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Staatsarchiv des Kantons Zürich

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SignaturStAZH MM 3.33 RRB 1919/2404
TitelBauten, § 149.
Datum06.09.1919
P.853–854

[p. 853] Die Immobiliengenossenschaft «Favorite», in Zürich 1, beabsichtigt die Erstellung einer zusammenhängenden Gruppe von 20 Einfamilienhäusern an der Ütlibergstraße, in Zürich 3, und einer solchen von sieben Einfamilienhäusern an der Verbindungsstraße zwischen Zeppelinstraße und Hofwiesenstraße, in Zürich 6. Im Interesse der Kostenersparnis sind gegenüber der normalen Baukonstruktion verschiedene Vereinfachungen vorgesehen, die, soweit sie von den Vorschriften des Baugesetzes abweichen, einer Ausnahmebewilligung des Regierungsrates bedürfen.

Nach der Zuschrift des Stadtrates Zürich an die Baudirektion vom 6. August 1919 handelt es sich um folgende Ausnahmen:

1. Entgegen der Vorschrift des § 82, Absatz 3, des Baugesetzes, der vorschreibt, daß Brandmauern wenigstens 30 Zentimeter über die Dachfläche hinausragen müssen, ist vorgesehen, den Schutz gegen das Überspringen des Feuers von einem Haus zum andern über die Brandmauer weg nur durch eine Ziegelschicht zu schaffen, die auf die Breite der Brandmauer in Mörtel verlegt wird.

Der Stadtrat Zürich hält diese Konstruktion für die vorgesehenen Bauten für genügend. Das kantonale Bureau für Feuerpolizei möchte dagegen die Brandmauern wenigstens je auf 20 Meter durch armierte Betonplatten abdecken lassen. Ein von der Baudirektion bei Oberst Schieß in Zollikon eingezogenes kurzes Gutachten kommt zum Schluß, daß die von der Gesuchstellerin vorgeschlagene Konstruktion bei dem Charakter der projektierten Bauten als Kleinwohnbauten ausreichend erachtet werden könne, da es bei diesen Dimensionen der Bauten möglich sein sollte, ein ausgebrochenes Schadenfeuer auf ein Gebäude zu beschränken, bevor ein Übergreifen des Feuers auf das Nachbargebäude stattfinden könnte. Die Baudirektion stimmt dieser Auffassung zu und beantragt die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von § 82, Absatz 3, des Baugesetzes im Sinne eines Verzichtes auf die Höherführung der Brandmauern über das Dach hinaus.

2. Es ist vorgesehen, die Brandmauern nur in einer Dicke von 0,25 m statt normalerweise 0,3 m von unten auf zu halten. Der Regierungsrat hat in letzter Zeit zu wiederholten Malen, speziell auch bei den städtischen Wohnhäusern an der Nordstraße, auf dem Rebhügel und an der Dorf-/Kleinerstraße, Brandmauern mit nur 25 cm Dicke vom Boden auf zugelassen. Da es sich dort um größere Bauten handelte, kann die Bewilligung bei den hier projektierten zweigeschossigen Einfamilienhäusern unbedenklich ausgesprochen werden.

3. Die Dachgesimse bei den Brandmauern, die nach § 82 des Baugesetzes durch Stein- oder Mauerwerk unterbrochen werden müssen, sollen nur mit Eternittafeln isoliert und es sollen die Holzuntersichten durchgeführt werden. Der Stadtrat stimmt der vorgeschlagenen Konstruktion zu; diese Baumaßnahmen könnten als genügend erachtet werden, weil die Gefahr des Überspringens des Feuers nicht groß sei. Die Vernehmlassung des Experten Schieß lautet dahin, daß die beabsichtigte Konstruktion für das Bauprojekt der Gesuchstellerin als ausreichend angesehen werden könne. Die Baudirektion beantragt die Erteilung der nachgesuchten Ausnahmebewilligung.

