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Staatsarchiv des Kantons Zürich

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SignaturStAZH MM 3.11 RRB 1897/1643
TitelQuartierplan.
Datum02.09.1897
P.559–561

[p. 559] A. Der Stadtrat Zürich setzte mit Beschluß vom 16. September 1896 den Quartierplan über das Gebiet zwischen der Asyl- und Freienstraße, der Eidmatt- und Hegibachstraße fest.

B. Gegen diesen Beschluß rekurrirte mit Eingabe vom 9. Oktober Herr Advokat A. Goll namens Baumeister F. Schudel, in Zürich V, und stellt das Gesuch, den Quartierplan in der Weise abzuändern, daß die Baulinien der projektirten Querstraße zwischen Asyl- und Freienstraße weiter südöstlich verlegt würden, und daß der Rekurrent kein Land an der Westgrenze seines Eigentums an den Nachbar Hägi abzutreten habe.

Zur Begründung wird vorgebracht:

1. Die im Projekt des Stadtrates vorgesehene Baulinie an der Querstraße schneide so tief in das Land des Rekurrenten ein, daß trotz der Zuteilung einer kleinen Landparzelle des Nachbars Ulrich Hägi, kein richtiges Baugrundstück für den vorhalb gelegenen Rekurrenten entstehe. Dasselbe erhalte blos noch eine Tiefe von 16 m, von der Baulinie an gerechnet, was durchaus nicht genüge. § 55 des Baugesetzes zwinge den Rekurrenten, mindestens 3,5 m von der nachbarlichen, der Baulinie gegenüberliegenden Grenze zurückzuweichen. Wolle er aber höher als 12 m bauen, so müsse er dazu noch um das Maß der Mehrhöhe weichen, z. B. baue er, wozu er nach dem Baulinienabstand von 18 m das Recht habe, 18 m hoch, so müsse er von der Nachbargrenze 3 1/2 m + 6 m = 9 1/2 m Abstand nehmen, d. h. es bliebe ihm noch eine Gebäudetiefe von 6 1/2 m, was in jeder Hinsicht unzulässig und unannehmbar erscheine.

2. Bei einer Hausbaute von 18 m Höhe an der Ecke Asylstraße–Querstraße müßte Rekurrent nach § 58 leg. cit. wegen des Gebäudes auf dem Nachbargrundstück des Ulrich Hägi, einen Abstand von 12 m vom erwähnten Nachbarsgrundstück beobachten. Derartige Benachteiligungen des einzelnen Grundbesitzers stünden in Widerspruch mit § 21 des Baugesetzes.

3. Diese gesetzwidrigen Härten und Belastungen des Eigentums des Rekurrenten könnten ohne Beeinträchtigung der Straßenanlage und des Quartierprojektes vermieden werden durch Verschiebung der [p. 560] Querstraße und deren Baulinien um zirka 6 m südöstlich gegen das Theodosianum hin (blau in dem von Advokat Goll beigelegten Plane). Die Ausmündungen resp. Straßenanschlüsse an die Asyl- und Freienstraße litten unter dieser Anlage nicht, und ebenso wenig ein späterer Anschluß nach Osten, d. h. den Berg hinauf.

4. Rekurrent protestire gegen die ihm zugemutete Abtretung einer Parzelle Land (in dem von ihm beigelegten Plane rot schrassirt) an Ulrich Hägi, da dieselbe den §§ 24–25 des Baugesetzes widerspreche. Rekurrent brauche das ganze Grundstück als Materialablagerungsplatz und könne nichts davon weggeben.

C. Der Stadtrat beantwortet den Rekurs mit Eingabe vom 2. Dezember 1896 folgendermaßen:

1. Die Verlegung der Querstraße um 6 m südöstlich sei unmöglich, denn die Richtung der Straße sei gegeben, nämlich östlich durch die Kreuzung der Grünenhofstraße mit der Asylstraße, westlich durch die Kreuzung der Freienstraße mit einer Quartierstraße. Eine Abweichung würde dem § 8 und 21 des Baugesetzes widersprechen.

2. Die Zuteilung von Land an den Nachbar U. Hägi sei billig, da dieser an der Asylstraße ein ziemlich großes Stück Land besitze, dessen direkte Zufahrt von der Asylstraße her beinahe verbaut sei. Hägi habe zwar eine Wegberechtigung auf dem Lande des F. Schudel, welche aber aufgehoben werden müsse, um das Land des letztern überbaubar zu machen. Hägi sei demnach ganz auf eine Zufahrt von der Querstraße her angewiesen; es sei daher vorgesehen, ihm an dieser Straße einen Bauplatz anzuweisen, was auf Kosten des F. Schudel und zweier anderer Landeigentümer geschehen soll. Es seien dem Hägi 18 m Baufront an der Querstraße eingeräumt, gewiß das Mindestmaß für einen Bauplatz für ein freistehendes Gebäude. Die Ausgleichung, wie sie der Quartierplan vorsehe, erscheine als billig.

