Signatur | StAZH MM 3.26 RRB 1912/1106 |
Titel | Straßen. |
Datum | 29.05.1912 |
P. | 379–381 |
[p. 379] A. Mit Verfügung Nr. 887 vom 10. Mai 1911 wurde das abgeänderte Projekt für eine Verbindungsstraße südlich des Dorfes Oberwinterthur dem Bezirksrate Winterthur für sich und zu Handen der interessierten Gemeindebehörden zur Vernehmlassung zugestellt.
B. Letztere sprechen sich zu der Projektvorlage wie folgt aus:
Oberwinterthur. Der Gemeinderat habe gegen das Projekt nichts einzuwenden, betone aber neuerdings, daß dem Dorfe Oberwinterthur durch dessen Ausführung eher Schaden als Nutzen erwachse. Eine Beitragsleistung von seiten der Gemeinde werde daher abgelehnt. Dagegen halte er es für gerechtfertigt, daß dort, wo durch die projektierte Straße Bauland erschlossen, werde, die betreffenden Grundbesitzer zu Mehrwertsbeiträgen herbeigezogen werden.
Im weitern erklärt der Gemeinderat, daß er gegen eine Versetzung der alten Römerstraße, welche seit vielen Jahrhunderten als Heerstraße durch das Dorf Oberwinterthur geführt habe oder der Straße längs der Bahn in eine niedrigere Klasse Protest erheben müßte.
Wiesendangen. Der Gemeinderat sei mit dem abgeänderten Projekte, welches er als eine Verbesserung des früheren bezeichnet, einverstanden und er erkläre, daß der beschlossene Beitrag von Fr. 1500 auch ersterem zugewendet werde. Die Gemeinde stelle dabei wie früher die Bedingung, daß eine Straße I. Klasse erstellt werde und daß deren Ausführung bald erfolge.
Rickenbach. Der Gemeinderat habe gegen das Projekt keine Einwendungen zu erheben und er hoffe auf dessen baldige Verwirklichung. Im Jahre 1908 habe die Gemeinde entgegen seinem Anträge eine Beitragsleistung abgelehnt und sie würde zweifellos auch heute die nämliche Stellung einnehmen, da sich seither die Stimmung nicht geändert habe.
Bertschikon. Der Gemeinderat sei mit dem abgeänderten Projekt vollständig einverstanden und halte die gezeichnete Subvention (Fr. 500) auch ihm gegenüber aufrecht. Im weitern bemerke er, daß eine baldige Ausführung der Baute allseitig begrüßt würde.
Stadel. Die Zivilvorsteherschaft habe gegen das abgeänderte Projekt nichts einzuwenden und sie sei zur Leistung des beschlossenen Beitrages (Fr. 300) auch zurzeit noch bereit, sofern die Ausführung baldmöglichst in Angriff genommen werde.
Reutlingen. Die Zivilvorsteherschaft sei mit dem abgeänderten Projekte einverstanden und willens, den offerierten Beitrag (Fr. 200) auch hieran zu leisten, indem sie bemerke, daß eine baldige Ausführung sehr begrüßt würde.
Winterthur. Der Stadtrat bemerkt, daß das abgeänderte Projekt hinsichtlich einer Beitragsleistung an die Erstellungskosten keine veränderte Situation schaffe. Er halte daher an seiner früheren Stellungnahme fest und lehne unter Hinweis auf die Baupflicht des Staates wenigstens so lange eine Beitragsleistung ab, als die Anstösser an die Straße nicht erheblich größere Beiträge leisten, als dies bis jetzt der Fall sei.
C. In seiner Vernehmlassung vom 12. März 1912 erklärt der Bezirksrat Winterthur ebenfalls sein Einverständnis mit dem abgeänderten Projekt.
Hinsichtlich der Klassifikation der verschiedenen Straßen vertrete er die nämliche Ansicht wie früher, welche dahin ging, daß die neue Straße in die I. Klasse eingereiht, die gegenwärtige Straße I. Klasse durch das Dorf in die II. Klasse zurückversetzt und die Straße längs der Bahn in ihrem oberen Teil in der II. Klasse belassen werden solle.
Der Bezirksrat empfiehlt das Projekt für Erstellung einer Straße am Fuße der Berghalde angelegentlich zur baldigen Ausführung und hält es als wünschenswert, daß sich alle Verkehrsbestrebungen auf die Verwirklichung dieses Projektes konzentrieren. [p. 380]
Die Baudirektion berichtet:
1. Die Bestrebungen, die Hauptstraße Winterthur-Frauenfeld an den Fuß der Berghalde südlich des Dorfes Oberwinterthur zu verlegen, um die starken Steigungen westlich und östlich dieser Ortschaft zu umgehen, liegen ziemlich weit zurück, indem schon im Jahre 1896 verschiedene Gemeinden des nordöstlichen Teiles des Bezirkes Winterthur eine dahingehende Petition einreichten (Regierungsratsbeschluß Nr. 1438 vom 6. August 1896). Damals wurden die Petenten darauf verwiesen, daß die Gemeinde Oberwinterthur im Begriffe stehe, über das in Frage stehende Gebiet einen Bebauungsplan aufzustellen, und daß in erster Linie diese Arbeit abgewartet werden müsse, bevor auf das Gesuch eingetreten werden könne.
