Signatur | StAZH MM 1.4 RRB 1803/1291 |
Titel | Fortsetzung und Beendigung der Berathung über den Gesezesvorschlag einer Bevogtigungs-Ordnung für den Canton Zürich. |
Datum | 24.11.1803 |
P. | 1–29 |
[p. 1] In Fortsetzung und Beendigung der bereits in mehreren vorhergehenden Sizungen obgewalteten Berathung des von der Organisations-Commißion unterm 30ten. Septembris (kraft erhaltenen Auftrags vom 21ten. Junii) hinterbrachten Gesezesvorschlags über eine Bevogtigungs-Ordnung für den Canton Zürich, – und nach Anhörung und in Genehmigung des unterm 16ten. hujus von der Organisations-Commißion (laut erhaltenem Auftrag vom 15ten. hujus) hinterbrachten Gutachtens, betreffend einige nähere Bestimmungen wegen Bevogtigungs-Ausnahmen, – wurde definitiv beschloßen, dem Großen Rath dießfalls die nachstehende Weisung und Gesezes-Vorschlag zu hinterbringen:
Weisung.
Der Kleine Rath glaubt den Wünschen und dem eigenen Befinden der Mitglieder des Großen Raths gemäß zu handeln, wenn er Demselben, als eine der dringlichsten gesezlichen Bestimmungen, den Vorschlag eines Reglements über das Waysen- und Bevogtigungswesen im hießigen Canton, vorlegt.
Die Vormundschaften und die dießfällige Aufsicht in gute Hände zu legen, die Pflichten und Verantwortlichkeit der Vormünder und vormundschaftlichen Behörden dem Bedürfniß[p. 2] und den Verhältnißen der Bevogtigten gemäß zubestimmen [sic!], so wie auch in Ansehung der Bevogtigung überhaupt die zwekmäßigsten Bestimmungen festzusezen, – war das Ziel, auf welches hin bey Entwerfung dieses Gesezes gearbeitet ward.
Allein eben die Mannigfaltigkeit dieser Gegenstände auf der einten, und die Ausführlichkeit des Gesezesvorschlags, deßen wesentliche Motive sich mehr oder weniger aus dem Project selbst ergeben, auf der anderen Seite, – gestatten dem Kleinen Rath nicht, sich in eine umständliche, und die einzelnen Punkte beleuchtende Berichtserstattung einzulaßen.
Er begnügt sich daher schließlich, dem Großen Rath das Ganze zur weiteren Beurtheilung geziemend anheimzustellen.
Gesezesentwurf über eine Bevogtigungs-Ordnung für den Canton Zürich.
A. Von denjenigen Personen, welchen Vormünder oder Vögte bestellt werden müßen.
§. 1. Unter der unmittelbaren Vorsorge und Aufsicht des Staats stehen alle diejenigen Personen, welche für sich selbst zu sorgen nicht im Stande sind, in sofern ihnen nicht die väterliche Vorsorge zu statten kommen kann.
§. 2. Diejenigen, welchen der Staat die mittelbare Sorge für seine Pflegebefohlenen in allen ihren Angelegenheiten aufträgt, heißen Vormündere oder Vögte.
§. 3. Die Vorsorge der Vormundschaft erstrekt sich und fällt:
a. auf alle und jede minderjährige und unmündige Waisen, männlichen und weiblichen Ge-[p. 3] schlechts, welche das 25te. Jahr ihres Alters noch nicht angetretten und ihre Elteren, oder auch nur ihren Vater, durch den Tod, oder auf andere Weise verlohren haben.
b. Auf alle diejenigen Personen beyderley Geschlechts, welche durch allgemein anerkannte schwere Leibs- und Gemüthskrankheit zu Besorgung ihrer selbst oder ihres Haabs und Guts unfähig sind, in so ferne sie nicht unter der Aufsicht eines Vaters oder Ehemanns stehen.
c. Auf alle diejenigen beyderley Geschlechts, welche ihres Leichtsinns und Lüderlichkeit halber der vormundschaftlichen Vorsorge bedörfen, oder gar von dem competierlichen Richter als Verschwender anerkannt sind.
d. Auf alle diejenigen beyderley Geschlechts, welche seit einem ganzen Jahr Landesabwesend sind, ohne daß derselben Aufenthalt bekannt seyn würde; es wäre dann, daß ein solch Abwesender selbst jemanden zu Besorgung seiner Angelegenheiten bestimmt, und dazu die gesezliche Befugniß gehabt hätte.
§. 4. Würden unmündige oder minderjährige Kinder Mutterhalb, d. i. durch den Verlust ihrer Mutter verwaist, so bleibt der Vater ihr natürlicher Vogt oder Vormund, jedoch, daß es [nach dem deutlichen Innhalt des Erbrechts 2ter. Theil §. 1. und 9.) bey ihren nächsten Verwandten von Väterlicher Seite stehen solle, für das unter die Verwaltung des Vaters fallende Vermögen von demselben Sicherheit zu fordern; weßwegen sie sich bey der erstinstanzlichen Vormundschaftsbehörde ihrer Gemeind [siehe Abschnitt B. §. 11.] zu melden haben, welche ihnen im Fall mit aller erforderlichen Anleitung und Hülfe an die Hand gehen wird. – Sollten aber die[p. 4] Verwandten es versäumen, aus sich selbst für allfählig benöthigte Sicherheit zu sorgen, so liegt es in der Pflicht jeder instanzlichen Vormundschaftsbehörde, wann selbige eine solche Sicherheitsvorsorge, je nach eintrettenden Fällen, nothwendig erachten würde, entweder den Vater zur Sicherung des mütterlichen Vermögens anzuhalten, oder, wann er diese nicht leisten könnte, das den Umständen Angemeßene zu verfügen.
