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Staatsarchiv des Kantons Zürich

Zentrale Serien seit 1803 online: Kantonsratsprotokolle

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SignaturStAZH MM 24.82 KRP 1971/009/0083
TitelVolksabstimmung vom 6. Juni 1971 über das Gesetz über die Verlegung des Schuljahrbeginns und die Dauer der Schulpflicht
Datum30.08.1971
P.384–404

[p. 384] a) Einsprachen

aa) Prof. Dr. Hans Peter, Adliswil

bb) Walter Angst, Zürich

Walter Baumann, Winterthur

Tabita Suter, Zürich, und 3 Mitunterzeichner

[p. 385] Dr. Alois Brügger, Zürich, und 10 Mitunterzeichner Hans Kellermüller, Räterschen, als Präsident eines überparteilichen Aktionskomitees für den Schulbeginn im Frühjahr

cc) Hans Kellermüller, Räterschen

dd) Prof. Dr. Gian Andrea Baiaster, Zürich, und 7 Mitunterzeichner

b) Erwahrung des Abstimmungsergebnisses

a) Einsprachen

Im Namen des Büros referiert Dr. H. Müller - Uitikon zu den Einsprachen. Er führt aus:

Das Büro des Kantonsrates beauftragt mich, Ihnen über die gegen die Abstimmung zum Herbstschulgesetz eingegangenen Einsprachen zu referieren.

Gegen das Abstimmungsresultat der Volksabstimmung vom 6. Juni 1971 sind beim Büro des Kantonsrates insgesamt 8 Einsprachen entsprechend § 131 des Wahlgesetzes vom 4. Dezember 1955 an den hiefür zuständigen Kantonsrat innert der gesetzlich festgelegten Frist von 20 Tagen gemäss § 135 des zitierten Wahlgesetzes eingereicht worden. Die Staatskanzlei hat die Einhaltung der vorgeschriebenen Rekursfrist in allen Fällen nachgeprüft und in diesem Punkte die Eingaben als richtig befunden. Das Büro stimmt in seiner Auffassung mit dem Rechtsgutachten des Staatsschreibers Dr. H. Roggwiller und dessen Stellvertreter Dr. J. Schläpfer weitgehend überein. Dagegen kommt eine Mehrheit und eine Minderheit des Büros in ihren Erwägungen bei den unter lit. bb) zu beurteilenden Einsprachen zu verschiedenen Ergebnissen, ebenso bei der Beurteilung der unter lit. dd) zu behandelnden Einsprache.

Zu aa)

Dr. H. Müller: Zuerst hat der Rat gemäss Geschäftsordnung sub. lit. aa) die Einsprache von Prof. Dr. Hans Peter, Adliswil, gegen die Abstimmung des zitierten Gesetzes vom 6. Juni dieses Jahres als Rekursinstanz zu beurteilen.

Einstimmig hat das Büro diese Einsprache abgelehnt, weil der Rekurrent in seiner Begründung geltend macht, der Beleuchtende Bericht des Regierungsrates zum fraglichen Gesetz enthalte unwahre Angaben und damit seien bei den Stimmberechtigten unrichtige Vorstellungen über Inhalt und Tragweite des [p. 386] zur Abstimmung unterbreiteten Gesetzes erweckt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichtes wie des Regierungsrates (vgl. die letzten Bundesgerichtsentscheide in Bd. 81. I. S. 208, Bd. 74. I. 22 sowie Zeitschrift für Staats- und Gemeindeverwaltung Jahrgang 1962, S. 477 ff) hat ein Stimmberechtigter sofort Beschwerde zu führen, wenn er sich durch behördliche Anordnungen wie Weisungen und Berichte zu Abstimmungen in seinem Stimmrecht verletzt fühlt. Das Bundesgericht hat es wiederholt als stossend bezeichnet, wenn ein Stimmberechtigter mit der Geltendmachung eines solchen Mangels bis nach der Abstimmung zugewartet und seine Opposition von deren Ausgang abhängig machen wollte. Das Bundesgericht hat deshalb Beschwerden gegen eine Wahl- oder Abstimmungsanordnung, die erst nach Abstimmungen oder Wahlen erhoben wurden, regelmässig als verspätet betrachtet. In Übereinstimmung mit der erwähnten Praxis kann auf die Einsprache von Prof. Dr. Peter wegen Verspätung nicht mehr eingetreten werden, nachdem ihm Unbestrittenermassen 30 Tage bis zur Abstimmung nach Zustellung des Berichtes für eine Anfechtung zur Verfügung gestanden hatten. Die Abstimmungsvorlage war zudem im Amtsblatt des Kantons Zürich vom 13. April 1971 publiziert. Bei dieser Sach- und Rechtslage empfiehlt daher das Büro dem Rat, «es sei auf die Einsprache von Prof. Dr. Hans Peter, Adliswil, gegen die Abstimmung vom 6. Juni über das Gesetz zur Verlegung des Schuljahres und die Dauer der Schulpflicht nicht einzutreten.»

Das Wort wird nicht verlangt.

Auf Antrag seines Büros beschliesst der Kantonsrat:

I. Auf die Einsprache von Prof. Dr. Hans Peter, Adliswil, vom 5. Juni 1971 über das Gesetz über die Verlegung des Schuljahrbeginns und die Dauer der Schulpflicht wird nicht eingetreten.

II. Mitteilung an den Einsprecher Prof. Dr. Hans Peter, Haldenstrasse 16, 8134 Adliswil, und an den Regierungsrat.

Zu bb)

Dr. H. Müller - Uitikon führt für das Büro aus: Gemäss heutiger Traktandenliste haben wir sub. lit. bb) die Eingaben der Stimmbürger Walter Angst, Zürich, Walter Baumann, Winterthur, Tabita Suter, Zürich, und 3 Mitunterzeichner, Dr. Alois Brügger, Zürich, und 10 Mitunterzeichner, sowie Hans Kellermüller, Räterschen, als Präsident eines überparteilichen Aktionskomitees für den Schulbeginn im Frühjahr.

[p. 387] Allen genannten Eingaben ist gemeinsam, dass sie lediglich eine Nachzählung des Abstimmungsergebnisses vom 6. Juni 1971 zur Gesetzesvorlage, kurz «Herbstschulgesetz» genannt, und keine Wiederholung der Abstimmung verlangen. Sie qualifizieren sich nicht als eigentliche Rekurse im Sinne von § 131 des Wahlgesetzes, da diese Eingaben keine Einsprachen erheben oder sich als Rekurse bezeichnen, sondern vielmehr als Petitionen.

