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Staatsarchiv des Kantons Zürich

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SignaturStAZH MM 3.31 RRB 1917/2892
TitelAmtlicher Verkehr (Höflichkeitsformeln).
Datum08.11.1917
P.977–978

[p. 977] Die Staatskanzlei berichtet:

A. Am 14. Februar 1888 faßte der Stadtrat Zürich den Beschluß, im amtlichen Verkehr die Höflichkeitsformeln, die teils als Zusätze zu amtlichen Titulaturen oder in der Anrede, teils in Verbindung mit der Unterschrift gebraucht zu werden pflegen, wegzulassen, wobei die Erwartung geäußert wurde, daß die mit der städtischen Verwaltung verkehrenden Behörden und Privaten ihr gegenüber ein gleiches tun werden. Nach der Stadtvereinigung erachtete es der Stadtrat Zürich für gegeben, diesen Brauch in die neue Verwaltung hinüber zu nehmen (Beschluß des Stadtrates Zürich vom 13. September 1892). Mit Schlußnahme vom 26. Februar 1898 wurden die städtischen Verwaltungs- und Dienstabteilungen nochmals darauf aufmerksam gemacht, daß in dem ganzen schriftlichen Verkehre des Stadtrates, sowie der unter seiner Aufsicht stehenden Ämter - also auch in Antworten an obere Behörden - bei der Anrede und am Schlusse bloße Höflichkeitsformeln wegzulassen seien. Im amtlichen Vorkehr zwischen Regierungsrat und Stadtrat Zürich sind daher seit Jahren die Höflichkeitsformeln außer Gebrauch.

Am 1. November 1906 hat der Regierungsrat auf eine Anregung des Obergerichtes hin beschlossen, im Verkehr mit dem Obergericht auf alle Höflichkeitsformeln am Eingang und am [p. 978] Schluß der Zuschriften zu verzichten. Im Januar 1915 sind die Direktionen des Erziehungswesens, der Justiz, der Polizei und des Militärs, sowie der öffentlichen Bauten übereingekommen, sämtliche Höflichkeitsformeln, Anreden und Hochachtungsbezeugungen im Verkehr miteinander bis auf weiteres wegzulassen. Am 2. August 1917 beschloß der Regierungsrat, dieses Verfahren auf den Verkehr sämtlicher Direktionen und ihrer Abteilungen auszudehnen.

Im Anschluß an die Maßnahme des Regierungsrates vom 2. August 1917 wurde die Staatskanzlei eingeladen, die Frage zu prüfen und dem Regierungsrat Bericht zu erstatten, ob nicht im amtlichen Verkehr mit Behörden und Privaten die Höflichkeitsformeln gänzlich abgeschafft werden sollten.

B. Daß Titulaturen und Achtungsbezeugungen in vielen Fällen Geschmacksverirrungen bedeuten, in andern geradezu unwahr sind und nicht selten mit dem materiellen Inhalt der Korrespondenzen in Widerspruch stehen, ist Tatsache. Schon darum könnten sie ohne Schaden weggelassen werden. Für ihren Gebrauch besteht aber auch sonst keine Notwendigkeit. Das Ansehen einer Behörde oder Person ist von der Anwendung der Höflichkeitsformeln unabhängig. Auf die Sache kommt es an, nicht auf Amt, Person und Form (solange letztere sich wenigstens innert der durch Anstand und gute Sitte gebotenen Schranken bewegt). Auch geben nicht Titulatur und Schlußformel einem Schreiben das Gepräge, sondern sein Inhalt. Was aber den Inhalt anbetrifft, ist die deutsche Sprache reich und gestaltungsfähig genug, auch ohne Höflichkeitsformeln durch entsprechende Stilisierung die Gesinnung des Schreibenden zum Ausdruck zu bringen. Die Weglassung der Höflichkeitsformeln zwingt den Schreibenden zu knappem, sachlichem Ausdruck und erleichtert und fördert damit den schriftlichen Verkehr. Endlich bedeutet sie eine wesentliche Zeit- und Papierersparnis.

