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Staatsarchiv des Kantons Zürich

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SignaturStAZH MM 3.21 RRB 1907/2072
TitelStraßen.
Datum07.11.1907
P.780–781

[p. 780] In Sachen des J. Martin in Zürich III, Rekurrenten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J. Maag in Zürich i, betreffend Straßenunterhalt,

hat sich ergeben:

A. Der Rekurrent ist Eigentümer des Grundstückes Kat.-Nr. 4911, einer Verbindungsstraße zwischen Rolandstraße und Dienerstraße in Zürich III. Das Straßenstück befindet sich laut Rapport des Straßeninspektorates der Stadt Zürich in schlechtem Zustande; der Rekurrent wurde daher aufgefordert, die Straße instand zu stellen, oder den Kostenbetrag von Fr. 130 beim Straßeninspektorat für die Instandstellung zu hinterlegen. Die Aufforderung wurde, da Martin ihr nicht nachkam, durch Verfügung des Bauvorstandes II der Stadt Zürich vom 22. November 1905 bestätigt. Die Verfügung stellt ab auf die Verordnung der Stadt Zürich über Privatstraßen vom 28. Mai 1904 und auf einen Eintrag im Grundprotokoll, wonach die Eigentümer verschiedener Grundstücke, darunter auch Kat. Nr. 4911 verpflichtet sind, die Quartierstraßen zu erstellen und tadellos zu unterhalten. Gegen diese Verfügung rekurrierte Rechtsanwalt Dr. Maag namens Martin an den Stadtrat. Der Rekurs wurde aber mit Beschluß vom 21. März 1906 unter eingehender Begründung abgewiesen. Daraufhin rekurrierte Dr. Maag namens Martin an den Bezirksrat. Doch wies auch diese Behörde den Rekurs mit Beschluß vom 17. Mai 1906 ab.

B. Gegen den Beschluß des Bezirksrates rekurriert nun Rechtsanwalt Dr. Maag namens Martin an den Regierungsrat. Er beantragt, die Verfügung des Bauvorstandes II der Stadt Zürich aufzuheben und begründet seinen Rekurs unter Verweisung auf die Rekurseingaben, die er an den Stadtrat und Bezirksrat gerichtet hatte, wie folgt:

Die Verordnung über die Privatstraßen beruhe, soweit sie im vorliegenden Falle angewendet werden solle, nicht auf gesetzlichem Boden. Soweit sie auf die Vorschriften des Gesetzes betreffend die örtliche Gesundheitspflege gestützt werde, könne sie nur da Anwendung finden, wo der Zustand einer Straße gesundheitspolizeilich zu beanstanden sei; davon könne aber mit Bezug auf das vorliegende Straßenstück keine Rede sein; es werde auf Augenschein abgestellt. Wenn man an den Zustand vieler chaussierter Straßen in den entlegeneren Teilen der Stadt Zürich von heute oder gar vor acht und zehn Jahren denke, so müsse man erstaunen, daß die nämliche Gemeinde das als gesundheitsschädlich bezeichne, wfas sie selbst jahrelang auf den öffentlichen Straßen geduldet habe und was immer noch vielfach geduldet werde. Im Ernste werde niemand behaupten, daß das Regulieren der Randsteine oder das Bekiesen von Trottoir und Fahrbahn aus gesundheitspolizeilichen Rücksichten vorgeschrieben werden könne. Wenn also in der Verordnung über Privatstraßen eine solche Vorschrift existiere, so habe sich die Gemeindebehörde eine Kompetenz angemaßt, die ihr nicht zustehe. Auch die angezogenen Bestimmungen des Baugesetzes können gegen den Rekurrenten zur Stütze dieser Verordnung in keiner Weise verwendet werden. Wie der Rekurrent schon in seinen beiden andern Rechtsschriften ausgeführt habe, spreche § 41 Abs. 3 des Baugesetzes direkt gegen jede Belastung der Grundeigentümer mit dem Straßenunterhalt. Der Rekurrent halte auch an allen andern Einreden gegenüber der Verfügung des Bauwesens II fest und speziell an der Behauptung, daß wenn man auch die Verordnung anwenden wollte, es durchaus unbillig sei, den Rekurrenten und nicht die anstoßenden Grund- und Häuserbesitzer durch Verfügung zu zwingen, die Straße tadellos zu unterhalten. Der Gemeinde stehe kein Recht zu, durch solche Zwangsmittel den Rekurrenten dafür zu strafen, daß er dieses Straßenstück auf öffentlicher Gant erworben habe, um so weniger, als es nur gewissen Unterlassungssünden der Gemeindeorgane zuzuschreiben sei, daß der Revers nicht auch den anstoßenden und überbauten Grundstücken vorgestellt worden sei. Wer ohne Voreingenommenheit den Revers lese, den der Rekurrent in beglaubigter Abschrift vom 1. Dezember 1905 zu den Akten lege, der ersehe daraus, daß nicht die Eigentümer der Straßen, sondern die Eigentümer der Baugespanne die Verpflichtung zum tadellosen Unterhalt der Straße gegenüber der Stadt haben übernehmen müssen und übernommen haben, und es sei eine der Vertragsmeinung vollständig widersprechende Interpretation, wenn man nun unter Ausnutzung eines offenbaren Fehlers des Notars den Versuch mache, den Rekurrenten bei der Tatsache zu behaften, daß auch das Straßenstück mit diesem Revers belastet sei. Eine loyale Interpretation müsse dazu führen, dem Rekurrenten in allen Teilen Recht zu geben.

