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Staatsarchiv des Kantons Zürich

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SignaturStAZH MM 3.12 RRB 1898/0392
TitelBaugesetz.
Datum17.02.1898
P.128–129

[p. 128] In Sachen Advokat Dr. Cramer namens Stadtrat Walcher betreffend Baulinien

hat sich ergeben:

A. Im kantonalen Amtsblatt No. 40 vom 18. Mai 1897 publizirte der Stadtrat Zürich die festgesetzte nördliche Baulinie der Albisriederstraße zwischen der Badenerstraße und der projektirten Fortsetzung der Aemtlerstraße, Kreis III, mit Rekursfrist bis zum 1. Juni .1897.

B. In Eingabe vom 28. Mai 1897 rekurrirt Herr Dr. E. Cramer in Zürich I namens Herrn Stadtrat H. Walcher in Zürich III als Eigentümer von Kataster-No. 357 a an der Albisrieder-Badenerstraße gegen obige Baulinie und beantragt, die Genehmigung derselben zu verweigern, eventuell den Stadtrat anzuhalten, die erneute Verbreiterung der Bauliniendistanz von 20 auf 24 m auf beiden Seiten zu suchen, in der Weise, daß sowol die südliche, wie die nördliche Baulinie um je 2 m zurückgelegt werde, aus folgenden Gründen:

1. Im Februar 1896 habe der Regierungsrat auf Verlangen des Stadtrates hin einer Baulinie in einem Abstand von 20 m an der Albisriederstraße die Genehmigung erteilt. Schon im darauf folgenden Jahre wolle der Stadtrat diese Baulinie neuerdings abändern. Gemäß § 9 des Baugesetzes liege der Gemeindebehörde ob, für die Bauten an bestehenden wie an zu erstellenden Straßen auf Grund des Bebauungsplanes nach Maßgabe des Bedürfnisses die Bau- und Niveaulinien aufzustellen. Da durch die Baulinien die Stellung und die Richtung der Bauten bestimmt werde, habe der Grundeigentümer ein Recht, zu verlangen, daß einmal festgesetzte und regierungsrätlich genehmigte Baulinien nicht, wie hier, alljährlich abgeändert werden. Eine derartige Praxis einer Gemeindebehörde sei unhaltbar und von der Oberbehörde nicht zu schützen. Es dürfe auch ruhig gesagt werden, daß wenn im Jahre 1896 für die Albisriederstraße eine Bauliniendistanz von 20 m als eine dem öffentlichen Bedürfnisse entsprechende von der Gemeindebehörde erachtet worden sei, diese Baulinie auch im folgenden Jahre dieser Voraussetzung noch entsprechen werde.

2. Rekurrent sei schon durch die 1896er Baulinie arg mitgenommen worden. Durch dieselbe seien ihm von seinem blos 3200 m2 messenden Grundstücke zirka 875 m2 abgeschnitten worden; gleichwol habe er nicht gegen dieselbe opponirt. Durch die neue projektirte weitere Zurücklegung der nördlichen Baulinie würden dem Rekurrenten auch noch weitere zirka 415 m2 weggeschnitten, so daß also von dem 3200 m2 messenden, an und für sich für die Ueberbauung schon ungünstige geformten Grundstück noch zirka 1900 m2 übrig blieben. Dazu komme noch, daß Rekurrent im Quartierplanverfahren bei der Neueinteilung des Landes südlich der Albisriederstraße von allen Grundeigentümern am meisten geschädigt worden sei; infolge jener Quartiereinteilung habe er sein dortiges Land nur unter dem wirklichen Wert verkaufen können.

3. Diese Verhältnisse lassen es als unbillig erscheinen, den Rekurrenten neuerdings in der projektirten Weise zu schädigen. Eventuell, falls die Oberbehörde finden sollte, daß eine Verbreiterung der Bauliniendistanz an der Albisriederstraße überhaupt zulässig und ein Bedürfnis sei, so sei die Erweiterung dann aber doch gewiß auf beiden Seiten zu suchen; denn eine derartige einseitige Belastung widerspreche dem Prinzipe der Billigkeit.

