Signatur | StAZH MM 3.12 RRB 1898/1109 |
Titel | Baugesetz. |
Datum | 28.05.1898 |
P. | 363–366 |
[p. 363]
A. Mittelst Eingabe vom 15. September 1897 beschwert sich Advokat Dr. J. Ryf in Zürich namens Bachofen sel. Erben an der Neugasse in Zürich III über einen Beschluß des Stadtrates Zürich und ersucht, Bürlimann & Walser, Baugeschäft in Zürich III, zu befehlen, den projektirten Neubau auf die Baulinie zu stellen, Folgendes anführend:
Der Stadtrat Zürich habe vor einiger Zeit an der Neugasse in Zürich III die Baulinien mit 14 m Abstand festgestellt. Später sei infolge der Verhältnisse eine Abänderung dieser Baulinien mit einem Gebäudeabstand von 15 m planirt worden. Inzwischen scheine der Stadtrat diese Aenderung wieder preisgegeben und die Baulinien definitiv auf 14 m festgesetzt zu haben. Allein trotzdem sei Bürlimann & Walser vom Stadtrat Zürich die Erstellung einer Baute auf einem Abstand von 15 m bewilligt worden. Dagegen müssen die Erben Bachofen Einsprache erheben und die Rekursbehörde ersuchen, diese Baute nicht zu bewilligen. Die Voraussetzungen des Baugesetzes, unter denen unter allen Umständen eine, solche Baute hinter die Baulinien zurückgesetzt werden dürfe, seien hier nicht vor-Handen. Es könne sich also blos darum handeln, ob Grund dazu vorliege, gemäß § 54 des Baugesetzes ausnahmsweise ein Zurückbleiben hinter der Baulinie zu bewilligen. Anderseits sei zu befürchten, daß, wenn einmal auch diese Baute auf einen Abstand von 15 m ausgeführt wäre, nachträglich dann doch die Baulinie verlegt und gemäß diesen Bauten neu beschlossen würde.
Dadurch würde hinterher für die Rekurrenten gerade der Nachteil eintreten, den sie mit ihrer Eingabe zu beseitigen suchten und den sie bereits beseitigt glaubten. Sie beabsichtigen selbst in der nächsten Zeit auf ihrem Grundstück eine Neubaute zu errichten und müssen sich daher sichern, daß ihnen nicht diese Möglichkeit von vorneherein entzogen werde.
B. Vom Bauwesen der Stadt Zürich wird dieser Rekurs unterm 24. September 1897 folgendermaßen beantwortet:
Die von den Baubehörden der ehemaligen Gemeinde Außersihl für die Neugasse festgelegten Baulinien mit 12 m Abstand seien für die Strecke zwischen der Langstraße und dem alten Winterthurer Bahndamm am 20. Juli 1878 vom Regierungsrat genehmigt worden. Die bauliche Entwicklung des Quartiers habe zu einem Projekte für die Fortsetzung dieser Straße bis zur Hardstraße geführt und bei dieser Gelegenheit sei durch Beschluß des Großen Stadtrates vom 5. September 1896 der Baulinienabstand der Strecke zwischen der Langstraße und der Gasometerstraße auf 14 m ausgedehnt worden.
Infolge verschiedener Umstände sei inzwischen von einem Grundbesitzer (Bürlimann & Walser, bezw. Saurer) an der letztgenannten Strecke die bewilligte Neubaute auf 15 m statt nur auf 14 m Entfernung von der gegenüber liegenden Baulinie erstellt worden, worauf dann dem Großen Stadtrat unterm 31. März 1896 beantragt wurde, die Baulinie der Neugasse zwischen Langstraße und Gasometerstraße auf 15 m zu erweitern. Dieser Antrag sei abgelehnt, bezw. zurückgezogen worden und so liege nun die Baulinie mit 14 m Abstand zur Genehmigung vor Regierungsrat.
Einem weitern Projekte des Saurer für ein Doppelwohnhaus sei hierauf unterm 2. September 1897 die baupolizeiliche Bewilligung unter der notarialisch gefertigten Bedingung erteilt worden, daß das Gebäude auf gleiche Flucht mit dem anstoßenden auf Kataster No. 6194 erstellten Eckhaus Neugasse-Zementgasse, errichtet werde, d. h. ein Meter hinter die dem Regierungsrate zur Genehmigung vorgelegte Baulinie mit 14 m Abstand und der weiteren Bestimmung, daß die Maximalhöhe des neu projektirten Hauses ungeachtet dieser Vereinbarung, welche durch die unrichtige Stellung des erwähnten Eckhauses veranlaßt sei, 13 m nicht übersteigen dürfe.