§. 5. Würden unmündige oder minderjährige Kinder Vaterhalb, d. i. durch den Verlust ihres Vaters verwaist, so liegt es in der Pflicht der hinterlaßenen Mutter und der hinterlaßenen nächsten väterlichen Verwandten, und, wenn die Mutter auch verstorben wäre, in den Obliegenheiten der nächsten väterlichen Verwandten, den sich ereigneten Todesfall dem Präsidenten der erst-instanzlichen Vormundschaftsbehörde ihrer Gemeinde innert den nächsten acht Tagen anzuzeigen, damit selbige die erforderliche Einleitung zu den vormundschaftlichen Anstalten unverweilt treffen könne. – Sollten aber die hinterlaßenen Verwandten des Verstorbenen diese Anzeige unterlaßen, wofür sie jedoch in solchem Fall verantwortlich zu machen sind, so hat jedes Mitglied der vormundschaftlichen Behörde die Verbindlichkeit auf sich, von einem solchen ihm bekannt werdenden Todesfall dem Präsidenten derselben Anzeige zu machen, auf welches hin die ernannte Behörde die erforderlichen Anstalten eben so treffen wird, als wenn der Todesfall durch die Verwandtschaft wäre angezeigt worden.
Im Fall ein Hintersäß in einer Gemeinde stirbt, und dieser[p. 5] Fall in die Cathegorie dieses Paragraphs fällt, – liegt es dem Gemeindrath derselben ob, deßen Vermögen zu untersuchen, und das Inventarium als Resultat der Untersuchung dem Gemeindrath derjenigen Gemeinde, in welcher er Gemeindsbürger war, ohnverweilt zu übersenden; welch lezterer die Curatel dieses Vermögens über sich zu nehmen und zu besorgen hat. Stürbe aber in diesem Fall die Ehefrau, und würden die Kinder Mutterhalb verwaist, so hat die waisenamtliche erstinstanzliche Behörde derjenigen Gemeinde, wo der Todesfall sich ereignet, solchen jener des Heymaths-Orts des hinterlaßenen Ehemanns und Kinder zu angemeßener Verfügung einzuberichten; Eben so hat sich die waisenamtliche Behörde derjenigen Gemeinde, wo der Hintersäß wohnhaft ist, zu benehmen, wann seiner – oder der seinigen halber, irgend ein anderer der vorerwähnten Fälle eintretten würde, welcher die Bevogtigung nach sich zieht.
§. 6. Wenn es um Bevogtigung einer Person zu thun ist, welche, nach dem §. 3. litt. b. wegen schwerer körperlicher oder Gemüthskrankheit für sich selbst zu sorgen unfähig ist, so ligt es ebenfalls in der Pflicht derjenigen ihrer nächsten Anverwandten, welche im Fall der Dürftigkeit die gesezliche Unterhaltungspflicht einer solchen Person auf sich hätten, bey der vormundschaftlichen Behörde ihrer Gemeinde sich hiefür zu melden, welche jeden vorkommenden zweifelhaften Fall mit Zuziehung eines sachkundigen Arztes genau untersuchen wird, ob der Körperliche oder Gemüths-Zustand der be-[p. 6] fragten Person würklich so beschaffen sey, daß derselben Bevogtigung eintretten müße. – Würde dann dieses sich wirklich ergeben, so hat die erstinstanzliche Behörde ihren Bericht und Befinden, der verordneten waisenamtlichen Stelle [vid: Abschnitt B. §. 24] ihrer Bezirksabtheilung, nebst dem Antrag zur Bevogtigung, einzusenden, und derselben Genehmigung oder anderweitige Verfügung darüber einzuholen.
§. 7. In Fällen, wo eine ringsinnige, liederliche Person [§. 3. litt. C] bevogtigt, oder wohl gar als Verschwender öffentlich erklärt werden solle, wird die vormundschaftliche Gemeindsbehörde auf Ansuchen der nächsten Anverwandten oder auf pflichtmäßige Weisung des Stillstands, oder wenn, im ermangelnden Fall irgend einer Anzeige, selbige sonst bey ihrer Pflicht es nöthig erachten sollte, eine solche Person vor sich bescheiden, sie verhören, durch nachdzurükliche Vorstellungen mit vereinter Zusammenwürkung des Stillstands dem Übel Einhalt zu thun suchen, und wenn dann, anstatt Beßerung, dieselbe in ihrer Liederlichkeit und Ringsinn verharrte, den Fall der waysenamtlichen Behörde, nebst ausführlichem Bericht und Antrag zu Bevogtigung und öffentlicher Verrufung überweisen, welche dann, im Genehmigungsfall des gemachten Antrags, die Bevogtigung erkennt, den Fall der Prodigalitætserklärung aber an das Bezirksgericht einberichtet, und deßelben richterlichem Spruch [mit Vorbehalt der Appellation an das Obergericht für den klagenden und beklagten Theil] die angesuchte öffentliche Verrufung überläßt.
§. 8. Wann Abwesende [s. §. 3. Litt.[p. 7] e] für ihr zurükgelaßenes Vermögen, und was ihnen bey Erbfällen, oder sonst an Vermögen zufallen würde, zu deßen und ihrer sonstigen Angelegenheiten Bersorgung selbst jemanden bestellt hätten, oder, daß in Ermangelung dieser Vorsorge, ein Vormund oder Vogt für sie zu verordnen erforderlich wäre, so ist es in jedem Fall Pflicht der nächsten Verwandten, der vormundschaftlichen Gemeindsbehörde davon Anzeige zu machen, damit, im Fall der Abwesende jemanden selbst bestellt hätte, die Erklärung der Verwandten an das Protocoll genohmen, wenn der Abwesende aber Niemanden bestellt hätte, demselben ein Vormund von der vormundschaftlichen Gemeindsbehörde geordnet werden könne.
In Ansehung der Mitteln selbst bleibt es bey der Ao 1775 gemachten Erläuterung des Erbrechtes.
§. 9. Es wird gestattet, daß, wenn in seltenen Fällen die nächsten väterlichen Verwandten von Waysen, welche am gleichen Ort wohnen, die Vormundschaft derselben ohne waysenamtliche Aufsicht zu übernehmen begehren würden, sie sich dießfalls allervorderst bey dem betreffenden Gemeindrath melden mögen.
