Signatur | StAZH MM 3.12 RRB 1898/1423 |
Titel | Gemeindesteuer. |
Datum | 09.07.1898 |
P. | 463–465 |
[p. 463] In Sachen des Waisenamtes Bauma, Kläger und Appellanten gegen den Gemeindrat Dürnten, Beklagten und Appellaten betreffend Steuerpflicht der Erben des verstorbenen Herrn a. Statthalter Heinrich Boßhard in Bauma, –
hat sich ergeben:
A. Der Gemeindrat Dürnten forderte von Herrn a. Statthalter Boßhard in Bauma von 30,000 Fr. Vermögen die verschiedenen Steuern der politischen, Sekundarschul-, Kirch-, Schul- und Zivilgemeinde Dürnten pro 1897 im Gesamtbetrage von 267 Fr. mit Zahlungsfristen bis Ende Juli und Ende September 1897. Nachdem der Angesprochene inzwischen gestorben und die Erben desselben für die noch ausstehenden Steuerforderungen belangt wurden, erhob das Waisenamt Bauma namens derselben am 5. Januar 1898 gegen die Steuerforderung des Gemeindrates Dürnten beim Bezirksrate Hinweil Rekurs und verlangte Abschreibung derselben an den Steuerregistern der Gemeinde Dürnten, im Wesentlichen gestützt auf folgende Ausführungen:
Bis Ende 1896 habe a. Statthalter Boßhard, Bürger von Bauma und wohnhaft daselbst, in Dürnten liegenschaftliches Vermögen im Betrage von 30,000 Fr. versteuert, dann aber dem Gemeindrate Bauma mitgeteilt, daß er zufolge Verkauf der Liegenschaften in Dürnten die benannte Summe pro 1897 in Bauma zu versteuern habe; eine solche Besteuerung sei in Bauma tatsächlich erfolgt. Dafür, daß die Steuerpflicht in Dürnten aufgehört habe, sei der Umstand ausschlaggebend, daß der Pflichtige im Jahr 1897 in Dürnten keine Liegenschaften mehr besessen habe. Eine Doppelbesteuerung könne nicht erfolgen, und da die Steuern in Bauma bezahlt seien, so habe Dürnten seine Forderung einfach abzuschreiben. Von einer Rückzahlung der an Bauma bezahlten Beträge könne keine Rede sein.
B. Gegenüber der Darstellung des Waisenamtes Bauma machte der Gemeindrat Dürnten zur Begründung seiner Forderung geltend:
Es habe a. Statthalter Boßhard nicht 30,000 Fr. ausschließlich in liegenschaftlichem Vermögen, sondern im Sinne von § 137 lit. c des Gemeindegesetzes von 1875 versteuert. Auf dieser Grundlage habe seinerzeit die Ausscheidung der heute bestrittenen Steuerkapitalquote für Dürnten stattgefunden. Von diesem Standpunkte aus betrachtet, verhalte sich die Sache so, daß die Firma „Gebrüder Boßhard“, als deren Anteilhaber a. Statthalter Boßhard in Bauma auf dem Steuerregister von Dürnten figurirt habe, laut einer am 1. Januar 1897 neu errichteten Polize der schweiz. Mobiliarversicherungsgesellschaft in Dürnten noch Fabrikations- und Handesartikel im Betrage von 92,900 Fr. versichert, und auch die Seidenwinderei während des Jahres 1897, wenn auch in etwas reduzirtem Umfange, noch fortbetrieben habe. Die Firma „Gebrüder Boßhard“ existire noch unverändert am Handelsregister und habe in Dürnten noch eine Versicherungspolice von 58,500 Fr. Ueber all’ das habe der Gemeindrat Bauma geschwiegen und demjenigen in Dürnten von einer Anzeige des Pflichtigen nichts verlauten lassen, sondern einfach [p. 464] die Steuern vom ganzen Vermögen bezogen, statt sich mit dem Gemeindrat Dürnten über Repartition pro 1897 auseinander zu setzen.