Wie so [sic!] nun die Bachofen’schen Erben von einer Schädigung sprechen können, sei unverständlich. Der Baulinienabstand sei auf 14 m fixirt und es könne darnach gebaut werden.
C. Der Bezirksrat zog in Betracht:
Mit Beschluß vom 23. Dezember 1897 habe der Regierungsrat den Baulinienabstand der Neugasse von der Langstraße bis zur Gasometerstraße in der Breite von 14 m genehmigt. In diesem Rayon befinden sich die Liegenschaften der Bachofen’schen Erben und Bürlimann & Walser, bezw. Saurer. Die Neubaute Bürlimann & Walser, bezw. Saurer solle auf die Bachofen’sche Grenze gestellt werden, was die Rekurrenten oder deren Rechtsnachfolger veranlassen werde, eine bald zu erstellende Neubaute an die Saurer’sche Brandmauer anzulehnen. Dadurch, daß die Bachofen’sche Neubaute 1,0 m vor der Saurer’schen vorstehen würde, entstehe bei deren Anstoße eine wüste Ecke, die sich später in sehr unangenehmer Weise bemerkbar machen dürfte. Auch würde sich eine 1,0 m vor der andern Flucht stehende Baute nicht gut ausnehmen. Beides seien Nachteile, die nicht dem Unschuldigen, sondern dem Fehlbaren (Saurer) zur Last fallen sollen. Daß ein Bruch in der Baulinie bei zusammenhängenden Häusern weniger störend wirken werde, wenn er nah dem Ende der betreffenden Gruppe sich befinde, als näher an der Mitte, sei selbstverständlich. Schließlich sei noch hervorzuheben, daß eine aufgestellte und regierungs- [p. 364] rätlich genehmigte Baulinie zu respektiren sei und namentlich hier, wo lemma 2 von § 54 des Baugesetzes gar nicht zutreffe.
Demnach hieß der Bezirksrat die Beschwerde des Dr. Ryf gut.
D. Gegen diesen Beschluß des Bezirksrates vom 6. Januar 1898 rekurrirte Konrad Saurer mit Eingabe vom 4. Februar 1898 an den Regierungsrat und ersucht, es sei in Aufhebung des bezirksrätlichen Entscheides sein mit dem Stadtrat abgeschlossener Vergleich zu schützen. Dieser Vergleich sei nach vielen Umständen endlich zwischen ihm und dem Stadtrat zu Stande gekommen und ihm darin die Servitut auferlegt worden, blos auf 13 m Bauhöhe zu bauen. Auf Grund dieses Vergleiches habe er das jetzt streitige Objekt dann weiter verkauft. Ueber den Streit selbst gibt Rekurrent folgende Darstellung:
„Im Februar 1896 kaufte ich das in Frage liegende Bauterrain, inkl. auch das von mir bereits überbaute. Damals war ich der Meinung, der Baulinienabstand werde auf 13 m festgesetzt, da der obere Teil der Neugasse zwischen Langstraße und Mattengasse ebenfalls auf 13 m überbaut. worden war. Ich reichte die durch das Advokaturbureau Alder ausgefertigten Baupläne dem Hochbauamte zur Genehmigung auf den Abstand von 13 m ein. Diese Baupläne wurden unter Vorbehalten genehmigt, inzwischen aber angezeigt, daß der Baulinienabstand auf 14 m festgesetzt worden sei, worauf ich neue Baupläne ausfertigen ließ und diese dem Hochbauamte zur Genehmigung wiederum einsandte. Die Baubewilligung der Bauten nach letzteren Plänen wurde mir unterm 7. August 1896 zugestellt.
Gestützt auf diese Baubewilligung hin ließ ich das Fundament ausheben, auf den Abstand von 14 m und wollte mit dem projektirten Bau auf 13 m Bauhöhe beginnen, machte vorschriftsgemäß dem Vermessungsamt hievon Mitteilung und ersuchte dasselbe um Festsetzung der Baulinie. Diese Baupläne auf den Abstand von 14 m ließ ich durch Herrn Architekt Bartholomä in Hier anfertigen.