Wie die Eingaben betonen, ist die zitierte Abstimmung über die Vorlage zum «Herbstschulgesetz» von aussergewöhnlicher Tragweite. Die Verlegung des Schuljahrbeginns auf den Herbst ist eine einschneidende Massnahme und vielleicht sogar die schwerwiegendste seit Bestehen unserer Volksschule. Das umstrittene Gesetz wird zudem auch spürbare Auswirkungen auf die Mittelschulen, die Berufsschulen, die Universität und Berufslehren zeitigen. Unzählige organisatorische Umstellungen, Anpassungen und Neuerungen werden erforderlich sein, die bestenfalls und nur im Geiste konstruktiver Zusammenarbeit aller Schulbehörden und Lehrkräfte überhaupt durchgeführt werden können. Angesichts der äusserst schmalen Basis des Abstimmungsergebnisses von weniger als einem Promille sind Verdacht, Zweifel und Misstrauen über das Abstimmungsergebnis im Stimmvolk weitverbreitet.

Die Regierungsratswahlen von 1963 mit dem überraschenden Nachzählergebnis haben die Stimmberechtigten hellhörig gemacht. Die Kontrolle ergab damals, dass kein Ergebnis genau stimmte, und die grösste Abweichung betrug 132 Stimmen bei alleiniger Stimmberechtigung der Männer. Die Mehrheit des Büros ist der Auffassung, dass nur durch eine Nachzählung absolute Gewissheit über das vorläufig ermittelte Abstimmungsergebnis erzielt werden kann. Ohne diese Gewissheit hat das Gesetz keinen guten Start. Während die Gesetzesgegner hoffen, bei einer Nachzählung werde sich das Abstimmungsergebnis ins Gegenteil kehren, erwarten die Befürworter, dass ihre Mehrheit sich noch erhöhe. Folglich sollten eigentlich beide Parteien an einer Nachkontrolle interessiert sein. Allein im Bestreben, die Wahrheit mit Sicherheit zu ermitteln, empfiehlt die Büromehrheit die Nachzählung des Abstimmungsergebnisses. Befürworter wie Gegner des Gesetzes sollten nicht auf einem fragwürdigen und unüberprüften Ergebnis die Verwirklichung eines Gesetzes in Angriff nehmen müssen, sondern, wie es sich in jeder Demokratie gehört, in der Überzeugung, nach dem klaren Mehrheits- [p. 388] willen des Volkes zu handeln. Bei einer Nachzählung wird sich die Minderheit als gute Verliererin eher fügen und fügen müssen, was in unserem demokratischen Staatswesen Voraussetzung und Selbstverständlichkeit ist.

Während der Mehrheitsantrag des Büros in den fünf zur Beratung stehenden Fällen aus Zweckmässigkeitserwägungen und rechtlich betrachtet im Rahmen des pflichtgemässen Ermessens erfolgt, so fusst der Minderheitsantrag auf der Feststellung, dass diese fünf Eingaben gar keine bestimmten Verfahrensmängel rügen.

M. Korthals - Dübendorf referiert für die Mehrheit des Büros, die eine Nachzählung der Ergebnisse des Herbstschulgesetzes beantragt. Es bleiben, nach den einführenden Bemerkungen von Dr. H. Müller, noch die staatspolitischen Aspekte. Zweifellos können sich Fehler beim Auszählen einschleichen. Das lässt sich mit den Erfahrungen bei der Nachzählung der Regierungsratswahlen 1963 untermauern. Dabei handelte es sich nicht nur um die Namensinterpretation, sondern auch um reine Zählfehler, denn bei den Regierungsräten Dr. W. König und A. Günthard war wohl kaum eine Verwechslung mit anderen Namen möglich; trotzdem hatte der erstere 129 Stimmen mehr, der letztere 132 Stimmen weniger als das offizielle Ergebnis gelautet hatte. Aber auch alle anderen Stimmenzahlen stimmten damals nicht genau.

Der Präsident der Wahlaktenprüfungskommission, C. Brauch - Hegnau, führte bei der Erwahrung der Kantonsratswahlen aus, dass die Kommission trotz einiger kleiner, festgestellter Fehler, die aber das Wahlergebnis nicht beeinflussten, Erwahrung beantrage. Fehler sind also möglich. Der Antrag auf Nachzählung entspringt nicht dem Misstrauen gegenüber den Wahlbüros und ihren Zählbeamten. Aber die Mehrheitsbasis ist mit 0,4‰ einfach zu klein. Die Fehlermarge betrug 1963 0,7‰. Das Koordinationsgesetz benötigt die vertrauensvolle Mitarbeit aller Kreise. Es darf nicht auf allfälligen Fehlern aufgebaut werden. Der weitere Ablauf dieser Gesetzgebung, die den guten Willen aller Kreise, Schulbehörden, Lehrer, Eltern, Arbeitgeber usw. braucht, sollte nicht mit Misstrauen und Verdacht belastet sein. Die Befürworter sollten in erster Linie ein Interesse an einer Nachzählung haben, um das wirkliche Ergebnis der Abstimmung zu erfahren.

[p. 389] Nehmen wir den Fall an, ein Stimmenzähler behaupte schlüssig, dass Unregelmässigkeiten vorgekommen seien. Dann müsste auf jeden Fall nachgezählt werden, auch wenn nicht abgeklärt ist, wer diese vorzunehmen hätte. Neun von elf Bezirken haben das Gesetz abgelehnt. Es soll jetzt, durch einen schwachen Zufallsentscheid, gegen den Willen der grossen Mehrheit der Gemeinden und ihrer Schulbehörden durchgeführt werden. Aus allen diesen Gründen beantragt die Mehrheit des Büros, eine Nachzählung des Ergebnisses vorzunehmen.

