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Staatsarchiv des Kantons Zürich

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SignaturStAZH MM 3.168 RRB 1983/2127
TitelTherapieheim Sonnenblick in Kastanienbaum LU (Kostgeldbeitrag).
Datum08.06.1983
P.902–903

[p. 902] Angesichts der aus Finanzknappheit drohenden Schliessung des Therapieheims ersuchte der Regierungsrat des Kantons Luzern mit Schreiben vom 27. Oktober 1980 die Regierungen der deutschschweizerischen Kantone, bis zum Inkrafttreten des Konkordats über die Jugendheime einen jährlichen Beitrag an den in den nächsten Jahren mutmasslich ungedeckten Aufwand von Fr. 250 000 zu leisten.

Mit Schreiben vom 5. Januar 1981 teilte die Erziehungsdirektion mit, sie sei bereit, zu prüfen, in welcher Form eine [p. 903] Beteiligung am offenen Restdefizit möglich sei. An der von der luzernischen Regierung einberufenen Finanzierungskonferenz vom 9. September 1981 zeigte sich, dass die Mehrzahl der Kantone nicht bereit war, feste A-fonds-perdu-Betriebsbeiträge zu leisten. Dort, wo die gesetzlichen Grundlagen es zuliessen, wurden aber Defizitbeiträge für die Einweisungen aus dem eigenen Kanton in Aussicht gestellt. Bei Einweisungen aus Kantonen ohne Beiträge an das Defizit wurde vorgeschlagen, diese den Versorgern voll in Rechnung zu stellen.

Das Therapieheim Sonnenblick wurde am 1. Mai 1976 eröffnet und nach einer dreijährigen Versuchsphase am 26. Januar 1979 vom Bundesamt für Justiz als Einrichtung im Sinne von Art. 93ter StGB anerkannt. Es ist die einzige Institution dieser Art in der deutschen Schweiz und hat zur Aufgabe, schwere Persönlichkeitsstörungen bei weiblichen Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren, welche in einem Erziehungsheim oder in einer Arbeitserziehungsanstalt nicht wirksam angegangen werden können, intensiv pädagogisch, therapeutisch und heilpädagogisch zu behandeln.

Die vom St.-Katharina-Werk getragene Einrichtung umfasst das Therapieheim in Kastanienbaum und das Wohnheim in Luzern mit je sieben Plätzen. Frühere Erweiterungspläne wurden inzwischen fallengelassen. Um die intensive Betreuung zu gewährleisten, stehen im Therapieheim vier Erzieher und zwei vollamtliche Lehrer im Einsatz; je D/2 Stellen sind für Heimleitung und Therapie vorgesehen, die jedoch auch der Aussenstation «Wohnheim» in Luzern zur Verfügung stehen.

Aufgrund des hohen Personalaufwandes muss heute im Therapieheim mit Kosten pro Pflegetag von Fr. 330 bis Fr. 340 gerechnet werden. Obwohl die Trägerschaft nach wie vor namhafte Beiträge aus Spenden in den Betrieb einfliessen lässt, belief sich die 1981 Zürcher Versorgern in Rechnung gestellte Taxe auf Fr. 120 pro Aufenthaltstag zuzüglich Fr. 17 als Defizitdeckungsbeitrag. Die Versorgertaxen der Zürcher Justizheime für Mädchen lagen im Vergleich dazu 1981 zwischen Fr. 40 und Fr. 69. Da die Mehrzahl der in das Therapieheim Sonnenblick eingewiesenen Mädchen (1976 - 1981 entfielen von insgesamt 13 052 Aufenthaltstagen deren 1687 auf Zürcher Mädchen, das sind ca. 13%) zwar schwer neurotisch und oft auch verwahrlost ist, aber eher selten in grösserem Umfang deliktische Handlungen begangen hat, erfolgt die Einweisung meistens aufgrund von Art. 310 ZGB. Die Finanzierung eines solchen Aufenthalts durch die Eltern und die zuständige Fürsorgebehörde gestaltet sich oft schwierig und gefährdet bisweilen die Massnahme als solche.