Der Gemeindrath hat sodann Pflicht, den eintrettenden Fall an das Waysenamt des Bezirks einzuberichten, und demselben ein gewißenhaftes Befinden vorzulegen, in wie ferne die, die Vormundschaft übernehmen wollenden Verwandten, das Zutrauen der waysenamtlichen Behörde, rüksichtlich ihrer Fähigkeit, Rechtschafenheit und[p. 8] Vermögensumstände, verdienen. Dem Waysenamt kommt alsdann die endliche Verfügung zu, und es macht im Genehmigungsfall dem zur Übernahme der Vormundschaft von den Verwandten selbst erbetenen Vogt zur Pflicht, einerseits ein genaues Inventarium der Verlaßenschaft aufzunehmen, welches in Handen der Anverwandtschaft der verwayseten Haushaltung oder Person verwahrlich aufzubehalten ist, – und anderseits jährliche Rechnung um seine Verwaltung den Verwandten abzulegen. Von dem Augenblick an, da diese Verwandten die Vormundschaft übernehmen, ligt ihnen die Garantie ob, und sind sie für allen und jeden Schaden, welcher den Waysen aus ihrer oder des Vogts Nachläßigkeit und Versäumniß zuwachsen würde, in dem Maaße verantwortlich, daß sie mit ihrem Haab und Gut einer für alle, und alle für einen dafür gutzustehen haben.
Unter den vorbemeldten Bestimmungen mag auch Wittwen mit Vaterhalb verwayseten Kinderen die Besorgung des väterlichen Vermögens unter Aufsicht eines Curators bewilliget werden.
B. Von der Anordnung und Pflichten der vormundschaftlichen Behörden.
§. 10. Die Vorsorge für unmündige oder minderjährige Waysen und alle diejenigen Personen, welche, laut vorhergehenden Abschnitts, in dem Fall der Vormundschaft sich befinden, wird in allen Gemeinden unsers Cantons, theils denen verordneten Gemeindsräthen, theils einem, in jeder, ih-[p. 9] rem besondern Bezirks- oder Unterstatthalter angewiesenen Abtheilung der fünf Bezirke, verordneten Waysenamte aufgetragen; welche Waysenämter aber unter der Oberaufsicht des Kleinen Raths, oder seiner verordneten Commißion des Inneren stehen, und an welche die Waysenamtliche Stelle in schwierigen Fällen sich zu wenden hat.
a. Gemeindräthe.
§. 11. Der Gemeindrath jeder Gemeinde ist in allen vormundschaftlichen Fällen die erstinstanzliche Behörde, von welcher die folgenden Verfügungen ausgehen.
§. 12. In jedem die Vormundschaft nach sich ziehenden Fall, ist dem Gemeindrath derjenigen Gemeinde, zu welcher die zu bevormundschaftende Person als Bürger oder Bürgerin gehört, nach Vorschrift der vorhergehenden §. 3.[,] 4.[,] 6.[,] 7.[,] 8, davon Anzeige zu machen.
§. 13. In jedem, die Vormundschaft nach sich ziehenden, oder durch das Waysenamt dazu bestimmten Fall, hat der Gemeindrath, auf erhaltene amtliche Anzeige, ohne Unterschied der Personen oder Fällen, die Beschreibung der Verlaßenschaft, oder des Vermögens an Liegendem und Fahrendem, Schulden und Widerschulden, zu verordnen. Diese sollen in allen Fällen in Beyseyn eines Mitglieds des Gemeindraths und des Gemeindrathsschreibers genau und vollständig aufgenohmen, und ein ordentliches Inventarium gestellt werden. Sobald die Beschreibung oder Inventarium vollführt ist, soll solches dem Gemeindrath vorgelegt, und[p. 10] je nach eintrettendem Fall in Beyseyn der allenfalls noch lebenden Wittwe und Hinterlaßenen nächsten väterlichen Verwandten, verlesen, und dieselben vernohmen werden, ob sie solche richtig befinden, oder was daran zu berichtigen seyn möchte? Auf dieses hin ernamset der Gemeindrath den Vormund oder Vogt; wobey in jedem Fall auf rechtschaffene, verständige, des Zutrauens sowohl des Gemeindraths, als der Bevogteten würdiger Männer, und, nach Maaßgabe der Person und Natur des Guts, vorzüglich auf solche, unter den väterlichen Verwandten, wenn es aber unter diesen hieran mangeln sollte, ohne alle weitere Rüksicht auf die tauglichsten und beßten in der Gemeind[e] das Augenmerk zu richten ist. Die Ernamsung des geordneten Vogts oder Vormunds wird sogleich den anwesenden Verwandten angezeigt, und von ihnen vernohmen, ob sie gegen die Person einige begründte Einsprache zu machen haben? In diesem Fall soll der Gemeindrath die gemachten Einwendungen unpartheyisch und pflichtmäßig prüfen, und das Angemeßene nach den Umständen verfügen. – Wenn indeßen der Gemeindrath seiner Ernennung, die Verwandten aber ihrer Einwendungen beharren würden, so ist den leztern überlaßen, innert den nächsten acht Tagen ihre dießfällige Beschwerde vor der Waysenamtlichen Behörde einzuklagen; welche ohne Anstand das erforderliche ver-[p. 11] fügen solle.
Die Ernennung eines Vogts oder Vormunds solle indeßen in jedem Fall der waysenamtlichen Behörde durch die Gemeindräthe einberichtet, und ihrer Bestätigung unterworfen werden, bey welcher Gelegenheit von der, auf Veranstaltung des Gemeindraths gezogenen Inventur, dem Waysenamt in jedem Fall ein Doppel zur Einsicht mitgetheilt werden soll.
