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Staatsarchiv des Kantons Zürich

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SignaturStAZH MM 3.36 RRB 1922/3025
TitelExpropriation.
Datum02.12.1922
P.1047–1051

[p. 1047] In Sachen der Frau Witwe Aeberli-Wirz, in Erlenbach, gegen den Gemeinderat Erlenbach betreffend Expropriation hat sich ergeben:

A. Der Gemeinderat Erlenbach führt, gestützt auf die Regierungsratsbeschlüsse vom 29. Dezember 1921 betreffend Projekt-Genehmigung, und vom 26. Januar und 27. Juli 1922 betreffend Genehmigung der Bau- und Niveaulinien an der Seestraße in Erlenbach, das Expropriationsverfahren zum Zwecke der Straßenverbreiterung und der Erstellung einer bergseitigen Trottoiranlage an der dortigen Seestraße durch. Auf die im Amtsblatt Nr. 61 vom 1. August 1922 erlassene Bekanntmachung und Fristansetzung im Sinne des § 23 des kantonalen Expropriationsgesetzes vom 4. Mai 1879 hin hat Frau Aeberli-Wirz, in Erlenbach, beim Bezirksrat Meilen Einsprache im Sinne des § 24 leg. eil. erhoben und eine Abänderung des Projektes verlangt, in der Weise, daß die Haustreppe an der der Seestraße zugekehrten Front ihres Hauses nicht beseitigt werden müsse, sondern bestehen bleiben könne, sodaß ihr der gegenwärtige Zugang zu ihrem Hause über diese Treppe sowie der Zugang von der Seestraße her in ihren Keller ungeschmälert erhalten werde. Zur Begründung dieses Begehrens machte die Einsprecherin geltend, daß ihr bei Beseitigung jener Haustreppe kein gleichwertiger Ersatz für den Zugang zu Haus und Keller geboten werden könne und daher unter allen Umständen noch ein beträchtlicher Minderwert entschädigt werden müsse. Im Bauplan des Gemeinderates Erlenbach sei vorgesehen, daß nach Beseitigung des jetzigen Haupteinganges gegen die Seestraße der Noteingang im hintern Teil ihres Hauses auf der Front gegen Zürich als Haupteingang benützt werden solle. Dieser Eingang sei aber, abgesehen von dem bedeutenden Mehrweg, baulich als Haupteingang ganz ungenügend und bei Brandausbruch geradezu lebensgefährlich. An der schmälsten Stelle sei er bloß 0,9 m breit, während z. B. das städtische Baugesetz für solche Häuser im Minimum 1 m vorschreibe. Der Noteingang könne auch nicht verbreitert werden, ohne daß ein ganzes Schlafzimmer zum Opfer falle. Schon die jetzt vorgesehene Erweiterung des Platzes beim Noteingang bedinge eine schwer erträgliche Verkleinerung eines Schlafzimmers. Sodann werde aber auch die Bewerbung des großen Weinkellers der Einsprecherin durch die Beseitigung des Einganges in den Keller von der Seestraße her außerordentlich erschwert oder gar verunmöglicht. Der vorgeschlagene Eingang auf der Südseite des Hauses sei schon [p. 1048] technisch mit seinen 8 Tritten von 20 - 25 cm ganz ungenügend. Eventuell müsse eine Treppe von 1,5 m Breite mit Tritten von 16 cm Steigung und 30 cm Tiefe (Auftritt) angebracht werden. Damit werde aber der Einsprecherin viel nutzbares Gartenland weggenommen und das Haus stark verunstaltet. Das schlimmste aber sei, daß dadurch ein Zugang geschaffen werde, der den Keller als solchen gefährde, weil er ihn warm mache. Es bestehe die Gefahr, daß der Wein darin und werde, was zu schweren Schädigungen führen müsste. Die Einsprecherin und ihre Familie seien Weinbauern und auf den Erwerb aus dem Weinbau angewiesen und der Keller sei für sie ein zum Gewerbebetriebe notwendiges Lokal. All den befürchteten Schädigungen könnte durch Belassung der jetzigen Haustreppe vorgebeugt werden. Es könne dies durch eine entsprechende Verschmälerung des Trottoirs an der betreffenden Stelle erzielt werden. Solche Verschmälerungen fänden sich an vielen Orten in Städten und städtischen Ortschaften; die Verschmälerung sei ursprünglich auch hier vorgesehen gewesen, wofür auf die Pläne früherer Projekte verwiesen werde. Es wäre lediglich im Trottoir ein Tritt anzubringen, der mit einem eisernen Deckel zugedeckt würde, ferner eine hölzerne zweite Türe am Kellereingang unmittelbar am Trottoir, zum besseren Schutz auch gegen die Wärme, da die Rebe, die jetzt den Eingang decke, durch die Expropriation in Wegfall kommen werde. Für den Verkehr wäre die Verschmälerung des Trottoirs auf dieser kurzen Strecke ganz unerheblich. Müßte dann einmal neu gebaut werden, so komme der Zeitpunkt, wo auch hier das Trottoir in seiner ganzen Breite erstellt werden könne. Für den Fall, daß ihr Begehren auf Belassung der gegenwärtigen Haupttreppe nicht geschützt würde, stellte die Einsprecherin verschiedene Begehren betreffend die Gestaltung des neuen Haus- und Kellereinganges und der neuen Treppe zum Keller. Ferner meldete sie Entschädigungsforderungen an.

