeinden, über die Rechnungsführung durch die Gemeinden, über die Besteuerung der Saisonarbeiter, über Verstöße bei der Erhebung der außerordentlichen Gemeindesteuern und über den starken Wechsel bei den Steuerkommissären. Die Auskunft ist im allgemeinen befriedigend ausgefallen; einzig bei der Frage der Besteuerung der Saisonarbeiter, hat die Kommission den Eindruck erhalten, unser Kanton komme dabei entschieden zu kurz. Da aber das Bundesgericht gesprochen hat, ist nicht viel zu machen.
Maurer-Hittnau wünscht zu wissen, gestützt auf welche gesetzliche Bestimmungen der Regierungsrat die Einsetzung von Mufflons in das Schongebiet am Tößstock vorgenommen habe. Diese Tiere haben sich dort oben unter die Ziegen- und Schaf- [p. 1148] herden gemischt und unter diesen einiges Unheil angerichtet, das sich mit gewissen Vorschriften des Gesetzes über die Förderung der Landwirtschaft nicht in Einklang bringen läßt. Das Vorgehen der Regierung steht auch mit dem Jagdgesetz in Widerspruch. Man muß sich also nicht wundern, wenn die betroffenen Grundbesitzer der Gemeinden Wald und Fischenthal zur Selbsthülfe greifen.
Dr. Ernst-Zürich erinnert daran, daß die erwähnten Mufflons oder Wildschafe auf den Wunsch von Tierfreunden eingesetzt wurden. Es ließe sich vielleicht mit Rücksicht auf das neue Jagdgesetz eine Reduktion der ausgesetzten Tiere vornehmen.
Walter, Finanzdirektor, teilt mit, daß über die von Maurer angeschnittene Frage wiederholte Konferenzen der Finanzdirektion mit der Jagdkommission stattgefunden haben. Man will nun vorläufig einmal abwarten, welche Ansprüche wegen Wildschaden angemeldet werden. Von den Mufflons ist der Bock, der die von Maurer erwähnten Sünden begangen hat, abgetan worden.
Der Abschnitt über die Finanzdirektion ist erledigt.
Inneres.
Ohne Bemerkungen genehmigt.
Volkswirtschaft.
Wyß-Zürich referiert. Er erinnert an verschiedene Kriegsmaßnahmen, die sich bis in die heutige Zeit hinein erhalten haben, so an die Kühlanlagen im Tiefenbrunnen. Beim Viehhandel zeigen die vielen verhängten Bußen, daß etwas nicht in Ordnung ist. Beim Gefrierfleischverkauf sollte scharf darauf gesehen werden, daß die Verkäufer das Fleisch nicht verwursten. Das Fabrikinspektorat sollte angesichts der herrschenden Krisis sehr darauf dringen, daß die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Bei der Arbeitslosenfürsorge müssen die Organe des Staates die Vorschriften strikte handhaben und darauf trachten, daß alle Arbeitslosen die Unterstützung erhalten.
Gschwend-Zürich rügt, daß die Volkswirtschaftsdirektion nur noch Lehrlingsprüfungen von Gebißarbeitern, aber nicht mehr von Zahntechnikern vornimmt. Er wünscht auch zu wissen, wie es mit der Zahntechnikerinitiative stehe. [p. 1149]
Der Vorsitzende verweist die Anfragen über die Zahntechniker in den Abschnitt über das Gesundheitswesen.
Hartmann-Langwiesen kritisiert, daß bei Notstandsarbeiten im Stammheimertal Berufsarbeiter aus Feuerthalen nur 70 Rp. Stundenlohn erhalten. Der nördliche Kantonsteil sollte überhaupt mehr mit Notstandsarbeiten bedacht werden.
Dr. Ernst-Zürich spendet der Volkswirtschaftsdirektion für ihre Tätigkeit während der Kriegszeit hohe Anerkennung.
Tobler, Volkswirtschaftsdirektor, verzeichnet mit Genugtuung, daß die Kühlanlagen im Tiefenbrunnen dem Staate jährlich 12,000 bis 15,000 Fr. einbringen. Der Ausdruck „Gebißarbeiter" wird nächstens verschwinden und durch „Zahntechniker" ersetzt werden. Die Belohnung der Notstandsarbeiter wird neu geregelt. Es werden drei Kategorien geschaffen, und zwar nach Gemeinden unter Berücksichtigung der Entfernung des Arbeitsplatzes vom Wohnort, welcher maßgebend ist für die Höhe des Lohnes. Die vom Referenten verlangte Zentralisation des Gewerbeschulwesens läßt sich nicht bewerkstelligen unter dem heutigen Gesetz. Nach diesem ist der Lehrling nur in einem genau umschriebenen Entfernungskreis zum Besuch der Schule verpflichtet.
Der Abschnitt Volkswirtschaft wird genehmigt.
Gesundheitswesen.
Dr. Kraft-Zürich referiert. Wiederum ist die Milchuntersuchung zu erwähnen. Zwar ist hierin eine ganz bedeutende Besserung eingetreten, namentlich im Kapitel Verunreinigung der Milch, indem die diesbezüglich zur Anzeige gelangten Fälle von 1400 im Jahre 1920 auf rund 400 zurückgegangen sind. Die Produzenten müssen dem Molkereigeschäft noch mehr Aufmerksamkeit schenken. Die Sauberhaltung der Milch liegt im Interesse der Bauern und der Konsumenten. Auch die Milchfälschungen gaben Anlaß zu Diskussionen. Eine laxe Gerichtspraxis begünstigt die verwerflichen Handlungen. Wer unreine Lebensmittel zum Vertrieb bringt, hat die Verantwortung hiefür zu tragen. Das gleiche ist betreffend die Weinfälschungen zu sagen. Auch die Verunreinigung des Wassers ist zu verhindern.
An Hand von zwei Kriminalfällen weist der Referent nach, daß es dem Publikum zu leicht gemacht ist, sich giftige [p. 1150] Substanzen zu verschaffen. Dies soll zwar kein Vorwurf gegen die Behörde sein, aber es macht sich doch die Ansicht geltend, daß die Beschaffung solcher Gifte einer schärferen Kontrolle unterworfen und bezügliche Maßnahmen getroffen werden sollen. Auf dem Gebiete der Kurpfuscherei werden ebenfalls gesundheitsschädliche Präparate in den Handel gebracht, um finanzielle Vorteile zu erreichen. Zudem werden dadurch die gutgläubigen Leute in gesundheitlicher Beziehung noch geschädigt. Die Kommission stellt deshalb folgendes Postulat:
Der Regierungsrat wird eingeladen, zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten, ob nicht die Verordnung betreffend den Verkauf von Arzneimitteln, Giften, Chemikalien zu technischen Zwecken, Mineralwassern, Geheimmitteln und medizinischen Spezialitäten vom 24. August 1911 im Sinne einer Verschärfung abzuändern sei.
Der Referent kommt noch auf die Ausübung des zahnärztlichen Berufes zu sprechen. Die Kommission wünscht, daß die Frage der Ausbildung der Zahnärzte und der Zahntechniker auf eine einwandfreie Basis gestellt und so rasch wie möglich klare Vorschriften festgelegt werden.
Hier werden die Beratungen abgebrochen.
Vertagung.
Die nächste Sitzung findet Montag, den 27. Februar 1922, statt.
Schluß der Sitzung 1 Uhr.
Zürich, den 20. Februar 1922.
Der Protokollführer: A. Stamm.
Vom Kantonsratsbureau in seiner Sitzung vom 7. April 1922 genehmigt.