Selfhtml

Staatsarchiv des Kantons Zürich

Zentrale Serien seit 1803 online: Gesetzessammlung

https://www.zh.ch/staatsarchiv



SignaturStAZH OS 3 (S. 295-303)
TitelGesetz über die Polizey an Sonn- und Festtagen, über die Wirthschaften und das Spielen.
Datum20.10.1834
P.295-303

[p. 295]

Tit. I.

Ueber die Polizey an Sonn- und Festtagen.

§. 1. Alles Arbeiten in den Fabriken und Spinnereyen, dringliche Reparaturen vorbehalten, [p. 296] ist an Sonn- und Festtagen gänzlich, das Feilbiethen aus Kramladen und Magazinen, das Hausiren, so wie öffentliche und geräuschvolle Arbeiten während der gottesdienstlichen Stunden untersagt, bey einer Buße von 4–32 Frk. und unter Verantwortlichkeit der Fabrikherren, Handelsleute und Krämer für ihre Hausgenossen, Angestellten und Arbeiter.

§. 2. Uebrigens wird im Vertrauen auf das religiöse und sittliche Gefühl des Volkes jedem Landeseinwohner empfohlen, für sich und die Seinigen auf eine würdige Feyer der Sonn- und Festtage bestens bedacht zu seyn, und zur Beförderung seiner und der Seinigen Andacht und Erhohlung keine Arbeit selbst vorzunehmen oder Jemandem zuzumuthen, die ihm in seinem Gewissen nicht als Nothwerk erscheint.

§. 3. Bey denjenigen Verrichtungen der Hausgenossen, welche die täglichen Bedürfnisse des Lebensunterhaltes und der Reinlichkeit, so wie die Pflege des Viehes erfordern, so wie von allen Reisenden, Fußgängern, Reitern, Kutschern, Fuhr- und Schiffleuten, soll während des Gottesdienstes in der Nähe der Kirchen alles unnöthige Geräusch vermieden werden, unter einer Buße von 1–8 Frk.

§. 4. Wer durch muthwilligen Lärm oder andere Unfugen den kirchlichen Gottesdienst stört, soll mit einer Buße von 16–200 Frk., womit in schwerern Fällen 4–20 tägige Gefängnißstrafe verbunden werden kann, belegt werden.

§. 5. Jagd und Schauspiele jeder Art, so wie alle andere geräuschvolle Vergnügungen sind an [p. 297] Communions-Tagen gänzlich, an gewöhnlichen Sonn- und Festtagen bis nach Vollendung aller gottesdienstlichen Stunden untersagt, bey einer Buße von 8–80 Frk.

§. 6. Dringliche Fälle ausgenommen sind weder die Beamteten an Sonn- und Festtagen zu Ertheilung von Audienzen verpflichtet, noch soll jemand vor irgend eine Behörde, mit Ausnahme der Kirchenstillstände, geladen werden.

§. 7. An Sonn- und Festtagen, so wie an den Abenden vor Communions-Tagen dürfen keine Ganten abgehalten werden, bey einer Buße von 8–32 Frk.

§. 8. An Communions-Tagen sollen keine Militär-Uebungen Statt finden; an gewöhnlichen Sonntagen sollen dieselben so eingerichtet werden, daß die dienstpflichtige Mannschaft, wenn sie sich in Garnison, Cantonnement oder in der Heimath befindet, nicht am Besuche des vormittäglichen Gottesdienstes gehindert, noch der vor- oder nachmittägliche Gottesdienst durch Lärm oder Geräusch in der Nähe der Kirche gestört werde, bey einer Buße von 8–32 Frk.

§. 9. Die Feyer von Nationalfesten darf schon an Sonntagen Vormittags beginnen, jedoch ist hiefür die Bewilligung des Regierungsrathes erforderlich.

Tit. II.

Polizey über die Wirthschaften.

§. 10. Alle Tavernen-und Speisewirthschaften, Pintenschenken, Kaffee- oder Gesellschaftshäuser [p. 298] sollen an Sonntagen während des vormittäglichen Gottesdienstes, an Communions-Tagen aber bis nach Vollendung aller gottesdienstlichen Stunden für jedermann, mit Ausnahme der Reisenden, geschlossen seyn, bey einer Buße von 8–24 Frk. für den Wirth, und 1–4 Frk. für jeden Gast.