C. Der Bezirksrat Hinweil erklärte durch Beschluß vom 23. Februar 1898 die Appellation des Waisenamtes Bauma als unbegründet, gestützt auf folgende Erwägungen:
Aus den durchaus glaubwürdigen Behauptungen des Gemeindrates Dürnten ergebe sich, daß die Firma Gebrüder Boßhard in Dürnten, als deren Anteilhaber alt Statthalter Boßhard von Bauma in Dürnten besteuert worden, während des Jahres 1897 fortexistirt und sich bis auf heute noch nicht aufgelöst habe. Daraus folge, daß auch die Steuerpflicht des Genannten in Dürnten pro 1897 fortdauere. Damit sei im Weiteren festgestellt, daß der Angesprochene nicht nur Miteigentümer der Liegenschaften der Firma Gebrüder Boßhard in Dürnten, sondern Geschäftsanteilhaber derselben und daher auch als solcher und nicht nur als Liegenschaftenbesitzer besteuert wurde. Für die Beurteilung der vorliegenden Streitfrage sei daher nicht lit. b, sondern lit. c von § 137 des Gemeindegesetzes maßgebend.
Als durchaus unstatthaft erscheine es, daß der Gemeindrat Bauma eigenmächtig und ohne sich darum zu bekümmern, ob die Firma Gebrüder Boßhard noch fortbestehe oder nicht, die von dem Anteilhaber Hch. Boßhard bisher auf Grund einer früheren Ausscheidung in Dürnten versteuerten 30,000 Fr. sogar ohne Anzeige an den dortigen Gemeindrat auf das Steuerregister in Bauma gesetzt und die Steuern pro 1897 ohne Weiteres bezogen habe. Die Steuerforderung des Gemeindrates Dürnten pro 1897 müsse daher vom Standpunkte des Rechts und der Billigkeit geschützt werden. Für das laufende Jahr mögen die Parteien in rechtsgültiger Weise eine Repartition vornehmen, eventuell nach Gutfinden sich über die Abschreibung in Dürnten verständigen.
D. Gegen den erwähnten bezirksrätlichen Entscheid appellirt nun das Waisenamt Bauma mit Eingabe vom 23. März 1898 an den Regierungsrat und beantragt Aufhebung desselben unter folgender Begründung:
Die Herren Hch. Boßhard, a. Statthalter, in Bauma, und sein Bruder Jakob Boßhard in Dürnten haben an letzterem Orte ein Fabrikgebäude, worin eine Seidenzwirnerei betrieben worden, nebst zwei Wohnhäusern und ausgedehntem Landeigentum besessen. Für seinen Anteil an diesem Besitztum und Gewerbe habe dann Herr a. Statthalter Boßhard seit Jahren im allseitigen Einverständnis gemäß § 137, lit. b und c des Gemeindegesetzes von seinem Vermögen eine Quote von 30,000 Fr. in der Gemeinde Dürnten versteuert. Anfangs Oktober 1896 sei dann dieses ganze Besitztum von den Eigentümern verkauft worden und zwar an zwei Söhne des bisherigen Mitanteilhabers Herrn Jakob Boßhard in Dürnten und an einen Herrn Schießer, behufs Betreibung einer Seidenweberei unter der Firma Boßhard, Schießer & Cie. Mit diesem Verkauf sei sofort ein neues Gewerbe entstanden, an welchem Herr a. Statthalter Boßhard keinerlei Anteil mehr besessen habe. Letzterer habe um so weniger Grund gehabt, sich zu Gunsten der Besteuerung durch die Gemeinde Bauma auszusprechen, als die Steuerquote an letzterem Orte 33 Fr. mehr betrage als die Forderung von Dürnten.