Das Vermessungsamt ließ die Festsetzung der Baulinie durch Herrn Funk, Angestellten auf dem Vermessungsamte vornehmen, setzte aber die Baulinie auf 15 m statt auf 14 m fest, sodaß ich das ausgehobene Fundament gegen die Neugasse zu um 1 m anfüllen und zurückliegend 1 m ausheben mußte. Ich machte gegen diese Absteckung Einsprache, da ich angewiesen worden war, auf 14 m Abstand auf 13 m Höhe zu bauen. Ich bin im Falle, dies durch mehrere Zeugen zu beweisen. Es scheint nach einem Protokollauszug vom 5. November 1896 vom Bauwesen der Stadt Zürich ein Fehler vorgekommen zu sein, nach welchem dem Vermessungsamt ein älterer Projektplan auf den Abstand von 15 m übergeben worden und dasselbe nach diesem die Baulinie festsetzte. Ich war somit angewiesen, abermals neue Pläne anfertigen zu lassen und dem Hochbauamte solche zur Genehmigung einzureichen. Nachdem der Abstand auf 15 m angegeben worden war, ließ ich die Pläne auf 16 m Bauhöhe ausfertigen und ließ mit dem Bau beginnen. Erst bei diesem Anlasse wurde beim Hochbauamte die Entdeckung gemacht, daß mir die Baulinie unrichtig angegeben worden war. Inzwischen war aber der Bau so weit vorgeschritten, daß derselbe bereits unter Dach war, ohne daß ich im Besitze von genehmigten Plänen war. Ich ließ, nachdem mir mitgeteilt worden war, daß ein Irrtum auf dem Vermessungsamte vorgekommen, die Weiterführung des Baues einstellen und zwar aus dem einfachen Grunde, da ich glaubte, dem Wunsche der Baubehörde nachgekommen zu sein, zumal ich zum dritten Mal abgeänderte Baupläne eingeben mußte.
Die Abstandslinie, welche durch das Vermessungsamt der Stadt Zürich irrtümlich eingegeben worden war, führte zu verschiedenen Differenzen zwischen dem Hochbauamte und dem Unterzeichneten, sodaß sich beide Teile veranlaßt sahen, einen Vergleich einzugehen. Mir wurde durch die unrichtige Angabe der Baulinie ein nicht unbedeutender Schaden zugefügt, daß ich einmal das Doppelhaus, welches im Rohbau bereits schon im November 1896 vollendet war, stehen lassen bleiben mußte und daß ich das übrige Bauterrain, auch das in Frage liegende, verzinsen mußte, ohne hiefür etwas einzunehmen. Wir schlossen einen Vergleich in dem Sinne ab, nachdem ich des Wartens müde geworden und auch das Hochbauamt von dieser Sache satt war, daß die bereits aufgeführten Bauten ihr Verbleiben haben und daß ich in der gleichen Flucht, wie die schon bestehenden Gebäude, auch das projektirte und in Frage liegende zu erstellen hätte; jedoch habe ich mich hiebei zu verpflichten, daß dasselbe auf den Abstand von 15 m nur auf 13 m Bauhöhe aufgeführt werden dürfe. Diese Vereinbarung wurde mir vom Hochbauamte mit der Weisung zugestellt, daß dieses Servitut auf dem Notariat Außersihl zu Protokoll gegeben und innert 6 Tagen eingetragen werden müsse. Diesem mir überbundenen Servitut lebte ich nach, ließ es in das Protokoll innert mir angesetzten Frist eintragen und sandte die Bestätigung des Notariates an das Sekretariat der Hochbauamtes zurück. Selbstverständlich ist, daß ich der Meinung war, dieser Vergleich sei unanfechtbar und somit eine abgemachte Sache. Ich hatte diesen Bauplatz unter diesen mit dem Stadtrat resp. Hochbauamte vereinbarten Bedingungen verkauft, also mit genehmigten Plänen und bin infolge dessen auch haftbar. Der Käufer erklärt zum Vorneherein, wenn er mit dem Bau nicht beginnen könne, habe ich ihm für den Schaden aufzukommen, speziell sei ich ihm für sämtliche Folgen haftbar.
Angesichts dieser Darstellung glaube er, Rekurrent, gegen die Zumutung des Bezirksrates, als sei es lediglich sein Fehler, daß die erste Baute auf 15 m Abstand erstellt wurde, mit Recht protestiren zu sollen.