§. 11. In Pintenschenken darf überall nicht getanzt werden bey einer Buße von 16–64 Frk. In Tavernen-Wirthshäusern und Speisewirthschaften ist das Tanzen an Werktagen mit Ausnahme der Charwoche und der Abende vor den Communions-Tagen unbedingt und ohne besondere Bewilligung gestattet; das Tanzen an Sonn- oder Festtagen jedoch auf die Sonn- oder Festtage während der Ernte, der Weinlese, der Kirchweihen und während der Jahrmärkte, endlich auch noch auf weitere acht von dem Statthalter zum Voraus für seinen ganzen Bezirk zu bestimmende Sonn- oder Festtage beschränkt, welche Bestimmung den Gemeindräthen mitzutheilen ist. Auf Communions-Tage darf gar keine Tanzbewilligung ertheilt werden.

Den Tavernen- oder Speisewirth, bey dem an einem verbothenen Sonn-, Fest- oder Werktag getanzt wird, trifft eine Buße von 8–32 Frk.

Wenn bey’m Tanzen Unordnungen oder Unfugen vorfallen, so kann dem betreffenden Wirthe je nach den Umständen durch das gerichtliche Urtheil für kürzere oder längere Zeit untersagt werden, in seinem Hause tanzen zu lassen.

§. 12. Alle Tavernen- und andere im Art. 10. benannte Wirthschaften sollen außer den Neujahr- [p. 299] und Berchtoldstagen, Kirchweihen, Jahrmärkten, welche nur 1 bis höchstens 2 Tage dauern, Musterungen und andern besondern Volksfesten, welche nach jedes Orts Gewohnheit oder besondern Veranlassungen die Gemeindräthe bestimmen werden, spätestens Abends 11 Uhr beschlossen und die darin befindlichen Gäste, mit Ausnahme der in den Tavernen-Wirthschaften zu beherbergenden Reisenden, weggewiesen werden, bey einer Buße von 8–32 Frk. für den Wirth, und von 1–4 Frk. für jeden Gast.

§. 13. Alle Wirthe und Weinschenke sind zu Aufrechthaltung guter Ordnung und Sittlichkeit in ihren Wirthschaften verpflichtet, und haben, in so ferne sich irgend etwas Polizeywidriges darin ereignet oder verdächtige Personen sich einfinden, bey eigener Verantwortlichkeit und Strafe unverzüglich bey dem betreffenden Gemeindammann oder Statthalteramte Anzeige zu machen.

Sie sind verbunden, die ihnen von den Vollziehungsbehörden mitgetheilten Verzeichnisse von Personen, denen der Besuch der Wirths- und Schenkhäuser untersagt ist, in den Wirths- und Gaststuben an einem in die Augen fallenden Orte aufzuhängen, bey einer Buße von 4–24 Frk.; auch ist ihnen die Bewirthung einer jeden solchen Person, so ferne dieselbe ihnen bekannt war, bey einer Buße von 4–24 Frk. verbothen.

§. 14. Wirthe und Weinschenke, welche überwiesen sind, auf irgend eine Weise Gelegenheit zur Betreibung von Unzucht gegeben zu haben, sind [p. 300] mit temporärem oder gänzlichem Entzug ihres Wirthschaftsrechtes, 1–12 monathlicher Gefängnisstrafe, 80-400 Frk. Buße und temporärer oder gänzlicher Entziehung des Activ-Bürgerrechtes zu bestrafen.

§. 15. Jeder Wirth oder Weinschenk, welcher liederlichen Weibspersonen Unterschleif gibt, oder sie öfters bewirthet, oder welcher mehr Weibspersonen, es sey als Dienstbothen, Kellnerinnen, Kostgängerinnen oder unter welch’ immer einem Vorwande in sein Haus oder seine Wirthschaft aufnimmt, als erweislicher Maßen zur ordentlichen Betreibung seiner Wirthschaft nothwendig ist, soll, auch wenn die Ausübung der Unzucht nicht erwiesen ist, für das erste Mahl mit einer Buße von 24–80 Frk. belegt und seine Wirthschaft unter Special-Aufsicht der Polizey gestellt werden.

Die Stellung eines Wirthshauses oder einer Weinschenke unter Special-Aufsicht der Polizey gibt der betreffenden Ortspolizeybehörde, so wie der Bezirks- und Cantonal-Polizey das Recht, so oft sie es gutfindet, zu allen Stunden des Tages oder der Nacht sich das Haus und alle Zimmer und Räume desselben unverzüglich öffnen zu lassen.

Jede Weigerung zu öffnen oder jeder nicht hinreichend gerechtfertigte Verzug zieht eine Buße von 24–80 Frk. für den Schuldigen nach sich, und gilt als Inzicht für das Vergehen der Kuppeley (Gelegenheit geben zur Unzucht).

