Selfhtml

Staatsarchiv des Kantons Zürich

Zentrale Serien seit 1803 online:

https://www.zh.ch/staatsarchiv



SignaturStAZH MM 3.11 RRB 1897/1642
TitelBaulinien.
Datum02.09.1897
P.558–559

[p. 558] A. Der Stadtrat Zürich publizirte im Amtsblatt vom 5. Febr. 1897 die Baulinien der Asylstraße (Strecke Eidmattstraße–Hegibachstraße) mit Fristansetzung für Einsprachen bis zum 17. Februar 1897. Der Baulinienabstand wurde auf 20 m angesetzt.

Mit Eingabe vom 19. Febr. 1897 rekurrirte Herr Baumeister Schudel in Zürich V gegen genannte Baulinie, indem er im Wesentlichen vorbringt:

1. Unterm 5. Januar 1895 sei der Baulinienabstand an der äußern Asylstraße auf 18 m angesetzt worden; auf diese Baulinie seien seither südlich und nördlich der Straße Bauten erstellt worden.

Der Stadtrat wolle nun lediglich für das Teilstück der Asylstraße zwischen Eidmatt- und Hegibachstraße den Baulinienabstand auf 20 m erweitern, und zwar solle diese Verbreiterung lediglich auf der Südseite gesucht werden. Auf der Südseite sei außer des Petenten Land nur noch dasjenige des Theodosianums und der Gebrüder Haymann überbaubar, alles zusammen mit einer Straßenlänge von ca. 160 m, die übrige Strecke sei bereits überbaut und würden die sämtlichen bestehenden Objekte 2–3 m über die neue Baulinie in die Straße hineinragen.

2. Durch die Korrektion der Asylstraße werde von seinem Grundstück für Straße und Trottoir so wie so schon zirka 8 m Breite abgetrennt, nun solle der verbleibende Teil noch die Beschränkung erhalten, daß statt 3 m Vorgartengebiet 5 m beansprucht werden.

Dadurch würde sein ohnehin nicht großes Bauareal bedeutend verkleinert und er um so mehr geschädigt, als ja auch längs seinem Grundstück noch zirka 8 m Land für eine Querstraße von der Asylstraße nach der Freiestraße abgeschnitten werden müssen.

3. Die Asylstraße sei eine Bergstraße und werde nie einen großen Verkehr erhalten. Wozu denn die große Bauliniendistanz?

C. [recte: B] Das Bauwesen I der Stadt Zürich beantwortete diesen Rekurs mit Eingabe vom 27. März 1897 folgendermaßen:

Die Asylstraße bilde ein Teilstück der großen Verkehrsstraßen vom Heimplatz bis zum Fuß der Klusstraße, mit Fortsetzung gegen Wytikon und die Forchstraße u. s. w.

Das Bedürfnis nach großen Baulinienabständen mache sich immer mehr geltend und es solle deren Einführung namentlich da angestrebt werden, wo die örtlichen Verhältnisse es ohne allzu starke Schädigung der Privatinteressen noch gestatten.

Die Verbreiterung werde zudem durch die dringlich gewordene Korrektion der Asylstraße gefördert, weil der Raum zwischen der neuen Straßengrenze und der alten Baulinie klein würde, daß es sich dann viel eher empfehlen würde, die westliche Baulinie (südlich des Rekurrenten) mit der Straßengrenze zusammenfallen zu lassen.

Die Verbreiterung müsse auf der Westseite gesucht werden, weil dadurch lediglich zwei bereits durch die bestehenden Baulinien angeschnittene Häuser noch etwas mehr in Mitleidenschaft gezogen würden, jedoch nur so, daß der angeschnittene Teil noch im Vorgartengebiet verbleibe.

D. Der Bezirksrat wies unterm 29. April 1897 den Rekurs ab, mit folgenden Erwägungen:

1. Der Rekurrent habe nicht so viel Land abzutreten, daß von einer allzu starken Schädigung gesprochen werden könne.

2. Der Stadtrat habe die Pflicht, da, wo die örtlichen Verhältnisse es gestatten, für große Baulinienabstände besorgt zu sein.

3. Die Asylstraße sei schon jetzt eine der größeren Verkehrsstraßen des V. Kreises und daher die Verbreiterung derselben gerechtfertigt.