C. Bezirksrat und Stadtrat Zürich beantragen Abweisung des Rekurses. Der Stadtrat führt zur Begründung folgendes aus:

Der Standpunkt des Stadtrates sei in seinem Beschlüsse vom 21. März 1906 (Nr. 433) und in der Vernehmlassung an den Bezirksrat vom 2./8. Mai einläßlich begründet. Auf die neuen Äußerungen des Rekurrenten über den Zustand öffent- [p. 781] licher Straßen trete der Stadtrat nicht näher ein. Daß Zürich für den Unterhalt und die Reinigung seiner Straßen so viel tue wie nicht leicht eine andere Stadt, wisse auch der Rekurrent; damit aber die Instandhaltung der Privatstraßen, insbesondere wegen der verschiedenartigen Interessen der Beteiligten, nicht zurückstehe, sei die angefochtene Verordnung notwendig gewesen. Im vorliegenden Falle sei die Unterhaltungspflicht übrigens schon durch den notarialisch gefertigten Revers festgestellt. Zu bemerken sei, daß Martin das Straßenstück nicht auf öffentlicher Gant, sondern aus freier Hand erworben habe von Baumeister Gut, dem früheren Mitanteilhaber der Firma Gut & Steiger, welche den Revers habe anloben lassen. Der Vertrag sei im Frühjahr 1904 abgeschlossen und am 19. September gleichen Jahres gefertigt worden; es habe Martin also jedenfalls nicht an Zeit und Gelegenheit gemangelt, sich über die Tragweite der zu übernehmenden Lasten zu erkundigen. Zuzugeben sei, daß der Wortlaut des Reverses nicht gerade glücklich gewählt sei; dagegen wisse auch, wer einigermaßen die Führung der Notariatsprotokolle kenne, daß ein Versehen in der Vorstellung von Grunddienstbarkeiten, wie hier behauptet werde, kaum möglich sei. Viel glaubwürdiger erscheine die Annahme, daß die betreffenden Häuser ohne Servitutsbelastung verkauft worden seien.

Es kommt in Betracht:

1. Streitig ist die Frage, ob der Rekurrent auf Grund des Reverses, der im Grundprotokoll auf der Kat. Nr. 4911 vorgemerkt ist, und auf Grund der Verordnung der Stadt Zürich über Privatstraßen vom 28. Mai 1904 zum Unterhalt der Quartierstraße II zwischen Roland- und Dienerstraße in Zürich TU gezwungen werden könne.

