Signatur | StAZH MM 3.18 RRB 1904/0704 |
Titel | Straßen. |
Datum | 13.05.1904 |
P. | 265–267 |
[p. 265] A. Mit Eingabe vom 7. März 1903 stellte der Gemeinderat Uhwiesen an den Bezirksrat Andelfingen das Gesuch, er möchte die Gemeinde Dachsen anhalten, die Korrektion der Straße Uhwiesen-Rheinau im sogen. Reisbühl auf Bann Dachsen beförderlichst vorzunehmen, indem er zur Begründung folgendes anführt:
Schon unterm 19, August 1893 habe der Bezirksrat diese Korrektion beschlossen und der Gemeinde Dachsen zur Ausführung anbefohlen, ohne daß in diesen 10 Jahren etwas geschehen sei. Anderseits habe der Bezirksrat durch den nämlichen Beschluß die Gemeinde Uhwiesen verhalten, die Korrektion des Fußweges zur Rheinbrücke Laufen vorzunehmen, die Rheinfähre Nol zu erstellen und die Straße Dachsen-Uhwiesen zu erweitern. Alle diese Bauten seien von der Gemeinde Uhwiesen längst zur Ausführung gebracht worden und dieselbe könne nun nicht mehr länger auf die der Gemeinde Dachsen auferlegte Korrektion der Straße im Reisbühl warten. Bereits sei der Gemeinderat von den Privaten, welche im sogenannten Seewadel und Rheinauerfeld Liegenschaften besitzen, auf das nachdrücklichste um endliche Vornahme dieser Korrektion ersucht worden.
B. Der Gemeinderat Dachsen, vom Bezirksrat zur Vernehmlassung eingeladen, bestreitet in seiner Eingabe vom 15. März 1903 in erster Linie das Bedürfnis nach einer Korrektion; denn einzig wegen der 2 - 3 Landbesitzer der Gemeinde Uhwiesen, welche unterhalb des «Reisbühl» Liegenschaften besitzen, eine solche Baute zu erstellen, sei eine fast unbegreifliche Zumutung. Für die Einwohner von Dachsen habe die Korrektion keinen Wert. Wäre ein wirkliches Bedürfnis vorhanden, so hätte der Gemeinderat Uhwiesen nicht volle 10 Jahre zugewartet, bis er die Angelegenheit wieder zur Sprache gebracht hätte.
Im Jahr 1899 habe der Staat Zürich für die Anstalt Neu-Rheinau in diese Straße eine Wasserleitung gelegt, deren Verlegung im Falle einer Korrektion demselben wieder bedeutende Kosten verursachen würde.
Durch Bezirksratsbeschluß seien die Korrektionskosten seinerzeit gänzlich der Gemeinde Dachsen auferlegt worden; die Gemeinde Uhwiesen müsse aber zur Tragung eines entsprechenden Kostenteiles pflichtig gemacht werden, da die zu korrigierende Straße nur eine Güterstraße sei und wenigen Interessenten diene.
Aus den vorgenannten Gründen beantragt der Gemeinderat Dachsen, der Beschluß des Bezirksrates vom 19. August 1903 sei zu revidieren, beziehungsweise die Beschwerde abzuweisen.
C. In seiner Replik vom 9. Mai 1903 hält der Gemeinderat Uhwiesen an seiner Forderung fest. Er weist darauf hin, daß die in Frage stehende Straße die direkte Verbindung zwischen den Gemeinden Uhwiesen und Rheinau herstelle. Daneben diene sie noch einer erheblichen Anzahl von Bewohnern von Uhwiesen als Kommunikation in ihre unterhalb des «Reisbühl» gelegenen Liegenschaften und zwar fallen gegenwärtig noch mindestens 14 - 15 Landbesitzer in Betracht und nicht nur 2 - 3, wie der Gemeinderat Dachsen behaupte.
Wenn der Gemeinderat Uhwiesen 10 Jahre gewartet habe, bis er endlich sein Recht energischer geltend mache, so beweise dies nur seine Loyalität gegenüber der Gemeinde Dachsen und widerlege in keiner Weise das vorhandene Bedürfnis.