B. Der Gemeinderat Erlenbach bemerkte in seiner Vernehmlassung an den Bezirksrat vom 6. September 1922, der Regierungsrat habe mit Beschluß vom 27. Juli 1922 die Bau- und Niveaulinien der Seestraße Profil 600 - 750 genehmigt und dadurch habe die Gemeinde nach § 17 des Baugesetzes ohne weiteres das Expropriationsrecht bis auf die Baulinienflucht, welche gemäß Baulinienplan das Gebäude der Witwe Äberli anschneide, erhalten. Nach dem vorliegenden Trottoirprojekt werde das der Gemeinde zustehende Expropriationsrecht nicht im vollen Umfange ausgenützt, d. h. keine Gebäudeverkleinerungen verlangt, sondern lediglich die Abtretung des in das Trottoirgebiet hineinragenden Vorgartens und der Treppenanlage beansprucht. Nachdem auf der ganzen Länge des neu erstellten Trottoirs derartige Hindernisse oft mit größeren Kosten entfernt worden seien, sei die Gemeindebehörde im Interesse der Öffentlichkeit absolut nicht gewillt, im vorliegenden Falle auf das ihr zustehende Expropriationsrecht zu Gunsten der privaten Interessen zu verzichten, und sie halte an dem vom Regierungsrat genehmigten Trottoirprojekt fest. Auf die eventuellen Begehren der Einsprecherin (Verbreiterung des Kellereinganges, Zimmeränderung etc.) könne erst im Schätzungsverfahren eingetreten werden.

C. Der Bezirksrat Meilen hat die Einsprache mit Beschluß vom 14. versandt am 22. September 1922, abgewiesen. Er zog in Betracht, daß das offizielle, vom Regierungsrat genehmigte Trottoirprojekt für die Seestrasse in Erlenbach die Anlage eines bergseitigen Troittoirs [sic!] mit einer Gebietsbreite von 2,5 m vorsehe. Bei der Liegenschaft der Einsprecherin Witwe Aeberli-Wirz werde zufolge der in diesem Ortsteil gleichzeitig vorgesehenen Korrektion der Seestrasse von dem Land der Einsprecherin etwas weniges mehr, als für die normale Trottoirbreite erforderlich sei, beansprucht. Das Wohnhaus der Witwe Aeberli-Wirz rage mit der ganzen seeseitigen Flucht in das Trottoirgebiet hinein und die auf dieser Seite des Hauses angebaute Vortreppe käme mitten auf das Trottoirgebiet zu liegen, und nähme mehr als die Hälfte der Breite des Trottoirs weg. Die Treppe müsse daher nach dem Projekte dem Trottoir weichen. Dem Abänderungsbegehren der Einsprecherin, die Vortreppe zu belassen, könne nicht entsprochen werden. Ein Blick auf den Projekt-Plan mache sofort klar, daß die fragliche Treppenanlage für den Verkehr auf dem Trottoir ein ganz bedeutendes Hindernis bilden müßte und eine ganz beträchtliche Einschränkung des erforderlichen Raumes zur Folge hätte. Die Trottoirbreite sei aber an sich schon so bemessen, dass sie eine solche Einschränkung nicht ertragen könne, falls die Anlage dem Zweck genügen solle. Es müßte von einer erheblichen Benachteiligung des Projektes gesprochen werden, wollte man die Belassung einer derart stark vorspringenden und dadurch verunstaltend wirkenden Vortreppe gestatten. Das öffentliche Interesse verbiete das. In der Einsprache werde zugegeben, daß ein bestimmter Ersatz für die Treppe und den Kellereingang möglich sei. Über die Einwendung, daß dieser Ersatz kein vollwertiger sein könne und für die Hauseigentümerin diese oder jene Schädigungen in sich schließe, sei im Zusammenhang mit dem gestellten Eventualbegehren im bereits angerufenen Schätzungsverfahren zu entscheiden. Kleine Privatinteressen müssten vor dem weitgehenden öffentlichen Interesse, das dem großzügigen Werke der Trottoirbaute zukomme, zurücktreten. Die Verletzung der Privatinteressen der Einsprecherin sei nicht derart erheblich in Frage, daß sie notwendigerweise durch eine Änderung des Projektes vermieden werden müsse.