2. Im Jahre 1903 erneuerten die in Frage stehenden Gemeinden des Außeramtes ihr Gesuch und der Regierungsrat kam letzterem in seinem Beschlüsse Nr. 1999 vom 22. Dezember 1904 insoweit entgegen, als er grundsätzlich anerkannte, daß dem Wunsche nach Verlegung der Landstraße Winterthur-Frauenfeld bei Oberwinterthur die Berechtigung nicht abzusprechen sei und die Baudirektion einlud, für diese Baute ein Projekt auszuarbeiten. Letzteres geschah und die betreffenden technischen Vorarbeiten wurden den interessierten Kreisen durch Verfügung Nr. 2158 vom 1. Dezember 1906 zur Vernehmlassung zugestellt.
3. In einem gewissen Zusammenhang mit der in Frage stehenden Verlegung der Frauenfelder Landstraße steht die im Jahre 1907 erfolgte, Erstellung der Verbindungsstraße III. Klasse Stadtrain bis Schulhaus im Thalacker durch die Gemeinde Oberwinterthur, indem mit der Eröffnung dieser Straßenstrecke im Frühjahr 1908 der ganze schwerere Verkehr sich von der durch das Dorf führenden Hauptstraße abwandte und diese Straße sowie die vorhandene Fortsetzung längs der Bahn gegen die Station Oberwinterthur benützte, obschon diese Nebenstraße in ihrer Anlage einer solchen Beanspruchung nicht gewachsen war und bald in einen schlechten Zustand geriet.
4. Ende August 1908 erschien das Projekt der Bundesbahnen über die Erstellung eines zweiten Geleises auf der Strecke Wil-Winterthur, in welchem eine Beseitigung des Niveauüberganges der Frauenfelderstraße im Stadtrain an anderer Stelle vorgesehen war, als man ursprünglich in Aussicht genommen hatte. Die Anpassung an die neuen Verhältnisse ließ auch eine Änderung in der Richtung der projektierten Straße wünschbar erscheinen. Im Bericht des Kantonsingenieurs zur Verfügung Nr. 887 der Baudirektion vom 10. Mai 1911 findet sich hierüber eine einläßliche Darstellung.
5. Das nun vorliegende abgeänderte Straßenprojekt weist eine Baulänge von 1365 m auf, wovon 1000 m auf ein neues Trace, 365 m auf die Korrektion bestehender Straßen entfallen. Für die ganze Bau- und Korrektionsstrecke ist eine Gebietsbreite von 10 m in Aussicht genommen. Bei beidseitig je 0,90 m breiten Gräben oder Schalen erhält die Fahrbahn eine Breite von 8,20 m. Die Steigungen auf der neu zu erstellenden Straßenstrecke vom Stadtrain bis zur Rietbachbrücke halten sich innert der Grenzen von 0,3 und 0,45%. Die Gefällsverhältnisse der bestehenden Straße Rietbachbrücke-Frauenfelderstraße bleiben unverändert, während das Gefälle der letztem auf eine Länge von zirka 80 m auf 4% reduziert werden soll.
Nach dem Kostenvoranschlag ergeben sich für die einzelnen Arbeitsgattungen ungefähr folgende Beträge:
1. | Grunderwerb | Fr. | 26,500.- |
2. | Erdarbeiten | " | 7,183.35 |
3. | Dolen, Schalen, Mauern | " | 7,560.- |
4. | Steinbett und Bekiesung | " | 23,560,- |
5. | Schutzwehren und Marken | " | 1,660.- |
6. | Bauaufsicht | " | 1,200.- |
7. | Verschiedenes | " | 3,936.65 |
Total | Fr. | 71,600.- |
6. Wie aus den Vernehmlassungen der Gemeindebehörden hervorgeht, werden die von vier Gemeinden früher offerierten Beiträge von zusammen Fr. 2500 auch an das vorliegende Projekt geleistet. Seinerzeit hatten im fernem private Interessenten eine Beitragssumme von zirka Fr. 7000 in Aussicht gestellt. Die von den Grundbesitzern offerierten Beiträge können aber bei weitem nicht als ausreichend betrachtet werden. Wenn es einmal zur Durchführung der Straßenbaute kommt, werden diese Beiträge gestützt auf die einschlägigen Bestimmungen des Baugesetzes und des Expropriationsgesetzes festgesetzt und erhältlich gemacht werden müssen. Dieses Verfahren ermöglicht dann auch, sämtliche Interessenten heranzuziehen und nicht nur diejenigen, welche sich freiwillig dazu verstehen. In dieser Hinsicht ist zu bemerken, daß das ganze Gebiet beidseitig der neuen Straße zwischen Stadtrain und Rietbachbrücke dem Baugesetz in dessen vollem Umfange unterstellt ist.
