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Staatsarchiv des Kantons Zürich

Zentrale Serien seit 1803 online: Kantonsratsprotokolle

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SignaturStAZH MM 24.7 KRP 1831/0130
TitelBerathung des Gesetzes über die Gemeindsversammlungen.
Datum30.05.1831
P.297–307

[p. 297] Es folgte hierauf die Berathung des Gesetzesentwurfes über die Gemeindsversammlungen.

Der 1ste Art: deßelben wurde mit Mehrheit angenommen; eine Minderheit hatte folgenden Antrag gestellt:

Wenn ein oder mehrere Bürger schriftlich oder mündlich bey dem Gemeinds-Präsidenten auf Abhaltung einer außerordentlichen Gemeindsversammlung antragen, so ist ein solches Begehren dem Gemeindrathe unverzüglich vorzutragen. Findet der Gemeindrath das Ansuchen begründet, so wird von demselben ein geeigneter Tag für die Versammlung angesagt, werden aber der oder die Petenten von dem Gemeindrathe abgewiesen, so ist dennoch auf schriftliches Begehren eines Sechstheils der in das Bürgerbuch eingetragenen Bürger, die außerordentliche Gemeinde innert 8. Tagen von dem Gemeindrathe zu besammeln.

Der Art: 2. welcher vorschreibt, daß die Gemeindsversammlungen 8. Tage vorher angesagt werden sollen, erhielt einen kleinen Zusatz, wie folgt: Jede Versammlung ist, dringliche Fälle vorbehalten, acht Tage vorher anzukündigen u. s. w.

Im §. 3, welcher den Bürgereid enthält und deßen letzter Satz das Gelübde für Aufrechthaltung der Ruhe fordert, [p. 298] wurde in dem Sinne eine Abänderung getroffen, daß diese Verpflichtung nur als Mitwirkung angelobt werden solle, und also die Fassung geändert, wie folgt: – Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten, drohenden Schaden abwenden, und die Wohlfahrt Aller nach Kräften fördern zu helfen, das versprechen wir vor Gott dem Allwißenden.

Art: 4. blieb unverändert.

Art. 5. welcher vorschrieb, daß der Präsident über Berathungsgegenstände drey Mitglieder der Gemeinde in Anfrage setzen solle, wurde mit Mehrheit also modificirt, daß es in selbigem heißen soll: er fragt ein beliebiges Mitglied um seine Meinung an u. s. w.

Der §. 6. blieb unverändert, doch ging eine Meinung dahin, daß die den ordentlichen Gemeindsversammlungen vorzulegenden Anträge nicht 14. sondern nur acht Tage vorher eingereicht werden sollen, sie blieb aber in der Minderheit. Ebenso wurde eine Meinung, daß die Anträge nur mündlich vorgebracht werden mögen, verworfen, und die schriftliche Eingabe als Vorschrift aufgestellt.

§. 7. blieb bey dem Entwurfe. [p. 299]

Dem §. 8, welcher bey Gemeindsbeschlüßen die Minderheit der Mehrheit unterordnet, wurde folgender Satz am Schluße beygefügt: Vorbehalten sind diejenigen Fälle, welche das Gesetz als Streitigkeiten im Verwaltungsfache bezeichnet.

In den 3. folgenden Artikeln fand keine Abänderung statt.

Im §. 12. Lin: 2. soll es heißen, nach Art: 22. oder 23. des Gesetzes über die Gemeindeverwaltung, und am Schluße dieses Artikels, welcher über die dem Gemeindrathe beyzuordnenden Ausschüße handelt, wurde mit Mehrheit der Zusatz beygefügt: In der Stadt Zürich kann die Bestellung eines bleibenden Bürgerausschußes auch durch Wahl der Zünfte geschehen. Die vier letzten §§. wurden unverändert, und sodann endlich auch in der Hauptfrage das Gesetz in seinem Gesammtinhalte einmüthig angenommen, wie folgt:

Gesetz

über die Gemeindsversammlungen.

§. 1.

Nach Art: 80. der Verfaßung hat jede politische Gemeinde eine Gemeindsversammlung, bestehend aus ihren in das Bürgerbuch eingetragenen stimmfähigen Bürgern. Ordentlicher Weise wird sie zwey Mahl des Jahres abgehalten. Die Festsetzung der beyden Zeitpunkte ist Sache der Gemeinde. Außerordentlicher Weise [p. 300] wird die Gemeindsversammlung bey vorhandenem Bedürfniße auf einen Beschluß des Gemeindraths abgehalten. Wenn ein Sechstheil der in das Bürgerbuch eingetragenen Bürger durch eine schriftliche, die Gründe ihres Begehrens enthaltende Eingabe an den Gemeindspräsidenten, auf Abhaltung einer außerordentlichen Gemeindsversammlung antragen, so ist ein solches Begehren unverzüglich dem Gemeindrathe vorzulegen, welcher dann einen geeigneten Tag für die Versammlung ansetzt.