D. Mit Eingabe vom 25. September 1922 rekurriert Rechtsanwalt Dr. Züblin in Zürich namens der Frau Witwe Aeberli-Wirz, in Erlenbach, gegen den Beschluß des Bezirksrates Meilen vom 14. September 1922 an den Regierungsrat. Er beantragt, den Entscheid des Bezirksrates Meilen aufzuheben und die Einsprache der Frau Aeberli-Wirz gegen das Trottoirprojekt in dem vor der ersten Instanz geltend gemachten Umfang unter Kostenfolge zu Lasten der Gegenpartei gutzuheissen. Die Rekurrentin sei der Auffassung, dass ohne wesentliche Aenderung des Projektes und ohne Nachteil für dieses ein kleiner Teil der ihr zugemuteten Abtretung unterbleiben könnte. Die tatsächlichen Verhältnisse des Falles seien dem Regierungsrat größtenteils aus dem Baulinien-Rekursverfahren, das durch den Beschluß des Regierungsrates vom 6. Juli 1922 seinen Abschluß gefunden habe, bekannt, und es werde ausdrücklich auf jene Akten verwiesen. Die vorliegende Einsprache richte sich allein gegen die Beseitigung der in das Trottoirgebiet vorspringenden Haustreppe der Rekurrentin. Es sei richtig, daß durch das Bestehenlassen dieser Treppe das Trottoir an der betreffenden Stelle auf eine Länge von nicht ganz 6 m um die Breite der Treppe d. h. um 1,20 m verschmälert würde. Es bleibe aber immer noch breit genug, um einer Person bequem Durchlaß zu geben, auch einem Kinderwagen. Nun sei der Fußgängerverkehr an der Seestraße in Erlenbach kein derartiger. daß das Trottoir eine derartige kurze Verschmälerung nicht ertragen würde. Man habe sich beim Ausbau des gleichen Trottoirs auch an andern Orten solche Verschmälerungen gefallen lassen; gerade ca. 100 m stadtwärts, beim Konsumverein Zürich sei das neue Trottoir auf der ganzen Länge jenes Gebäudes auf bloß za. 1 m verschmälert. Aber auch in andern Gemeinden, ja selbst in der Stadt Zürich nehme man derartige kurze Verschmälerungen in Kauf, wenn die Einhaltung der ganzen Breite zu sehr großen Opfern des einzelnen Grundeigentümers führen würde. Letzteres wäre hier der Fall. Die Beseitigung der Haustreppe führe zu einer höchst unbefriedigenden Neugestaltung der Hauszugangsverhältnisse, und zu einer erheblichen Erschwerung des Weinbauerngewerbes, das die Familie der Rekurrentin betreibe, wofür auf die Ausführungen vor erster Instanz verwiesen werde. Eine befriedigende Lösung für die Neugestaltung des Haus- und Kellereinganges habe bis zur Stunde nicht gefunden werden können, und könne überhaupt ohne völlige Umbaute des Hauses und ohne empfindliche Einbuße an bewohnbarem Raum nicht gefunden werden. Daß eine absolute Notwendigkeit für die Beseitigung der jetzigen Haustreppe im öffentlichen Interesse nicht bestehe, gehe auch schon daraus hervor, daß die Anschauung der zuständigen Gemeindeorgane lange über diesen Punkt geschwankt hätten. Es sei einmal die Rede davon gewesen, die Vortreppe zu belassen und das Trottoir darum herum zu führen. Der Vertreter der Rekurrentin beruft sich hiefür auf den Gemeinderatspräsidenten, den Gemeindeschreiber und Gemeindeingenieur Surber. Die Rekurrentin verwahrt sich auch gegen die Annahme im Beschluß des Bezirksrates, daß in der Einsprache selbst zugegeben worden sei. daß ein bestimmter Ersatz für die zu bereinigende Haustreppe möglich sei. Technisch sei natürlich schließlich alles ausführbar; aber ein richtiger Ersatz könne im vorliegenden Falle gar nicht gefunden werden, weil die Raumverhältnisse es nicht gestatten und das Opfer, das der Rekurrentin zugemutet werde, stehe in keinem Verhältnis zum Nutzen. Für seine tatsächlichen Behauptungen beruft sich der Vertreter der Rekurrentin auf Augenschein und Expertise. [p. 1049]