Seiner Rekursbeantwortung legt der Stadtrat ferner ein Schreiben des Ul. Hägi bei, laut welchem der genannte, gestützt auf § 18 des Baugesetzes und § 28 der Quartierplanverordnung vom 24. Februar 1894 Anspruch auf Erwerbung der an die Querstraße stoßenden Parzelle des F. Schudel erhebt. Bei einer Erledigung des Rekurses im Sinne des Rekurrenten hätte er am Quartierplan nicht das mindeste Interesse und müßte jede Kostenbelastung verweigern. Wenn Schudel auf seinem Grundstück ein 18 m hohes Haus nicht bauen könne, so müsse er eben ein 12 m hohes erstellen. Jedenfalls sei der Schaden des F. Schudel nicht so groß, daß es sich der Mühe lohnen würde, eine nochmalige Umgestaltung des Quartierplanes herbeizuführen.

D. Der Bezirksrat nahm am 4. Februar 1897 einen Augenschein vor, zu welchem die Interessenten eingeladen waren. Hiebei protestirte ein Vertreter des Theodosianums gegen die Verschiebung der Querstraße nach dem Begehren Schudel’s. Die Gesellschaft habe von Schudel an dieser Stelle Land gekauft, um ihr Krankenhaus an einem ruhigen Ort bauen zu können. Dieser Zweck würde durch Verschiebung der Straße um 6 m gegen die projektirte Anstalt total vereitelt.

Seitens des Vertreters des Rekurrenten, des Stadtrates, und der übrigen Interessenten, wurde neues nicht vorgebracht.

Mit Beschluß vom 29. April wies alsdann der Bezirksrat den Rekurs als unbegründet ab, mit folgenden Erwägungen:

1. Der Quartierplan, in Verbindung mit der Lokalbesichtigung zeigen, daß die angefochtene Querstraße jetzt richtig plazirt sei. Rekurrent habe übrigens während des Quartierplanverfahrens einer Gesellschaft einen Teil von seinem Land verkauft, ohne Bedingungen mit Bezug auf die projektirte Querstraße.

2. Die Abtretung von Land an Ul. Hägi erscheine durchaus gerechtfertigt, um letztem eine Zufahrt zu seinem Hinterlande an Stelle des eingehenden Wegrechtes über die Schudel’sche Liegenschaft zu sichern.

E. Gegen diesen Beschluß des Bezirksrates rekurrirt Advokat Goll mit Eingabe vom 25. Mai 1897 an den Regierungsrat, im wesentlichen auf die im Rekurs an den Bezirksrat vorgebrachten Argumente sich berufend.

Speziell bemerkt er, daß es irrtümlich und falsch sei, wenn angeführt werde, daß für das Hinterland des Hägi nur eine Zufahrt von der Querstraße her möglich sei. Ueber das Land des Rekurrenten führe vielmehr in der Breite von 3 m längs der Eigentumsgrenze des Hägi eine vertraglich festgesetzte Kommunikationsstraße zu dem rückwärts gelegenen Land des Hägi. Dieses Wegrecht sei und bleibe, und erleide keine Veränderung oder gar den Untergang.

Ebenso sei die Behauptung, der Rekurrent habe während des Quartierplanverfahrens Land an das Theodosianum verkauft, unrichtig; das sei vielmehr durch einen gewissen Streicher geschehen. Uebrigens Projektire das Theodosianum seine Bauten auf 80 m Entfernung von der Querstraße, habe also keinen Grund, sich über das Hinausrücken der Straße um 6 m gegen das Theodosianum zu beklagen.

F. Der Stadtrat Zürich bemerkt in seiner Vernehmlassung am 23. Juni 1897:

1. Die vom Rekurrenten erwähnte, angebliche Kommunikationstraße sei durchaus nicht als eine dem Baugesetz entsprechende Zufahrt zu betrachten, zudem sei dieselbe für den untern, in Betracht fallenden Teil durch den Quartierplan aufgehoben worden, um dem Rekurrenten die Schaffung eines Bauplatzes zu ermöglichen.

