Signatur | StAZH MM 3.100 RRB 1959/3244 |
Titel | Waffenplatz Zürich (Verlegung der Kaserne). |
Datum | 16.07.1959 |
P. | 1449–1450 |
[p. 1449] Auf Antrag der Direktionen des Militärs und der Finanzen
beschliesst der Regierungsrat:
I. Schreiben an den Stadtrat Zürich:
Mit Schreiben vom 5. Mai 1959 stellte der Stadtpräsident dem Regierungsrat die Antwort des Stadtrates vom 13. März 1959 auf eine Interpellation von Gemeinderat Kull über die Verlegung der Kaserne Zürich zur Kenntnisnahme zu. In dieser Antwort macht der Stadtrat, unter Berufung auf archivalische Studien zusammenfassend geltend, dass die Liegenschaften, die er dem Staat seinerzeit für seine militärischen Bedürfnisse abgetreten habe, nach Wegfall der im Vertrag ausdrücklich genannten Zweckbestimmungen wieder an die Stadt zurückzuübertragen seien.
Diese Antwort hat den Regierungsrat sehr überrascht und es liegt ihm daran, Ihnen dazu seine Stellungnahme bekanntzugeben:
1. Ihre Darstellung in der Beantwortung der Interpellation ist insofern unvollständig und ergibt ein falsches Bild, als es sich beim Vertrag vom 25. Januar beziehungsweise 6./29. Februar 1864 nicht bloss um eine Landabtretung von seiten der Stadt an den Kanton zur Errichtung von Militäranstalten, sondern gleichzeitig um einen Landtausch zwischen Stadt und Kanton im Zusammenhang mit der Erstellung der Bahnhofstrasse handelte.
Bis zu diesem Vertrage waren die Militäranstalten des Kantons Zürich in der Stadt Zürich verstreut. Die Kaserne befand sich am Talacker, zwischen dem heutigen Gebäude der Eidgenössichen Versicherungs AG und dem Pelikan. Die Zeughäuser waren verteilt In Gassen (Zeughauskeller), im Feldhof, dem heutigen Platz der Schweizerischen Kreditanstalt, und auf dem damals grösstenteils freien Gelände, das sich von heute aus gesehen, zwischen Jelmoli im Süden, Schanzengraben und Sihl im Westen, Bahnhof im Norden sowie Limmat und städtische Amtshäuser im Osten erstreckte. Dieses Gebiet, das zum Teil Sihlwiesli, zum Teil Schützenplatz hiess, war vor 1830 stückweise von den Schanzenanlagen bedeckt gewesen, teilweise ausserhalb der Schanzen gelegen. Als Schanzenland gehörte es dem Kanton und hatte, wie der Name Schützenplatz zeigt, schon früher militärischen Zwecken gedient. Im Jahre 1837 beschloss der Regierungsrat, auf diesem Gelände sämtliche Militäranstalten, das heisst Zeughäuser und Kaserne zu vereinigen und die in der Stadt gelegenen Militärgebäude aufzugeben. Dieses Land wurde deshalb nicht, wie das übrige Schanzenland verkauft und es wurden hier grosse Zeughausbauten (das sogenannte neue Zeughaus) errichtet. Die alten Zeughäuser wurden indessen noch nicht aufgegeben und zur Verlegung der Kaserne kam es nicht mehr (ABI. 1863, S. 1594 ff.).
2. In der Folge genügten die bisherigen Militärstallungen des Kantons am Schanzengraben nicht mehr und es wurde [p. 1450] deshalb 1854 beschlossen, in unmittelbarer Nähe, zwischen der heutigen Gessner-Allee und dem Schanzengraben auf einem zum Teil dem Kanton, zum Teil der Stadt gehörendem Gelände neue Militärstallungen zu errichten. Am 24. Februar 1855 trat die Stadt das dortige Pflanzland im Ausmasse von 80 000 Quadratfuss (7200 m2) gegen Bezahlung von Fr. 7000 ohne irgendwelche Auflagen an den Kanton zu Eigentum ab für die Erbauung von Militärstallungen und einer damit verbundenen Reitbahn.