E. Der Gemeinderat Erlenbach beantragte in seiner Rekursvernehmlassung vom 9. Oktober 1922 Abweisung des Rekurses und Bestätigung des angefochtenen Beschlußes des Bezirksrates. Er verweist auf die erfolgte Genehmigung der Bau- und Niveaulinien, wodurch der Gemeinde Erlenbach das Recht erteilt worden sei, die in das zukünftige Trottoirgebiet hineinragende Treppenanlage im öffentlichen Interesse gegen Ersatz aller Vermögensnachteile zu enteignen. Aus rein privaten Interessen heraus werde nun das Bestehenlassen dieser Treppe verlangt, was gleichbedeutend wäre mit einer Einschrä[n]kung des der Gemeinde zustehenden Expropriationsrechts. Die Ziehung von Baulinien habe wohl nicht den Zweck, derartige Verkehrshindernisse innerhalb des Expropriationsgebietes durch Ausnahmebestimmungen zu Gunsten des Einzelnen in dem Zeitpunkte zu schützen, wo deren Beseitigung im öffentlichen Intresse als dringend notwendig erscheine. Speziell sei darauf hinzuweisen, daß gerade an der Stelle, die der Vertreter der Rekurrentin vergleichsweise anführe (Profil 582, Konsumverein Zürich, Liegenschaft Fräulein Graf) unter ganz ähnlichen Verhältnissen eine Vortreppe beseitigt worden sei, um die freie Passage auf dem Trottoir zu ermöglichen. Trotz Beseitigung der Treppe werde das Trottoir längs der Hausflucht Aeberli nicht in der normalen Breite ausgebaut werden können, da auch das Gebäude selbst in das Trottoirgebiet hineinrage. Aus finanziellen Gründen habe die Baubehörde auf die Anschneidung von Häusern verzichtet und sich darauf beschränkt, ausgesprochene Verkehrshindernisse, wie das umstrittene Objekt eines sei, zu beseitigen. Die große Frequenz der Seestraße durch Autos, Lastfuhrwerke, Velos sei durch Statistiken nachgewiesen. Es könne wohl kaum ernstlich bestritten werden, daß auch die Zahl der Fußgänger mitten im Dorfzentrum eine sehr große sei. Ein Ausweichen zweier Passanten wäre an der engen Stelle bei nur 60 cm Breite des Trottoirs unmöglich, und es müßte jeweilen eine Person den Trottoirrandstein verlassen und die Straße betreten. Der Gemeinderat Erlenbach legt einen Detailplan über den Umbau des Wohnhauses der Rekurrentin vor und behauptet, daß danach ein für die Bedürfnisse der Bewohner genügender Ersatz für die zu beseitigende Vortreppe geschaffen werden könne. Es sei ohne Preisgabe eines Schlafzimmers möglich, den nördlichen Hauseingang zweckentsprechend zu verbreitern und den Kellereingang zu verlegen. Da die Rekurrentin im Zwangsverfahren eine den totalen Verkehrswert des Hauses erreichende Schadenersatzforderung gestellt habe, komme im Sinne von § 9 des Abtretungsgesetzes eventuell der Erwerb der ganzen Liegenschaft durch die Gemeinde in Frage, wodurch der Rekurs sowieso gegenstandslos würde. Der Gemeinderat Erlenbach ersucht um möglichst baldigen Entscheid und beruft sich ebenfalls auf Augenschein und Expertise.

F. Die Justizdirektion hat die Baudirektion um Auskunft über folgende Fragen ersucht:

1. ob grundsätzlich nach heutiger Auffassung das vereinzelte Vorspringen von Häusern, Haustreppen oder andern Gebäudeteilen ins Trottoirgebiet als unzulässig bezeichnet werde;

2. ob im vorliegenden Falle besondere Gründe für oder gegen die Anwendung des Grundsatzes angeführt werden können.

Die Baudirektion übermittelt der Justizdirektion folgende Antwort des Kantonsingenieurs vom 21. Oktober 1922:

«Die Lösung beider Fragen muß von verkehrstechnischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus betrachtet werden.