7. In Ziffer 3 dieses Berichtes ist bereits darauf hingewiesen worden, daß nach Erstellung der Straße III. Klasse Stadtrain-Schulhaus Talacker dem Fuhrwerkverkehr Gelegenheit geboten worden sei, den starken Steigungen der bestehenden Straße durch das Dorf auszuweichen und daß dies in weitgehendem Maße auch geschehe. Die mitbenutzte Straße II. Klasse längs der Bahn vom Talackerschulhaus bis zur Station Oberwinterthur wird aber dadurch so mitgenommen, daß sie sich trotz intensiven und teueren [sic!] Unterhaltes jeweilen bald wieder in schlechtem Zustande befindet. Eine eingreifende und teure Korrektion - es handelt sich dabei um Erstellung von zwei neuen Brücken über die Eulach und den Mühlekanal - wäre daher nicht mehr lange hinauszuschieben. Dadurch würde die projektierte Straße am Fuße der Berghalde aber keineswegs entbehrlich werden, sondern früher oder später auch erstellt werden müssen. Von diesem Zeitpunkt an würde ihr wegen der damit verbundenen Abkürzung von zirka 215 m und der günstigeren Richtung aller durchgehende Verkehr zufallen und die Straße längs der Bahn verlassen sein. Letztere hätte nur noch den Lokalverkehr zu vermitteln und würde diesen auch ohne Korrektion noch lange Zeit bewältigen können. Der Bezirksrat trifft daher gewiß das Richtige, wenn er empfiehlt, alle Kräfte auf die Ausführung des vorliegenden Projektes zu konzentrieren, das allein eine befriedigende, allen Verhältnissen Rechnung tragende Lösung bringen könne.
8. Aus den angeführten Gründen rechtfertigt es sich, diesem Straßenprojekte die Genehmigung zu erteilen, immerhin in der Meinung, daß der Regierungsrat nicht jetzt schon über die Zeit der Ausführung einen Entscheid treffe, sondern sich in dieser Beziehung freie Hand Vorbehalte. Maßgebend hiefür werden die Kredite sein, welche der Kantonsrat für Straßenbauten zur Verfügung stellt, nicht zum wenigsten aber auch die Stellungnahme der Grundbesitzer, welchen durch die Erstellung der Straßenbaute Vorteile erwachsen.
9. Mit Rücksicht auf die sich geltend machende Bautätigkeit in dem von der Straße durchzogenen Gebiete ist aber auch die Möglichkeit einer spätern, projektgemäßen Ausführung der Straße durch Festsetzung der Bau- und Niveaulinien zu sichern.
Dies ist bereits geschehen hinsichtlich der Strecke Talackerstraße-Rietbachbrücke und der Regierungsrat hat der betreffenden Vorlage des Gemeinderates Oberwinterthur mit Beschluß Nr. 1656 vom 29. September 1910 die Genehmigung erteilt. Es ist aber wünschbar, daß mit möglichster Beförderung die Bau- und Niveaulinien auch auf der übrigen dem Baugesetz unterstellten Strecke festgesetzt werden.
10. Was den Charakter der zu erstellenden Straße betrifft, so ist anzuerkennen, daß die ihr zukommende Bedeutung die Einreihung in die erste Klasse rechtfertigt, indem sie tatsächlich an die Stelle der betreffenden Strecke der Hauptstraße durch das Dorf treten wird. Mit Rücksicht darauf, daß das alte Dorf Oberwinterthur immer einen beträchtlichen Gemeindeteil von erheblicher Bedeutung bilden wird, wird es in Anwendung von § 3 des Straßengesetzes begründet sein, die bisherige Straße I. Klasse durch das Dorf künftig noch als Straße II. Klasse beizubehalten. Dagegen ist es selbstverständlich, daß eine Rückversetzung der jetzigen Straße II. Klasse längs der Bahn in die III. Klasse zu erfolgen hat. Keine größere Bedeutung wird künftig auch der zwischen der alten und neuen Frauenfelderstraße liegenden Teilstrecke der Talackerstraße (Straße II. Klasse Oberwinterthur Nr. 7) beizumessen sein.
Auf Antrag der Baudirektion
beschließt der Regierungsrat:
I. Dem durch die Baudirektion vorgelegten Projekt über die Verlegung der Straße I. Klasse Winterthur-Frauenfeld an den Fuß der Berghalde südlich des Dorfes Oberwinterthur wird die Genehmigung erteilt, in der Meinung, daß sich der Regierungsrat über die Zeit der Ausführung der Baute freie Hand vorbehält.
II. Der Gemeinderat Oberwinterthur wird eingeladen, auch für die Strecke der projektierten Straße vom Stadtrain [p. 381] bis zur Talackerstraße Bau- und Niveaulinien festzusetzen und diese mit möglichster Beförderung zur Genehmigung einzureichen.
III. Mitteilung an den Gemeinderat Oberwinterthur, an den Bezirksrat Winterthur und an die Baudirektion.