E. Berger - Meilen vertritt die Minderheit des Büros, die eine Nachzählung ablehnt. Allen Einsprachen ist gemeinsam, dass sie keine konkreten Tatsachen enthalten, welche eine Nachzählung rechtfertigen würden. Es handelt sich höchstens um Vermutungen, dass bei der grossen Zahl der Stimmenden Fehler passiert sein könnten. Es sind also emotionelle Gründe, die dabei mitspielen. Wie wenig die Leute um das kantonale Komitee für den Frühjahrsschulbeginn geneigt sind, sich der Mehrheit zu unterziehen, zeigt die Tatsache, dass sie durch eine Gesetzesinitiative beabsichtigen, das angenommene Gesetz wieder in Frage zu stellen. Die Behauptung, das Abstimmungsergebnis könnte falsch sein, genügt nicht für eine Forderung auf Nachzählung. Wo sollte in Zukunft die Grenze gezogen werden? Bei einer Mehrheit von 1/4, 1/2, 1/3 oder 1‰, oder schon bei 1%? Es würde erst dann ein bedauerliches Misstrauen um sich greifen, und die Zuverlässigkeit der Wahlbüros würden in Zweifel gezogen. Wer garantiert übrigens, dass die Nachzählung dann stimmt? In 171 Gemeinden des Kantons Zürich haben ehrenwerte Gemeindepräsidenten, Gemeindeschreiber und drei Wahlbüromitglieder mit ihrer Unterschrift bestätigt, dass die Abstimmung nach bestem Wissen und Gewissen genau erfolgt ist. Soll das nicht mehr gelten, nur weil es den Gegnern schwer fällt, sich zu unterziehen? Ein Misstrauen entsteht, wenn der gute Ruf unserer Wahlbüros untergraben wird. Aus diesen Gründen beantragt die Minderheit, auf eine Nachzählung zu verzichten. Die grosse Mehrheit der Freisinnig-Demokratischen Fraktion schliesst sich dieser Argumentation ebenfalls an.

A. Wegmann - Zürich: Kein Abstimmungsergebnis, wohl aber eine Wahl wurde bisher nachgezählt. Es bestehen somit keine Anhaltspunkte, dass das Ergebnis nicht stimmen könnte. Dabei ist zuzugeben, dass sich die Möglichkeit von Fehlerquel- [p. 390] len mit der Einführung des Frauenstimmrechts verdoppelt hat. Man könnte sich vorstellen, dass im neuen, in Beratung stehenden Wahlgesetz gewisse Sicherungen, zum Beispiel im Sinne der Vornahme von Stichproben, eingefügt würden. Es ist so, dass auf dieser schmalen Basis, die sich herausgestellt hat, keine derart einschneidenden Massnahmen durchgeführt werden sollten, wenn nicht genau und eindeutig feststeht, dass das Ergebnis so und nicht anders ist. Die grosse Mehrheit des Landesrings der Unabhängigen wird der Nachzählung deshalb zustimmen.

K. Gisler - Flaach bezeichnet die Gegner des Gesetzes als eine Gruppe schlechter Verlierer, die nicht bereit ist, sich einem Mehrheitsentscheid zu unterziehen. «Wenn wir der Nachzählung zustimmen, bewegen wir uns auf einer bedenklichen Ebene», und die Folgen sind nicht abzusehen. Bei Proporz wählen ist es möglich, dass eine oder zwei Stimmen über die Zuteilung von Mandaten entscheiden. Da müsste dann auch jedes Mal nachgezählt werden. Die Behauptung von M. Korthals, dass die Koordination gegen den Willen der Schulbehörden durchgeführt werden soll, stimmt nicht. Dafür bestehen keine Unterlagen. Auch die Mitwirkung von Mittelschülern gibt keine Handhabe für eine Nachzählung; vielleicht arbeiten diese genauer als manche gewählte Stimmenzähler. Der Antrag der Büromehrheit ist abzulehnen. Die Mehrheit der BGB-Fraktion schliesst sich diesem Ablehnungsantrag an.

Nach Ansicht von Dr. R. Friedrich - Winterthur geht es nicht allein nur um den Schulbeginn, sondern um einen fundamentalen staatsrechtlichen Grundsatz. Die abstrakte Möglichkeit, dass ein Ergebnis nicht stimmen könnte, stellt die Rechtssicherheit der Wahlen und Abstimmungen in Frage. Der grobe Denkfehler der Befürworter der Nachzählung liegt darin, dass dann, wenn eine erneute Zählung vorgenommen wird, auch alle anderen Ergebnisse angezweifelt werden müssten. Das sind Perspektiven, die wesentlicher sind als die Frage, wann die Schule beginnen soll. Es hat übrigens schon öfters knappe Resultate ergeben, ohne dass eine Nachzählung verlangt wurde.

Dr. H. Bachtler - Pfaffhausen teilt mit, dass die Fraktion der CVP eine Nachzählung ebenfalls ablehnt, weil sie ganz einfach nicht zulässig ist. Erhebliche Fehler können nicht nachgewiesen werden, die nach dem Gesetz untersucht werden müss- [p. 391] ten. Das Wahlgesetz sieht ein ganz bestimmtes dezentralisiertes System zur Feststellung der Ergebnisse vor. Eine Nachzählung ist nur dann anzuordnen, wenn die Gemeindeprotokolle mangelhaft zusammengestellt oder unrichtig sind. Das ist hier nicht der Fall, und es liegen dazu auch keine Anhaltspunkte vor.

Prof. Dr. R. Jagmetti - Zürich empfiehlt ebenfalls, dem Antrag der Bürominderheit zuzustimmen und eine Nachzählung abzulehnen. Es liegen zwei weitere Gründe vor, die dagegen sprechen. Die Verwaltung soll im Kaspar-Escher-Haus hinter geschlossenen Türen das Abstimmungsergebnis ermitteln. Eine solche Ermittlung ist nicht nur eine Auszählung, sondern auch eine Beurteilung über die Gültigkeit einzelner Wahlzettel. Die Verwaltung kann diese Verantwortung dafür gar nicht übernehmen, sondern sie liegt einzig und allein bei den Wahlbüros. Sodann hat nach Gesetz jeder Stimmberechtigte Zutritt zum Wahllokal, wo ausgezählt wird. Dieses Recht würde bei einer Nachzählung durch die Verwaltung beschnitten. Auch aus diesen Gründen darf eine Nachzählung nicht stattfinden.

H. Gujer - Zürich: In gewissen Kreisen kann man sich mit dem Ergebnis einfach nicht abfinden. Der Rat kann sich nicht dazu hergeben, diese Haltung noch zu unterstützen. Das Amt des Stimmenzählers darf nicht in dieser Art und Weise herabgewürdigt werden, dass man seiner Arbeit nicht mehr traut. Die Sozialdemokratische Fraktion wird dem Minderheitsantrag mehrheitlich zustimmen.

M. Dünki - Oberrieden hat von «zuverlässiger Seite» erfahren, dass eine Überprüfung der Ergebnisse gar nicht mehr möglich sei, denn ein Paket mit Abstimmungszetteln sei auf dem Transport auseinander geborsten, und die Stimmzettel seien «in alle Winde verweht» worden. Trifft diese Mitteilung tatsächlich zu?

W. Zurbuchen - Samstagern wollte für Nachzählung votieren. Nach der Mitteilung von M. Dünki scheint es aber überhaupt nicht mehr möglich zu sein, das genaue Ergebnis zu eruieren. Unangenehm ist, dass inzwischen mehr als zwei Monate verstrichen sind.