1. Vom verkehrstechnischen Standpunkt aus wäre es wünschenswert, daß beim Umbau bestehender Straßen und gleichzeitiger Anlage von Trottoirs diese derart erstellt werden könnten, daß keine Gebäude noch Gebäudeteile ins Trottoirgebiet hineinreichen; allein ein absolutes Erfordernis ist es nicht. Schon der Fuhrwerkverkehr erfordert von einer gewissen Straßenbreite ab keine peinlich exakte Durchführung der gewählten Straßenbreite, insbesondere nicht, wenn der Einbau einer Straßenbahn zum vornherein ausgeschlossen ist. Noch weniger ist die peinlich genaue Durchführung einer angenommenen Trottoirbreite absolutes Erfordernis; denn der Personenverkehr ist noch weit beweglicher als der Fuhrwerkverkehr. Immerhin darf die Breite nicht unter ein gewisses Maß gehen (Handwagen). Dieses Minimalmaß ist jedenfalls aber nur auf sehr kurze Strecken zulässig und nur bei übersichtlichen Straßenstrecken. Solche abnormale Trottoirstrecken werden allerdings zu Zeiten eines sehr regen Verkehrs dem Publikum etwas Unannehmlichkeit bereiten. Diese

sind aber in der Regel nicht so schwerwiegend, wie meistens angenommen wird. Ich verweise auf die zahlreichen Hindernisse in sehr belebten Straßen großer Städte.

Wenn nun vielleicht in den meisten Fällen die Durchführung einer normalen Trottoirbreite vom verkehrstechnischen Standpunkt aus wünschenswert und anstrebenswert wäre, muß in jedem Falle die Frage sorgfältig geprüft werden, ob die finanziellen Opfer für die Beseitigung solcher einspringender Objekte wirklich sich rechtfertigen. Wo das der Fall ist, sollte allerdings die rasche Beseitigung nicht versäumt werden: in den meisten Fällen (und gerade bei großen Objekten) stehen aber in der Regel die Entschädigungskosten in keinem Verhältnis zum Vorteil. Der Straßenbauer, der sich nicht allzu starr an geometrische Formen hält, sondern sich bei seinen Bauten mehr den Bedürfnissen und der Eigenheit des Verkehrs anpasst, findet auch für diese Fälle Lösungen, die Verkehr und Anwohner befriedigen.

Es muß daher erklärt werden, daß nach heutiger Auffassung das Vorspringen von Häusern. Haustreppen oder andern Gebäudeteilen ins Trottoirgebiet nicht grundsätzlich als unzulässig bezeichnet werden muß.

2. Wenn die Trottoirbaute bei der fraglichen Treppe der Rekurrentin so durchgeführt wird, wie sie projektiert ist, wäre die verbleibende Trottoirbreite etwas zu knapp. Dagegen ist es leicht möglich, beim Haus der Rekurrentin vorbei den Trottoirrandstein um ca. 0,5 m gegen die Straße zu verschieben, ohne daß dadurch auf der 8 m breiten Fahrbahn der Straßenverkehr benachteiligt würde. Daß der Gemeinderat auch dieser Ansicht ist, daß durch eine kleine Fahrbahnverschmälerung kein wesentliches Verkehrshindernis eintritt, geht daraus hervor, daß im eingereichten Projekt für das gegenüberliegende Trottoir (1,5 m breit) 2 gepflästerte Auffahrtsrampen von 90 cm Breite im Fahrbahnstreifen vorgesehen sind. Solche Einsprünge in die Fahrbahn hat der Unterzeichnete bei dieser Straßenbaute auch bereits für knapp auf der Straßengrenze stehende Gebäude zum Schutze der Fußgänger angeordnet, ohne daß dadurch Klagen über Verkehrsstörungen eingetreten wären.»

G. Am 14. Nov. 1922 nahm die Justizdirektion in Erlenbach in Anwesenheit der Parteien und des Kantonsingenieurs einen Augenschein vor. Im Anschluß daran holte die Justizdirektion noch einen Bericht des kantonalen Hochbauamtes über die Frage, ob im Falle des Bestehenbleibens der Treppe der Kellereingang unter der Treppe von der Seestraße trotz der Niveauunterschiede zwischen dem zukünftigen Trottoirniveau und dem gegenwärtigen Niveau dieses Kellereingangs durch eine Hebung der Treppe erhalten werden könne. Der Adjunkt II des Kantonsbaumeisters berichtet darüber unterm 17. November 1922:

«Im Falle Aeberli-Wirz in Erlenbach ist zu entscheiden, ob die Podestplatte der Freitreppe beim Haupteingang soweit gehoben werden kann, daß vom neuen Trottoir aus ein Zutritt zum Keller noch möglich ist.