§. 14. Der Gemeindrath läßt dem ernennten Vogt oder Vormund ein Verzeichniß von allem, was seiner Besorgung übergeben wird, in einer vollständigen und getreuen Copia der Vermögenbeschreibung seines Pupillen, durch den Gemeindsschreiber zustellen, und sich von dem Vogt oder Vormund und seine Verwaltung , je nach Beschaffenheit und Größe des Vermögens, alljährlich, oder wenigstens alle zwey Jahre, auf bestimmte Zeit Rechnung ablegen, und solle darinn keinerley Verzögerung oder Nachläßigkeit geduldet werden.
§. 15. Den Vögten oder Vormünderen wird überlaßen, ihre Vogt- oder Haushaltungs-Rechnungen selbst zu stellen, wofern sie dazu die hinlängliche Geschiklichkeit besizen; – würden sie aber dieses selbst zu leisten oder durch jemand der nächsten Ihrigen, oder einen vertrauten Freund stellen zu laßen nicht im Stande seyn, so sollen sie ihre Rechnungen durch den Gemeindsschreiber stellen laßen.
Jede Rechnung solle gedoppelt geschrieben werden, worvon die[p. 12] eine in der Hand des Gemeindraths verbleiben, die andere aber dem Vogt zukommen solle.
§. 16. Ehe eine Rechnung vor dem Gemeindrath abgenommen wird, soll selbige acht Tage vorher dem Präsidenten des Gemeindraths eingehändigt werden, während welcher Zeit es denjenigen, welche die Rechnung abzunehmen haben, so wie den Bevogteten und ihren nächsten Verwandten unbenommen ist, die Rechnung selbst einzusehen.
Ist selbige von dem Vogt selbst gestellt, so soll sie von dem Präsidenten und noch einem Mitgliede des Gemeindraths durchgegangen und geprüft werden. In beyden Fällen, wo Unrichtigkeiten oder Undeutlichkeiten bemerkt würden, sind selbige dem Rechnungssteller zu richtigerer Ausfertigung zurükzuweisen, und nachher dem Präsidenten wiederum zuzustellen.
§. 17. Jede Rechnung soll in Gegenwart des, je nach eintrettendem Fall, schon vorher benammseten nächsten Anverwandten verlesen, und erstinstanzlich abgenohmen, – ehe aber darüber von dem Gemeindrath geurtheilt wird, der Bericht der Verwandten über den Vormund oder Vogt, deßen Verwaltung und die ihm zur Besorgung anvertraute Personen angehört werden. Eben so ist der Vormund in seinem Bericht über den moralischen und oeconomischen Zustand seiner Pflegebefohlenen, und endlich sind diese Lezteren selbst, in so fern es ihnen Alters[-] und Leibshalber möglich ist, in ihren allfähligen Wünschen und Anliegen zu vernehmen; worbey es[p. 13] sich von selbst versteht, daß die Abnahme der Rechnungen, die Berichtsabstattung, und das Ablegen von Zeugnißen im Abstand der intereßierten Parthey geschieht.
§. 18. In Gegenwart des Vogts und der Verwandten solle der Gemeindrath des ferneren berathen, und nachher in derselben Abstand abschließen, was zum Glück und Wohlstand der Pflegebefohlenen, und zur Äufnung ihres Vermögens erforderlich und zwekmäßig erachtet wird; besonders aber bey Berathung über jede Veränderung des Güterbestandes, über Capitalanleihungen oder Geldentlehnungen, Bauangelegenheiten, u. s. w., und was sonst je dergleichen vorfallen möchte, solle derselbe mit gewißenhafter Vorsicht zu Werke gehen, vorzüglich aber auch auf die sittliche Erziehung und Unterricht der, seiner Sorge anvertrauten Waysen seine getreue Aufsicht verwenden. In jedem wichtigen oder ihme zu schwer vorkommenden Fall aber soll sich der Gemeindrath an die waysenamtliche Behörde wenden, denselben den Fall in einem bestimmten Bericht vorlegen, und ihren Entscheid oder Verfügung gewärtigen.
§. 19. Alle zu Rechtsstreitigkeiten sich eignende Gegenstände, wenn selbige nicht durch den Gemeindrath, oder die waysenamtliche Behörde, noch durch den betreffenden Friedensrichter gütlich ausgemittelt werden können, sollen, nach der Natur des streitigen Gegenstands, entweder an das competierliche Zunft- oder Bezirksgericht zum rechtlichen Entscheid gebracht werden.
§. 20. In Fällen offenbarer betrug-[p. 14] licher Treuverlezung der Vormünder oder Vögte, solle niemalen gütliche Ausmittlung statt finden; sondern, wenn dergleichen sich ereigneten, hat der Gemeindrath, nach sorgfältiger Vor-Untersuchung, der waysenamtlichen Behörde davon pflichtmäßige Anzeige zu machen, von wo aus die Klage dem betreffenden Bezirksgericht zu der dem Fall angemeßenen weiteren Verfügung überwiesen wird.
§. 21. Den Beschluß über die Abnahme jeder Rechnung, und was darbey des weiteren verfügt wird, hat der Gemeindschreiber genau und ausführlich in den Abscheid der beyden Rechnungen, und in das Waysenprotokoll einzutragen. Es wird deßwegen jedem Gemeindschreiber zur Pflicht gemacht ein besonderes Waysenprotokoll zu führen, in welches die Namen und das Alter der unter Vormundschaft stehenden Personen, der verordneten Vormünder oder Vögten, derselben Abänderung, die Abnahme der Rechnungen mit dem summarischen Resultat ihres Bestandes, dem Vor- oder Hinterschlag, und die darüber ausgefällten Beschlüße, die Entlaßung der Vormundschaft, und ein vollständiges Verzeichniß aller von jeder Vormundschaft her in den Schirmkasten aufgenohmenen Schuld-[,] Kauf- und anderer Instrumente oder Baarschaft, aufgenohmen und enthalten seyn solle.