Zur Frage, ob die Neugasse, resp. die Bachofner’schen Neubauten durch einen Baulinienabstand von 15 m entstellt würde, macht der Rekurrent folgende Bemerkungen:
Die Neugasse könne, abgesehen von dem in Frage liegenden Bauplatze, nie parallel, durchgeführt werden. Die Baulinie der Neugasse zwischen Langstraße und Mattengasse sei auf den Abstand von 13 m auf 14 m Höhe überbaut. Die Abstandslinie der Neugasse zwischen Langgasse und Gasometerstraße solle 14 m betragen.
Der von Frau Frommherz erstellte Neubau, Ecke Neugasse-Gasometerstraße sei gegen die Neugasse auf 12 m Abstand und dennoch auf 16 m Bauhöhe erstellt. Man sage wol, für jenes Gebäude sei der Abstand der Gasometerstraße maßgebend und dort betrage derselbe 15 m, somit habe der Bau auf die Höhe von 16 m erstellt werden dürfen. Aber wenn doch eine Baulinie richtig durchgeführt werden solle, warum solle dann derselbe gegen die Neugasse auf 12 m Abstand bewilligt worden sein? Dieser Bau sei nun 54,6 m von dem in Frage liegenden Bau entfernt. Ebenso der nebenan liegende. Der Werkstättenbau des Schreinermeister Zellweger, welcher zirka 35 m von meinem Neubau entfernt liege, mußte ebenfalls auf den Abstand von 15 m gegen die Neugasse erstellt werden. An Hand obschwebender Verhältnisse könne es gewiß nicht von Nachteil sein, wenn der von mir an Herrn Weber verkaufte Bauplatz auf den Abstand von 15 m, sowie solcher vom Stadtrate genehmigt, erstellt werde.
Zum Schlusse bemerkt der Rekurrent, die Bachofner’schen Erben würden nicht geschädigt; sie könnten auch bei einem Baulinienabstand von 15 m noch wol bauen. Aber allerdings könnten sie ihr Areal nicht mehr überbauen, wenn er gemäß Gesetz 3,5 m von der gesetzlichen Grenze weiche, wobei dann auch die Bachofner’schen Erben ebensoviel Abstand nehmen müßten. Es sei nicht ausgeschlossen, daß er das tue, sofern man ihn zwinge, 1 m mit dem begonnenen Bau vorzurücken.
E. Der Rekurs wurde dem Bezirksrat zu Handen des Stadtrates am 9. Februar und hernach Advokat Dr. Ryf namens der Bachofner’schen Erben zur Vernehmlassung zugestellt.
a) Der Stadtrat beantwortet denselben mit Eingabe vom 31. März an den Bezirksrat. Er bemerkt, die Verzögerung habe darin ihren Grund, daß mit den Parteien nochmals Unterhandlungen zur Herbeiführung einer Verständigung gepflogen wurden, in dem Sinne, daß man einerseits den Rekurrenten zu bewegen suchte, mit der Baute um einen Meter vorzurücken, anderseits die Erben Bachofen darauf hinwies, daß eventuell das Zurücktreten des Nachbarhauses um einen Meter für ihre Liegenschaft von keinem Nachteil sei, allein ohne Erfolg.
Der Streit drehe sich um die Frage: Ist Saurer bezw. sein heutiger Rechtsnachfolger Weber-Meier in Zürich III anzuhalten, auf die inzwischen vom Regierungsrat genehmigte Baulinie an der Neugasse mit 14 m Abstand zu bauen oder kann ihm in Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse, die Sie den beifolgenden Akten entnehmen wollen, gestattet werden, den Bau auf 15 m Abstand zu stellen, gemäß der ihm von der Bausektion I unterm 6. August 1897 gemachten Vorschrift.
Ungeachtet der Darstellungen des Rekurrenten, die nicht in allen Teilen zutreffend seien, wie dies aus den Akten zur Evidenz hervorgehe, schließe er sich dem Rekurse immerhin an und ersuche, [p. 365] die Ausnahme gestützt auf § 149 des Baugesetzes zu genehmigen, umsomehr, als daraus den Bachofner’schen Erben ein Schaden nicht erwachsen könne, da denselben durch die inzwischen regierungsrätlich genehmigte Baulinie mit 14 m Abstand auf der in Frage kommenden Strecke der Neugasse das Baurecht auf diese Distanz gesichert sei. Könnte der Regierungsrat in diesem Sinne eine Genehmigung nicht aussprechen, so wäre wol die beste Lösung die, daß dem Stadtrat Auftrag erteilt würde, den Baulinienabstand der Neugasse zwischen Langstraße und Gasometerstraße auf 15 m zu erweitern.
