Signatur | StAZH OS 14 (S. 309-317) |
Titel | Gesetz betreffend Abänderung einzelner Bestimmungen des Gesetzes über das gesammte Unterrichtswesen des Kantons Zürich vom 23. Christmonat 1859. |
Datum | 25.03.1867 |
P. | 309-317 |
[p. 309]
Der Große Rath,
auf den Antrag des Regierungsrathes,
beschließt:
Art. 1.
Die folgenden Paragraphen des Gesetzes über das gesammte Unterrichtswesen des Kantons Zürich vom [p. 310] 23. Christmonat 1859 erhalten nachstehende veränderte Fassung.
Industrieschule.
§ 175. Die Industrieschule ist die gemeinsame Bildungsanstalt für diejenigen, welche sich technischen oder kaufmännischen Berufsarten widmen. Sie hat die Aufgabe, die Schüler theils zum unmittelbaren Eintritt in’s praktische Berufsleben, theils zum Besuche höherer technischer und kaufmännischer Lehranstalten vorzubereiten. Sie hat ihren Unterricht der ersten und zweiten Klasse an die Lehrziele der zweiten und dritten Sekundarschulklassen anzuschließen und umfaßt für die technische Abtheilung 3 ½, für die kaufmännische Abtheilung 3 Jahre Schulzeit.
§ 176. An dieser Anstalt sollen folgende Fächer gelehrt werden:
Religion;
Deutsche, französische, englische und italienische Sprache und Literatur;
Allgemeine und vaterländische Geschichte;
Geographie und Naturkunde der drei Reiche;
Physik und Chemie;
Theoretische und angewandte Mathematik;
Geometrisch-technisches und freies Hand-Zeichnen;
Handelswissenschaften und contoristische Arbeiten;
Kalligraphie;
Gesang;
Turn- und Waffenübungen.
§ 177. Unter Genehmigung des Regierungsrathes steht es dem Erziehungsrathe frei, auch noch andere als die oben bezeichneten Fächer einzuführen.
§ 178. Ein vom Erziehungsrathe festzusetzender all- [p. 311] gemeiner Unterrichtsplan bestimmt die nähere Gliederung, Vertheilung und Begrenzung der Unterrichtsfächer.
§ 179. Die in diesem Plan jeder Klasse oder Abtheilung der Anstalt zugewiesenen Unterrichtsfächer sind, mit Vorbehalt der vom Erziehungsrathe zu treffenden nähern Bestimmungen, obligatorisch.
§ 180. Schüler, welche zufolge ihres Stundenplanes freie Zwischenstunden haben, sollen während derselben im Lokal der Anstalt unter Aufsicht zweckmäßig beschäftigt werden, soweit sie nicht der Rektor wegen anderweitiger Benutzung dieser Stunden davon dispensirt.
Zur Bestreitung der durch die Beaufsichtigung der Schüler in diesen Zwischenstunden veranlaßten Ausgaben wird dem Erziehungsrath ein jährlicher Kredit bis auf 800 Fr. eröffnet.
§ 181. An der Industrieschule kann Schülern anderer höherer Lehranstalten, sowie solchen, welche wegen einer wirklichen beruflichen Thätigkeit verhindert sind, die Pflichten eines Schülers im ganzen Umfang zu erfüllen, sofern sie das für die betreffende Klasse geforderte Alter besitzen, innerhalb der im Interesse der Schulordnung nöthigen Beschränkungen gestattet werden, als Auditoren Antheil am Unterricht in einzelnen Fächern zu nehmen. Solche Auditoren haben sich jedoch bezüglich des betreffenden Faches über allfällig erforderliche Vorkenntnisse durch eine Prüfung auszuweisen, gestellte Aufgaben gleich den Schülern zu lösen und sich den allgemeinen Disziplinarvorschriften zu unterziehen.
§ 182. Das Schulgeld beträgt für jeden Schüler dieser Anstalt jährlich 50 Fr. und ist jeweilen für ein Semester im Voraus zu entrichten. [p. 312]
§ 183. An die besondern Kosten der Arbeiten im chemischen Laboratorium haben die daran theilnehmenden Schüler im Semester für jede wöchentliche Doppelstunde 10 Fr. zu bezahlen.