Diese Änderung hat zur Folge, daß nicht nur die Podestplatte, sondern die ganze Treppe um ca. eine Tritthöhe gehoben und eine neue Stufe angesetzt werden muß. Dadurch kann vom Trottoir bis unter die Platte eine lichte Höhe von 1,80 m erreicht werden, was für einen Kellereingang vollständig genügt. Die übrige Höhendifferenz zwischen Trottoir und Kellerboden ist durch in die tiefe Leibung einzulegende Stufen zu überwinden. Diese Differenztreppe wäre durch eine äußere (zweite) Kellertüre gegen das Trottoir abzuschliessen. Im Erdgeschoß hat die Änderung zur Folge, daß durch die Erhöhung der Freitreppe im vorderen Teil des Hausganges eine Stufe entsteht, die aber durch eine Glasfüllung in der Haustüre so gut beleuchtet werden kann, daß sie kein Verkehrshindernis bildet. Ich halte also dafür, daß die Änderung der Freitreppe unbedenklich ausgeführt werden kann und würde es vom architektonischen Standpunkt aus sogar bedauern, wenn die Freitreppe ganz verschwinden würde.»

Es kommt in Betracht:

Durch die mit Regierungsratsbeschluß vom 27. Juli 1922 erfolgte Genehmigung der Bau- und Niveaulinien für das Teilstück der Seestraße in Erlenbach von der Bahnhofstraße bis zum Gemeindehaus hat die Gemeinde Erlenbach gemäß § 17 des Baugesetzes das Expropriationsrecht für das zwischen der bisherigen Straßengrenze und der Baulinie private Grundeigentum und damit das Expropriationsrecht zur Ausführung des bereits am 29. Dezember 1921 vom Regierungsrat genehmigten [p. 1050] Projektes über die Trottoiranlage und die Korrektion der Seestraße auch für dieses Teilstück erhalten. Gemäß § 24 des Gesetzes betreffend die Abtretung von Privatrechten vom 30. November 1879 kann jedoch ein Abtretungspflichtiger auch nach der grundsätzlichen Erteilung des Expropriationsrechts innerhalb der Frist des § 23 leg. cit. noch eine Abänderung des Projektes beantragen, wenn er glaubt, daß ohne wesentliche Änderung des Projektes und ohne Nachteil für dieses die ihm zugemutete Abtretung ganz oder teilweise vermieden werden könne. Auf diese Gesetzesbestimmung stützt sich die Einsprache der Frau Äberli-Wirz und ihr vorliegender Rekurs. Es ist deshalb zu prüfen, ob ihr Begehren um Änderung des Trottoirprojektes in dem Sinne, daß die Freitreppe vor ihrem Hause bestehen bleiben könne, ohne wesentliche Änderung des Projektes und ohne Nachteil für dieses berücksichtigt werden kann.

Nach dem vom Regierungsrat am 29. Dezember 1921 genehmigten Projekte soll die Seestraße auf der hier in Frage stehenden Strecke vom Dorfbach bis zur Grenze Herrliberg auf 8 m verbreitert und auf der Bergseite mit einem Trottoir von einer normalen Breite von 2,5 m versehen werden. Das Haus der Rekurrentin ragt nun mit der ganzen der Seestraße zugekehrten Fläche etwas in das Trottoirgebiet hinein, an der Südost-Ecke ca. 50 cm weit, an der Südwest-Ecke 10 cm weit. Dieser in das Trottoirgebiet hineinragenden Hausfront ist in der Mitte noch eine 6 m lange, 1,15 - 1,35 m breite und 1,70 m hohe Steintreppe vorgelagert, die sich ganz auf Trottoirgebiet befindet. Unter der Treppenplatte durch gelangt man zur Zeit zum Eingang in den Weinkeller der Rekurrentin.