b) Der Bezirksrat übermittelt die Akten mit der Erklärung, daß er an seinem Beschlusse festhalte, und es sich im übrigen um eine Ausnahme im Sinne von § 149 des B. G. handle, welche zu bewilligen nur dem Regierungsrat zukomme.
c) Dr. Ryf führt aus, es sei vor allem daran festzuhalten, daß der Baulinienabstand der Neugasse auf 14 m festgesetzt sei. Alles andere, der Irrtum mit dem Schnurgerüst u. s. w. sei nebensächlich. Im übrigen sei zu bemerken, daß es dem Rekurrenten gepaßt habe, den Irrtum der Bauverwaltung zu benutzen und ein fünfstöckiges, statt wie es nach dem wirklichen Baulinienabstand zulässig war, ein vierstöckiges Haus zu bauen. Selbst über ein spezielles Verbot, den fünften Stock zu erstellen, habe sich derselbe einfach hinweggesetzt.
Ob der Rekurrent durch eine Bestätigung des bezirksrätlichen Entscheides geschädigt werde oder nicht, komme nicht in Betracht, da er sich selbst alle Folgen seines widerrechtlichen Verhaltens zuzuschreiben habe. Jedenfalls dürfe eine solche Schädigung nicht auf Kosten eines unbeteiligten Dritten abgewendet werden.
Für seine Klienten erwachse durch Bewilligung der Baute insofern ein großer Schaden, als dieselbe sicher eine Verbreiterung der Bauliniendistanz von 14 auf 15 m zur Folge hätte, wie der Stadtrat bereits beantrage.
Bei einer Baulinie von 14 m können seine Klienten in richtigem Abstand von der rückwärtigen Grenze ein vierstöckiges Hans erstellen; bei 15 m Baulinienabstand dagegen wären die übrigen Anstößer an die Neugasse im Falle, fünfstöckige Häuser zu errichten, während die Bachofner’schen Erben nur noch dreistöckig bauen dürfen.
Da es sich übrigens nicht um freistehende Seitenfronten handle, so dürfe die Baute gar nicht anders als auf die Baulinie bewilligt werden; um eine Anwendung des § 149 des B. G. handle es sich nicht, da niemand behaupte, daß die örtlichen Verhältnisse eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften erforderen [sic!].
Es kommt in Betracht:
1. Für die Beurteilung des vorwürfigen Streites ist die Vorgeschichte desselben von Bedeutung. Dieselbe ist klar ersichtlich aus den 11 Aktenstücken, welche vom Stadtrat eingelegt worden sind. Es ergibt sich Folgendes:
Am 10. September 1896 erteilte die Bausektion I dem Projekt des K. Saurer für ein Wohnhaus an der Ecke Neugasse-Zementgasse unter Bedingungen die Genehmigung. Eine dieser Bedingungen bestimmte, das Gebäude sei auf die neu projektirte Baulinie zurückzusetzen. Irrtümlicherweise wurde dem Saurer eine Baulinie von 15 m Abstand durch das Vermessungsamt abgesteckt und Saurer baute sofort auf diese falsche Baulinie, „ungeachtet ihm“, wie es im Protokoll der Bausektion vom 5. November 1896 heißt, „aus zu verschiedenen Malen gemachten Mitteilungen und wie im Situationsplan eingetragen, bekannt sein mußte, daß der Baulinienabstand nur 14 m betrage“. Da Saurer auf eine Baulinie von 15 m gebaut hatte, verlangte er, daß man ihm gemäß § 62 des Baugesetzes eine Bauhöhe von 16 m gestatte, während er bei 14 m Baulinienabstand nur 13 m hoch hätte bauen dürfen. Ein diesbezügliches Gesuch Saurers wurde jedoch am 5. November 1896 von der Bausektion abgewiesen, eben mit der Motivirung, es sei ihm bekannt gewesen, daß der Baulinienabstand nur 14 m betrage. Eine Einsprache Saurers