Eine Beteiligung an den Kosten lehne die Gemeinde Uhwiesen des bestimmtesten ab, indem es sich um eine im Gemeindebanne Dachsen liegende Straße III. Klasse handle. Im Beschluß des Bezirksrates vom 19. August 1893 seien die Kosten vollständig der Gemeinde Dachsen auferlegt worden.
Bei der Erstellung der Wasserleitung Neu-Rheinau habe der Gemeinderat Uhwiesen bereits auf die bevorstehende Straßenkorrektion aufmerksam gemacht. Das Vorhandensein der Wasserleitung könne also keinen Grund dafür bilden, die Korrektionsbaute zu unterlassen.
D. Der Gemeinderat Dachsen macht in seiner Duplik vom 20. Mai 1903 im allgemeinen die in seiner frühem Vernehmlassung angeführten Gründe neuerdings geltend. Vor allem bestreitet er wieder das Bedürfnis einer Straßenkorrektion, die für Dachsen nicht den geringsten Wert besitze. Wolle die Gemeinde Uhwiesen die Korrektion trotzdem durchsetzen, so solle sie in Anwendung von § 9 des Straßengesetzes auch mit dem größten Teil der Kosten belastet werden. Hätte im Jahre 1893 das in Frage stehende Projekt allein Vorgelegen, so wäre zweifellos vom Bezirksrat schon damals anders beschlossen worden; dagegen habe zu jener Zeit die Gemeinde Dachsen angesichts der übrigen noch vorliegenden Projekte, Rheinfähre, Fußweg zur Rheinfallbrücke, Straße Dachsen-Laufen, auch ihren Teil bekommen müssen.
E. In den Erwägungen zu seinem Entscheide stellt der Bezirksrat Andelfingen in erster Linie fest, daß sein Entscheid vom 19. August 1893 zu Recht bestehe und daß die Gemeinde Dachsen denselben seinerzeit angenommen habe. Seither habe sich die Angelegenheit weder sachlich noch rechtlich geändert. Sachlich nicht, da das Bedürfnis für eine Korrektion jetzt noch vorhanden sei wie damals; der Zustand der Straße sei nicht besser geworden.
Aber auch rechtlich nicht, denn das korrektionsbedürftige, im Gemeindebanne Dachsen liegende Straßenstück gehöre auch jetzt noch der III. Klasse an. Das inzwischen, d. h. am Tage nach dem Bezirksratsbeschluß in Kraft ge- [p. 266] tretene neue Straßengesetz habe hinsichtlich der Pflicht zur Tragung der Kosten der Korrektion keine neuen Grundlagen geschaffen.
§ 9 des neuen, wie § 6 des alten Gesetzes beschränken gleicherweise das Beeilt, eine andere Gemeinde zu einem Beitrag an die baupflichtige Gemeinde zu verpflichten, auf die n. Straßenklasse, allerdings mit dem Unterschied, daß in das neue Gesetz noch Fußwege, Brücken und Stege einbezogen worden seien. Weshalb nicht allgemein die Straßen III. Klasse genannt seien, sei nirgends ersichtlich. Selbstverständlich finde diese Zutat des neuen Straßengesetzes auf das Streitobjekt keine Anwendung.
Auch die Tatsache, daß seit 1893 die Wasserleitung Uhwiesen-Neu-Rheinau in die fragliche Straße eingelegt worden sei, ändere die Sachlage nicht. Hätte die Gemeinde Dachsen dem in Rechtskraft erwachsenen Entscheide innert nützlicher Frist Folge gegeben, so würde zurzeit die Gefahr einer Verlegung der Leitung nicht vorliegen.
Gestützt auf die angeführten Erwägungen faßte der Bezirksrat folgenden Beschluß:
1. Die politische Gemeinde Dachsen wird verpflichtet, die auf ihrem Gemeindebanne befindliche Strecke der Straße III. Klasse Uhwiesen-Rheinau gemäß den dem Entscheide vom 19. August 1893 zu Grunde gelegenen staatlichen technischen Vorarbeiten, welche mit dem Entscheide dem Gemeinderat Dachsen zugestellt worden sind, binnen einem Jahre zu korrigieren.
2. Das eventuelle Begehren der Gemeinde Dachsen, die Gemeinde Laufen-Uhwiesen zu einem Beitrage an die durch die Korrektion der Gemeinde Dachsen erwachsenden Kosten zu verpflichten, wird abgewiesen.