Zu den vom Gemeindrat Dürnten für die Fortexistenz der bisherigen Firma Gebrüder Boßhard vor erster Instanz angeführten Tatsachen sei zu bemerken, daß die Gebrüder Boßhard nicht nur das Gewerbe in Dürnten besessen haben, sondern ein gleiches noch in Waldshut besitzen, welches dort, steuerpflichtig sei. Für dieses Geschäft befinde sich nun Seidenvorrat in Dürnten und ebenso sei aus dem verkauften Geschäft noch unverkauftes Mobiliar vorhanden gewesen, was alles Gegenstand der vom Gemeindrat Dürnten erwähnten Mobiliarversicherung bilde. Dieses Mobiliar sei nun aber demzufolge mit keinem in Dürnten im Jahr 1897 betriebenen Geschäft mehr verbunden gewesen und habe auch kein Steuerobjekt für ein solches Geschäft abgeben können. Ebenso verhalte es sich mit der bestehenden Hausseidenwinderei, welche für das Geschäft in Waldshut arbeite und in keiner Beziehung stehe zu dem früheren Geschäfte in Dürnten.
Mit dem Verkauf des Grundeigentums in Dürnten habe also auch das Geschäft aufgehört und da vom Gemeindrat Dürnten und Bezirksrat Hinweil zugegeben werde, daß in der vorliegenden Streitfrage nicht lit. b,. sondern lit. c des § 137 des Gemeindegesetzes maßgebend sei, so falle nach dem Gesagten auch der letztere Grund für die Besteuerung mit dem ersteren dahin.
Wenn es sich auch blos um den Wegfall des Grundeigentums gehandelt hätte, das unter obwaltenden Verhältnissen in überwiegendem Maße in Anschlag zu bringen gewesen sei, so wäre es Pflicht des Gemeindrates Dürnten gewesen, eine neue Verständigung über die Steuerquote unter den Beteiligten zu veranlassen, da die frühere Vereinbarung vor Beginn des Jahres 1897 hinfällig geworden sei. Wenn aber der Gemeindrat Dürnten der Ansicht sei, die Steuerpflicht von a. Statthalter Boßhard bezw. seiner Erben dauere auch für 1897 noch ganz oder teilweise fort, so könne er sein Steuerrecht nur in der Weise geltend machen, daß er den im Kreisschreiben des Regierungsrates vom 28. Februar 1885 vorgeschriebenen Weg betrete, in welchem Falle dann erstinstanzlich der Bezirksrat Pfäffikon zu entscheiden habe.
E. In seiner Vernehmlassung vom 10. Mai 1898 beharrt der Gemeindrat Dürnten auf seiner früheren Darstellung, wonach das Geschäft der Firma Gebrüder Boßhard ungeachtet des Verkaufs der Liegenschaften an die neu gegründete Firma Boßhard, Schießer & Cie. auch im Jahr 1897 fortbetrieben worden sei, der Abgang der Liegenschaften im Assekuranzwert von 69,200 Fr. nebst 11 Jucharten Land im Werte von höchstens 9000 Fr. sei von keiner weittragenden Bedeutung gegenüber dem Mobiliarbestande im Werte von mindestens 248,000 Fr. laut den damals noch in Kraft bestandenen Versicherungspolicen. Wenn nun noch hinzu komme, daß Herr Hch. Boßhard nicht nur zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaften, am Mobiliar und den Vorräten etc., sondern auch Anteilhaber des Geschäftes in Dürnten gewesen sei, so habe doch gewiß die Steuerpflicht vollständig auf Herrn Hch. Boßhard, a. Statthalter, gelastet. Dieser habe auch im Jahr 1897 bis zu seinem Hinschiede in gleicher Weise wie früher jede Woche das dortige Geschäft besucht, um mit seinem Bruder die nötigen Direktionen zur Führung des Geschäftes zu geben; das sei wol ein sicherer Beweis für die Fortbetreibung des Geschäftes im Jahr 1897.
Dürnten müsse als eigentlicher Sitz des Geschäftes der Firma Gebrüder Boßhard betrachtet werden und zugleich auch desjenigen in Waldshut. Bei der im Jahr 1888 erfolgten Repartition des steuerpflichtigen Vermögens müsse dieser Umstand wahrscheinlich übersehen worden sein, da das damalige gesamte steuerbare Vermögen 80,000 Fr. betragen habe, wovon gemäß Vereinbarung 30,000 Fr. auf die Gemeinde Dürnten entfallen.