an den Stadtrat gegen den erwähnten Beschluß der Bausektion I wurde mit Stichentscheid des Präsidenten unterm 20. Januar 1897 „zur Zeit“ abgewiesen, mit der Bemerkung, es sei nach einer Erweiterung der Bauliniendistanz von 14 auf 15 m zu trachten. Saurer ließ das Gebäude mit den vier Geschossen eine Zeit lang liegen und richtete hierauf in aller Eile, gemäß Protokoll der Bausektion vom 11. März 1897 das fünfte Geschoß aus. Hiefür wurde ihm, wieder nach dem soeben zitirten Protokoll, eine Polizeibuße von 15 Fr. auferlegt ihm anbefohlen, sofort die Arbeiten einzustellen und der Vorstand des Polizeiwesens ersucht, nötigenfalls exekutionsweise die Einstellung der Arbeiten zu erzwingen. Weiter wurde Saurer angedroht: „Sollte eine Verbreiterung der Baulinie der Neugasse nicht zu Stande kommen, so ist das fünfte Geschoß wieder zu entfernen und es darf an der Neugasse an dieses Gebäude nicht angebaut werden, weil gemäß § 54 des Baugesetzes nur Gebäude mit freistehenden Seitenfronten hinter die Baulinie gesetzt werden dürfen. Am 4. Mai 1897 wurde Saurer gestattet, den Neubau zum Schutz gegen die Witterungseinflüsse provisorisch einzudecken, jedoch mit dem Bemerken, daß die Verfügung vom 11. März 1897 in allen Punkten aufrecht erhalten werde. Am 2. Juli 1897 suchte Saurer um die Bewilligung nach, die seit dem 11. März 1897 unterbrochenen Bauarbeiten wieder aufnehmen zu dürfen, wurde jedoch mit Beschluß vom 20. Juli 1897 abgewiesen. Im betreffenden Protokoll der Bausektion heißt es, der Große Stadtrat hätte in seiner Sitzung vom 19. Juni 1897 die Erweiterung der Baulinien an der Neugasse abgelehnt. Die Bausektion beschloß demnach weiter, Saurer habe das widerrechtlich erstellte Stockwerk abzutragen, unter Androhung von Exekution und Ueberweisung an die Gerichte im Nichtbefolgungsfalle. Mit den Abtragungsarbeiten sollte spätestens in 10 Tagen begonnen werden.
In der Folge kam dann das mehrfach erwähnte Abkommen zu Stande, wonach die Bausektion des Stadtrates dem Saurer gestattete, das fünfte Geschoß stehen zu lassen; dafür wurde demselben aufgegeben, die den Gegenstand des heutigen Streites bildende Baute ebenfalls auf 15 m zurückzusetzen, aber trotzdem dieselbe nur 13 m hoch auszuführen. Es wurde auf Grund dieses Abkommens dem Saurer eine Baubewilligung unterm 2. September 1897 erteilt; Saurer verkaufte den Bauplatz mit der Baubewilligung weiter an Baumeister Weber. Dieser begann mit dem Ausheben des Fundamentes und der Erstellung des Sockels, worauf dann Dr. Ryf den Eingangs erwähnten Rekurs an den Bezirksrat einreichte, infolge dessen auch an diesem Bau bis zur Stunde die Arbeit eingestellt werden mußte.
2. Aus dem Vorstehenden ergibt sich klar:
a) Seitens der städtischen Baubehörde wurde ein Fehler begangen dadurch, daß irrtümlicherweise die Baulinie auf 15 statt 14 m. abgesteckt wurde.
b) Saurer hat diesen Irrtum bezw. Fehler der Behörde in einer Weise ausgenutzt, die den schärfsten Tadel verdient, um so mehr, als nicht daran zu zweifeln ist, daß er den Irrtum sofort bemerkte. Es ist selbstverständlich, daß für die Folgen dieser Vorgänge in erster Linie die Fehlenden, Stadt und Saurer, aufzukommen haben und nur wenn eine andere Lösung unmöglich wäre, Dritte in Mitleidenschaft gezogen werden dürften.