§ 184. Auditoren entrichten für jede wöchentliche Stunde im Semester ein Unterrichtsgeld von 5 Fr., wobei indeß vom Erziehungsrathe für einzelne Unterrichtsfächer oder einzelne Auditoren eine Ermäßigung bewilligt werden kann.
Als Laboranten haben Auditoren außerdem einen fixen Extrabeitrag von 50 Fr. für das halbe Jahr zu bezahlen.
Bestimmungen betreffend die Schüler.
§ 190. Zum Eintritt in die unterste Klasse des Gymnasium ist, im Einklang mit den dießfälligen Bestimmungen über den Eintritt in die Volksschule (§ 54), das auf 1. Mai desselben Jahres zurückgelegte zwölfte, zum Eintritt in die erste Klasse der Industrieschule das auf 1. Mai desselben Jahres zurückgelegte vierzehnte und zum Eintritt in jede höhere Klasse der Kantonsschule auch das entsprechend höhere Altersjahr erforderlich. Ausnahmen sollen vom Erziehungsrath nur unter ganz besondern Verhältnissen bewilligt werden.
Ueberdieß hat jeder, der in die Kantonsschule einzutreten wünscht, genügende Sittenzeugnisse beizubringen und eine derjenigen Stufe angemessene Prüfung zu bestehen, in welche er an der Schule aufgenommen zu werden wünscht.
§ 191. Jeder Zögling entrichtet beim Eintritt ein Einschreibgeld von 6 Fr., es wäre denn, daß er ein solches bereits an einer andern Kantonallehranstalt be- [p. 313] zahlt hätte, sowie im Fernern einen Jahresbeitrag von 3 Fr. an die Sammlungen.
Bestimmungen betreffend die Lehrer.
§ 195. Die Besoldung für die wöchentliche Unterrichtsstunde beträgt jährlich 100 Fr. bis 170 Fr., kann jedoch unter besondern Umständen bis auf 200 Fr. gehen. Innert dieser Grenzen bestimmt jeweilen der Erziehungsrath mit Rücksicht auf die Bedeutung des Unterrichtsfachs, die damit verbundenen Arbeiten, die Qualifikation des Lehrers, dessen Dienstalter u. s. w. den Besoldungsansatz für die einzelnen Unterrichtsstunden.
Die Besoldung der Instruktoren der Waffenübungen wird im Reglement festgesetzt.
§ 199. Jeder der beiden Anstalten steht ein Rektor vor, welchem als Gehülfe und Stellvertreter ein Prorektor beigeordnet ist. Der Prorektor des Gymnasium steht zugleich dem Konvent der untern Abtheilung vor. Der Rektor, beziehungsweise der Prorektor, hat den Unterricht und die Handhabung der Schulordnung zu überwachen und hierüber der betreffenden Aufsichtskommission von Zeit zu Zeit Bericht zu erstatten, die Verhandlungen des Konvents anzuordnen und zu leiten, die Schüler zu beaufsichtigen, mit ihren Eltern oder Vormündern in die erforderliche Verbindung zu treten und überhaupt die ihm durch Gesetz, Reglemente oder besondere Beschlüsse der vorgesetzten Behörden auferlegten Pflichten zu erfüllen.
§ 200. Die Rektoren und Prorektoren werden für ihre Verrichtungen entschädigt. Dem Erziehungsrath wird zu diesem Ende hin für das Gymnasium ein [p. 314] jährlicher Kredit von 1200 Fr. und für die Industrieschule ein solcher von 1600 Fr. eröffnet.
Thierarzneischule.
§ 208. Alljährlich werden an derselben die sämmtlichen Lehrfächer der Thierheilkunde mit ihren Hülfswissenschaften vorgetragen, insbesondere:
I. Die naturwissenschaftlichen Fächer: Physik, Chemie, Botanik, Zoologie.
II. Die thierärztlichen Fächer: Anatomie, vergleichende, mikroskopische, chirurgische und pathologische; Physiologie; Exterieur; Diätetik; Thierzucht und Reitkunde; Arzneimittellehre und Receptirkunde; Pathologie und Terapie und die Lehre von den chirurgischen Krankheiten; Operationslehre; Geburtskunde; Beschlagkunde; gerichtliche und polizeiliche Thierheilkunde; Klinik im Thierspital; ambulatorische Klinik.
