Signatur | StAZH MM 3.20 RRB 1906/1654 |
Titel | Baugesetz § 149. |
Datum | 20.09.1906 |
P. | 572–573 |
[p. 572] In Sachen des J. Textor, Bäcker, in Zürich II, Gesuchsteller, betreffend Baute,
hat sich ergeben:
A. Der Gesuchsteller wünscht an seinem Hause Gotthardstraße Nr. 64 in Zürich II ein Hintergebäude zu erstellen, um die Backstube nebst Konditorei darin unterzubringen. Ein erstes Projekt wurde von der Bausektion I des Stadtrates Zürich abgelehnt mit der Begründung, der Abstand des durch den Anbau zu vergrößernden Vordergebäudes von dem bestehenden Gebäude auf Kat. Nr. 557 betrage nur 7 m statt wenigstens 9,2 m, ferner er halte der Raum für die Konditorei Luft und Licht nicht direkt von außen, sondern nur vom Backraum her.
B. Mit Eingabe vom 25. Juli 1906 ersuchte Baumeister G. Bäschlin-Fierz namens Textor um Bewilligung einer Ausnahme. Er führt zur Begründung aus, der Anbau werde nur 2,5 m hoch und ermögliche eine bessere Einrichtung der Bäckerei namentlich in hygieinischer Hinsicht. Der Stadtrat beantragte Abweisung des Gesuches, weil die neu zu erstellenden Räume teilweise ganz mangelhaft beleuchtet würden und die erforderliche Luft nicht direkt von außen erhielten. Der Gesuchsteller ließ hierauf seine Pläne so umarbeiten, daß die Konditorei eine dem Gesetz entsprechende Fenster- [p. 573] fläche durch Oberlicht erhält. Der Stadtrat beantragt nun Genehmigung des Gesuches mit folgenden Ausführungen:
Im frühem Projekte habe die Fensterfläche weniger als ein Zehntel der Bodenfläche betragen; dies sei der Hauptgrund gewesen, weswegen mit Beschluß des Stadtrates vom 8. August 1906 dem Regierungsrate beantragt worden sei, dem Ausnahmegesuche J. Textors nicht zu entsprechen. Da der Mangel nun gehoben sei, verbleibe nur noch der ungenügende Abstand zwischen dem bestehenden Hofgebäude auf Kat. Nr. 557 und dem Vordergebäude Gotthardstraße Nr. 64. Das 5,6 m hohe und flach abgedeckte Nachbargebäude im Hofe rage mit einer Ecke um 2,oo m in den Minimalabstand zwischen diesem Hofgebäude und dem Vordergebäude hinein, ein nicht gar großer baupolizeilicher Verstoß mit Rücksicht darauf, daß es sich um bestehende Gebäude handle. Obgleich es wünschenswert wäre, daß der Hof zwischen den Gebäuden an der Eisenbahnstraße-Gotthardstraße-Seestraße nicht weiter überbaut werde, erblicke der Stadtrat doch in der Erstellung des neuen Hofanbaues keinen derartigen Übelstand, daß er dem Gesuche um Genehmigung gestützt auf § 149 des Baugesetzes nicht zustimmen könnte. Gesundheitliche und feuerpolizeiliche Bedenken liegen keine vor. Das noch neue, gut erhaltene, 14 m hohe Vordergebäude würde ohne den Anbau kaum früher beseitigt als mit ihm.
Es kommt in Betracht:
Die Baudirektion hat auf dem Lokal zweimal Augenschein veranstaltet und den Eindruck erhalten, daß zwar die starke Inanspruchnahme des freien Raumes hinter dem Hause Gotthardstraße Nr. 64 für die Vergrößerung des Hauses zu bedauern sei. Da aber durch die Baute tatsächlich Verbesserungen herbeigeführt werden, die bei der Verweigerung des Gesuches wohl nicht zustande kämen, empfiehlt die Baudirektion Genehmigung des Gesuches.
Auf Antrag der Baudirektion
beschließt der Regierungsrat:
I. Dem J. Textor wird die Erstellung eines Anbaues an sein Haus Gotthardstraße Nr. 64 nach dem abgeänderten Projekt in Anwendung von § 149 des Baugesetzes bewilligt.
II. Die Kosten, bestehend in einer Staatsgebühr von Fr. 10, einer Expertengebühr von Fr. 15 zu Handen der Baudirektion, sowie den Ausfertigungs- und Stempelgebühren, werden vom Gesuchsteller bezogen.
III. Mitteilung an G. Bäschlin-Fierz, Baumeister, in Zürich III zu Handen seines Mandanten, den Stadtrat Zürich und an die Baudirektion.