Signatur | StAZH MM 3.34 RRB 1920/0022 |
Titel | Krematorium Zürich. |
Datum | 06.01.1920 |
P. | 12–13 |
[p. 12] A. Der Stadtrat von Zürich gelangt mit Eingabe vom 12. Februar 1919 an die Direktion des Gesundheitswesens, um auf Grund des Regulativs betreffend Staatsbeiträge an das Bestattungswesen vom 14. April 1902 beim Regierungsrate die Verabfolgung eines Staatsbeitrages für den Bau des neuen Krematoriums im Friedhof Sihlfeld D mit Urnenhallen und anschließenden Urnenhainen zu beantragen.
Zur Begründung des Gesuches wird im wesentlichen folgendes angeführt:
Das alte Krematorium im Friedhof Sihlfeld A ist in den Jahren 1887 bis 1889 durch den Feuerbestattungsverein auf seine Kosten gebaut worden. Durch Vertrag vom 10. März 1900 schenkte der Verein der Stadt das Krematorium gegen die Verpflichtung, die Leichen von Bewohnern der Stadt unentgeltlich einzuäschern. Die Zahl der Feuerbestattungen betrug im Jahre 1890 32; sie stieg im Jahre 1900 auf 115 und im Jahre 1912 auf 515. Von den Leichen von Einwohnern der Stadt wurden 16,5% eingeäschert. Die Stadt verpflichtete sich gegenüber dem Feuerbestattungsverein zur Errichtung eines zweiten Krematoriums mit einer Halle von wenigstens 600 Urnen. Die Ausführung wurde an Architekt Albert Fröhlich, aus Brugg, übertragen. Als Bauplatz wählte der Stadtrat das Erweiterungsgebiet des Friedhofes Sihlfeld.
Dem Hauptgebäude des neuen Krematoriums legt sich ein quadratischer Hof vor, durch eine Mauer eingefaßt, an die sich auf beiden Seiten des Hofes offene Hallen lehnen und die von vorn durch eine Einfahrt unterbrochen ist. Über dem Hofe erheben sich die Seitenhallen. Den Kern des Gebäudes bildet dersich hinter einer Säulenhalle öffnende Versammlungsraum mit Kuppelgewölbe. Zu beiden Seiten stoßen Urnenhallen an. An der Rückseite liegt der Verbrennungsraum. Es sind zwei Öfen eingebaut, die derart nebeneinander gesetzt sind, daß im unteren Teile des Ofens die Verbrennungsluft erhitzt wird und im oberen Teile der Sarg auf einen Rost zu stehen kommt. Die Särge gleiten auf wagrechten Schienen in den Verbrennungsraum. Um die Öfen im Keller reihen sich der Kohlenraum, die Heizung des Gebäudes, Bad und Abort, die Heizerstube und eine Werkstätte, im Erdgeschoß ein Zimmer für Redner und Verwandte, ein Abort mit Wascheinrichtung, ein Zimmer für die Verwaltung und ein Urnenlager. Uber der Vorhalle des Versammlungsraumes liegt die Sängerbühne mit einer Orgel. Die Urnenhallen sind an den Langseiten in je vier Nischen eingeteilt, an den äußeren Schmalseiten durch Rundnischen abgeschlossen und durch Türen mit den offenen Urnenhallen verbunden. Diese stehen gleich dem Hauptgebäude über dem Hofe erhöht. Diese Erhöhung zieht sich vor den Hallen der Mauer entlang und fällt mit einer Rasenböschung, vor der Eingangshalle des Krematoriums mit einer breiten Treppe, zum inneren Hofe, in dessen Mitte sich ein Brunnenbecken befindet. Zu beiden Seiten des Hofes liegen Urnenhaine. Die das Krematorium umschließenden Urnenhaine sind zur Aufnahme von Urnengräbern und zum Teil von Privatgräbern bestimmt. Die Urnenhaine bilden eine notwendige Erweiterung des nutzbaren Friedhofgebietes. Auch die Einfriedigungsmauer wird zur Aufnahme von Urnennischen praktisch verwendet. In den Urnenhallen lassen sich 1784 Nischen unterbringen. Das Krematorium und die dasselbe umschließenden Urnenhaine nebst Weganlagen haben einen Flächeninhalt von 10,900 m2. Am 6. März 1915 fand die Eröffnungsfeier statt.
Gemäß § 7, lit. e des Regulativs betreffend Staatsbeiträge an das Bestattungswesen vom 14. April 1902, werden an die Kosten für Einfriedigungen und Portale keine Staatsbeiträge gewährt. Das Krematoriumsgebiet mit den Urnenhainen ist durch eine praktisch ausgebaute Einfriedigungsmauer umschlossen, die zur Aufnahme von Urnennischen dient. Dadurch wird eine wesentliche Ersparnis an Friedhofgebiet gemacht. Die Einfriedigung erfüllt somit einen doppelten Zweck und spricht für die Beitragsberechtigung, weshalb der Stadtrat um Ausrichtung einer Subvention auch an diese Baukosten ersucht.