3. Seit 1860 wurde von der Stadt im Einverständnis mit dem Kanton eine Strasse vom See bis zum Bahnhof geplant, das heisst die Bahnhofstrasse, die im oberen Teil den Fröschengraben zudeckte, im unteren Teil aber das Militärgelände und das sogenannte neue Zeughaus quer durchschnitt. Gleichzeitig wurde in dieser Gegend ein neues Stadtquartier vorgesehen. Es ist dies das heutige Bahnhofquartier zwischen Gessner-Allee und Limmat, Bahnhof und Sihlstrasse (ABI. 1863, S. 1594 ff.).
Dies führte nach längeren Verhandlungen zum Vertrag vom 25. Januar beziehungsweise 6./29. Februar 1864 (O. S. XIII, S. 249). Darin trat der Kanton gemäss Artikel 2, 6 und 7 verschiedene Landstreifen entlang dem Fröschengraben zur Erstellung der Bahnhofstrasse und vom bisherigen Zeughausgelände das Land für die Bahnhofstrasse sowie für alle Strassen im neuen Stadtquartier unentgeltlich an die Stadt ab und besorgte auch den Abbruch der Zeughäuser und anderen kantonalen Gebäuden in dieser Zone. Gemäss Artikel 8 des Vertrages übernahm der Kanton auch die Kosten für die neuen Quartierstrassen, mit Ausnahme der Bahnhofstrasse selbst, soweit sie auf sein Land zu liegen kamen. Das restliche, nicht für Strassen benötigte, nunmehr für die privaten Bauten des neuen Quartiers bestimmte Land verkauften Kanton und Stadt als bisherige Eigentümer freihändig, getrennt und auf eigene Rechnung an Private (Artikel 9).
Als Gegenleistung übereignete die Stadt dem Kanton für die schon lang geplante Vereinigung der kantonalen Militäranstalten nach Artikel 10 Land im «Kräuel», jenseits der Sihl, das ihr gehörte, aber ausserhalb der Stadtgrenzen auf dem Boden der Gemeinde Aussersihl lag; es ist dies das heutige Kasernen- und Zeughausgelände. Von diesem neuen Land trat die bisherige Eigentümerin etwas mehr als die Hälfte, nämlich total 498 855 Quadratfuss (44 897 m2) gegen Entgelt ohne irgend eine Bedingung dem Kanton ab. Auf diesem Geländeteil stehen heute die Kaserne und das Zeughaus (Artikel 10, Absätze 1 - 4). Dieser Boden wurde ausdrücklich als Realersatz für die Landabtretungen an die Stadt zur Erstellung der Bahnhofstrasse verstanden und steht somit ohnehin im uneingeschränkten Eigentum des Kantons wie aus der Gegenüberstellung im Kommissionalbericht über das Kasernen- und Bahnhofquartier (ABI. 1863, S. 1956 ff.), deutlich hervorgeht.
Etwas weniger als die Hälfte des neuen Militärgeländes, nämlich 372 000 Quadratfuss (33 480 m2) wurden nach Artikel 11 von der Stadt unentgeltlich abgetreten und als Gelände für Militärübungen bestimmt. Es handelt sich dabei im wesentlichen um den heutigen Kasernenhof.
Der erwähnte Artikel 11 weist folgenden Wortlaut auf:
«Das zwischen den beiden in Artikel 10, No. 1, erwähnten Landabteilungen befindliche Grundeigentum, 372 000 Quadratfuss haltend, wird von der Stadt dem Staat unentgeltlich zu Eigentum abgetreten, in der Meinung, dass damit die nach der gegenwärtigen Gesetzgebung den Gemeinden obliegende Pflicht zur Lieferung von Plätzen für Militärübungen von Seite der Stadtgemeinde Zürich als erfüllt angesehen wird.»
Diese Bestimmung enthält somit keine Rückfallsklausel; sie bedeutet nichts anderes, als dass die Stadt nicht über diese Abtretung hinaus zur Lieferung von Militärübungsplätzen verpflichtet werden könne.
Im ersten Vertragsentwurf der Regierung vom 10. September 1863 (ABI. 1863, S. 1603 ff.) war in Artikel 6 noch ausdrücklich vorgesehen, dass das Land für den Exerzierplatz, beziehungsweise Kasernenhof im Eigentum der Stadt bleibe:
«Zwischen den Artikel 3, lit. a, erwähnten zwei Abteilungen Land erstellt die Stadt einen Exerzierplatz, der längs dem Hohlweg und der Kräuel-Langfurrenstrasse mit Sockel und Geländer abzuschliessen ist. Dieser Platz bleibt Eigentum der Stadt. Die Unterhaltung sowohl des Platzes als der Einfriedigung desselben wird von der Stadt übernommen … usw.»