3. Es ist nicht zu untersuchen, inwiefern und bis zu welchem Grade die „wüste Ecke“, welche bei der zukünftigen Neubaute Bachofen entstehen müßte, wenn der Rekurrent auf 15 m, die Bachofenschen Erben dagegen auf 14 m bauen, eine Schädigung eben der Letztgenannten bedeuten würde; es genügt, daß ihr Vertreter gegen die Baute protestirt, in der „wüsten Ecke“ eine Schädigung seiner Klienten erblickt und eine unbefangene Beurteilung ihm hiebei Recht geben muß. Wenn denn doch an der Neugasse zwischen Lang- und Zementstraße in verschiedenen Abständen gebaut werden muß, so soll die „wüste Ecke“ dahin kommen, wo der Fehler begangen wurde, der diesen ungleichen Abstand herbeiführte, d. h. zwischen die fünfstöckige Baute Saurer und die jetzt streitige Baute Weber. Die Oberbehörde hat natürlich nicht darauf Rücksicht zu nehmen, in wieweit durch einen solchen Entscheid das Abkommen zwischen Saurer und der Stadt berührt wird und welche Konsequenzen daraus resultirten. Auf alle weitern Ausführungen des Rekurrenten, wie auch des Rekursgegners wäre angesichts dieser Stellung, welche die Oberbehörde in dieser Sache, gleich wie übrigens auch der Bezirksrat, billigerweise einnehmen muß, nicht einzutreten.
4. Vom öffentlichen Standpunkt aus wird man übrigens auch diese Lösung, wonach Weber seinen angefangenen Neubau einen Meter vorzurücken und auf die Baulinie zu stellen hätte, keineswegs als eine glückliche bezeichnen können. Derartige Ecken sind, besonders bei Häusern mit einfachen, wenig dekorativen Verhältnissen, wie es hier der Fall wäre, recht häßlich und verunstalten eine ganze Straße. Es sollte in Berücksichtigung dieses Umstandes darnach getrachtet werden, wenigstens für das Stück Neugasse, zwischen Lang- und Zement- [p. 366] straße, das so wie so nur etwa 65 m lang ist, eine einheitliche Baulinie und zwar, da das fünfstöckige Haus von Saurer schon erstellt ist, diejenige von 15 m durchzuführen. Es ist hier der Anregung des Stadtrates in seiner Vernehmlassung vom 31. März Recht zu geben. Indessen dürfen durch diese Baulinien die Bachofenschen Erben nicht geschädigt werden, und da das bei einfacher Erweiterung der Baulinien von 14 auf 15 m der Fall wäre, da nach den Ausführungen ihres Vertreters die Liegenschaft zu wenig Tiefe hätte, um mit Vorteil überbaut werden zu können, ist denselben, wenn immer möglich, sei es durch freihändigen Kauf, sei es durch eine Grenzbereinigung mit der rückwärts liegenden Liegenschaft, so viel Land zuzuteilen, daß ihre Liegenschaft bei einer Baulinie von 15 m gleich überbaubar ist, wie jetzt bei einer Baulinie von 14 m.
Eine solche Lösung läge, wie bereits bemerkt, im öffentlichen Interesse. Indessen brächte sie hauptsächlich Saurer und seinem Rechtsnachfolger bedeutende Vorteile, da sie auf dem begonnenen Bau fortfahren und außerdem statt 13 m ebenfalls 16 m hoch bauen könnten. Mündliche Rücksprache mit den Interessenten, Dr. Ryf, Saurer, Weber, der städtischen Baubehörde, haben ergeben, daß allerseits diese Lösung begrüßt und jedenfalls nicht als eine unmögliche angesehen wird.
Es dürfte demgemäß der Rekurs an den Stadtrat zurückgewiesen werden, mit der Einladung, den Erben Bachofen, wenn immer möglich, sei es durch freihändigen Kauf oder durch eine amtliche Grenzbereinigung, auf der rückwärtigen Seite gegen die Liegenschaft Schraml so viel Land zuzuteilen, daß deren Liegenschaft bei einer Baulinie von 15 m so gut überbaubar ist, wie jetzt bei einer solchen von 14 m.
Nach Einsicht eines Antrages der Direktion der öffentlichen Arbeiten
beschließt der Regierungsrat:
I. Der Rekurs wird im Sinne der Ausführungen der Direktion der öffentlichen Arbeiten an den Stadtrat Zürich zurückgewiesen.
II. Der Rekurrent trägt die Kosten, bestehend in 3 Fr. Staats-, 2 Fr. Kanzlei-, den Ausfertigungs- und Stempel-, nebst 15 Fr. Expertengebühren zu Handen der Direktion der öffentlichen Arbeiten.
III. Mitteilung an den Rekurrenten, an Advokat Dr. Ryf zu Handen seiner Klienten, an den Stadtrat Zürich, den Bezirksrat und an die Direktion der öffentlichen Arbeiten unter Rückschluß der Akten.