§. 2.

Jede Versammlung ist, dringliche Fälle vorbehalten, acht Tage vorher anzukündigen, unter Bezeichnung der zu verhandelnden Gegenstände.

§. 3.

Diejenigen Bürger der Gemeinde, welche zum ersten Mahle nach erlangter Stimmfähigkeit der ersten der beyden ordentlichen Jahresversammlungen beywohnen, haben vor der Gemeinde folgenden Bürgereid zu leisten:

„Wir, Bürger des Cantons Zürich, schwören Treue der Schweizerischen Eidgenoßenschaft und unserm Canton; wir schwören, die Unabhängigkeit, Rechte und Freyheiten unsers theuren Vaterlandes zu schützen und zu schirmen, mit Gut und Blut, wo es die Noth erfordert. [p. 301] Wir geloben Treue unserer Verfaßung, Achtung dem Gesetze, Gehorsam unserer Obrigkeit; bey Ausübung unsrer Wahlrechte verheißen wir unsere Stimme den Wägsten und Beßten zu geben.

Ruhe und Ordnung aufrecht erhalten, drohenden Schaden abwenden und die Wohlfahrt Aller nach Kräften fördern zu helfen, das versprechen wir vor Gott dem Allwißenden.“

§. 4.

Vor jeder Versammlung hat der Präsident in Zuzug zweyer Gemeindräthe das Bürgerbuch durch zu sehen und zu berichtigen. Wird die Stimmfähigkeit eines Bürgers an einer Versammlung in Zweifel gezogen, so steht dem Präsidenten und den Gemeindräthen, welche das Bürgerbuch durchgesehen, das Recht der Entscheidung zu. Wer sich durch einen solchen Entscheid in seinem Activ-Bürgerrechte gekränkt glaubt, kann sich zur Anerkennung seines Rechtes für spätere Versammlungen an das Bezirksgericht wenden.

§. 5.

Der Gemeindspräsident trägt die Gegenstände der Berathung vor; er fragt ein beliebiges Mitglied um seine Meinung an, und ertheilt dann denjenigen Bürgern das Wort, die solches begehren, in der Reihenfolge, wie es von ihnen begehrt worden ist. [p. 302]

§. 6.

Wenn ein Bürger in einer Versammlung auf einen Gemeindsbeschluß über einen nach Art: 81. der Verfaßung in der Befugniß der Gemeinde liegenden Gegenstand antragen will, so hat er diesen Anzug in Schrift verfaßt, vierzehn Tage vor einer ordentlichen Versammlung dem Gemeindrathe zur Begutachtung einzureichen. Bey der Gemeinde ist zuerst der Anzug durch seinen Urheber, dann das Gutachten des Gemeindraths zu eröffnen, und hierauf nach dem vohergehenden Artikel die Berathung abzuhalten. Wird von einem Sechstheil der Gemeindsbürger nach Art: 1. auf eine außerordentliche Gemeindsversammlung angetragen, so hat der Gemeindrath über den in der schriftlichen Eingabe bezeichneten Berathungsgegenstand gleichfalls ein Gutachten abzufaßen; auch ist ihm von den Antragstellern diejenige Person aus ihrer Mitte zu bezeichnen, welche den Anzug in der Gemeindsversammlung eröffnen werde.

§. 7.

Nach beendigter Berathung entscheidet die Gemeinde durch das Mehr, ob ein gemachter Antrag des Gemeindrathes oder ein Anzug eines ihrer Bürger anzunehmen und zum [p. 303] Gemeindsbeschluße zu erheben, oder zu verwerfen, oder endlich an den Gemeindrath zur Abänderung zurückzuweisen sey. Im letztern Falle ist die Gemeinde, wenn sie es gut findet, dem Gemeindrathe eine beliebige Zahl von Ausschüßen beyzuordnen berechtigt. Auch kann sie festsetzen, auf welchen Zeitpunkt der Gegenstand ihr wieder vorzulegen sey.

Wo neben dem Gemeindrathe nach Art: 88. der Verfaßung noch ein bleibender Bürgerausschuß zur Erweiterung und Beaufsichtigung der Gemeindsverwaltung besteht, kann die Zurückweisung auch an diesen erfolgen.

§. 8.

Sowohl bey den ordentlichen Versammlungen als bey außerordentlichen, wenn die Mehrzahl der in der Gemeinde befindlichen Bürger in der Versammlung abwesend ist, hat sich die Minderheit dem Beschluße der Mehrheit über alle nach Art: 81. der Verfaßung in der Befugniß einer politischen Gemeinde liegenden Gegenstände zu unterziehen. Vorbehalten sind diejenigen Fälle, welche das Gesetz als Streitigkeiten im Verwaltungsfache bezeichnet.

§. 9.