§. 16. Für Schulden oder Schuldverschreibungen, die von Uertenaufschlagen und Weinschenken [p. 301] auf Borg und Beit herrühren, wird kein Recht gehalten. Junge Leute unter vierzehn Jahren, wenn sie sich nicht in Gesellschaft solcher älterer Personen, unter deren Aufsicht sie stehen, befinden (mit Ausnahme von Reisenden), sollen von den Wirthen und Weinschenken weggewiesen und ihnen weder gegen Bezahlung noch auf Credit etwas vorgesetzt werden, bey einer Buße von 4–12 Frk. Ueberdieß findet Rückforderung dessen Statt, was von solchen Personen für Essen, Trinken, Billard oder Aehnliches wirklich bezahlt oder gegeben wurde.

Durch diese Bestimmungen soll den Ansprachen um ordentliche Kostgelder und Miethzinse, um dasjenige, was Reisende in ihren Herbergen schuldig werden, so wie endlich um dasjenige, was bey vorherbestellten Mahlzeiten oder Vergnügungen geschlossener Gesellschaften abredgemäß erst nachher eingezogen wird, so weit solche in andern Hinsichten rechtmäßig und nicht überspannt sind, ihre Gültigkeit nicht entzogen seyn.

Tit. III.

Polizey über das Spielen.

§. 17. Für Schulden oder Schuldverschreibungen, welche vom Spielen oder Wetten herrühren, worunter auch Darlehen begriffen sind, welche zu solchem Gebrauche gegeben wurden, soll kein Recht gehalten werden.

§. 18. Diejenigen erwachsenen Personen, welche jungen Leuten unter 16 Jahren bey’m Spielen oder Wetten Geld oder Geldeswerth abnehmen, [p. 302] sollen nicht bloß zur Rückerstattung angehalten, sondern außerdem mit einer eben so großen Buße belegt werden.

§. 19. Neben dem eigentlichen betrüglichen Spiel soll auch in den Fällen Strafe und Schadensersatz eintreten, wo betrunkene, geistesschwache oder im Spiele unerfahrene Personen durch List oder Zudringlichkeit zum Spielen oder zum Fortsetzen des Spielens verleitet oder genöthigt, und hiedurch geschädigt wurden; eben so in allen denjenigen Fällen überhaupt, wo nach dem Ermessen des Richters Gefährde oder Betrug irgend einer Art angewendet wurde, sey es bey’m Spiele selbst, oder um Jemanden zum Spiele zu verleiten.

§. 20. Wirthe oder andere Personen, welche zu betrüglichem Spiele wissentlich Gelegenheit geben, sind als Mitschuldige zu bestrafen, und solidarisch zum Schadensersatze verpflichtet.

Tit. IV.

Aufsicht und Vollziehung.

§. 21. Die Sorge für die Handhabung des Gesetzes liegt, außer sämmtlichen Vollziehungsbeamteten, auch den Gemeindräthen und Stillständen ob, welche die erforderlichen Weisungen durch die Gemeindammänner an die Zunftgerichte, oder eintretenden Falls an die Statthalterämter zu Handen des zuständigen Gerichtes gelangen lassen.

§. 22. Durch gegenwärtiges Gesetz sind dasjenige vom 24. Christmonath 1803 über die Polizey der Tavernen-Wirthschaften, das Sabbath- und Sitten- [p. 303] mandat vom 17. May 1805, die Art. 233. und 234. des Matrimonial-Gesetzes vom 25. May 1811, die gesetzliche Verordnung über die würdige Feyer der Sonn- und Festtage vom 19. Christmonath 1815 und der Rathsbeschluß vom 1. Hornung 1816 betreffend das sonntägliche Tanzen, so wie überhaupt alle demselben widersprechenden Gesetze und Verordnungen außer Kraft gesetzt.

§. 23. Gegenwärtiges Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1835 in Kraft. Der Regierungsrath ist mit Vollziehung desselben beauftragt.

Zürich, den 20. Weinmonath 1834.

Im Nahmen des Großen Rathes:

Der Präsident,

David Ulrich.

Der dritte Secretär,

Meyer von Knonau.

Wir Bürgermeister und Regierungsrath des Standes Zürich haben zum Behuf der Vollziehung des vorstehenden Gesetzes verordnet:

Dieses Gesetz soll gedruckt, den betreffenden Behörden zugestellt und sowohl in die Gesetzessammlung als in das Amtsblatt aufgenommen werden.

Also beschlossen Samstags den 25. Weinmonath 1834.

Der Amtsbürgermeister,

M. Hirzel.

Der dritte Staatsschreiber,

Meyer von Knonau.