Mit Bezug auf den ersten Streitpunkt ist festzustellen, daß der Rekurrent die Rechtsgültigkeit des Eintrages im Grundprotokoll nicht anerkennt. Freilich scheint die Bestreitung eine etwas leichtfertige zu sein, da der Eintrag offenbar bei der Zufertigung der Quartierstraße an den Rekurrenten von ihm geprüft worden ist. Der Stadtrat hat in seinem Beschlusse vom 21. März 1906 die Entstehung des Grundprotokollvormerkes und den Grund der Eintragung auf der Kat. Nr. 4911 im einzelnen auseinandergesetzt. Es ist anzunehmen, daß der Rekurrent genau darüber orientiert war, weshalb der Revers, der ursprünglich auf einem größeren Grundstück lastete, auf das heutige kleinere Grundstück Kat. Nr. 4911 allein übertragen wurde.

Nun hat aber der Regierungsrat dieses Verhältnis nicht näher zu untersuchen, da der Streit über die Rechtsgültigkeit und die dingliche Wirkung des Eintrages eine Sache des Zivilrechtes ist und daher nicht vor den Verwaltungsbehörden ausgetragen werden kann.

2. Die Verfügung des Bauvorstandes II vom 22. November 1905 stützt sich aber vornehmlich auf die Verordnung über Privatstraßen. Diese Verordnung ist am 18. November 1904 vom Regierungsrate genehmigt worden. Der Regierungsrat kann sich daher keineswegs veranlaßt sehen, die Anwendung der Verordnung wegen angeblicher Gesetzwidrigkeit zu sistieren. Es ist nun festzustellen, daß der Rekurrent nicht bestreitet, Eigentümer der Quartierstraße Kat. Nr. 4911 zu sein und daß auch die Richtigkeit des Tatbestandes, der in der Verfügung vom 22. November 1905 niedergelegt ist, nicht bestritten wird. Nach Art. 3 der Verordnung sind zum Unterhalt pflichtig die Eigentümer der Grundstücke, denen auf der Straßenfläche das Wegrecht zusteht oder die Eigentümer der Straßenfläche, sofern ihnen die Pflicht zum Unterhalt Überbunden ist. Die letztere Voraussetzung trifft nun gemäß dem Zeugnis der Notariatskanzlei Außersihl, Akt. Nr. 11 zu. Allerdings bestreitet, der Rekurrent, daß der Eintrag im Grundprotokoll richtig sei. Allein solange der Eintrag nicht gelöscht oder berichtigt ist, hat sich die Polizeibehörde angesichts der bestimmten Vorschrift in Art. 3 der Verordnung an den durch das Grundprotokoll ausgewiesenen Pflichtigen zu halten. Sache des Rekurrenten wäre es dann, allfällig zu Unrecht ihm aufgebürdete Kosten nach Entscheidung des Zivilgerichtes von den zivilrechtlich Verpflichteten zurückzufordern.

3. Der Rekurrent hat auch die Kompetenz des Bauvorstandes 11 zum Erlaß der Verfügung angefochten mit der Begründung, daß die Verfügung hätte vom Audienzrichter ausgehen müssen. Auch dieser Einwand ist mit dem Hinweis auf die Verordnung zu widerlegen. Die letztere ist eine Polizeiverordnung und deshalb von den Polizeiorganen anzuwenden.

Die Verfügung des Bauvorstandes II stützte sich auf Art. 3 der Verordnung und ist daher als von einer kompetenten Stelle erlassen zu betrachten.

Auf den Antrag der Baudirektion

beschließt der Regierungsrat:

I. Der Rekurs wird abgewiesen.

II. Die Kosten, bestehend in einer Staatsgebühr von Fr. 15, sowie den Ausfertigungs- und Stempelgebühren, werden dem Rekurrenten auferlegt.

III. Mitteilung an Rechtsanwalt Dr. J. Maag in Zürich I zu Handen seines Klienten, an den Bezirksrat und den Stadtrat Zürich, sowie an die Baudirektion.