4. Die Gesuchstellerin beabsichtigt, die Brandmauern als Tragwände und zur Auflage von Holzbalken zu verwenden. Der Stadtrat Zürich bemerkt, daß er die hiefür erforderliche Ausnahmebewilligung befürworten könne, unter der Bedingung, daß dort, wo sich die Balken treffen, zwischen den Balkenköpfen ein dichter, fetter Beton (zweimal 10 cm Auflager und 5 cm Beton dazwischen) erstellt werde. Die Ausbildung der Brandmauern als Tragwände sei ein sorgfältig durchgearbeiteter Versuch, die Baukosten zu verringern. Die zur Begutachtung sämtlicher Ausnahmegesuche eingeladene Kommission aus Fachexperten erachte die Standfestigkeit der Brandmauern bei dieser Konstruktion nicht für gefährdet und als ausgeschlossen, daß sich das Feuer von Balken zu Balken durchsetzen könnte. Das kantonale Bureau für Feuerpolizei hält dafür, daß diese Konstruktion bei den Bauten an der Ütlibergstraße und bei sorgfältiger Ausführung gewagt werden dürfe. Nur müsse die Ausführung auf Kosten der Bauherrin durch die Bau- und [p. 854] Feuerpolizei konstant überwacht werden. Das kantonale Hochbauamt erachtet die vorgeschlagene Konstruktion der Brandmauern für die projektierten Häusergruppen als zulässig; es hält eine strenge Kontrolle über sorgfältige Bauausführung aber ebenfalls für notwendig. Die Baudirektion kann mit diesem Vorbehalt die Erteilung der erforderlichen Ausnahmebewilligung befürworten.

5. Eine weitere Ausnahmebewilligung wird gewünscht für den Wegfall des feuersichern Keller- und Windenabschlusses gegen das Treppenhaus, den Artikel 8 der städtischen Verordnung über das sechste Geschoß vorschreibt. Stadtrat, kantonales Hochbauamt und kantonales Bureau für Feuerpolizei sind übereinstimmend der Ansicht, daß dem Begehren ohne weiteres entsprochen werden könne.

6. In den Erkern sind die Holzdecken ohne Isolierung vorgesehen. Der Stadtrat befürwortet die Erteilung der Ausnahmebewilligung, da die in den projektierten Bauten vorgesehene elektrische Beleuchtung bei sorgfältiger Installation Zimmerbrände sozusagen ausschließe. Das kantonale Hochbauamt schließt sich dieser Auffassung an.

Dagegen bemerkt das kantonale Bureau für Feuerpolizei, daß auf der feuersichern Konstruktion der Decken beharrt werden sollte, da auch die elektrische Beleuchtung nicht ungefährlich sei. Es übersieht dabei aber offenbar, daß es sich nicht um ganze Decken handelt, sondern nur um die Decken in den kleinen Erkern. Die Baudirektion empfiehlt ebenfalls, diesem Begehren zu entsprechen.

7. § 90 des Baugesetzes schreibt vor. daß hölzerne Haupttreppen mit Gips- oder Pflasterdecken versehen sein müssen. Die Gesuchstellerin möchte im Interesse weiterer Kostenersparnisse auch davon Umgang nehmen und den Verputz der Treppenuntersichten weglassen. Der Stadtrat beantragt Zustimmung; die geringe Zahl von Bewohnern in Einfamilienhäusern könne sich in Brandfällen so rasch und rechtzeitig retten, daß unverputzte Treppenuntersichten keine Vermehrung der Gefahr mit sich brächten. Da das kantonale Hochbauamt in diesem Punkte anderer Ansicht war, wurde Oberst Schieß um seine Auffassung ersucht. Der Experte hält dafür, daß auf den Verputz der Treppenuntersichten in keinem Falle verzichtet werden könne. Es handle sich nicht bloß darum, daß die kleine Zahl von Hausbewohnern sich rechtzeitig in Sicherheit bringen könne, sondern ebensosehr darum, die Treppen so lange als möglich für den Innenangriff begehbar zu erhalten, um die Lokalisierung des Feuers zu ermöglichen. Das kantonale Bureau für Feuerpolizei ist der Meinung, daß die Kostenersparnis die erhöhte Gefahr kaum aufwiege.