Nach dem fachtechnischen Gutachten des Kantonsingenieurs besteht nun die Möglichkeit, dadurch, daß der Trottoirrandstein am Hause der Rekurrentin vorbei um ca. 0,5 m gegen die Straße verschoben wird, diese in das Trottoirgebiet vorspringende Freitreppe bestehen zu lassen, ohne daß dadurch der Straßenverkehr auf der Fahrbahn benachteiligt wird, und so, daß die Verschmälerung des Trottoirs auf ein leicht erträgliches Maß reduziert wird. Die Fahrbahn würde dann an der betreffenden Stelle statt auf 8 nur auf ca. 7,5 m erweitert und das Trottoir wäre längs der Treppe auf einer Strecke von ca. 6 m Länge bloß 1,20 m breit. Auf Grund des Augenscheins in Erlenbach vom 14. November 1922 und der Akten ist darüber folgendes zu sagen:

1. Fahrbahn. Der Gemeinderat Erlenbach hat darauf hingewiesen, daß es sich um eine Straßenstrecke im Zentrum des Dorfes handle und daß daher gerade an dieser Stelle bei der großen Frequenz der Seestraße durch Autos, Lastfuhrwerke, Velos etc. eine Verschmälerung der Fahrbahn besonders hinderlich wäre. Es ist zuzugeben, daß die Seestraße zu den stark frequentierten Überlandstraßen des Kantons gehört. Anderseits sind in diese Straße keine Tramgeleise eingelegt und es werden in absehbarer Zeit auch keine solche eingelegt werden. Unter solchen Umständen bedeutet die Reduktion der Straßenerweiterung auf ca. 7,5 m statt auf 8 m sowohl nach dem Gutachten des Kantonsingenieurs, als auch nach dem Ergebnis des Augenscheins an Stellen, wo sich die im Gutachten des Kantonsingenieurs sub Ziff. 2 am Schluß erwähnten Einsprünge in die Fahrbahn befinden, kein irgendwie merkliches Hindernis für den Straßenverkehr. Ein ungehinderter Fuhrwerkverkehr wird trotz der kurzen und unbedeutenden Verschmälerung der Fahrbahn auch dann möglich sein, wenn, wie der Gemeinderat hervorhebt, vor dem dem Hause der Rekurrentin gegenüber stehenden Restaurant zum «Ochsen» ziemlich häufig Fuhrwerke oder Autos anhalten. Das im Gutachten des Kantonsingenieurs erwähnte Projekt des Gemeinderates Erlenbach für ein Trottoir auf der Seeseite der Seestraße vom «Kreuz» bis zum «Ochsen» ist zwar einstweilen zurückgezogen worden; aber man sieht daraus doch, daß der Gemeinderat Erlenbach selbst ganz in der Nähe des Hauses der Rekurrentin und ebenfalls mitten im Dorfzentrum Verschmälerungen der Fahrbahn durch Auffahrtsrampen bis auf 6 m sehr ernsthaft in Betracht gezogen hat. Direkt gegenüber dem Hause und der Freitreppe der Rekurrentin war in der Fahrbahn eine Auffahrtsrampe zum «Haabweg» in einer Breite von 60 cm vorgesehen. Sollte dieses Projekt für ein gegenüberliegendes Trottoir später doch einmal zur Ausführung kommen, so könnte die Auffahrt in den Haabweg leicht ins Trottoirgebiet selbst verlegt werden, damit die Fahrbahn nicht beidseitig verschmälert werden müßte. Dadurch, daß das jetzt in Ausführung begriffene bergseitige Trottoir längs dem Hause der Rekurrentin um ca. 0,5 m in die Fahrbahn hinausverlegt würde, wie der Kantonsingenieur vor schlägt, entstehen also für den Straßenverkehr und für die künftige Ausführung eines seeseitigen Trottoirs keine irgendwie merklichen Hindernisse.