§. 22. In jeder Gemeinde, und zwar an dem Hauptort, wo der Gemeindrath seine Versammlungen haltet, solle für Vogt- und Waysengut ein Schirmkasten angeordnet, und an sichere, wo möglich feuerfeste Stellen auf-[p. 15] gestellt, und derselbe wenigstens mit drei Schlüßeln verwahrt werden, worvon der einte in Handen des Gemeindrathspräsidenten, der zweite in Handen des Gemeindammanns und der dritte in Handen eines Mitglieds des Gemeindraths liegen solle.
In den [sic!] Schirmkasten sollen aufbewahrt werden:
1. Alle Gült- und Schuld-Instrumente, Inventarien, Rechnungen und andere wichtige Urkunden der Waysen oder anderer Bevormundschafteten, – und diese Instrumente sollen alljährlich wegen oft darinn vorgehenden Abänderungen, in Entgegenhaltung des Waysen-Protokolls und der lezten Rechnungen, entweder durch den ganzen Gemeindrath oder wenigstens durch eine von ihm aus seinem Mittel zu ernennende Commißion genau revidiert werden.
2. Die Vermögens-Antheile Abwesender unter Vormundschaft gesezter Personen; und falls dergleichen Antheile den rechtmäßigen Erben des Abwesenden nach Innhalt des Gesetzes, aushin gegeben werden müßen, so sind hinwieder die von den Erben pflichtmäßig auszustellenden Bürgschafts-Scheine eben dahin sorgfältig zu verwahren.
§. 23. Jede Person, welche, mit jedesmahligem Vorwißen und Genehmigung der waysenamtlichen Behörde, von dem Gemeindrath der Vormundschaft entlaßen, und deren, nach Anerkennung der lezten und vorgehen-[p. 16] den Rechnungen, ihr Vermögen zu Handen gestellt wird, – solle gehalten seyn, den würklichen Empfang deßelben eigenhändig, oder, so sie deßen nicht fähig wäre, durch einen von ihr bevollmächtigten Verwandten in dem Waysenprotokoll und auf dem ihr in solchem angwiesenen Hof zu bescheinigen. – In denjenigen Fällen aber, wo [nach §. 9] die Vorsorge für die Waysen von den Anverwandten übernohmen worden ist, sollen diese lezteren, wenn sie, bey erlangter Volljährigkeit der Mündlinge, die Entlaßung der Vormundschaft von dem Waysenamt anbegehren, – ehe und bevor sie entlaßen werden können, sich gegen das Waysenamt erklären, ob und in wie weit sie mit der Verwaltung des Vogts zufrieden seyen oder nicht? Bejahenden Falls mag sodann dem Mündling sein Vermögen nach obbeschriebener Form extradiert werden.
b. Waysenamt.
§. 24. Damit die Pflegebefohlenen desto sicherer seyn mögen, daß auf ihre Angelegenheiten und vormundschaftliche Vorsorge alle Aufmerksammkeit verwendet werde, – so solle in jeder, einem besonderen Bezirks- oder Unterstatthalter untergeordneten Bezirks-Abtheilung eine Waysenamtliche Behörde unter der Benennung: Waysenamt angeordnet werden, – und dieses bestehen [sic!] aus dem betreffenden Bezirks- oder Unterstatthal-[p. 17] ter und, zweyen aus der Bezirks-Abtheilung gewählten, allgemein bekannten, rechtschaffenen, sachkundigen und im Rechnungswesen wohlgeübten Männeren, welche aus allen Claßen der Bürger, sie seyen Mitglieder des Großen Raths, oder öffentliche Beamtete jeder Art, oder auch bloße Privatmänner, je nach vorzüglicher Tauglichkeit, durch freye Wahl vorgeschlagen und gewählt werden können.
Als Canzley werden jedem dieser Waysenämter diejenigen Notarii beygeordnet, welche in jedem betreffenden Bezirk aufgestellt sind, und endlich wird der Waibel des betreffenden Statthalters als Waibel bey dem Waysenamte gebraucht.
§. 25. Der Bezirks- oder Unterstatthalter ist jederweilen von Amtswegen dem Waysenamte beygeordnet, und deßelben Präsident. Die Wahl der beyden übrigen Mitglieder geschieht, nach den obigen Bestimmungen [§. 24.] von dem Kleinen Rathe.
§. 26. Das Waysenamt versammelt sich, so oft es der Zusammenfluß der Geschäfte erheischt, an verschiedenen, von dem Statthalter zu bestimmenden und den Partheyen den Weg so viel möglich abkürzenden schicklichen Orten in dem betreffenden Bezirk.
§. 27. Es beschäftiget sich mit Revision und Untersuchung der von den Gemeindräthen in erster Instanz abgenommenen Haushaltungs- und Vogt-Rechnungen. Wann diese zu bestimmten Zeiten von dem Gemeindrath[p. 18] abgenommen, und dem betreffenden Statthalter eingesandt sind, trittet selbiges auf die Einladung des Präsidenten zusammen, und untersucht jede Rechnung mit ihren Belegen und Beylagen; worbey niemand weiters vorzubescheiden ist, es wäre dann, daß das Waysenamt einigen Anstand fände, oder Unrichtigkeiten bemerkte, in welchem Fall es den Präsidenten des betreffenden Gemeindraths, nebst dem betreffenden Vogt und den Verwandten des Bevogteten vor sich bescheiden läßt, um über die zu machenden Bemerkungen den benöthigten Aufschluß zu geben; oder daß der Vogt oder die Verwandten des Bevogteten über den Beschluß des Gemeindraths , die Rechnung betreffend, Beschwerden vorzubringen hätten.
§. 28. Es beschäftigt sich ferner mit allen denjenigen Gegenständen, welche von der erstinstanzlichen Behörde des Gemeindraths ihme [laut vorhergehender Artikel] zu höherer Verfügung überwiesen werden sollen.