P. Senn - Zürich hat der Koordinationsvorlage mit Überzeugung zugestimmt; sie hat auch eine grosse Mehrheit bei den [p. 392] Stimmberechtigten gefunden. Das Resultat der Schulbeginnsvorlage ist jedoch nicht so eindeutig, dass auf eine Nachzählung verzichtet werden könnte. Die Vorlage ist von derart grosser Tragweite für die Schule, dass man auf eine Nachprüfung des Ergebnisses trotz allen juristischen Bedenken geradezu angewiesen ist.

Dr. W. Hochuli - Uster ist ebenfalls für Ablehnung. Die Mehrheit des Büros hat sich die Sache etwas einfach gemacht. Es wurde nicht einmal die Frage geprüft, wer überhaupt diese Nachzählung vorzunehmen hätte. Der Grundsatz einer Nachzählung könnte im Rahmen der Beratungen über das Wahlgesetz sehr wohl überlegt werden. In diesem Fall hat das Volk nun aber gesprochen. Wenn man die Möglichkeit von Fehlerquellen feststellen will, soll man das an einer unbestrittenen Vorlage durchexerzieren.

Dr. E. Dietsch - Zürich: Zu den Aufgaben des Kantonsrates gehört die Feststellung der Ergebnisse von Wahlen und Abstimmungen. Was hat man darunter zu verstehen? Doch Feststellungen, die sich nicht auf ungenaue oder unklare Angaben stützen dürfen. Wenn der Rat diese Aufgabe ernst nimmt, hat er in Zweifelsfällen die notwendigen Abklärungen zu treffen. Es geht gar nicht darum, ein Ergebnis als ungültig zu erklären, sondern die Wahrheit zu erfahren. Das zitierte Verfahren gilt für die unteren Instanzen; jetzt liegt die Vorlage und ihr Ergebnis beim Kantonsrat. Dafür gelten andere Kriterien. Wenn man nicht auf Mutmassungen die ganze Koordination aufbauen will, stimmt man der Mehrheit des Büros zu.

J. Schärer - Erlenbach: Was M. Dünki da erzählt hat, gehört ins Reich der Märchen. Nichts wird so sorgfältig verpackt, wie die Stimmzettel. Da hat ganz sicher nichts passieren können.

H. Fuchs - Zürich unterstützt die Gründe, die Dr. Jagmetti vorgetragen hat; sie sprechen eindeutig gegen die Nachzählung. Der Redner war zeitweise bei der Nachprüfung der Ergebnisse der Regierungsratswahlen des Jahres 1963 dabei. Da ging es in vielen Fällen um die Beurteilung, ob ein Stimmzettel gültig war oder nicht. Das hätte nicht Sache der Verwaltung sein können. Eine Nachzählung wäre im heutigen Fall vollständig falsch. Wir haben den Entscheid der Wahlbüros zu akzeptieren. Wenn schon [p. 393] nachgezählt werden sollte, müsste das Verfahren ganz genau festgelegt werden.

A. Sigrist - Rafz erklärt, dass eine Nachzählung durch die Verwaltung oder auch durch das statistische Amt keine Rechtsgültigkeit besässe. Es geht, wie bereits betont worden ist, nicht nur um das Zählen als solches, sondern auch um die Feststellung der Gültigkeit der Stimmzettel. Dieser Entscheid aber steht den Wahlbüros zu, die darüber auch über eine gewisse Erfahrung verfügen.

A. Schück - Rüschlikon bezeichnet sich als einen derjenigen Gemeindepräsidenten, die mit dem Gemeindeschreiber und drei Wahlbüromitgliedern das Abstimmungsprotokoll unterschrieben haben. Er verwahrt sich ausdrücklich dagegen, dass pauschal der Vorwurf gemacht wird, das Ergebnis stimme ja wahrscheinlich doch nicht. Gegen die Wahlprotokolle konnten keine Einwendungen erhoben werden. Die Wahlbüromitglieder verdienen alles Vertrauen; sie sind schliesslich als Amtspersonen von der Gemeinde gewählt. Übrigens wird in jedem Wahlbüro das Ergebnis dadurch geprüft, dass nach der Auszählung 50er Bündelchen gemacht werden müssen. Eine Nachzählung ist nicht nur nicht nötig, sondern auch nicht zulässig.

Prof. Dr. G. Condrau - Herrliberg wendet sich gegen die Behauptung, dass mit einer Erhöhung der Zahl der Stimmberechtigten auch die möglichen Fehlerquellen zunehmen. Dazu fehlen die Zusammenhänge. Menschliches Versagen wäre auch bei einer Nachzählung nicht auszuschliessen. Ohne konkrete Angaben darf aber das demokratische Verfahren der Wahlen und Abstimmungen nicht in Frage gestellt werden.

Regierungsrat Dr. A. Bachmann: Über ein Päcklein mit Stimmzetteln, das beschädigt angekommen sein soll, ist uns nichts bekannt. Immerhin muss bei dieser Gelegenheit gesagt werden, dass öfters solche Pakete schlecht verpackt sind und beschädigt eintreffen. Die Gemeinden sind darum gehalten, der Verpackung grösste Aufmerksamkeit zu schenken; man sieht jetzt, was daraus resultieren könnte.

Prof. Dr. R. Hux - Schlatt: Die juristischen Überlegungen gehen von der Tatsache aus, dass die Ergebnisse auf alle Fälle [p. 394] richtig sind. Wenn wir uns aber weigern, eine Nachzählung vorzunehmen, werden wir unserer Sorgfaltspflicht nicht gerecht. Wir haben die Ergebnisse zu erwahren, wenn sie geprüft sind. Dazu gehört in einem solchen Fall, wie dem vorliegenden, die Nachzählung. Die Abstimmung im Rat über die Schulvorlage hat die Volksmeinung nicht repräsentiert. Im Kantonsrat wurde sie mit grosser Mehrheit angenommen, während sie in der Abstimmung mit einem unkontrollierten Zufallsmehr verabschiedet wurde. Es wäre im übrigen an der Zeit, sich ernsthaft mit der maschinellen Auswertung der Wahl- und Abstimmungsergebnisse zu befassen.

W. Haegi - Bachenbülach stellt den Ordnungsantrag, die Diskussion abzubrechen. Die Meinungen sind gemacht; man kann jetzt abstimmen.

Die Abstimmung ergibt mit grosser Mehrheit den Schluss der Rednerliste, in der noch vier Redner eingetragen sind.