F. Gegen den vorstehenden Entscheid erhebt der Gemeinderat Dachsen unterm 17. Juli 1903 Rekurs an den Regierungsrat. Die Begründung deckt sich im allgemeinen mit den früheren Vernehmlassungen des Gemeinderates an den Bezirksrat, so daß von einer Wiederholung Umgang genommen und auf das bereits Gesagte verwiesen werden kann. Erwähnt mag werden, daß der Gemeinderat Dachsen als neues Moment den Umstand anführt, daß an der Straße Uhwiesen-Rheinau noch an andern Stellen ebenso abnormale Steigungsverhältnisse wie am «Reisbühl» vorhanden seien und daß die Frequenz der Straße durch die neue Verbindung Rheinau-Altenburg noch wesentlich vermindert worden sei. Ferner verwahrt sich der Gemeinderat Dachsen gegen alle Kosten, welche allfällig aus einer Verlegung der Wasserleitung herrühren und betont, daß dieselben vom Staate beziehungsweise der Anstalt Rheinau übernommen werden müßten, welchen der Gemeinderat Dachsen bei Erteilung der Bewilligung zur Einlegung der Leitungen in das Gebiet der Gemeindestraße Uhwiesen-Rheinau die bezügliche Verpflichtung ausdrücklich Überhunden habe.
Der Gemeinderat Dachsen beantragt gänzliche Aufhebung des bezirksrätlichen Entscheides, eventuell sei die Gemeinde Uhwiesen zu verpflichten, den Hauptteil der Korrektionskosten zu übernehmen.
G. In der Vernehmlassung des Gemeinderates Uhwiesen vom 10. August 1903 »sind ebenfalls keine neuen Momente vorhanden; es kann daher auch hier auf die früheren Eingaben desselben verwiesen werden.
H. Der Bezirksrat Andelfingen bemerkt in seiner Rekursbeantwortung vom 18. August 1903, daß er die sachliche und rechtliche Begründung seines angefochtenen Entscheides als genügend erachte und auf weitere Ausführungen verzichte. Er beantrage Abweisung des Rekurses.
Es kommt in Betracht:
1. Unterm 19. August 1893 faßte der Bezirksrat Andelfingen folgenden Beschluß:
a) Die politische Gemeinde Laufen-Uhwiesen ist verpflichtet, den öffentlichen Fußweg Laufen-Rheinbrücke nach den vorgelegten technischen Vorarbeiten zu korrigieren.
b) Die politische Gemeinde Dachsen ist verpflichtet, die Straße III. Klasse Uhwiesen-Marthalen-Rheinau im Reisbühl nach den vorgelegten technischen Vorarbeiten zu korrigieren.
c) Die Verbreiterung der Straße III. Klasse Uhwiesen-Dachsen ist den Parteien zu gutfindender Ausführung überlassen.
Dieser Beschluß wurde den beiden Gemeindebehörden von Dachsen und Uhwiesen unter Einräumung einer 14tägigen Rekursfrist gegen Empfangschein schriftlich mitgeteilt.
2. Da keine der beiden interessierten Gemeinden gegen den Entscheid Einsprache erhob, erwuchs derselbe in Rechtskraft und die Gemeinde Uhwiesen zögerte auch nicht, den ihr auferlegten Verpflichtungen nachzukommen. Anders die Gemeinde Dachsen, welche die ihr überbundene Baute nie ausgeführt hat und heute die Verpflichtung dazu bestreitet, ohne allerdings hiefür stichhaltige Gründe anführen zu können. Der Beschluß des Bezirksrates Andelfingen vom 19. August 1893 ist unter Beobachtung aller gesetzlichen Vorschriften und, wie aus den Erwägungen zu demselben hervorgeht, sogar in allseitigem Einverständnis gefaßt worden. Wie der Bezirksrat durchaus zutreffend ausführt, haben sich inzwischen die Verhältnisse in keiner Weise geändert und es besteht daher für den Regierungsrat kein Grund, noch hätte er die Kompetenz dazu, einen gemäß gesetzlicher Befugnis gefaßten Beschluß des Bezirksrates aufzuheben. Es scheint dies so selbstverständlich, daß man sich eigentlich wundern muß, wie die Gemeinde Dachsen trotzdem dazu gelangte, den von vorneherein aussichtslosen Rekursweg zu betreten.