§. 29. Jede richtig befundene Rechnung wird von dem Waysenamt ratificiert, und als solche von der betreffenden Notariats-Canzley unterschrieben. Dieser ligt zugleich ob, ehe die waysenamtliche Behörde die in ihren Canzleykreis gehörigen Rechnungen ratificiert, eine gehörige Censur darüber vorzunehmen, und über das summarische Resultat, – die Ratification, – und die von dem[p. 19] Waysenamt gefaßten Beschlüße, ein genaues und ordentliches Protokoll zu führen.
§. 30. So wie jedes Waysenamt der Commißion des Inneren zu Handen des Kleinen Raths alljährlich im Lauff des Monats Jenner, von der Vollführung seiner Geschäfte einen umständlichen, amtlichen Bericht eingeben solle, eben so werden die Waysenämter diesem Bericht die pflichtmäßige Anzeige beyfügen, ob und wie die, ihrer Aufsicht unterstehende Gemeindräthe die Besorgung der vormundschaftlichen Angelegenheiten sich haben angelegen seyn laßen, und bey eigener Verantwortlichkeit nichts verschweigen, wenn hie oder da ein Gemeindrath, gegen alle freundschaftliche Zurechtweisung, Versäumniß, Nachläßigkeit oder Partheylichkeit in seiner Pflichterstattung sich würde zu Schulden kommen laßen.
§. 31. In allen wichtigen und ihme zu schwer vorkommenden Fällen ist jedem Waysenamt überlaßen, sich an die Commißion des Inneren zu wenden, welche mit erforderlichem Rath ihme entweder selbst an Hand gehen, oder den in der Frage ligenden Gegenstand dem Kleinen Rath zur Verfügung überweisen wird.
C. Von den Pflichten der Vormünder und Vögten.
§. 32. Kein Bürger des hießigen[p. 20] Cantons, der nicht schon eine Vormünder- oder Vogtstelle auf sich hat, kann sich einer ihm aufgetragenen Vormundschaft ohne besondere erhebliche Ursache entziehen; sondern ist verpflichtet, solche für wenigstens vier Jahre, wenn es der Fall des Bevogteten solange erheischt, auf sich zu nehmen.
§. 33. Jeder bestellte Vormund oder Vogt soll sich bey Antritt seines Amtes ein vollständiges Inventarium oder Übergabe des ihm zur Besorgung anvertrauten zustellen laßen; siehe §. 14.
§. 34. Es ist seine Pflicht, dafür zu sorgen, daß die [laut §. 22] zur Verwahrung in den Schirmkasten gehörige Titul und Schriften unverweilt dahin gebracht, und vom Gemeindrath gegen einen, dem Vormund auszustellenden, specificierten Empfangsschein übernohmen werden.
§. 35. Er solle die abzulegende Rechnung wenigstens 14. Tage vor der zur Abnahme bestimmten Zeit in Bereitschaft halten, es seye, daß er solche selbst stelle, oder durch jemand der nächsten Seinigen, oder einem vertrauten Freund, oder durch den Gemeindschreiber verfertigen laße; und solche, nebst den Beylagen und Belegen, als Kaufscheinen, Conti, Quittungen, oder anderen Bescheinigungs-Tituln dem Gemeindrathspräsidenten einhändigen.
§. 36. Zu dem Vermögen seiner Vogtkinder solle der Vormund oder Vogt, wie zu seinem Eigenthum, die möglichste Sorge tragen, die eingehenden Zinse ge-[p. 21] flißen einziehen, die Häuser und liegenden Gründe in gutem baulichen Zustand erhalten, vor allem Abgang vergaumen, und weder Käuffe noch Täusche, Verleihung oder Veräußerung jeder Art, ohne Vorwißen und Bewilligung des Gemeindraths, und, wenn dieser den Fall zu wichtig finden sollte, der waysenamtlichen Behörde aus eigener Gewalt sich erlauben. Eben so soll er, wann es um Capital-Anleihungen, oder Geldaufbrüche, um wichtigere Bauangelegenheiten, Rechtshändel, Vergliche, u. d. gl. zu thun ist, nichts aus eigener Gewalt verfügen, sondern in jedem solchen Fall vorerst den Rath und die Bewilligung des Gemeindraths einholen, welcher, nach Maaßgabe des vorliegenden Falls, entweder selbst das angemeßen findende verfügen, oder die Sache an das Waysenamt hinweisen wird.
So wie die Vormünder oder Vögte, und derselben Erben, für jeden durch ihre Schuld oder Verwahrlosung auf die Bevogetete fallenden Schaden verantwortlich sind und hafften, eben so würden dieselben besonders für denjenigen Schaden verantwortlich seyn, den sie sich durch Handlungen zugezogen haben, welche sie sich den Vorschriften dieser Articuls zuwider, und ohne waysenamtliche Bewilligung aus eigener Gewalt erlaubt haben; zumahlen nicht nur das Verhandelte ungültig, sondern der Vogt oder Vormund schuldig seyn würde, den daraus erwachsenen Schaden zu vergueten.
§. 37. Für alles dasjenige, was[p. 22] man einem Vogt oder Vormund anvertrauen muß, haben weder die waysenamtlichen Behörden, noch die Verwandten des Bevogteten nichts zu verantworten, sondern, wo es einem Vogt oder Vormund zum Auffahl kommen würde, und mehr oder weniger Vogtgut an ihm zu fordern wäre, behelfen sich die Bevogteten der Satzung des Stadt- und Landrechts [Cap. X. Paragr. 57], kraft welcher das Vogtgut allen unversichereten Schulden, Generalobligationen, und auch dem Weibergut vorgeht. Würde aber ein Vogt oder Vormund offenbar betrüglicher Handlungen gegen seine Vogtkinder sich schuldig machen, so ist dasjenige gegen denselben vorzukehren, was im §. 20. bestimmt ist.
§. 38. Jeder Vormund, oder Vogt endlich ist schuldig, für die seiner Aufsicht anvertrauten Waysen, mit Vatertreu zu sorgen, daß selbige zu einem sittlichen Lebenswandel liebreich geleitet, wohl beschulet, und zu einem ihrem Stand, Vermögen und Fähigkeiten angemeßenen Beruff erzogen werden.