E. Meier - Wallisellen zitiert § 138 des Gesetzes über die Wahlen und Abstimmungen. Darin ist eine Wahl oder eine Abstimmung als ungültig zu erklären, wenn erhebliche Fehler festgestellt worden sind. Das ist hier nicht der Fall, also ist auf eine Nachzählung zu verzichten.

A. Schlumpf - Dietikon wendet sich dagegen, dass nur der juristische Standpunkt in den Vordergrund gestellt wird. 1963 war eine durch das Büro angeordnete Nachzählung selbstverständlich, und auf alle juristischen Begründungen und Spitzfindigkeiten wurde verzichtet. Die Frage, ob die Zuverlässigkeit des ermittelten Ergebnisses zu 100% erwiesen ist, steht im Vordergrund. Dazu ist zu berücksichtigen, dass der 6. Juni 1971 mit Abstimmungen und Wahlen geradezu überladen war. Das Auszählen gab so viel Arbeit, dass in den Wahlbüros ein hektischer Betrieb herrschte. Da liegen Fehler und Irrtümer durchaus im Bereich des Möglichen. Die Wahlaktenprüfungskommission hat in einer einzigen Gemeinde mehrere kleine Fehler gefunden, die das Ergebnis der Kantonsratswahlen allerdings nicht verändert hätten. Der Redner ist erstaunt, dass behauptet wird, eine Nachzählung durch die Verwaltung könnte zu Manipulationen führen. Dann kann man ja die Wahlbüros der Gemeinden mit der Nachprüfung beauftragen. Dann ist allen Verfahrenskritiken die Spitze gebrochen. Wenn gesagt wird, die zweite Zählung [p. 395] könnte Fehler enthalten, dann ist doch die Frage zu stellen: Mit welcher Sicherheit kann man dann behaupten, die erste Zählung stimme? Nichts dient der Demokratie besser als die objektive Ermittlung der Wahrheit und die Sicherheit, dass das Ergebnis stimmt. Es gibt nicht nur schlechte Verlierer, sondern auch schlechte Sieger. Bei einer so entscheidenden staatspolitischen Frage darf man nicht einfach über die berechtigten Zweifel und Bedenken hinweggehen.

E. Berger - Meilen zitiert das Protokoll der Eröffnungssitzung des Kantonsrates. Ratssekretär R. Widmer stellte bei der Erwahrung der Ergebnisse der Wahl der Mitglieder des Regierungsrates abschliessend fest: «Weitere Bemerkungen sind dazu nicht zu machen, wobei aber erwähnt werden darf, dass die Wahlbüros vorbildlich, gewissenhaft und sehr speditiv gearbeitet haben.» Dem ist wohl nichts mehr beizufügen.

M. Korthals - Dübendorf verwahrt sich für die Mehrheit des Büros gegen den Vorwurf, die schlechten Verlierer könnten sich mit dem Ergebnis nicht abfinden. Das Büro hat sich seine Aufgabe gar nicht etwa leicht gemacht, wie von Dr. Hochuli behauptet worden ist. Es hat ausser den eigenen Überprüfungen Vernehmlassungen sowohl des Staatsschreibers als auch seines Stellvertreters eingeholt. Heute konnte festgestellt werden, dass auch die Juristen in der Beurteilung der Sachlage sich nicht einig sind. «Wir schliessen uns der Auffassung von Dr. Dietsch an.» Der Redner zitiert abschliessend die «Neue Zürcher Zeitung»: «Die Differenzen zeigen, dass bei sehr engem Zusammenrücken der Stimmenzahlen das Bedürfnis nach einer Nachzählung nicht nur verständlich, sondern begründet ist.»

In der nun folgenden Abstimmung wird der Mehrheitsantrag des Büros mit 114 Stimmen, die auf den Minderheitsantrag entfallen, gegen 29 Stimmen abgelehnt. Eine Nachzählung des Ergebnisses der Schulbeginnvorlage findet nicht statt.

Der Rat beschliesst:

I. Die Begehren von Walter Angst, Zürich, Walter Baumann, Winterthur, Tabita Suter, Zürich und 3 Mitunterzeichner, Dr. Alois Brügger, Zürich, und 10 Mitunterzeichner, Hans Kellermüller, Räterschen, als Präsident eines überparteilichen Aktionskomitees für den Schulbeginn im Frühjahr von 7. und 8. Juni 1971 um Nachzählung des Abstimmungsergebnisses vom [p. 396] 6. Juni 1971 über das Gesetz über die Verlegung des Schuljahrbeginns und die Dauer der Schulpflicht werden abgelehnt.

II. Mitteilung an die Einsprecher: Walter Angst, Rebbergstrasse 37, 8037 Zürich; Walter Baumann, Untere Vogelsangstrasse 167, 8400 Winterthur; Tabita Suter, Hedwigstrasse 20, 8032 Zürich (für sich und zuhanden der Mitunterzeichner); Dr. Alois Brügger, Seefeldstrasse 33, 8008 Zürich (für sich und zuhanden der Mitunterzeichner); Hans Kellermüller, 8352 Räterschen, und an den Regierungsrat.

Zu cc)

Namens des Büros referiert ebenfalls Dr. H. Müller - Uitikon; er führt aus:

Hans Kellermüller, Räterschen, hat sodann unterm 12. Juni 1971 eine weitere Eingabe eingereicht, die verlangt, das knappe Abstimmungsresultat durch eine Nachzählung überprüfen zu lassen, mit der Begründung, im Wahllokal des Schulhauses Auhof, Zürich 12, seien zwei minderjährige Mädchen zur Auszählung zugezogen worden. Dieses tatsächlich und rechtlich erhebliche Vorbringen deckt sich tatbestandsmässig mit einer gleichlautenden Behauptung des anschliessend vom Rate noch zu behandelnden letzten Rekurses von Prof. Dr. Gian Balastér, Zürich. Ich erwähne dies, weil ich aus Zeitökonomie die zum Rekurs Kellermüller nunmehr anzustellenden Erwägungen hernach bei der Behandlung des Rekurses Prof. Balastér nicht wiederholen möchte und von Ihnen als bekannt voraussetzen darf. Ich werde teilweise bei der Behandlung des Rekurses Balastér auf die nunmehrigen Überlegungen zum Rekurse Kellermüller verweisen dürfen.