C. Das Bauwesen der Stadt Zürich zur Vernehmlassung eingeladen, berichtet am 5. August 1897, daß es richtig sei, daß die Bau- und Niveaulinien der genannten Straßenstrecke unterm 5. Februar 1896 vom Regierungsrate aus genehmigt worden seien. Die Vorlage sei aber zu einer Zeit erfolgt, wo man sich über die definitive Richtung der sog. Ringstraße noch nicht schlüssig habe machen können. Inzwischen sei auch dieses Projekt ausgearbeitet und dem großen Stadtrate zur Festsetzung der Bau- und Niveaulinien unterbreitet worden. Die Baulinie dieser Ringstraße münde nun beim Zusammentreffen der Aemtler- und Albisriederstraße mit einem Abstande von 24 m in letztere Straße ein und weil die Albisriederstraße von diesem Punkte bis zur Badenerstraße-Hardstraße als Teilstück der Ringstraße zu betrachten sei, mit einem Baulinienabstand von 20 m, so sei vom großen Stadtrate ganz folgerichtig festgesetzt worden, daß auch die Baulinien der Albisriederstraße von der Aemtler- bis zur Badenerstraße auf 24 m zu erweitern seien, denn es wäre gegenüber der Zukunft nicht zu verantworten, für dieses wichtige Straßenstück einen niederem Abstand zu belassen, als für die Fortsetzung der Ringstraße berghalb angenommen worden sei. Von einer willkürlichen Abänderung der Baulinie könne nicht gesprochen werden, sondern es sei die Abänderung durch die Verhältnisse herbeigeführt worden und mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse durchaus geboten. Für den Ringstraßenzug seien Baumalleen in Aussicht genommen, und wenn man einen Vergleich aufstelle mit der Bahnhofstraße im Kreise I, die eine Breite von 22./24 m habe, so könne der für die Ring- und bezw. das Teilstück der Albisriederstraße zwischen Aemtler- und [p. 129] Badenerstraße festgesetzte Baulinienabstand von 24 m nicht als zu groß angesehen werden, der Abstand hätte im Gegenteil eher noch. größer angenommen werden dürfen.

Auch der Eventualantrag der gleichmäßigen Verteilung der Verbreiterung auf die beidseitig anstoßenden Grundstücke müsse ablehnend begutachtet werden. Nach dem Situationsplan seien die südlichen Anstößer durch die Aufstellung der Baulinien vom 5. Februar 1896 mehr belastet, als das nördliche Grundstück des Herrn Walcher und durch eine nochmalige Verschiebung nach Süden würde geradezu die Ueberbaubarkeit des Dreieckplatzes zwischen Albisrieden, Zurlinden- und Hardstraße, die ohnedies große Schwierigkeiten biete, in Frage gestellt.

D. Der Bezirksrat wies mit Beschluß vom 19. August 1897 den Rekurs ab, aus folgenden Erwägungen:

Ganz abgesehen von einer Grenzbereinigung, die einer geschlossenen Bebauung noch vorauszugehen hätte, könne Herr Walcher sein Grundstück Kataster-No. 357 a auch bei der festgesetzten Zurücklegung der Baulinie noch ganz gut überbauen. Von einem erheblichen Schaden, der dem Rekurrenten durch diesen Baulinienabstand entstehe, könne nicht gesprochen werden. Auf der südlichen Seite seien bereits Gebäude erstellt, welche der Zurücklegung dieser Baulinie nach jener Seite hinderlich seien. Die Verbreiterung müsse daher auf der nördlichen Seite gesucht werden.

E. Gegen diesen Beschluß des Bezirksrates rekurrirt Herr Dr. jur. E. Cramer namens seines Clienten mit Eingabe vom 6. September 1897 an den Regierungsrat.