§. 39. Sobald einem Vormund oder Vogt, der aufhört Vogt oder Vormund zu seyn, oder den nächsten Erben eines verstorbenen Vormunds oder Vogts die lezte oder Schlußrechnung abgenohmen worden, ist von dem Gemeindrath wegen fernerer Verwaltung des Waysen- oder Vogt-Guts ungesäumte Vorsehung zu treffen.
§. 40. Wenn der Vormund oder Vogt oder deßen Erben seine lezte Rechnung abgelegt hat, es seye, daß derselbe seine Stelle ablege, oder der Fall eintrette, daß sein Pflegebefohlener der Vormundschaft gesezlich entlaßen[p. 23] würde, so hat man sich nach Vorschrift des 23ten. §. zu benehmen.
D. Von der Entlaßung der Vormundschaft.
§. 41. Eine wegen Minderjährigkeit angeordnete Vormundschaft hört auf:
a. Wann der Pflegebefohlene, männlichen oder weiblichen Geschlechts, das 25te. Jahr seines Alters würklich angetretten hat, und bey selbigem keiner, der in §. 3. litt. b[,] c.[,] d. bestimmten, die Vormundschaft nach sich ziehenden Fälle eintrittet.
b. Wann eine ledige Mannsperson, aus besonderen Gründen, und in besonderer Lage, früher, als vor angetrettenem 25ten. Alters[-]Jahr, die Entlaßung von der Vormundschaft wünscht, – so hat sie sich dießfalls bey ihrem Gemeindrath zu melden, und dieser das Petitum, nach vorgegangener Prüfung, dem Waysenamte zu überweisen, welches daßelbe mit seinem Bericht und Befinden begleitet, – der Commißion des Inneren zum Entscheid übergeben wird. Falls die Mannsperson, welche die Entlaßung von der Vormundschaft verlangt, das zwanzigste Alters-Jahr noch nicht zurükgelegt, – hat sie sich ebenfalls an ihren Gemeindrath zu wenden, dieser das Begehren, nach vorgegangener Prüfung dem Waysenamt , und lezteres daßelbe, mit seinem Bericht und Befinden begleitet, der Commißion des Inneren zu überweisen, und ihr die, diese Beschleunigung der Entlaßung nöthig machenden, wichtigen Gründe vorzustellen, worauf der Kleine Rath, nach angehörtem Bericht und Gutachten[p. 24] der Commißion des Inneren, über das Entlaßungsbegehren des Mündels entscheiden wird.
c. Durch gesezmäßige Verheurathung vor dem 25ten. Alters-Jahr.
§. 42. Diejenigen Personen, welche wegen schwerer Leibs- und Gemüts-Krankheit [Vid. §. 3. litt. b.] unter obrigkeitliche Vormundschaft fallen, sind derselben durch das Waysenamt [nach vorher beym Gemeindrath eingeholtem Bericht] zu entlaßen, wann sie zum völlig freyen Gebrauch ihres Verstands oder Körpers so weit gelangt sind, daß die Besorgung ihrer eigenen Angelegenheiten ihnen unbedenklich überlaßen werden kann.
§. 43. Die Bevogtigung über einen, wegen Ringsinn und Liederlichkeit unter Vormundschaft gekommenen, oder gar als Verschwender öffentlich Erklärten – [Vid. §. 3. litt. c.] wird aufgehoben, sobald derselbe überzeugende Proben seiner erfolgten Beßerung giebt. Zu Begründung einer solchen Entlaßung ist indeßen nur eine anhaltende, wenigstens durch zwey Jahre erprobte Beßerung als hinreichender Beweis zuzulaßen.
In Fällen dieser Art liegt es in der Pflicht des Gemeindraths, die begehrte Entlaßung der Bevogtigung eines gebeßerten Verschwenders dem Waysenamt einzuberichten, welches den Fall des genauesten prüffen, und in Überzeugung, daß der Fall der Entlaßung eintreffe, ihn dann dem betreffenden Bezirksgericht als derjenigen Stelle zu endlicher Verfügung zu überweisen, welcher die Prodigalitäts-Erklärung [laut §. 7.] gesezlich zukannt.[p. 25]
§. 44. Die Vormundschaft über das Vermögen eines Landesabwesenden [V. §. 3. litt. d.] hört nur dann auf, wann derselbe in sein Vaterland und in seine ursprüngliche Heymath zurükkömmt, und keine gesezliche Gründe zu Fortsetzung der Vormundschaft eintretten, oder wann ein solcher Abwesender einen von dem Waysenamt tüchtig befundenen Verwalter selbst über sein Vermögen bestellt.
§. 45. Durch den natürlichen Tod jedes Pflegebefohlenen wird die Vormundschaft aufgehoben.
§. 46. Es solle also kein Vogt, oder Vormund, bey Verantwortlichkeit und unausbleiblicher Vergütung alles daraus erwachsenden Schadens, befugt seyn, seinen Vogtkindern und Pflegebefohlenen einen kleineren oder größeren Theil ihres Vermögens zu eigner Verwaltung aushin zu geben, es sey dann von den betreffenden waysenamtlichen Behörden, nach obigen Bestimmungen, würklich erkannt und zugelaßen.
§. 47. Was nach erkannter Vormundschafts-Entlaßung und Aushingebung des Vermögens zu beobachten seye, ist im §. 23. bereits bestimmt.
E. Von der Besoldung der Vögte, Vormünde, u. s. f.
§. 48. Jedem Vormund oder Vogt gebührt, je nach Maaßgabe seiner mehr oder minder weitläufigen und beschwerlichen Verwaltung, eine bescheidene Belohnung, welche der Gemeindrath jedesmahl bey Ablegung der Rechnung bestimmen wird, und zwar auf das Fundament von 2. Franken von 1000. Franken, oder 2. Bazen von 100. Franken Capital-Bestand. Üb-[p. 26] rigens ist es zu wünschen, daß, wo geringes Vermögen, und kein Vorschlag vorhanden, die Vögte oder Vormünder solches unentgeldlich besorgen möchten.