2. Mit dem Eigentumsübergang verhalte es sich nach Angabe der Notariatskanzlei Hottingen wie folgt:

12. Dezember 1894, Beschluß des Stadtrates betreffend Einleitung des Quartierplanverfahrens; 20. Februar 1895, Zufertigung der jetzt Schudel und dem Institut Ingenbohl (Theodosianum) gehörenden, damals noch ungeteilten Liegenschaften von Wethli’s Erben an Weil; 14. August 1895, Zufertigung der ganzen Liegenschaft von Weil an Schudel; 14. November 1895, Zufertigung des größern östlichen Teiles der Liegenschaft von Schudel an Streicher; 10: Februar 1896, Streicher verkauft an das Institut Ingenbohl der östlichen Teil.

3. Nach einem von Schudel sr. Zt. eingereichten Quartierplan wollte er die Fortsetzung der Grünenhofstraße nach links abdrehen. Nachdem er dann die Liegenschaft nach seinem Gutdünken in zwei Teile geteilt, und den größeren außerordentlich günstig verkauft habe, drehe er nun den Spieß um, und verlange, daß die Straße nach rechts, gegen den verkauften Abschnitt hin, abgedreht werde.

Einen Augenschein, der vom Vertreter des Rekurrenten gewünscht wurde, hält der Stadtrat für überflüssig.

Ferner legt er zwei Zuschriften des U. Hägi und des Institutes Ingenbohl bei. Hägi beruft sich auf seine frühere Eingabe und bringt neues nicht vor. Der Vertreter des Institutes Ingenbohl bemerkt, daß nicht er, wie im Beschluß des Bezirksrates stehe, die Aeußerung über Handänderungen des Schudel’schen Landes getan habe, sondern der Vertreter der Stadt. Im Interesse der ruhigen Lage ihrer Anstalt, protestire er gegen das Verschieben der Querstraße. Schudel könne sein Land immer noch anständig bebauen; daß überall himmelhohe Kasernen errichtet würden, sei nicht notwendig, und liege nicht im Interesse des Quartiers.

Das Institut habe soviel wie gar kein Interesse an der Querstraße; es wäre unbillig, dasselbe noch mehr zu belasten.

G. Der Bezirksrat übermittelt die Akten unterm 15. Juli 1897 an den Regierungsrat mit dem Bemerken, daß er seinem nunmehr angefochtenen Beschlusse nichts mehr beizufügen habe.

H. Die Direktion der öffentlichen Arbeiten berichtet:

Der Rekurrent verlangt zweierlei, einmal, daß die projektirte Querstraße und deren Baulinien um zirka 6 m südöstlich verschoben werde und zweitens, daß er kein Land von U. Hägi abtreten müsse.

Was das erste Begehren anbetrifft, so ist zu bemerken, daß die Richtung der Querstraße durch die mit Regierungsbeschluß vom; 24. Oktober 1895 genehmigten Baulinien der Grünenhofstraße bezw. deren Kreuzung mit der Asylstraße und durch die Kreuzung der Freienstraße, mit einer zwar erst projektirten Quartierstraße tatsächlich gegeben ist. Eine Verschiebung der Straßenaxe und demzufolge auch der künftigen Häuserflucht für dieses Zwischenstück um zirka 6 m wäre nicht nur höchst unschön, sondern widerspricht dem § 21 des Baugesetzes. Es ist demnach diesem Begehren des Rekurrenten nicht zu entsprechen.

Bei der Abtretung von Land an den Nachbar U. Hägi handelt es sich laut Plan um eine Fläche von 166, bezw. da 45 m abgetauscht werden, von 121 m2. Die Parzelle hat, einschließlich der 45 m2, blos eine Tiefe von 10 m, ohne die 45 m2 sogar blos zirka 7 m, von den Baulinien der Querstraße an gerechnet, wäre demnach für den Rekurrenten so wie so nicht überbaubar.