Die Baudirektion beantragt unter diesen Umständen die Abweisung dieses Begehrens.

8. Die Gesuchstellerin sieht hölzerne Fußlambris auch an den Kaminwänden vor. Stadtrat und kantonales Hochbauamt sind übereinstimmend der Ansicht, daß dies nicht zuzulassen sei, auch dann nicht, wenn weder die Lambris noch die Eternitisolierung am Kamin befestigt werden.

9. Ein weiterer Punkt betrifft die Breite von Haustüre und Treppe. Die Gesuchstellerin wünscht die Reduzierung des Breitenmaßes auf 0,9 m entgegen § 89 des Baugesetzes, der als Minimum 1 m vorschreibt. Der Stadtrat glaubt, an diesem gesetzlichen Maß festhalten zu müssen. Die Ersparnis sei geringfügig. Gänge und gewundene Treppen erforderten aus praktischen Gründen die Breite von 1 m. Die Baudirektion ist grundsätzlich derselben Auffassung, glaubt aber, daß bei den kleinen Häusern der beiden Gruppen, die nur 5 m Breite besitzen, wenigstens die Treppenbreite mit nur 0,9 m ausnahmsweise zugelassen werden könne.

10. Schließlich ersucht die Bauherrin noch um Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Reduktion der Höhe von Waschküche und Dachgeschoß auf 2,3 m statt 2,5 m. Der Stadtrat beantragt Abweisung, da Zweck und Ausnützung der Räume die größere lichte Höhe als notwendig erscheinen ließen. Die Baudirektion stimmt mit dem Stadtrat in dem Verlangen nach der gesetzlichen Höhe für die Waschküchen überein, hält aber die Höhe des Dachgeschosses mit 2,3 m mit Rücksicht auf die freie, fast ländliche Umgebung der beiden Baugruppen für ausreichend.

Der Regierungsrat,

nach Einsicht eines Antrages der Baudirektion,

beschließt:

I. Der Immobiliengenossenschaft «Favorite», in Zürich 1, werden für die Erstellung von 20 Einfamilienhäusern an der Ütlibergstraße und von 7 Einfamilienhäusern an der Verbindungsstraße zwischen Zeppelin- und Hofwiesenstraße, in Zürich, gemäß den eingereichten Plänen Ausnahmebewilligungen erteilt von folgenden Vorschriften des Baugesetzes:

1. Hinsichtlich der Höherführung der Brandmauern über die Dachfläche (§ 82, Absatz 3);

2. für die nur 25 cm betragende Dicke der Brandmauern (§ 82, Absatz 1);

3. für den Unterbruch der hölzernen Dachgesimse mit Eternittafeln und für die Durchführung der Holzuntersichten (§ 82, Absatz 2);

4. für die Verwendung der Brandmauern als Tragwände in der projektierten Konstruktion (§ 82, Absatz 4);

Der Bauherrin wird die sorgfältige Ausführung ausdrücklich zur Pflicht gemacht und der Stadtrat Zürich eingeladen, die Ausführung kontrollieren zu lassen.

5. Für den Wegfall der feuersichern Keller- und Windenabschlüsse gegen die Treppenhäuser (Artikel 8 der Verordnung über das sechste Geschoß und Dachräume);

6. für die Holzdecken der Erker ohne Isolierung (§ 87);

7. für die Reduktion der Türen- und Treppenbreite auf 0,9 m in denjenigen Häusern, die nur eine Breite von 5 m besitzen (§ 98, Absatz 2);

8. für die Reduktion der Höhe der Dachgeschosse auf 2,3 m.

Die weiteren Gesuche werden abgewiesen.

II. Die Kosten, bestehend in einer Staatsgebühr von Fr. 40, nebst den Ausfertigungs- und Stempelgebühren, werden der Gesuchstellerin auferlegt.

III. Mitteilung an die Architekten Kündig & Ötiker, zu Handen der Gesuchstellerin, unter Bezug der Kosten, an den Stadtrat Zürich, an die Direktion des Innern, Abteilung Brandassekuranz, und an die Baudirektion.