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Staatsarchiv des Kantons Zürich

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SignaturStAZH MM 3.27 RRB 1913/0860
TitelBaute, § 149.
Datum19.04.1913
P.318–319

[p. 318] In Sachen des Joh. Vogelsanger, Wirt zum Adler in Feuerthalen, vertreten durch Karl Leemann, Architekt, in Schaffhausen, Gesuchsteller, betreffend Baute, § 149,

hat sich ergeben:

A. Der Gesuchsteller beabsichtigt, sein an der Adlergasse in Feuerthalen gelegenes Gasthaus umzubauen. In der Hauptsache wird bezweckt, den Hoteleingang, das Treppenhaus und die Abtritte nach Norden zu verlegen, Küche und Restaurant zu vergrößern, den Saal um 14.4 m zu verlängern und eine Theaterbühne mit Garderobe-, Requisiten- und Toilettenräumen einzubauen. Außerdem beabsichtigt der Gesuchsteller, in der südöstlichen Ecke seiner Liegenschaft eine 35 m lange und 15 m breite Festhütte für den Sommerbetrieb mit Tribüne, Musikpavillon und Aborten zu erstellen. Die Höhe bis zum Dachgesims beträgt 4,6 m. Mit Ausnahme der Fundamente und der unterirdisch liegenden Aborte ist für die Festhütte reine Holzkonstruktion vorgesehen.

B. Der Gemeinderat Feuerthalen verweigerte mit Beschluß vom 12. März 1913 die Baubewilligung, weil das umzubauende Gebäude um zirka 3,5 m über die Baulinie der Adlergasse hinausrage (§ 120 des Baugesetzes), weil das Restaurant eine ungenügende lichte Höhe aufweise und sonst in einigen Teilen dem Baugesetz nicht entspreche (§§ 74 und 116). Die Bauverweigerung für die Festhütte wurde deshalb ausgesprochen, weil für Gebäude in reiner Holzkonstruktion nach § 78, Absatz 2 des Baugesetzes ein Abstand von 8 m von der Nachbargrenze einzuhalten ist, während das Projekt einen solchen von bloß 3,5 m vorsieht.

C. Mit Eingabe vom 19. März 1913 ersucht Architekt K. Leemann. in Schaffhausen, namens J. Vogelsanger um Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Ausführung des Bauprojektes.

D. Der Gemeinderat Feuerthalen, zur Vernehmlassung eingeladen, empfiehlt unterm 5. April 1913 die Bewilligung der Umbaute des Gasthauses, beantragt jedoch, von der Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Festhütte abzusehen. Der Gemeinderat stützt sich dabei auf ein Gutachten seines Bauexperten vom 3. April 1913, das folgende Gründe, die zu Gunsten der Ausnahmebewilligung sprechen, aufzählt: Verbesserung der Verkehrs- und Betriebsverhältnisse des renommierten Gasthauses, Verbesserung der Abortanlagen, Wegfall der steinernen Vortreppe und der Rampe längs der Straßenfront, wodurch die Adlergasse verbreitert wird, Einrichtung eines geräumigen Saales, der den verschiedensten Zwecken dienen und so indirekt der Gemeinde erwünschten Nutzen bringen könne. Voraussichtlich werde es nie dazu kommen, daß die Gebäude auf die Baulinie zurückgesetzt werden, wenn hiezu ein Naturereignis nicht Vorschub leiste. Die Kosten würden in keinem Verhältnis zum erreichbaren Ziel stehen, da wegen der Steilheit der Straße der Wagenverkehr auf die örtlichen Bedürfnisse beschränkt bleibe; dem Durchgangsverkehr diene die Winterthurer Landstraße.

Der Gemeinderat ersucht sodann, die Bewilligung an folgende Bedingungen zu knüpfen:

1. Keller, beziehungsweise I. Geschoß. Das für die Wohnung neu zu erstellende Zimmer muß eine Minimalhöhe von 2,50 m bekommen. Der neue Wohnungsabtritt muß durch Einsetzen eines Fensters in die östliche Wand direkt entlüftet werden können und mit einem englischen Klosett, das direkt an den öffentlichen Ablaufkanal angeschlossen wird, versehen werden, um zu verhüten, daß üble Gerüche in die Küche eindringen. Dem für das Theater bestimmten Damenabtritt soll etwas reichlicher Luft zugeführt werden, auch ist für eine intensive Entlüftung zu sorgen. Unter der Saalverlängerung ist der Erdboden durch einen die Grundluft abhaltenden Belag zu decken und der Hohlraum entlüftbar einzurichten.

2. Erdgeschoß, beziehungsweise II. Stock. Sowohl der neue als auch der alte Teil des Restaurants soll eine Minimalhöhe von 2,50 m erhalten. Die Abtritträume und das Treppenhaus müssen leicht entlüftbar sein. Im nördlichen Teil des Saales muß nach Westen und von der Bühne nach Süden je eine Notausgangstüre mit nach außen sich öffnenden Türflügeln angebracht werden. Die vordere Bühnenwand ist über der Saaldecke als Brandmauer aufzuführen.

3. I. Stock, beziehungsweise III. Geschoß. Der Gang zwischen den Fremdenzimmern muß besser erhellt werden. Zwischen diesem Gang und dem Treppenhaus darf keine Türe angebracht werden.