Das Grundstück, das Schudel nach dem Quartierplan verbleibt, hat eine Länge von zirka 45 m und eine Tiefe von 16–22 m, es [p. 561] können demnach bequem zwei Häuser auf demselben erstellt werden. Es ist nicht richtig, daß der Rekurrent mit einem Neubau von 18 m Höhe an der Ecke Asylstraße–Querstraße, wie in der Eingabe an den Bezirksrat bemerkt wird, 12 m von der Nachbarsgrenze zurückweichen müßte; selbst wenn § 58 des Baugesetzes hier in Anwendung käme, so ist darauf hinzuweisen, daß er sich auf Abstände zwischen Gebäuden, nicht von der Grenze an bezieht. Im vorliegenden Fall handelt es sich um § 57 des Baugesetzes und hier ist stets so interpretirt worden, daß die Höhe der Gebäude auf der Baulinie nicht vom Abstand vom Nachbarsgebäude, sondern lediglich von der Bauliniendistanz abhängt, der Abstand von Gebäuden auf der Baulinie von allfälligen Nachbarsgebäuden, unbekümmert um ihre Höhe, einfach 7 m betragen muß. Rekurrent kann daher in genannter Ecke auch bei einem Gebäude von 18 m Höhe bis auf etwa 4–5 m an die nachbarliche Grenze hin bauen. Am entgegengesetzten Ende wird er allerdings niedrigeren Bauhöhen sich anbequemen müssen, indessen ist es ja, wie der Vertreter des Theodosianums bemerkte, nicht notwendig, daß überall himmelhohe Kasernen erstellt werden. Als Aequivalent gegen die Abtretung der 121 m2, die dem Rekurrent bezahlt werden, wird ihm ferner für den hintern Teil seines Landes die Aufhebung einer Wegservitut zugestanden und damit sein Land eigentlich erst voll überbaubar gemacht.

Immerhin ist zuzugeben, daß das Grundstück des Rekurrenten durch den vorliegenden Quartierplan, sowie durch die gleichzeitige Verbreiterung der Bauliniendistanz an der Asylstraße von 18 m auf 20 m, wobei die Verbreiterung lediglich auf der Südseite der Straße gesucht wird und gesucht werden muß, außerordentlich beschränkt wird, ebenso im fernern, daß es eigentlich ein etwas sonderbares Argument ist, wenn gesagt wird, dem U. Hägi müsse ein Bauplatz an der Querstraße gegeben werden, weil sein Land gegen die Asylstraße so stark verbaut sei, daß er nicht mehr in sein Hinterland gelangen könne, umsomehr als das eine der Gebäude auf dem Grundstück des U. Hägi lediglich eine ältere Scheune mit ein paar später eingebauten Wohnzimmern ist; ein Objekt, das vermutlich über kurz oder lang einem Neubau wird Platz machen müssen. Das heißt doch wol denjenigen, der sein Land bereits überbaut hat und demgemäß aus demselben so wie so einen größern Nutzen zieht als derjenige, der es frei liegen läßt, stark auf Kosten des letztern schützen.

Wenn der Quartierplan, so wie er vorliegt, dennoch genehmigt werden kann, so geschieht es auf Grund folgender Erwägungen:

1. Eine Verschiebung der Querstraße ist unmöglich.

2. Die vom Rekurrenten an U. Hägi abzutretende Parzelle ist für den erstern so wie so unüberbaubar.

3. Es ist dem Rekurrenten unbenommen, im Schatzungsverfahren Ersatz für die starke Beeinträchtigung zu suchen, die seine Liegenschaft durch den Quartierplan tatsächlich erleidet.

4. Es geht aus den Akten klar hervor, daß der Rekurrent früher die ganze Liegenschaft besessen und den östlichen Teil derselben weiter verkauft hat, nachdem das Quartierplanverfahren, von dem er jedenfalls Kenntnis hatte, längst eingeleitet war. Es ist nun aber etwas sonderbar, von einem Grundstück den einen Teil, wie die Stadt sagt, vorteilhaft zu verkaufen, und dann bei spätern Straßenbauten den Behörden zuzumuten, sie sollten den übrig gebliebenen Teil noch besonders schonen. Verhält es sich im weitern so, wie der Stadtrat behauptet, daß der Rekurrent, als er noch Besitzer der ganzen Liegenschaft war, die Straße mehr nach dem jetzt noch in seinem Besitz befindlichen Land abdrehen wollte, während er sie jetzt auf die entgegengesetzte Seite rücken will, so ist noch weniger Grund vorhanden, den vom Stadtrat vorgelegten mit vieler Mühe mit den Interessenten vereinbarten Quartierplan nicht zu genehmigen.

Nach Einsicht eines Antrages der Direktion der öffentlichen Arbeiten

beschließt der Regierungsrat:

I. Der Rekurs des Herrn Advokat Goll namens Herrn Baumeister Schudel in Zürich V wird abgewiesen.

II. Der Rekurrent hat die Kosten, bestehend in 3 Fr. Staats-, 2 Fr. Kanzlei-, den Ausfertigungs- und Stempel-, sowie 20 Fr. Expertengebühren, zu bezahlen.

III. Mitteilung an Herrn Advokat Goll zu Handen des Herrn Baumeister Schudel, an den Stadtrat Zürich, an den Bezirksrat Zürich und an die Direktion der öffentlichen Arbeiten, je unter Rückschluß der Akten und Pläne.