E. Gegen diesen Beschluß des Bezirksrates rekurrirt Herr Advokat Goll namens des Herrn Schudel mit Eingabe vom 12. Mai 1897 an den Regierungsrat, im Wesentlichen Folgendes vorbringend

1. Seit im Jahr 1895 der Regierungsrat den Baulinienabstand der Asylstraße auf 18 m festgesetzt habe, sei weder im Charakter und der äußern Beschaffenheit des an die Asylstraße angrenzenden Baulandes noch in den Ansichten aller vernünftigen und unbefangenen Bauverständigen über die erforderlichen Baulinienabstände eine Veränderung erfolgt. Auf die besonderen und persönlichen Ansichten einzelner Funktionäre der städtischen Baubehörde komme gegenüber den gesetzlichen Normalbestimmungen nichts an.

2. Der Beschluß des Stadtrates sei daher nicht recht zu begreifen, um so weniger, als alle auf der betreffenden Teilstrecke vorhandenen Gebäulichkeiten geschnitten würden. Der Hauseigentümer Haubensak habe überdies im Jahre 1895 auf der neu festgesetzten Baulinie ein Kegelbahngebäude erstellt, das jetzt 2 m über die nunmehr projektirte Baulinie hinausragen würde.

Das Grundstück des Rekurrenten sei schon auf der Südseite durch die Baulinie an der Querstraße bedeutend verkleinert worden, weiter verlange man von ihm zur Kompensation des hinterliegenden Nachbars Hägi eine beträchtliche Fläche auf der Westseite, so daß dieses Grundstück auf drei Seiten eine Verkürzung seiner Fläche erleide, was dasselbe in erheblichem Maße minderwertig erscheinen lasse.

3. Die Asylstraße sei eine Bergstraße, welche in absehbarer Zeit keinem erheblichen Verkehr zu dienen habe. Die dortige Bau- [p. 559] tätigkeit werde zu keinen Zeiten solche Dimensionen annehmen, daß es nötig würde, für Häuser Platz zu machen, welche an einer Straße von 18 m Baulinienabstand nicht Licht und Luft genug fänden. Die örtlichen Verhältnisse wie sie in casu vorliegen, sind daher weit entfernt, eine solche ausnahmsweise das gesetzliche Maximum überschreitende und vom Gesetz auch nicht geforderte Erweiterung der Bauliniendistanzen als notwendig erscheinen zu lassen.

4. Wenn man auch zugeben möge, daß sich die von den Verwaltungsbehörden geübte Justiz in Sachen der Bau- und Niveaulinien nicht gerade beengt fühle, so dürfe doch die Ansicht ausgesprochen werden, daß Ausnahmezustände nicht auf bloße Teilstücke einer Straße zur Anwendung zu bringen seien, besonders wenn der Verkehr zudem offenbar ein ganz unbedeutender sei.

F. Zum vorliegenden Rekurs bemerkt das Bauwesen I der Stadt Zürich in seiner Vernehmlassung vom 1. Juni 1897:

1. Bei den Beschlüssen des Stadtrates kämen nicht vermeintliche persönliche Ansichten einzelner Funktionäre, sondern wol erwogene Gründe in Betracht. Gegen die Insinuation im Schlußsatz von Abs. 1 der Rekursschrift sei daher Verwahrung einzulegen.

2. Die Auslegung, welche der Rekurrent dem Baugesetz gebe und 18 m Baulinie als gesetzliches Maximum darstelle, sei irrtümlich.

3. Die Asylstraße trage den Charakter einer Hauptverkehrslinie, es sei daher ein Baulinienabstand von 20 m angezeigt. Wenn die städtische Behörde nicht tunlichst hätte Privateigentum schonen wollen, so wäre im vorliegenden Fall eine Erweiterung der Baulinie auf 24 und mehr Meter am Platze.

G. Der Bezirksrat übermittelt die Akten unterm 17. Juni mit der Notiz, daß er an seinem Beschlusse festhalte.

H. Die Direktion der öffentlichen Arbeiten berichtet:

Die Asylstraße ist in der Tat ein Teilstück der großen Straße vom Heimplatz nach dem Fuß der Klus mit Fortsetzung gegen Wytikon u. s. w. Es ist hier wol dem Stadt und Bezirksrat zuzustimmen, wenn sie der Asylstraße einen bedeutenden Verkehr zuweisen. Wenn daher prinzipiell gegen große Baulinienabstände nichts einzuwenden ist, so zum Voraus nicht im vorliegenden Fall, wo der Charakter der Straße sie an und für sich gebietet.