Die Abrechnung stellt sich in den Hauptposten wie folgt:
Ausgaben: | |||
1. | Landerwerb | Fr. | 263,568.78 |
2. | Tiefbauten | " | 57,117.20 |
3. | Hochbauten | " | 618,902.20 |
Gesamtausgaben | Fr. | 939,588.18 | |
Einnahmen: | |||
1. | Erlös aus verkauften Landabschnitten | Fr. | 5,500.- |
2. | Mietzinse, Erlös aus Gebäudeabbruch | " | 4,586.35 |
3. | Beiträge des Feuerbestattungsvereins | " | 69,657.20 |
Gesamteinnahmen | Fr. | 79,743.55 | |
Die Reinausgaben belaufen sich somit auf | Fr. | 859.844.63 |
B. Die Direktion des Gesundheitswesens kommt dazu, das Gesuch des Stadtrates von Zürich, das auch vom Bezirksarzt und der Direktion der öffentlichen Bauten unterstützt wird, prinzipiell gutzuheißen, immerhin mit den nachfolgenden Hinweisen und Erwägungen:
Das Regulativ betreffend Staatsbeiträge an das Bestattungswesen vom 14. April 1902 spricht bloß von einer Subventionierung von Neuanlagen und Erweiterungen von Friedhöfen etc. und gedenkt der Krematorien nicht, sodaß von einer eigentlichen gesetzlichen Subventionsverpflichtung des Staates gegenüber Krematorien nicht gesprochen werden kann. Dies einmal festgehalten, ist die Direktion des Gesundheitswesens doch der Ansicht, daß in Zukunft § 4 des betreffenden Regulativs extensiv ausgelegt, das heißt dahin erweitert werden sollte, daß auch die Krematorien in die staatliche Subventionsberechtigung einbezogen sein sollten. Einmal ist zu bedenken, daß zu der Zeit, da das Regulativ in Kraft trat, die Frage der Kremation der Leichen an Stelle der Beerdigung gewissermaßen noch im Abklärungsstadium sich befand und bloß auf private Initiative hin propagiert wurde. Sodann hat sich seit der Zeit des Überganges des ersten Krematoriums an die Stadt bis zum Jahre 1912 die Zahl der Feuerbestattungen versechszehnfacht und dieses Verhältnis der Kremation zur Erdbestattung würde sich jedenfalls heute in einem noch günstigeren Lichte [p. 13] zeigen, wenn nicht die Zeit des Krieges infolge zunehmender Kohlennot und Kohlenverteuerung sich hinderlich bemerkbar gemacht hätte. Man darf deshalb bestimmt sagen, daß die Feuerbestattung in Zukunft jedenfalls noch weitere bedeutende Fortschritte machen wird und darf auch darauf hinweisen, daß diese Bestattungsart hygienisch zudem die einwandfreieste ist. Aus diesen Gründen erscheint es durchaus angezeigt, das Regulativ betreffend die Subventionierung von Friedhöfen etc. auf die Krematorien auszudehnen und zwar umso mehr, als die Bestattung durch Kremation für den Staat auch eine bedeutende Ersparnis an Friedhofgebiet bedeutet, indem die Urnenaufbewahrung in kleinen Nischen schon infolge ihrer vertikalen Anordnung viel weniger Raum in Anspruch nimmt, als ein für eine gleiche Anzahl Plätze berechnetes Gräberfeld zum Zwecke der Erdbestattung.
Ferner muß darauf hingewiesen werden, daß, wenn auch die Subventionsverpflichtung der Krematorien durch den Staat schon stipuliert wäre, doch unter allen Umständen nach dem bestehenden Regulativ eine Subventionierung sowohl des Versammlungsraumes als auch der Einfriedigungsmauer dahinfiele. Es wird bei einer zukünftigen Revision darüber zu diskutieren sein, ob man in der Folge an diese gegenwärtigen Vorschriften sich weiter halten oder darüber hinausgehen will, hauptsächlich betreffend der Kremationseinfriedigung, die im Hinblick auf ihre eigentümliche Konstruktion zum Zwecke der Aufnahme von Urnen recht eigentlich als direktes Friedhofgebiet angesprochen werden kann.
Was deshalb die Höhe der nachgesuchten Subvention für das neue Krematorium anbetrifft, so erübrigt es sich nach Ansicht der Direktion des Gesundheitswesens heute auf eine genaue Berechnung der Subventionsquote an Hand der vorerwähnten Baukosten näher einzutreten. Eine pauschale Beitragsleistung im Betrage von rund Fr. 100,000, ähnlich wie dies früher beim alten Zürcher-Krematorium (Fr. 2000) und beim Winterthurer-Krematorium (Fr. 4000) geschehen ist, dürfte neben der Zusicherung einer zeitgemäßen Revision des mehrfach erwähnten Regulativs den gegenwärtigen Verhältnissen weitgehend Rechnung tragen und sowohl der staatlichen Unterstützungspflicht als auch den städtischen Erwartungen durchaus gerecht werden.
Nach Einsicht eines Antrages der Direktion des Gesundheitswesens
beschließt der Regierungsrat:
I. Der Stadt Zürich wird an den Bau des neuen Krematoriums im Friedhof Sihlfeld ein Staatsbeitrag von Fr. 100,000 in Aussicht gestellt, die Bewilligung des nötigen Kredites durch den Kantonsrat vorbehalten.
II. Die Finanzdirektion erhält den Auftrag, obige Summe unter Titel «Bestattungswesen» in das Budget der Direktion des Gesundheitswesens pro 1920 einzustellen.
III. Mitteilung an den Stadtrat von Zürich unter Rücksendung der eingelegten Akten, sowie an die Direktionen der Finanzen und des Gesundheitswesens.