Begehren und Begründung sind die gleichen wie im Rekurs an den Bezirksrat.

F. Das Bauwesen I des Stadtrates Zürich beschränkt sich in seiner Rekursbeantwortung auf seine frühere Vernehmlassung, da vom Rekurrenten Neues nicht vorgebracht worden sei und beantragt, es möchte der Rekurs als unbegründet kostenfällig abgewiesen werden.

Der Rekurs wurde dem Bezirks- und Stadtrat zur Vernehmlassung zugestellt; beide Behörden übermitteln die Akten, lediglich mit der Bemerkung, daß sie an ihrem Standpunkte festhalten.

Es kommt in Betracht:

Das in Frage stehende Stück der Albisriederstraße, dessen Bauliniendistanz von 20 m auf 24 m erweitert werden soll, hat eine Länge von zirka 170 m und bildet die Verbindung der projektirten Ringstraße mit der Hardstraße, welche beide einen Baulinienabstand von 24 m haben, mit andern Worten, dieser Abschnitt Albisriederstraße wird selber ein Bestandteil der zukünftigen Ringstraße. Es ist daher selbstverständlich, daß auch für ihn eine Bauliniendistanz von 24 m notwendigerweise angenommen werden muß. Es ist aus diesem Grund gegen die schon nach einem Jahr erfolgte Abänderung der Baulinien auf dieser Strecke nichts einzuwenden und der Rekurs in diesem Punkte abzuweisen.

Dagegen geht es nicht an, die Verbreiterung einseitig nur auf der nordwestlichen Seite der Straße zu suchen. Es dürfte das höchstens in dem Falle geschehen, wenn auf der andern Seite bei gleichmäßiger beidseitiger Vergrößerung des Baulinienabstandes Werte abgeschnitten werden müßten, welche die Durchführung der Baulinien in absehbarer Zeit als unmöglich erscheinen ließen. Rückt man jedoch auf der südöstlichen Seite die Baulinie um 2 m hinaus, so wird dadurch einzig das zwar neue, jedoch kleine einstöckige Wohnhaus auf Kataster-No. 3598, das jetzt auf der Baulinie steht, angeschnitten; das Dreieck zwischen Hard- Zurlinden- und Albisriederstraße wird allerdings etwas stark mitgenommen, ist aber immerhin noch wol überbaubar.

Die Einführung der Albisriederstraße in die Hardstraße wird nur verbessert, wie überhaupt das ganze Straßenstück durch gleichmäßige Verbreiterung der Bauliniendistanz auf beiden Seiten nur gewinnt. Es liegt demnach für den Regierungsrat im vorliegenden Falle keine Veranlassung vor, von seiner Praxis, die Belastung durch Baulinien auf alle Beteiligte, insbesondere auch zu beiden Seiten der Straßen möglichst gleichmäßig zu verlegen, abzugehen. Das Eventualbegehren der Rekurrenten ist also als begründet zu erklären.

Nach Einsicht eines Antrages der Direktion der öffentlichen Arbeiten

beschließt der Regierungsrat:

I. Der Rekurs des Advokaten Dr. Cramer namens Stadtrat Walcher wird als teilweise begründet erklärt und der Stadtrat eingeladen, die Baulinien an dem in Frage stehenden Stück der Albisriederstraße gleichmäßig auf beide Seiten zu erweitern.

II. Der Rekurrent trägt die Kosten, bestehend in 3 Fr. Staats-, 2 Fr. Kanzlei-, den Ausfertigungs- und Stempelgebühren nebst 30 Fr. Expertengebühren.

III. Mitteilung an Herrn Dr. jur. E. Cramer, Advokat, in Zürich I, zu Handen seines Klienten, an den Bezirksrat Zürich, den Stadtrat Zürich und an die Direktion der öffentlichen Arbeiten je unter Rückschluß der betreffenden Akten und Pläne.