Mit Genehmigung des Regierungsrathes kann der Erziehungsrath auch noch weitere Unterrichtsfächer einführen, insofern dies für die Zwecke der Anstalt förderlich erscheint.
Der Regierungsrath ist ermächtigt, an der Thierarzneischule besondere Unterrichtskurse für Hufschmiede und Fleischbeschauer einzuführen.
§ 210. Der vollständige Unterrichtskurs umfaßt sechs Semester, auf welche der Unterricht in den verschiedenen Fächern durch den Unterrichtsplan in angemessener Stufenfolge vertheilt wird.
Der regelmäßige Eintritt der Schüler findet je mit Beginn des Wintersemesters statt. [p. 315]
Am Schlusse jedes Schuljahres wird eine öffentliche Prüfung gehalten.
§ 213. Jeder Schüler oder Auditor, mit Vorbehalt der in § 214 bezeichneten Ausnahmen, bezahlt beim Eintritt ein Einschreibgeld von 12 Fr. und im Anfang eines jeden Semesters ein Schulgeld von 20 Fr. (den Beitrag an die Sammlungen inbegriffen), welche in die Schulkasse fallen.
§ 215. Der Unterricht wird von vier Hauptlehrern und den nöthigen Hülfslehrern ertheilt. Einer der Hauptlehrer übernimmt in der Regel vorzugsweise das Lehrfach der Anatomie, ein zweiter das Lehrfach der Physiologie, ein dritter die Spitalklinik und ein vierter die ambulatorische Klinik. Die übrigen Lehrfächer werden durch den Erziehungsrath in geeigneter Weise theils auf die Haupttheils auf die Hülfslehrer vertheilt.
Jeder Hauptlehrer ist zu 12 bis 20 wöchentlichen Unterrichtsstunden verpflichtet.
§ 216. Zur Aushülfe für den Unterricht wird die erforderliche Zahl von Assistenten, in der Regel auf eine Zeitdauer von drei Jahren, angestellt. Die Wahl erfolgt auf den Antrag der Aufsichtskommission durch den Erziehungsrath.
§ 218. Der definitiven Anstellung der Hauptlehrer geht in der Regel eine provisorische voraus.
Der Lehrer der ambulatorischen Klinik und die Hülfslehrer werden auf unbestimmte Zeit gewählt.
Die Hauptlehrer beziehen eine jährliche Besoldung von 1800 Fr. bis 4000 Fr.; der klinische Lehrer erhält überdies freie Wohnung, Beheizung und Beleuchtung. [p. 316]
Die Hülfslehrer werden im Verhältniß der von ihnen ertheilten Stunden entschädigt.
Hiefür wird ein jährlicher Kredit von 3000 Fr. und für die Entschädigung der Assistenten ein solcher von 1500 Fr. eröffnet.
Ausnahmsweise können an einzelne Lehrer, welche sich durch besonders tüchtige Leistungen auszeichnen, Personalzulagen ertheilt werden, wofür ein jährlicher Kredit von 1500 Fr. ausgesetzt wird.
Auch ist der Erziehungsrath befugt, einem Hauptlehrer als Auszeichnung bei oder nach der Anstellung den Titel eines Professors zu ertheilen.
Zur Befriedigung der übrigen Bedürfnisse der Anstalt, wie Pflege der kranken Thiere, Anschaffungen für den Unterricht, Unterhaltung und Vermehrung der Sammlungen u. s. f. dient zunächst die Einnahme der Schulkaffe und wird überdies jährlich der erforderliche Kredit eröffnet.
Art. 2.
Der Erziehungsrath ist ermächtigt, unter Genehmigung des Regierungsrathes die erforderlichen Uebergangsbestimmungen für den Vollzug dieses Gesetzes, das mit Beginn des Schuljahres 1867/1868 in Kraft tritt, zu erlassen.
Zürich, den 25. März 1867.
Im Namen des Großen Rathes:
Der Präsident,
Dr. J. J. Treichler.
Der erste Sekretär,
Keller. [p. 317]
Wir Präsident und Regierungsrath des Kantons Zürich haben behufs der Vollziehung des vorstehenden Gesetzes verordnet:
Es soll dieses Gesetz in das Amtsblatt und die Gesetzessammlung aufgenommen werden.
Also beschlossen Samstags, den 30. März 1867.
Der erste Präsident,
Dr. J. J. Treichler.
Der erste Staatsschreiber,
Keller.