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Staatsarchiv des Kantons Zürich

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SignaturStAZH MM 3.26 RRB 1912/0233
TitelHochschule, Professor.
Datum03.02.1912
P.83

[p. 83] A. Bei Anlaß der Begutachtung einer Eingabe des schweizerischen Vereins für krüppelhafte Kinder um Gewährung eines Staatsbeitrages an den in Zürich V erstellten Anstalts-Neubau sowie an den spätern Betrieb der Anstalt kam die medizinische Fakultät der Hochschule zu dem Schlusse, es bestehe zwar kein Bedürfnis, die genannte Anstalt in die Universitätsinstitute für Unterrichtszwecke einzubeziehen, da die Orthopädie eine Spezialwissenschaft der Medizin sei, die vorläufig noch nicht Anspruch auf einen eigenen Vertreter im Unterricht des Mediziners erheben könne; die ungewöhnlichen persönlichen Verhältnisse aber, die in Betracht kommen, lassen es als gerechtfertigt erscheinen, dem ärztlichen Leiter der Anstalt, Privatdozent Dr. Willi. Schultheß, einen Lehrauftrag für Orthopädie an der Hochschule zukommen zu lassen. Die Fakultät möchte damit Dr. Schultheß in dieser Form eine Anerkennung zu teil werden lassen, legt aber Wert darauf, daß bei einem spätern Rücktritt von Dr. Schultheß dieser Lehrauftrag nicht ohne weiteres vergeben werde. Eine Minderheit der Fakultät stellte sich auf den Standpunkt, daß prinzipiell keine Lehraufträge erteilt werden sollten, wo nicht ein ausgesprochenes Bedürfnis vorliege. Professor Sauerbruch, auf dessen Vorschlag die Fakultät ihren Beschluß gefaßt hat, weist in seinem eingehenden Gutachten noch besonders hin auf die hervorragenden Leistungen von Dr. Schultheß und dessen unermüdliche Arbeit insbesondere für die Entwicklung der Skoliosenlehre; er fügt bei, daß es sich in einem solchen Falle empfindlich bemerkbar mache, daß nicht die Möglichkeit bestehe, durch Gewährung des Professorentitels die erfolgreiche Arbeit eines Dozenten anzuerkennen. Immerhin geht die Ansicht von Professor Sauerbruch dahin, daß die Spezialarbeiten von Dr. Schult ließ weniger für den Studenten als für den Arzt, der sich zur Spezialausbildung in der Orthopädie und orthopädischen Chirurgie entschließe, Bedeutung haben, weshalb es sich in erster Linie um einen orthopädischen Unterricht für Spezialisten handeln werde.

B. Die Hochschulkommission befürwortet mit Einmut die Erteilung eines Lehrauftrages für Orthopädie an Dr. W. Schultheß. Auch sie anerkennt in vollem Maße die erfolgreiche Tätigkeit und die großen Verdienste von Dr. Schultheß auf dem Gebiete der Orthopädie, und möchte ihm auch den Ausdruck dieser Anerkennung durch die kantonalen Behörden nicht länger versagen. Mit allen gegen eine Stimme spricht sie sich ferner dafür aus, daß Dr. Wilhelm Schultheß zugleich Titel und Rang eines außerordentlichen Professors an der medizinischen Fakultät zuerkannt werde und zwar in Anwendung von § 130 des Unterrichtsgesetzes, wonach der Regierungsrat über den gesetzlichen Bestand der Fakultäten hinaus innert der Schranken des für die Bedürfnisse der Hochschule ausgesetzten Kredites ordentliche und außerordentliche Professoren mit oder ohne Gehalt ernennen kann. Die Verleihung des Professorentitels an Dr. Schultheß soll eine rein persönliche Anerkennung der Verdienste des Genannten sein und wäre weder mit finanziellen Konsequenzen verbunden, noch würden Lehrauftrag und Titel ohne weiteres auf einen Nachfolger in der Leitung der Anstalt für krüppelhafte Kinder übertragen. Die Minderheit der Hochschulkommission hat sich bisher schon in ähnlichen Fällen aus grundsätzlichen Erwägungen auf den Standpunkt gestellt, daß von der Gewährung des Professorentitels, außer wo es sich um festumschriebene, besoldete Lehrstühle handelt, abzusehen sei.

C. Der Erziehungsrat nimmt den Beschluß der Hochschulkommission als Antrag auf.

Der Regierungsrat,

nach Einsicht eines Antrages der Erziehungsdirektion und des Erziehungsrates,

beschließt:

I. Dr. Wilhelm Schultheß, Privatdozent an der medizinischen Fakultät, werden auf Beginn des Sommersemesters 1912 Titel und Rang eines außerordentlichen Professors an der medizinischen Fakultät der Universität Zürich verliehen, verbunden mit einem Lehrauftrag für Orthopädie.

II. Die Honorierung erfolgt nach den für Privatdozenten mit Lehrauftrag festgesetzten Normen.

III. Mitteilung im Dispositiv an Privatdozent Dr. Wilhelm Schultheß, das Rektorat der Hochschule, das Dekanat der medizinischen Fakultät, die Kantonsschulverwaltung und die Erziehungsdirektion.