Die Kommission des Grossen Rates für diesen Vertrag hat dann an die Stelle dieses Artikels 6 den jetzigen Artikel 11 gesetzt mit folgender Begründung:
«Nachdem hinsichtlich der Erstellung des neuen Quartiers beim Bahnhof von der Kommission der Grundsatz getrennter Verwertung angenommen worden, musste derselbe mit Bezug auf die Konzentrierung der Militäranstalten seine Anwendung in der Weise finden, dass der Staat das für die Erstellung dieser Anstalten erforderliche Land von der Stadt käuflich erwirbt. Die Kommission hält das vom Regierungsrate hiefür gewählte Land aus den bereits von der Militärkommission entwickelten Gründen für vollkommen zweckentsprechend und den dafür oben berechneten Kaufpreis für angemessen. Ein Vorteil für den Staat nach dem Antrage der Kommission gegenüber der Vorlage des Regierungsrates liegt darin, dass der Exerzierplatz im Umfange von 372 000 Quadratfuss von der Stadt dem Staate nicht zur unentgeltlichen Benutzung, sondern unentgeltlich zu Eigentum abgetreten wird, wodurch dann aber die nach der gegenwärtigen Gesetzgebung den Gemeinden obliegende Pflicht zur Lieferung von Plätzen für Militärübungen von Seite der Stadtgemeinde Zürich als erfüllt angesehen werden soll. Die Kommission hielt nämlich dafür, dass es für den Staat schon jetzt, namentlich aber für die Zukunft, von Interesse sein müsse, an diesem Platz nicht nur das Recht der Benutzung, sondern das volle Eigentum zu haben, während hinwieder letzteres für die Stadt mit Rücksicht auf die ihr nach dem ursprünglichen Vertrage obliegende Pflicht der Unterhaltung und Einfriedigung dieses Platzes nur noch von geringem Werte sein konnte.» (ABI. 1863, S. 1945 ff. und besonders S. 1971.)
Auch der Exerzierplatz beziehungsweise Kasernenhof ist somit nach dem ausdrücklichen Willen der Vertragsschliessenden Parteien, wie er im Kommissionalbericht zum Ausdruck kommt, uneingeschränktes Eigentum des Kantons ohne irgendeine im Sinne eines Rückfalles zu deutende Bedingung.
Mit den Arbeiten für neue Militärbauten wurde nach Abschluss des Vertrages von 1864 unverzüglich begonnen und mit Regierungsratsbeschluss vom 22. April 1865 ein Generalplan für den Bau der neuen Militäranstalten aufgestellt, der in den folgenden Jahren im wesentlichen befolgt worden ist. Er sah Stallungen, Reitbahn und Magazine zwischen der heutigen Gessner-Allee und dem Schanzengraben, eine Brücke über die Sihl, eine Kaserne jenseits der Sihl, anschliessend Exerzierplätze und am andern Ende des neuen Militärgeländes Zeughausbauten vor. In den folgenden Jahren wurden sukzessive Militärstallungen und Zeughausbauten errichtet und dementsprechend die alten Zeughäuser in der Stadt aufgegeben. Mit dem Bau der neuen Kaserne wurde erst im Jahre 1873 begonnen, nachdem am 2. Juni 1871 die alte, bisher immer noch in vollem Gebrauch befindliche Kaserne am Talacker abgebrannt war.
4. Die oben angeführte aktenmässig belegte Darstellung ergibt einwandfrei, dass der Stadt weder in rechtlicher noch in anderweitiger Hinsicht Ansprüche auf das Kasernenareal zustehen und der Regierungsrat lehnt alle Begehren dieser Art entschieden ab. Er legt Wert darauf, Ihnen heute schon seinen Standpunkt in dieser Angelegenheit bekanntzugeben, damit Sie bei Ihren städtebaulichen Planungen nicht auf Grund falscher Annahmen und Hoffnungen Vorgehen.
Im übrigen gestatten wir uns den Hinweis, dass die Militäranstalten nicht zuletzt auf das ständige Drängen der Stadt verlegt werden und der Staat für die grossen Kosten der Neubauten allein aufkommen muss.
II. Mitteilung an die Direktionen des Militärs, der Finanzen und der öffentlichen Bauten sowie an die Mitglieder des Kantonsrates.