Abklärungen haben in der Tat ergeben, dass im Kreiswahlbüro 12 der Stadt Zürich am 6. Juni für die Auszählung der Stimmzettel eine 18jährige Mittelschülerin einem Wahlbüromitglied zugeteilt worden ist. Dieses Vorkommnis ist unbestritten, wie eine von unserem Ratspräsidenten veranlasste Abklärung des Sachverhaltes durch Einholung eines Berichtes, datierend vom 28. Juli 1971, seitens des Kreiswahlbüros der Stadt Zürich ergab. In der Beurteilung dieses Sachverhaltes scheiden sich die Auffassungen der Juristen.

Laut § 36 Absatz 3 der Vollziehungsverordnung zum Wahlgesetz vom 23. Januar 1956 ist der Präsident des Wahlbüros berechtigt, [p. 397] bei Bedarf zur Ermittlung der Ergebnisse nicht dem Wahlbüro angehörende Hilfskräfte beizuziehen. Wie diese sogenannten Hilfskräfte beschaffen sein sollen, sagt die zitierte Vollziehungsverordnung nicht. Unser Staatsschreiber interpretiert diese Bestimmung wohl aus der Sicht der wünschenswerten, speditiven Verwaltungstätigkeit dahingehend, dass dem verantwortlichen Vorsteher eines Wahlbüros für die Bewältigung seiner Aufgabe Bewegungsfreiheit über die für die Wahlbüromitglieder bestehenden Schranken hinaus zugestanden werden müsse. Von einer solchen Bewegungsfreiheit allerdings spricht weder das Wahlgesetz noch seine Vollziehungsverordnung, noch davon, wo die Grenzen einer solchen Bewegungsfreiheit verlaufen sollen. Darum nennt der Staatsschreiber in seinem Gutachten zu diesem Rekurs wie zum Rekurs Prof. Dr. Balastér auch keine Altersgrenze hinsichtlich der Hilfskräfte der Wahlbüros. Soll die Grenze wirklich tiefer liegen als für die Mitglieder des Wahlbüros, und wenn ja, bei 18, 16 oder noch weniger Jahren? Bei einer solchen Zweckmässigkeitsinterpretation wird die juristische Grundlage ungewiss. Immerhin gibt Dr. Roggwiller zu bedenken, dass ohne Beizug Minderjähriger, wie das in der Praxis häufig gehandhabt wird, Abstimmungen und Wahlen gar nicht mehr rechtzeitig ausgezählt werden können. Aus dieser pragmatischen Feststellung folgert unser Staatsschreiber, dass die Hilfskräfte im Gegensatz zu den Mitgliedern des Wahlbüros nicht stimmberechtigt sein müssten. Der Präsident des Kreiswahlbüros 12 schreibt dazu, dass die jungen Menschen gemäss ihren Fähigkeiten eingesetzt werden, dass einige wenige auch Mittelschulbildung aufweisen, dass nach einem, einfachen System ausgezählt wird und eine gegenseitige Kontrolle erfolgt, und er folgert daraus gewiss zu Recht, dass der Mitwirkung fähiger Minderjähriger im Wahlbüro die Bedeutung staatsbürgerlichen Unterrichts zukomme.

Gestützt auf diese Erwägungen beantragt das Büro des Kantonsrates, die Einsprache von Hans Kellermüller abzuweisen.

Bedenken rechtlicher Natur gegen die vorgebrachte Begründung und den hierauf gestützten Antrag des Büros veranlassen mich, Sie zu bitten, nachfolgende staats- und verwaltungsrechtliche Erwägungen mit in ihr Urteil einzubeziehen:

§ 36 Absatz 3 der Vollziehungsverordnung zum Gesetz über die Wahlen und Abstimmungen vom 4. Dezember 1955, in Kraft seit 23. Januar 1956, betreffend die Berechtigung des Wahlbüroprä- [p. 398] sidenten, dem Wahlbüro nicht angehörende Hilfskräfte beiziehen zu dürfen, qualifiziert sich im Sinne des Staats- und Verwaltungsrechts als typische Delegationsverordnung. Das Wahlgesetz delegiert in § 141 dem Regierungsrat die Kompetenz, zum Vollzug des Gesetzes die notwendigen Verordnungen zu erlassen, welche vom Kantonsrat zu genehmigen sind. Die Vollziehungsverordnung zum Wahlgesetz und auch der erwähnte § 36 Absatz 3 der Verordnung sind offenkundig vom Wahlgesetz abgeleitet. Nach allgemeiner Staats- und Verwaltungsrechtslehre verhält es sich nun aber so, dass eine solche vom Gesetz abgeleitete Vollzugsverordnung sich nur im Rahmen ihrer delegierenden Rechtsquelle, vorliegendenfalls also im Rahmen des Wahlgesetzes, bewegen darf. Keinesfalls kann und darf eine abgeleitete, also untergeordnete Verordnung seine Rechtsquelle, das Gesetz, von dem sie delegiert wurde, ändern oder dessen Rahmen sprengen. Ich zitiere dazu die Auffassung der massgeblichen schweizerischen Staatsrechtslehrer: Der unlängst verstorbene Prof. Dr. Z. Giacometti hat es immer betont und in seinem Werk über das schweizerische Bundesstaatsrecht auf Seite 804 festgehalten «… dass eine Vollzugsverordnung nie gegenüber ihrem Delegationsgesetz neue Gedanken aufstellen oder sich contra legem (das heisst gegen das Delegationsgesetz) und auch nicht praeter legem (das heisst ausserhalb seiner Rechtsgrundlage) bewegen darf.» Ebenso erhärtet Prof. Dr. Schwarzenbach in seinem neuesten Buch «Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 1970», diese These des Legalitätsprinzips und betont daselbst auf Seite 52 den unbedingten Vorrang des Gesetzes gegenüber einer von ihm abgeleiteten Vollzugsverordnung. Jede Verwaltungstätigkeit, also auch die eines Wahlbüropräsidenten und seiner Mitarbeiter und Hilfskräfte, die gegen ein Gesetz formell oder materiell verstösst, ist damit anfechtbar. Vorliegendenfalls ist daher zu prüfen, ob zufolge der Interpretation von § 36 der untergeordneten und vom Wahlgesetz abgeleiteten Vollzugsverordnung, die dem Wahlbüropräsidenten erlaubt, Hilfskräfte beizuziehen, auch Minderjährige beiziehen zu dürfen, ein Verstoss gegen das übergeordnete Delegationsgesetz, also das Wahlgesetz, vorliegt. § 36 der Vollzugsverordnung nennt für die beizugsberechtigten Hilfskräfte kein Mindestalter, meines Erachtens zu Recht, da die Verordnung das Mindestalter für solche Mitarbeiter in Wahlbüros gegenüber dem übergeordneten Gesetz gar nicht abändern darf. § 7 des kantonalen Wahlgesetzes bestimmt, dass in öffentliche Ämter und Behörden, und [p. 399] damit auch Wahlbüros, jeder Stimmberechtigte wählbar ist. Gesetzliche Vorschriften über die Erfüllung besonderer Erfordernisse bleiben vorbehalten. Wer im Sinne dieser Wählbarkeit in öffentliche Ämter die Voraussetzungen eines Stimmberechtigten erfüllt, sagt § 1 Absatz 2 des Wahlgesetzes, und da wird ausdrücklich als eine der massgeblichen Voraussetzungen die Zurücklegung des 20. Altersjahres verlangt. Da sich die Vollzugsverordnung und insbesondere deren § 36 im Rahmen des Wahlgesetzes zu bewegen hat, und nachdem nun einmal das Wahlgesetz in seinen §§ 1 und 7 das zurückgelegte 20. Altersjahr und damit für eine Betätigung in öffentlichen Ämtern erheischen, so müssen meines Erachtens die in § 36 der Vollzugsverordnung vorgesehenen Hilfskräfte eines Wahlbüros der gesetzlichen Anforderung des 20. Altersjahres entsprechen. Es erschiene mir widersinnig, im Wahlgesetz selbst das 20. Altersjahr für öffentliche Ämter und Behörden als Mindestalter zu stipulieren und hernach in einer davon abgeleiteten Ausführungsverordnung ein minderes Alter zu gestatten. In einem solchen Falle würde sich die Vollzugsverordnung nicht nur praeter legem, sondern sogar contra legem, gegen das Gesetz, bewegen. Die Interpretation der scheinbaren Lücke in der Vollzugsverordnung, Hilfskräfte von unter 20 Jahren nach § 36 für Wahlbüros beiziehen zu dürfen, erscheint bei der heutigen Redaktion des Wahlgesetzes als kaum haltbar.