§ 9 a des Gesetzes über die Jugendheime und die Pflegekinderfürsorge vom 1. April 1962 ermächtigt den Regierungsrat, mit andern Kantonen Vereinbarungen über die Beteiligung am Betriebsdefizit von Kinder- und Jugendheimen zu treffen. Da es sich bei der Uebernahme von Restdefiziten für Plazierungen ausserhalb des eigenen Kantons um ein grundsätzliches Problem handelt, das im Rahmen einer interkantonalen Vereinbarung geregelt werden soll, ist vom Abschluss eines speziellen Vertrags nur für das Therapieheim Sonnenblick abzusehen. Hingegen empfiehlt es sich, gestützt auf § 8 Abs. 2 des Gesetzes an das Kostgeld Zürcher Minderjähriger im Therapieheim Sonnenblick Beiträge zu entrichten. Ziel dieser Kostgeldbeiträge soll es sein, die den Zürcher Versorgern in Rechnung gestellten Restkosten auf die Höhe der in Zürcher Justizheimen verrechneten Kostgelder zu reduzieren. Aus diesen Ueberlegungen scheint ein Kostgeldbeitrag von Fr. 70 pro Aufenthaltstag angemessen. Das Restdefizit geht weiterhin anteilmässig zu Lasten des Versorgers. Die Trägerschaft ist zu verpflichten, den Kostgeldansatz und das zu erwartende anteilmässige Restdefizit für Zürcher Versorger auf Anfang Betriebsjahr dem Jugendamt zur Genehmigung einzureichen. Die totalen Tageskosten inkl. Restdefizitanteil für Zürcher Versorger sollten Fr. 80 nicht überschreiten. Die Kostgeldbeiträge werden nur an Aufenthalte im Therapieheim gewährt. In der Aussenstation Wohnheim, Luzern, die als Nachfolgeeinrichtung dient, sind die ungedeckten Tageskosten wesentlich geringer. Es ist deshalb zumutbar, dass diese von den Zürcher Versorgern vollumfänglich übernommen werden. - Die Kostgeldbeiträge sind auf die Jahre 1983, 1984 und 1985 zu befristen. Dies scheint sinnvoll, da mit dem voraussichtlichen Wegfall der Bundesbeiträge für die Justizheime ab 1986 sich die durch Versorger- und Kantonsbeiträge zu deckenden Kosten wesentlich erhöhen werden, so dass der Finanzierungsmodus neu überprüft werden muss. Der Kanton Zürich wird in Zukunft eher in steigendem Mass auf Plazierungsmöglichkeiten im Sonnenblick angewiesen sein, weil er selbst über kein Justizheim mit derartigem Therapieangebot verfügt und die zürcherischen Mädchenheime bereits heute in bezug auf den Schwierigkeitsgrad ihrer Klientinnen sehr stark belastet sind. Bei den etwa zu erwartenden 500 Aufenthaltstagen pro Jahr von Zürcher Mädchen ist mit jährlichen Auslagen von Fr. 35 000 zu rechnen. Dieser Betrag kann 1983 aus den allgemeinen Kreditmitteln des Kontos 2900.03.3650. 601, Betriebsbeiträge an Jugendheime, finanziert werden.

Auf Antrag der Direktion des Erziehungswesens

beschliesst der Regierungsrat:

I. Dem Therapieheim Sonnenblick in Kastanienbaum LU wird für Minderjährige, die von zürcherischen Stellen eingewiesen werden, ein Kostgeldbeitrag von Fr. 70 pro Aufenthaltstag gewährt.

II. Die Beitragsberechtigung ist auf die Jahre 1983, 1984 und 1985 befristet. Sie gilt ab 1. Januar 1983. Sie wird hinfällig, sobald der Kanton Zürich durch den Beitritt zu einer interkantonalen Vereinbarung zu irgendwelchen Leistungen für zürcherische Mädchen im Therapieheim Sonnenblick verpflichtet würde. Die Beitragsberechtigung gilt nicht für Aufenthalte in der Aussenstation «Wohnheim», Luzern.

III. Die Beiträge werden jeweils auf Ende des Kalenderjahres dem Therapieheim Sonnenblick überwiesen. Der Erziehungsdirektion sind von der Heimleitung auf Ende der Rechnungsperiode ein Verzeichnis der Jugendlichen und die nötigen Berechnungsunterlagen einzureichen. Gegen Nachweis der erbrachten Aufenthaltstage sind Teilzahlungen während des Jahres möglich.

IV. Das Kostgeld und der zu erwartende Restdefizitanteil für Zürcher Versorger sind dem Jugendamt jeweils auf Anfang des Betriebsjahres zur Genehmigung vorzulegen.

V. Die Auszahlung des Betrags erfolgt zu Lasten des Kontos 2900.03.3650.601, Betriebsbeiträge an Jugendheime, erstmals aufgrund der Aufenthaltstage 1983.

VI. Mitteilung an das Therapieheim Sonnenblick, 6047 Kastanienbaum, das St.-Katharina-Werk, Holeestrasse 123, 4015 Basel, das Justizdepartement des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 15, 6003 Luzern, das Bundesamt für Justiz, 3003 Bern, sowie an die Direktionen des Erziehungswesens und der Finanzen.