C. Aus den angegebenen Gründen erscheint es angezeigt, im amtlichen Verkehr mit Privaten auf alle Höflichkeitsformeln zu verzichten. Aber auch im Verkehr der kantonalen Behörden und Amtsstellen unter sich, mit untern und obern Instanzen, fehlt im allgemeinen eine zwingende Notwendigkeit zu ihrem Gebrauch, da hiebei nur unpersönliche und amtliche Beziehungen in Frage stehen. Im Verkehr mit den kantonalen, Bezirks- und Gemeindebehörden und Amtsstellen, ebenso im Verkehr mit den Departementen des Bundesrates, den schweizerischen Bundesbahnen und dem Bundesgericht, sowie den schweizerischen Gesandtschaften und Konsulaten im Ausland können daher die farblosen Höflichkeitsformeln ohne Bedenken weggelassen werden.

Fraglich erscheint es, ob im Verkehr der Kantonsregierungen unter sich eine Ausnahme zu Gunsten der Höflichkeitsformeln gemacht werden soll. Gewiß läßt sich nicht bestreiten, daß in manchen Schreiben, in denen der sogenannte eidgenössische Gruß zur Anwendung kommt, der Wortlaut dieser Formel dem Inhalt der Zuschriften geradezu aufgezwungen erscheint, so bei Heimschaffungen, Niederlassungsentzügen etc. Aber ebenso unbestreitbar ist, daß in vielen Fällen der Gebrauch des eidgenössischen Grußes dazu zwingt, das Schreiben so zu formen, daß sein Inhalt mit dem eidgenössischen Gruß in keinen allzu schroffen Gegensatz kommt. Auch mag es bei wichtigen Streitfragen von Kanton zu Kanton nur von gutem sein, wenn durch den eidgenössischen Gruß immer wieder das einigende betont und das Gefühl der Zusammengehörigkeit wachgehalten wird. Endlich steht es einer Zeit, welche die ideale Bedeutung des Heimatschutzes mehr und mehr erkennt, kaum an, alte, durch Überlieferung ehrwürdige Formeln aus Gründen der Zeit- und Papierersparnis fallen zu lassen. Eventuell könnte man den eidgenössischen Gruß wenigstens für jene Fälle vorbehalten, in denen kein reiner Verwaltungsakt in Frage steht, sondern in denen es sich in erster Linie um eine Bekundung gemeineidgenössischer Gesinnung handelt, wie bei Zuschriften anläßlich: vaterländischer Gedenktage, bei Einladungen zu patriotischen Zusammenkünften, bei Verdankungen solcher, bei Kondolenzen u. s. w. Doch weil wir den eidgenössischen Gruß durchgehends für mehr als eine bloße Formel halten, möchten wir dessen ausnahmslose Beibehaltung befürworten.

In Bezug auf den amtlichen Verkehr mit dem Bundesrat sind wir der Ansicht, daß es nicht Sache der zürcherischen Behörden sei, die bisherige Form des Verkehrs abzuändern; man dürfte in dieser Hinsicht die Initiative füglich der Bundeskanzlei überlassen.

D. Was die Durchführung dieser Neuerung anbetrifft, empfiehlt es sich, für die Übergangszeit den Zuschriften an die in Betracht kommenden Behörden, Amtsstellen und Privaten einen Zettel beizugeben des Inhalts, daß sich die kantonale Verwaltung grundsätzlich bloßer Höflichkeitsformeln in ihren Zuschriften enthalte und dafür erkenntlich sei, wenn sowohl Behörden als Private ihr gegenüber ein gleiches tun.

Der Regierungsrat,

nach Einsicht eines Berichtes der Staatskanzlei und auf den Antrag seines Präsidenten,

beschließt:

I. Im schriftlichen Verkehr mit den Behörden und Beamtungen der Kantone und des Bundes, sowie mit Privaten enthalten sich der Regierungsrat und die ihm unterstellten Amtsstellen fortan aller Höflichkeitsformeln, in der Erwartung, daß Behörden und Private ihnen gegenüber ein gleiches tun.

II. Der schriftliche Verkehr mit den Kantonsregierungen und dem Gesamt-Bundesrat bleibt von diesem Beschlusse unberührt.

III. Die Staatskanzlei wird beauftragt, für die Direktionen des Regierungsrates, sowie die einzelnen Abteilungen und Amtsstellen Zettel drucken zu lassen, die sie bis auf weiteres Zuschriften beilegen mögen, um die Empfänger zur Weglassung der Höflichkeitsformeln zu bewegen.

IV. Mitteilung an sämtliche Direktionen des Regierungsrates für sich und zu Handen der ihnen unterstellten Amtsstellen, an die Bundeskanzlei und die Staatskanzleien, an Verwaltungsrat und Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen, sowie an die Bundesgerichtskanzlei, ferner Publikation von Dispositiv I und II im Amtsblatt.