3. Auch das eventuelle Begehren der Gemeinde Dachsen, die Gemeinde Uhwiesen mit einem Teil der Kosten zu belasten, kann nicht geschützt werden, indem es sich auch hier um rechtlich endgültig entschiedene Verhältnisse handelt. An und für sich müßte es zwar gerechtfertigt erscheinen, daß die Gemeinde Uhwiesen der Gemeinde Dachsen einen Beitrag an die Kosten einer Straßenkorrektion leistet, die in der Hauptsache der ersteren zu gute kommt und für letztere als Verbesserung einer von ihr selten benutzten Straße
III. Klasse höchst geringen Wert besitzt. Tatsächlich wird ein solcher Beitrag aber geleistet, ist sogar schon geleistet worden, indem Uhwiesen verschiedene Bauten ausführte, die teilweise in erheblichem Maße auch der Gemeinde Dachsen zu gute kommen und daher als Gegenleistung für die der letztern aus der Korrektion der Straße Uhwiesen-Rheinau erwachsenden Kosten zu betrachten sind. Im Grunde handelt es sich also um ein unter Mitwirkung des Bezirksrates Andelfingen zustande gekommenes Vertragsverhältnis, bei welchem die Leistungen des einen Kontrahenten, der Gemeinde Uhwiesen, erfüllt sind, diejenigen des andern, der Gemeinde Dachsen, noch ausstehen.
4. An der rechtlichen Verpflichtung der Gemeinde Dachsen, die Straßenkorrektion im Reisbühl gemäß den dem Bezirksratsbeschluß vom 19. August 1893 zu Grunde liegenden technischen Vorarbeiten auf ihre alleinigen Kosten durchzuführen, ist also nicht zu zweifeln. Dagegen ist es fraglich, ob mit dem vorliegenden Korrektionsprojekt der beabsichtigte Zweck erreicht werde. Das auf eine Länge von zirka 60 m vorhandene Maximalgefälle von zirka 10 % würde auf 7,0 % vermindert, auf der übrigen Strecke würden die Verhältnisse jedoch nicht nennenswert verbessert. Es drängt sich daher die Frage auf, ob, wenn eine Korrektion doch einmal erfolgen muß, dieselbe nicht besser etwas eingreifender durchgeführt und die Steigung auf 5 - 6% vermindert werden sollte, was technisch wohl durchführbar wäre. Eine Verminderung der Steigung von 107 - 2 auf 7,6% lehnt tatsächlich kaum die Kosten und es ist zu befürchten, daß die Korrektion nach der Ausführung auch nicht befriedigen würde. Für die Verteilung der bei einer gründlichen Korrektion entstehenden Mehrkosten ist der vorliegende Rekursalentscheid selbstverständlich nicht präjudizierlich, sondern es wäre dieselbe gestützt auf besondere Unterhandlungen vorzunehmen. Den vorstehenden Bemerkungen ist auch nur aufklärende Bedeutung beizumessen; mit der obschwebenden Rechtsfrage stehen dieselben in keiner Verbindung.
5. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß es sich bei dem streitigen Straßenprojekt nicht, wie der Bezirksrat in seinem Entscheide annimmt, um staatliche Vorarbeiten handelt. Die Pläne waren seinerzeit allerdings durch Vermittlung des Herrn Kreisingenieur Spiller von Geometer Tuggener angefertigt worden; aber der Baudirektion lagen dieselben nie vor, wie der Staat nach dem alten Gesetz für Straßen III. Klasse auch überhaupt keine Vorarbeiten ausführte.
Nach Einsicht eines Antrages der Baudirektion
beschließt der Regierungsrat:
I. Der Rekurs des Gemeinderates Dachsen gegen den Beschluß des Bezirksrates Andelfingen betreffend Korrektion [p. 267] der Straße III. Klasse Uhwiesen-Rheinau im sogenannten «Reisbühl» wird abgewiesen.
II. Die Kosten, bestehend in Fr. 15.- Erledigungs-, den Ausfertigungs- und Stempelgebühren, werden dem Gemeinderat Dachsen auferlegt.
III. Mitteilung an die Gemeinderäte Dachsen und Uhwiesen, an den Bezirksrat Andelfingen und an die Baudirektion.