F. Der Bezirksrat Hinweil erklärt in seiner Rekursbeantwortung vom 18. Mai 1898, daß er jetzt noch den angefochtenen Entscheid für richtig halte, und Abweisung der Appellation beantrage. Es hätte sich seinerzeit höchstens fragen können, ob die Steuerpflicht des Herrn Hch. Boßhard im vereinbarten Betrage von 30,000 Fr. sich auf das ganze Jahr 1897 beziehe oder nur für einen Bruchteil desselben, in welch’ letzterem Falle dann aber rechtzeitig eine Vereinbarung zwischen den beteiligten Gemeinden gütlich oder rechtlich hätte stattfinden müssen, was nicht geschehen sei.
G. Laut den von der Direktion des Innern gemachten Erhebungen beim zürcherischen Handelsregisterbureau wurde die Firma Boßhard, Schießer & Cie., Seidenstofffabrikation in Dürnten, am 26. September 1896 in das Handelsregister eingetragen und hat diese Kollektivgesellschaft am 1. Oktober 1896 ihren Anfang genommen; die Firma Gebrüder Boßhard wurde dagegen erst am 22. Februar 1898 gelöscht.
Es. kommt in Betracht:
Nach der Aktenlage kann darüber kein Zweifel walten, daß zwischen den Gemeinden Bauma und Dürnten seinerzeit eine Vereinbarung in dem Sinne getroffen wurde, daß Herr a. Statthalter Boßhard in Bauma von seinem Steuerkapital 30,000 Fr. an die Gemeinde Dürnten zu versteuern habe. Vom Gemeindrate Bauma ist ferner ausdrücklich anerkannt, daß er von dem genannten Pflichtigen vom Verkauf der Liegenschaften in Dürnten speziell benachrichtigt wurde. Sodann ist aktengemäß festgestellt, daß die Löschung der Firma „Gebrüder Boßhard“ erst am 22. Februar 1898 stattgefunden hat. Die Tatsache, daß schon im Jahr 1896 eine neue Firma „Boßhard, Schießer & Cie.“ in Dürnten entstanden ist, schließt keineswegs aus, daß die frühere Firma „Gebrüder Boßhard“ faktisch nicht dennoch einstweilen fortbestanden habe. Wenn der Gemeindrat Bauma vorgibt, der Gemeindrat Dürnten habe vom Ver- [p. 465] kauf der Liegenschaften in dort Kenntnis gehabt, so entbehrt diese: Behauptung einer zutreffenden Begründung, da eine offizielle Publikation vom Uebergang des Eigentums an Liegenschaften nicht stattzufinden hat.
Bei dieser Sachlage kann es sich blos noch fragen, ob der Gemeindrat Dürnten faktisch und rechtlich veranlaßt gewesen sei, die Initiative für eine Revision der früher stattgefundenen Vereinbarung über Reparation des Steuervermögens von a. Statthalter Boßhard zu ergreifen. Diese Frage ist zu verneinen. Es war vielmehr Sache des Pflichtigen bezw. des Gemeindrates Bauma, beim Gemeindrate Dürnten rechtzeitig, bezügliche Schritte zu tun, was indessen unterblieben ist. Die bewußte Steuerrepartition bestand daher für den Gemeindrat Dürnten auch für 1897 noch in Kraft und ist die Steuerforderung des Letztern pro 1897 zu schützen.
Nach Einsicht eines Antrages der Direktion des Innern,
erkennt der Regierungsrat:
I. Die vorliegende Appellation wird als unbegründet abgewiesen und der Entscheid des Bezirksrates Hinweil vom 23. Februar 1898 bestätigt.
II. Appellant hat die Kosten zu bezahlen, bestehend in 3 Fr. Staats-, 2 Fr. Kanzlei-, nebst den Ausfertigungs- und Stempelgebühren.
III. Mitteilung an den Appellanten unter Rücksendung des erstinstanzlichen Entscheides, an den Gemeindrat Dürnten, sowie an den Bezirksrat Hinweil.