Auf diese Weise könnte der Regierungsrat praktisch jedes Gesetz hernach auf dem Verordnungswege nach seinen Wünschen zurechtbiegen. Damit würde die Interpretation der Vollzugsverordnung gleichzeitig auch gegen den fundamentalen Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung Verstössen. Einer richterlichen Überprüfung im Falle des Weiterzugs auf dem Wege der staatsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht vermöchte die Auslegung von § 36 der Vollzugsverordnung, wonach Minderjährige heute als Hilfskräfte zur Ermittlung von Abstimmungsergebnissen im Kanton Zürich zugezogen werden dürfen, damit kaum standhalten. Damit kennzeichnet sich aber der Beizug Minderjähriger als fehlerhafter und anfechtbarer Verwaltungsakt, und sollte er nicht schon ex tunc, also von Anfang an, weil gesetzwidrig, als nichtig zu betrachten sein, so wird ein solcher Akt es jedenfalls im Zeitpunkt der fristgemässen Anfechtung.

Auch eine auf Jahre zurückdatierende Gewohnheit, vorliegendenfalls die Gewohnheit, Minderjährige in Wahlbürogeschäften [p. 400] zuzuziehen, vermag kein Gewohnheitsrecht zu bilden, da eine Gewohnheitsrechtsbildung gegen das Gesetz unmöglich ist. De legeferenda muss bei Bedarf Minderjähriger für unsere Wahlbüros das Gesetz allenfalls revidiert werden, um den Beizug Jugendlicher zu legalisieren. Sollte die Mehrheit der Ratsmitglieder sich meinen eben gemachten Überlegungen anschliessen, dann wäre im Rekursfall Kellermüller tatsächlich ein Fehler bei der Herbstschulbeginnabstimmung vorgekommen, und der Rat muss sich alsdann schlüssig werden, ob er diesen Fehler als «erheblichen Fehler» im Sinne von § 138 des Wahlgesetzes werten will. Wenn er dies tut, jedenfalls wenn die Mehrheit des Rates den Beizug Jugendlicher in den Wahlbüros grundsätzlich als erheblichen Fehler betrachtet, dann ist die Abstimmung laut § 138 des Wahlgesetzes als ungültig zu erklären und die Nachzählung anzuordnen. Der Antrag des Büros lautet auf Abweisung der Einsprache.

A. Eggli - Winterthur weist darauf hin, dass Kellermüller inkonsequenterweise die gesamte Nachzählung, nicht nur im Kreis 12 der Stadt Zürich, verlangte. Der Rat hat sie nun abgelehnt. Wäre es ihm ernst gewesen mit diesem Teil seines Rekurses, dann hätte sich dieser auf die ganze Abstimmung erstrecken müssen. Ein[e] Einsprache ist deshalb abzuweisen.

Dr. R. Friedrich - Winterthur: Die Verantwortung, Hilfskräfte zuzuziehen, liegt bei den Wahlbüros und ihren Vorstehern. Dazu sind sie sicher berechtigt. Diese Beschwerde ist deshalb abzuweisen, wie es das Ratsbüro auch beantragt.

Der Rat stimmt mit grossem Mehr zu.

Auf Antrag seines Büros beschliesst der Kantonsrat:

I. Die Einsprache von Hans Kellermüller, Räterschen, gegen die Abstimmung vom 12. Juni 1971 über das Gesetz über die Verlegung des Schuljahrbeginns und die Dauer der Schulpflicht wird abgewiesen.

II. Mitteilung an den Einsprecher Hans Kellermüller, 8352 Räterschen, und an den Regierungsrat.

Zu dd)

Dr. H. Müller - Uitikon führt aus: Mit Eingabe vom 5. Juli 1971 erheben Prof. Dr. Gian Balastér, Zürich, und 7 Mitunter- [p. 401] zeichner Einsprache gegen die Abstimmung vom 6. Juni 1971 über das Gesetz zur Verlegung des Schuljahrbeginns und die Dauer der Schulpflicht. Auch sie beantragt Überprüfung des Abstimmungsergebnisses und für den Fall, dass die Überprüfung die Annahme des Gesetzes bestätigen sollte, die Aufhebung der Abstimmung und deren Wiederholung.

Zunächst wird die Richtigkeit des knappen Abstimmungsergebnisses mit einem Mehr von nur 133 Ja-Stimmen bestritten. Um Wiederholungen zu vermeiden, darf ich auf meine Ausführungen zu den Erwägungen des Kantonsratsbüros betreffend die Eingaben sub bb) verweisen.