4. Dachstock, beziehungsweise IV. Geschoß. Die Zugangstüre muß mindestens 1 m breit sein. Das Abtrittfenster muß seitlich aufgehen und der Gang besser erhellt werden.

5. Umgebung. Um im Sinne von § 60 des Baugesetzes für Notfälle einen Zutritt zu den rückwärts gelegenen Gebäulichkeiten zu ermöglichen, ist auf der Südseite ein guter Zugangsweg von mindestens 3 m Breite zu erstellen. J. Vogelsanger [p. 319] ist verpflichtet, sich mit seinem Nachbarn A. Fleischmann zu verständigen und mit ihm ein gemeinsames Projekt über die Vortreppe beziehungsweise Zugänge zu den Hausgängen an der Adlergasse anzufertigen und dem Gemeinderat zur Genehmigung vorzulegen.

6. Allgemeines. Über die sanitären Anlagen, die Beleuchtung und die Sicherheitsvorkehrungen ist dem Gemeinderat ein ausführlicher Beschrieb, nötigenfalls mit Zeichnungsbeilagen, zur Genehmigung zu unterbreiten.

Es kommt in Betracht:

Nach § 120 des Baugesetzes bedürfen Um- und Aufbauten von Gebäuden, die über die Baulinie hinausragen, der ausdrücklichen Bewilligung der Gemeindebehörden. Ob an solchen Gebäuden auch Anbauten ausgeführt werden dürfen, ist im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt. Der Regierungsrat hat sich über diese Frage noch nie ausgesprochen. Für die Entscheidung im vorliegenden Fall kommt in Betracht, daß der Gemeinderat Feuerthalen nun in seiner Vernehmlassung den Umbau befürwortet, da die Durchführung der Baulinien der Adlergasse, welche eine Straße III. Klasse ist, wegen ihrer Steilheit und des Vorhandenseins der Hauptstraße Schaffhausen-Winterthur nicht wahrscheinlich sei. Die letztere Erwägung muß als richtig anerkannt werden; auch kann es unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse fraglich erscheinen, ob, wenn die Baulinien an der Adlergasse noch nicht beständen, sie heute noch festgelegt würden.

Der Augenschein hat sodann gezeigt, daß sowohl vom hyginischen [sic!], wie vom feuerpolizeilichen Standpunkt aus und im Interesse der Sicherheit des im Gasthof verkehrenden Publikums wie des Hotelpersonals die projektierte Umbaute ganz erhebliche Verbesserungen zu bringen geeignet ist. Der Umbau des Gasthofes kann daher bewilligt werden. Die definitive Baubewilligung ist vom Gemeinderat auszustellen, der sie unter den von ihm bereits namhaft gemachten Vorbehalten (lit. D) und außerdem noch unter folgenden Bedingungen erteilen kann:

1. Der Gang im 1. Stock ist auf mindestens 1,2 m zu verbreitern (§ 89);

2. die hintere Fassadenmauer des Treppenhauses ist mindestens 38 cm stark auszuführen (§ 76);

3. zwischen dem Saalbau und dem Hotelbau ist vom I. Stock an eine massive Brandmauer gemäß § 82 des Baugesetzes aufzuführen; im Erdgeschoß ist die Scheidewand zwischen dem Gesellschaftszimmer und der Küche als Brandmauer auszubilden;

4. zwecks Verbreiterung der Adlergasse sind sämtliche Rampen und Vortreppen zu beseitigen und eventuell in das Haus hinein zu verlegen (vergleiche Ziffer 5 der gemeinderätlichen Vorbehalte);

5. der Bauherr hat einen Mehrwertsrevers im Sinne von § 120 des Baugesetzes anzuloben.

Für die Zimmer im Dachstock ist eine neue genaue Planvorlage erforderlich. Sodann hat der Hauseigentümer die zu der Wohnung im Kellergeschoß gehörenden zwei Zimmer als Wohnzimmer aufzuheben, da sie eine unzureichende Fensterfläche besitzen (§ 93) und außerdem bis zu 0,8 m in den Erdboden hinabreichen (§ 70). Eine Ausnahmebewilligung für deren Fortbenutzung kann nicht erteilt werden, da sie vom sanitären Standpunkt aus durchaus zu beanstanden sind.

In Übereinstimmung mit dem Antrag des Gemeinderates kann für die Festhütte keine Ausnahme von § 78 des Baugesetzes erteilt werden, da ihr feuerpolizeiliche Bedenken entgegen stehen. Will der Gesuchsteller die Festhütte gemäß Projekt ausführen, so hat er die Umfangswände in feuersicherem Material zu erstellen.

Auf Antrag der Baudirektion

beschließt der Regierungsrat:

I. Gegen die Um- und Anbaute des Gasthofes zum Adler in Feuerthalen nach den eingereichten Plänen und unter den im faktischen Teil, lit. D, und in den Erwägungen genannten Bedingungen ist nichts einzuwenden.

II. Das Ausnahmegesuch für die Erstellung der Festhütte wird abgewiesen.

III. Die Kosten, bestehend in einer Staatsgebühr von Fr. 35, sowie in den Ausfertigungs- und Stempelgebühren, werden vom Gesuchsteller bezogen.

IV. Mitteilung an J. Vogelsanger, Wirt zum Adler in Feuerthalen, an den Gemeinderat Feuerthalen unter Zustellung der Akten und Pläne zur Erteilung der Baubewilligung, sowie an die Baudirektion.