Der Rekurrent irrt, wenn er annimmt, daß 18 m das Maximum für Baulinienabstände seien; das Baugesetz schreibt nur ein Minimum, nicht ein Maximum vor; es läßt da den Behörden freie Hand (§ 11 leg. zit.). Im Gegenteil sind 18 m das Minimum von Bauliniendistanz, welches breits die größte Bauhöhe 20 m gestattet; es ist dem Stadtrat vollständig beizupflichten, wenn er sagt, der Baulinienabstand von 18 m sollte gar nie angewendet werden, da er von den Bauunternehmern immer dazu benutzt werde, auf 20 m zu bauen. Man sollte entweder unter 18 m bleiben oder dann gleich auf 20 m und mehr gehen. Man kann sogar füglich noch weiter gehen als der Stadtrat, und es bedauern, daß nicht für Rampen, wie es z. B. der Abhang des Zürichberges ist, bei gleichen Bauliniendistanzen niedrigere Bauhöhen vorgeschrieben und solche über etwa 14 m überhaupt verboten sind.

Aus diesen Ausführungen geht hervor, daß der Rekurrent auch darin irrt, wenn er meint, man sollte bei 18 m bleiben, weil an der Asylstraße der Verkehr nie so groß werde, daß man für Häuser Platz schaffen müsse, welche bei 18 m Bauliniendistanz nicht Luft und Licht genügend fänden. Es kann bei 18 und 20 m gleich hoch gebaut werden.

Die Asylstraße ist zur Zeit noch auf der Strecke zwischen Eidmatt- und Hegibachstraße eine krumme Straße von stellenweise kaum 5 m Breite; eine Korrektion derselben ist in der Tat dringlich. Nach dem vom Stadtrat ausgearbeiteten Projekt fällt indessen die neue Straßengrenze mit der im Jahr 1895 festgesetzten Baulinie auf der Westseite beinahe zusammen, was in keinem Falle wünschbar ist.

Es werden allerdings durch die neuen Baulinien nicht, wie die Stadt sagt, zwei bereits angeschnittene Gebäude noch etwas mehr, sondern nun alle Gebäude auf der Westseite geschnitten, immerhin so, daß mit Ausnahme der Scheune des U. Hägi, welche ins Trottoirgebiet hineinragt und auf deren Beseitigung getrachtet werden sollte, sämtliche Objekte im Vorgartengebiet bleiben. Es ist jedoch nicht außer Acht zu lassen, daß es sich um lauter alte Objekte handelt. Gegen die Verbreiterung läßt sich allerdings einwenden, daß sie sich blos auf ein Teilstück der Asylstraße beziehe, daß sie lediglich auf der Westseite gesucht werde und daß sie erfolge, nachdem erst vor zwei Jahren die Baulinien vom Regierungsrat genehmigt worden seien.

Hiezu ist zu bemerken, daß mit der Veränderung der Baulinien zugleich ein Richtungsbruch der Straße verbunden ist, mithin die weitere Bauliniendistanz nicht stören wird. Wenn das innere Stück der Asylstraße jetzt schon zu schmal ist, so berechtigt das nicht zu dem Verlangen, daß auch das äußere Stück, wo zur Zeit die Verbreiterung noch leicht möglich ist, ebenfalls zu enge angelegt werden soll.

Die Ostseite des in Frage stehenden Straßenstückes ist eben bereits ganz überbaut worden und zwar auf die Baulinie von 1895. Es geht nicht an, jene durchwegs neueren, zum Teil ganz neuen Objekte jetzt nach zwei Jahren mit abgeänderten Baulinien zu schneiden; es blieb daher dem Stadtrat nichts anderes übrig, als die Verbreiterung auf der Westseite zu suchen.

Man wird allerdings zugeben müssen, daß die Baulinien besser schon im Jahre 1895 auf 20 m festgesetzt worden wären und daß es im Allgemeinen nicht wünschbar ist, nach so kurzer Zeit bereits wieder zu ändern; allein daraus einen Grund zu machen, das vorliegende Projekt, das an und für sich gut ist, nicht zu genehmigen, geht nicht an.

Es ist richtig, daß der Rekurrent sowol durch die Straßenkorrektion und die Baulinie, als durch den ebenfalls vorliegenden Quartierplan in erheblichem Maße eingeschränkt, ja geschädigt wird. Es muß ihm jedoch anheim gestellt werden, auf dem Wege des Schätzungsverfahrens Ersatz zu suchen.

Nach Einsicht eines Antrages der Direktion der öffentlichen Arbeiten

beschließt der Regierungsrat:

I. Der Rekurs des Herrn Advokat Goll namens Herrn Baumeister Schudel wird abgewiesen.

II. Der Rekurrent hat die Kosten, bestehend in 3 Fr. Staats-, 2 Fr. Kanzlei-, den Ausfertigungs- und Stempelgebühren, nebst 5 Fr. Expertengebühren zu bezahlen.

III. Mitteilung an Herrn Advokat Goll zu Handen seines Klienten, an den Stadtrat Zürich, an den Bezirksrat Zürich und an die Direktion der öffentlichen Arbeiten, je unter Rückschluß der Akten.