Es darf im Nahmen einer Gemeinde keine Petition an eine niedere oder [p. 304] höhere Behörde erlaßen werden, sie sey den von der Gemeinde in einer gesetzlich angekündigten und ordnungsgemäß abgehaltenen Versammlung genehmigt worden. Auch ist solche ihrem wörtlichen Inhalte nach in das Gemeindsprotokoll einzutragen.

§. 10.

Die Abstimmung über einen berathenen Antrag geschieht durch offenes Mehr mittelst Aufstehens. Zuerst werden durch den Präsidenten die Annehmenden, dann die Verwerfenden aufgerufen. Ist das Mehr dem Präsidenten, den Stimmenzählern oder einem Bürger zweifelhaft, so muß die Abstimmung wiederholt und die annehmenden und verwerfenden Stimmen gezählt werden. Bey gleichgetheilten Stimmen entscheidet der Präsident, der nur in diesem Fall zu stimmen hat.

§. 11.

In jeder Versammlung wählt die Gemeinde zwey bis vier Stimmenzähler durch Vorschlag und offene Wahl. Der Schreiber des Gemeindraths ist in der Regel auch der Schreiber der Gemeinde; doch steht letzterer frey, sich auf eine beliebige Dauer einen eigenen Schreiber zu wählen.

§. 12.

Beschließt die Gemeinde nach Art: 7. des gegenwärtigen Gesetzes oder nach Art: 22. oder 23. des Gesetzes über die Ge- [p. 305] meindeverwaltung, dem Gemeindrathe einen Ausschuß beyzuordnen, so geht die Bestellung desselben in der Regel, und wenn nicht die Versammlung das geheime Mehr ausdrücklich erkennt, durch offenes Mehr für jede einzelne Stelle vor sich. Der Präsident fordert zu diesem Ende ein Mitglied der Versammlung auf, für die Stelle einen Vorschlag zu machen, und stellt alsdann die allgemeine Einfrage, ob noch andere Mitglieder vorgeschlagen werden. Über die Vorgeschlagenen wird abgestimmt. Vereinigt sich auf keinen von ihnen die Mehrheit der Anwesenden, so wird über die drey, welche die meisten Stimmen haben, die Abstimmung fortgesetzt, bis die Mehrheit sich auf einen von ihnen vereinigt hat.

Das nähmliche Verfahren findet bey der Erwählung einer Rechnungs-Commißion Statt.

In der Stadt Zürich kann die Bestellung eines bleibenden Bürgerausschußes auch durch Wahl der Zünfte geschehen.

§. 13.

Die Erwählung der Gemeindsbeamten geschieht, wenn nicht durch das Gesetz etwas Abweichendes vorgeschrieben ist, durch geheime Abstimmung mit Stimmzetteln.

Für alle geheimen Wahlen gelten folgende Bestimmungen:

1.) Nach Schließung der Thüre werden die Anwesenden gezählt und so viele Stimm- [p. 306] zettel, als Stimmgebende sind, durch die Stimmenzähler ausgetheilt.

2.) Wo nicht das Gesetz etwas Abweichendes verordnet, steht der Gemeinde frey, für eine Stelle allein oder mehrere Stellen zugleich die Abstimmung ergehen zu laßen. Jeder Stimmgebende schreibt auf seinen Stimmzettel so viele Personen, als zu ernennen sind.

3.) Die beschriebenen Zettel werden von den Stimmenzählern eingesammelt, gezählt, verlesen und durch den Schreiber die Stimmenzahl verzeichnet.

4.) Erhalten bey einer Abstimmung nicht so viele Personen, als Stellen zu besetzen sind, das Mehr der Stimmenden, so wird eine neue geheime Abstimmung vorgenommen, wobey diejenigen, welche die geringste Stimmenzahl oder weniger als fünf Stimmen für sich haben, aus der Wahl fallen. Durch den Schreiber sind diejenigen zu verlesen, welche noch ferner in der Wahl bleiben.

§. 14.

Der Präsident wacht über Erhaltung der Ordnung und Ruhe in der Versammlung, und weist diejenigen zu Recht, welche sie stören.

§. 15.

Der Gemeindsschreiber hat die Beschlüße der Gemeinde nach jeder Versammlung in das Gemeindsprotokoll einzutragen. Die Übereinstimmung [p. 307] des Eingetragenen mit den ergangenen Beschlüßen ist durch den Präsidenten und die Stimmenzähler im Protokoll selbst schriftlich zu bezeugen.

§. 16.

Vorstehende Bestimmungen finden auch Anwendung auf solche Versammlungen, die von Kirch-, Schul- und Civilgemeinden über ihre besondern Angelegenheiten unter der Leitung ihrer Vorsteher abgehalten werden, es wäre denn, daß örtliche Bestimmungen oder unbestrittene Übungen etwas Abweichendes mit sich bringen würden.

Zürich den 30. May 1831.

Im Nahmen des Großen Rathes:

Der Präsident.

M. Hirzel.

Der erste Secretär,

Hottinger.