Ebenfalls wie im zweiten Rekurs Kellermüller wird im Rekurs Balastér und 7 Mitunterzeichner behauptet, «dass in Wahlbüros der Stadt Zürich bei der Zählung Minderjährige mitgewirkt haben». Mangels substantiierter Begründung wäre auf diesen Einwand nicht einzutreten, wenn sich nicht auf Grund der Einsprache Kellermüller konkret ergeben hätte, dass gemäss Nachprüfung im Wahlbüro des Stadtkreises 12 von Zürich tatsächlich mindestens eine Jugendliche, wie geschildert, beigezogen wurde. In diesem Punkte darf ich wiederum auf die Erwägungen des Büros und meine anschliessenden staatsrechtlichen Bedenken verweisen, die ich Ihnen zur Rekurseingabe Kellermüller vorgetragen habe. Das Büro schliesst sich in diesem Punkte mehrheitlich der Auffassung an, ein Grund zur Ungültigerklärung der Abstimmung erscheine im Beizug Jugendlicher nicht als gegeben.

Schliesslich machen die Einsprecher mit ausführlichen Dokumentationen geltend, die Stimmberechtigten seien durch Presse, Radio und Fernsehen in unzulässiger Weise in ihrer Meinungsbildung einseitig beeinflusst worden. Eine Abstimmungskampagne mit den Mitteln der Massenmedien gehört in unserer Demokratie zur Tagesordnung und kann nicht Kassationsgrund für Abstimmungen bilden. Handlungen von Behörden dagegen, die den Rahmen einer sachlichen Orientierung sprengen würden, könnten vor der Abstimmung angefochten werden. Die Einsprecher behaupten jedoch nicht, Behörden oder Kantonsrat hätten sich in unzulässiger Weise für die Vorlage eingesetzt, weshalb die Einsprache auch in diesem Punkte abzuweisen ist. Bei dieser Sach- und Rechtslage beantragt Ihnen die Mehrheit des Kantonsratsbüros, gestützt auf die eingangs zu diesem Rekurs gemachten Erwägungen, allein [p. 402] dem Begehren auf Nachzählung des Abstimmungsergebnisses vom 6. Juni 1971 zum Herbstschulgesetz zu entsprechen und im übrigen die Einsprache abzuweisen.

Eine Minderheit des Büros beantragt, das Begehren von Prof. Dr. G. Balastér und 7 Mitunterzeichnern um Nachzählung des Abstimmungsergebnisses vom 6. Juni 1971 über das Herbstschulgesetz abzulehnen und die Einsprache im übrigen abzuweisen. Die Bürominderheit erwägt, dass gleich wie in den Eingaben sub bb) der fünf Einsprecher zwar die Richtigkeit des knappen Abstimmungsergebnisses bestritten wird, ohne dass konkrete Beweisofferten aber für diese Behauptung vorgebracht würden. Mutmassungen über mögliche vorschriftswidrige Handlungen im Abstimmungsverfahren genügen nicht, ansonst jede Abstimmung nachgezählt werden müsste. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr so lange von der Rechtsvermutung auszugehen, dass die protokollierten Ergebnisse richtig sind, als nicht durch konkrete Angaben bestimmte, gesetzwidrige Tatbestände glaubhaft gemacht werden können. Wie in den Darlegungen, die Sie zu den fünf Eingaben Angst, Baumann, Suter, Dr. Brügger und Kellermüller bereits angehört haben, kommt die Bürominderheit zum Schluss, dass man in eine uferlose Praxis geraten würde, falls man dem Ansinnen der Rekurrenten Balastér und Mitunterzeichner rechtgäbe. Die Bürominderheit beantragt deshalb, das Begehren von Prof. Balastér und 7 Mitunterzeichnern auf Nachzählung abzulehnen und die Einsprache im übrigen abzuweisen.

M. Korthals - Dübendorf, der für die Mehrheit des Büros bezeichnete Referent, und E. Berger - Meilen, Minderheitsreferent, verzichten angesichts des bereits getroffenen Entscheids auf weitere Ausführungen.

A. Schlumpf - Dietikon: Es scheint mir, dass das Vorgehen des Fernsehens doch noch angeprangert werden muss. Es hat eine Monopolstellung inne. Trotz der Zusicherung einer kontradiktorischen Behandlung des Schulbeginngesetzes wurde knapp vor deren Durchführung beschlossen, nur die Befürworter reden zu lassen. Diese einseitige Beeinflussung ist unzulässig. Das Fernsehen hat, wenn es schon in Information machen will, eine objektive Haltung einzunehmen. Leider lesen sehr viele Leute die Abstimmungsliteratur kaum, so dass dem Fernsehen bei der Meinungsbildung grosse Bedeutung zukommt. [p. 403] Es hat wesentlich zu dem knappen Ergebnis beigetragen, weshalb, es sei erneut wiederholt, eine Nachzählung am Platze gewesen wäre.

Mit grosser Mehrheit stimmt der Rat folgendem Antrag zu: Auf Antrag seines Büros beschliesst der Kantonsrat:

I. Das Begehren von Prof. Dr. Gian Andrea Balastér, Zürich, und 7 Mitunterzeichnern vom 5. Juli 1971 um Nachzählung des Ergebnisses der Abstimmung vom 6. Juni 1971 über das Gesetz über die Verlegung des Schuljahrbeginns und die Dauer der Schulpflicht wird abgelehnt und die Einsprache im übrigen abgewiesen.

II. Mitteilung an Prof. Dr. Gian Andrea Balastér, Zürich (für sich und zuhanden der 7 Mitunterzeichner), und an den Regierungsrat.

b) Erwahrung des Abstimmungsergebnisses

E. Berger - Meilen beantragt im Namen des Büros nun, nachdem alle Einsprachen abgelehnt worden sind, die Erwahrung des umstrittenen Gesetzes vorzunehmen. Das Ergebnis lautet:

Gesetz über die Verlegung des Schuljahrbeginns und die Dauer der Schulpflicht:

Annehmende Stimmen 152 081
Verwerfende Stimmen 151 948
Ungültige Stimmen 79
Leere Stimmen 20 206

Die Vorlage ist angenommen.

Der Rat stimmt mit grosser Mehrheit zu:

Der Kantonsrat, nach Einsichtnahme in den am 15. Juni 1971 im Amtsblatt, Textteil, Seite 1012, veröffentlichten Beschluss des Büros des Kantonsrates vom 10. Juni 1971 über die Ergebnisse der kantonalen Volksabstimmung vom 6. Juni 1971, beschliesst:

I. Die Referendumsvorlage «Gesetz über die Verlegung des Schuljahrbeginns und die Dauer der Schulpflicht» wird als vom Volke angenommen erklärt. [p. 404]

II. Mitteilung an den Regierungsrat.

Das Geschäft ist erledigt.