§. 49. In jedem Fall aber, wo ein Vogt oder Vormund in Angelegenheiten seines Pflegebefohlenen nothwendige Reisen machen, oder andere Geschäfte für denselben besorgen müßte, gebührt ihm der Ersatz seiner Reisekosten oder anderer für seinen Pflegebefohlenen baar gehabten Auslagen, worbey er jedoch die nothwendige Sparsamkeit zu beobachten, und solche specificiert in die Ausgabe seiner Rechnung aufzunehmen hat.
§. 50. Der Gemeindrath mag für Abnahme jeder ein- oder mehrjährigen Rechnung begüteter Waysen oder Bevogteten 1. Franken von 1000. Franken Capitalwerth als Sizgeld beziehen.
§. 51. Das Waysenamt bezieht für jede seiner Ratifikation unterlegte ein- oder mehrjährige Rechnung die Hälfte des, von dem Gemeindrath bezogenen Sizgelds.
§. 52. Dem Gemeindsschreiber soll für die Abnahme jeder ein- oder mehrjährigen Rechnung, Verfertigung des Abscheids, deßen Einprotokollierung, und den dem Vogt zuzustellenden Abscheids-Auszug, bis auf den Capitalwerth von 5000. Franken, 1. Franken; und bey einem Capitalwerth über 5000. Franken 2. Franken; und dem Gemeindweibel für das Citieren der zu jeder Rechnungsabnahme gehörigen Personen, und übrige Mühewalt bey der Rechnungs-Abnahme, 4. Bazen geordnet seyn. Eben so viel als dem Gemeindsschreiber gebührt dem betreffenden[p. 27] Canzley-Notariat für die Ratification der Rechnung und darbey erforderliche Censur und Protokollierung.
§. 53. Wann ein Vogt oder Vormund seine Rechnung nicht selbst oder durch einen vertrauten Freund stellt, sondern durch den Gemeindsschreiber verfertigen läßt, – hat der Vogt aus seinem beziehenden Vogtlohn, ohne des Bevogteten fernere Kosten, den Gemeindsschreiber dafür bescheidenlich zu befriedigen.
§. 54. Von wichtigen und weitläuftigen Gutsbeschreibungen, welche, in Beyseyn eines Mitglieds des Gemeindraths, durch den Gemeindsschreiber aufgenohmen werden, gebührt dem Mitgliede des Gemeindraths für jeden Tag 2. Franken Besoldung. Dem Gemeindsschreiber gebührt das gleiche Taggeld, wie dem Mitglied des Gemeindraths, und über dieß für das ins Reine Schreiben der Inventur, nach Maaßgabe ihrer Wichtigkeit, 1. bis 4. Franken, welches der Gemeindrath jedesmahl bestimmen, und, bey allenfalls gar weitläuftiger Copiatur, die Besoldung um etwas erhöhen wird. Diese Arbeit solle mit Genauigkeit und ohne alle unnöthige Zögerung vollendet werden.
F. Anhang.
§. 55. Die im Jahr 1792. für die Stadt Zürich erneuerte Waysen- und Bevogtigungs-Ordnung, welche der gegenwärtigen allgemeinen Landesverordnung wesentlich zur Grundlage gedient hat, – bleibt für die Stadtgemeinde Zürich in ihrer Kraft; in der Meynung, daß derselben Handhabe und Vollziehung in erster Instanz dem Gemeindrath aufge-[p. 28] tragen, und ein Waysenamt aus dem Statthalter und zween Bürgeren aus dem Stadtbezirk aufgestellt wird, welche lezteren durch freye Wahl von dem Kleinen Rath erwählt werden. Übrigens sind auch diese Behörden dem Kleinen Rath und deßen Commißion des Inneren untergeordnet, an welchen sie sich in jedem, ihnen zu schwer vorkommenden, oder in obbenanntem Gesez d. d. Ao 1792. bestimmten Fall zu wenden, und jeden litigiosen zum Rechtsstreit sich eignenden Gegenstand zur Beurtheilung an das Bezirksgericht zu weisen geben. – Sollten sich übrigens noch andere Gemeinden im hießigen Canton im speciellen Besiz vollständiger Reglemente oder in gesetzliche Kraft erwachsener Übungen in Ansehung des Bevogtigungs-Wesens befinden, und aus wichtigen Gründen eint oder andere Theile jener Reglementer oder Übungen beyzubehalten wünschen, – so haben sie sich mit ihrem dießfälligen Begehren an die Regierung zu wenden, welche sich vorbehaltet, darüber – nach Befinden der Sache abzusprechen; allemahl in der Meynung, daß in jedem Fall, und allenthalben ohne Ausnahme die im §. 10. benannten waysenamtlichen Behörden in gleichmäßiger Form und Einrichtung sollen aufgestellt werden.
§. 56. Die Regierung versiehet sich, daß sämmtliche Gemeindräthe und waysenamtlichen Behörden unsers Cantons, so wie jeder bestellte Vormund oder Vogt, und sämmtliche Cantonsbürger zu Stadt und Land, diese für die Wohlfahrt des ganzen Landes so wichtige, und aus väterlicher Fürsorge fließende Verordnung[p. 29] in allen Stüken mit pünktlicher Genauigkeit, und unermüdeter Geduld befolgen, und derselben nachzukommen sich befleißen werden, und wiederholet es nochmahlen schließlich, daß, wo irgend, es sey von waysenamtlichen Behörden, Vögten, oder Verwandten etwas unterlaßen würde, was ihre hievor erwähnte besondere Pflicht fordert, und daraus für den Pflegebefohlenen einiger Schaden oder Nachtheil erwachsen würde, – derjenige Theil, welcher an dem, es seye aus Arglist oder Nachläßigkeit entstandenen Schaden Ursache wäre, für selbigen verantwortlich seyn, und solchen billiger Maaßen zu vergüten haben solle.