2. Trottoirbreite. Die Auffassung des Bezirksrates Meilen, daß die fragliche Treppe ein sehr erhebliches Verkehrshindernis bilden würde, wird durch das Gutachten des Kantonsingenieurs vom 21. Oktober 1922 widerlegt. Der Gemeinderat Erlenbach hat allerdings darauf hingewiesen, daß wegen der großen Frequenz der Seestraße durch Autos und Fuhrwerke, und weil vor dem Restaurant «Ochsen» häufig Fuhrwerke ständen, gerade hier im Dorfzentrum, wo natürlich auch der Fußgängerverkehr ein sehr intensiver sei, eine Verschmälerung der ordentlichen Trottoirbreite von 2,5 auf 1,20 m an dieser Stelle unerträglich wäre. Es ist richtig, daß das Dorfzentrum Erlenbach z. B. an schönen Sonntagen einen sehr regen Verkehr von einheimischen und auswärtigen Spaziergängern aufweist; auch über die Mittagszeit und nach Feierabend mag der Verkehr etwas reger sein. Aber die Verschmälerung des Trottoirs kommt ja nur für eine kurze Strecke von 6 m in Betracht und bei einer Trottoirbreite von 1,20 m können zwei Personen noch bequem aneinander vorbeikommen, ohne das Trottoir zu verlassen; auch zwei Kinderwagen können bei dieser Breite des Trottoirs aneinander vorbeipassieren, und ein Handwagen braucht das Trottoir ebenfalls nicht zu verlassen, um über die betreffende Stelle hinwegzukommen. Mit Recht weist der Kantonsingenieur in seinem Gutachten darauf hin, daß der Personenverkehr noch weit beweglicher sei als der Fuhrwerkverkehr. Eine Gruppe Fußgänger, die an einer solchen verschmälerten Stelle des Trottoirs vorbeikommen, passt sich in ihrer Formation der kurzen Verengung des Trottoirs automatisch an, ohne es auch nur zu bemerken. Der Gemeinderat Erlenbach argumentiert damit, daß an einer andern Stelle, nämlich beim Konsumverein, eine ähnliche Treppe dem Trottoir ohne weiteres habe weichen müssen; doch lagen an jener Stelle schon die Fahrbahnverhältnisse anders, weil dort die Bahnhofstraße und die Straße vom Dampfschiff-Landungssteg her in die Seestraße einmünden, und zudem sprang dort das Haus selbst viel weiter ins Trottoirgebiet vor, als beim Hause der Rekurrentin der Fall ist.

3. Kellereingang unter der Treppe. Nach dem Bericht des Adjunkten des Kantonsbaumeisters kann durch Hebung der Treppe um eine Stufe eine lichte Höhe vom Trottoir bis unter die oberste Treppenplatte von 1,80 m erreicht werden, was für den Kellereingang genüge. Allerdings ist dabei eine geringfügige Senkung des Trottoirniveaus längs dem Hause der Rekurrentin vorgesehen, die aber leicht bewerkstelligt werden kann. Wird der Ausgang aus dem Keller durch eine äußere zweite Kellertüre abgeschlossen und die erste Stufe der vom Trottoir aus in den Keller herunterführenden Treppe etwa 20 cm weit einwärts unter die Treppe verlegt, was technisch ausführbar ist, so kann auch nicht von irgend einer Verkehrsgefährdung durch diesen Kellereingang und diese Kellertreppe gesprochen werden.

Die Projektänderungen, welche das Bestehenlassen der Freitreppe vor dem Hause der Rekurrentin erfordert, sind also unwesentlich und ohne Nachteil für das Projekt, da Fahrbahn und Trottoir ihrem Zweck trotzdem vollkommen genügen. Eine Verunstaltung des Trottoirs wird nach Ansicht der kompetenten Fachleute nicht eintreten; dagegen ergibt sich eine wesentliche Ersparnis für die Expropriantin, zu deren Lasten im Falle der Beseitigung der Treppe die Kosten der Umbauten im Innern des Hauses und der neuen Kellertreppe auf der Südseite des Hauses gefallen wären, und die überdies noch eine beträchtliche Minderwertsentschädigung für die Beseitigung des bestehenden vorderen Hauseinganges und der Freitreppe an die Rekurrentin zu bezahlen gehabt hätte. Diese Ersparnis dürfte die vom Gemeinderat Erlenbach befürchtete starke Opposition der Einbewohnerschaft gegen das Bestehenbleiben der Treppe dämpfen. Ein wesentliches Interesse der Rekurrentin an der Gutheißung des Rekurses kann nicht bestritten werden. Der direkte Zu- und Ausgang zu und aus dem Hause über die Freitreppe und durch die vordere Haustüre ist bequemer zu benutzen als der Umweg durch die hintere Haustüre und den Garten; auch stellt die Freitreppe vor dem Hause einen angenehmen Ruheplatz in erhöhter Lage an der belebten Straße dar. Aesthetisch fällt in Betracht, daß der Wegfall der Treppe das Haus und damit auch das Straßenbild verunstalten müßte. Übrigens kommt auf das Maß des Interesses der Rekurrentin nichts mehr an, nachdem einmal feststeht, daß ihrem Rekurs- [p. 1051] antrag ohne wesentliche Änderung des Projektes und ohne Nachteil für dieses stattgegeben werden kann.

Nach Einsicht eines Antrages der Justizdirektion

beschließt der Regierungsrat:

I. Der Rekurs wird gutgeheißen und das Expropriationsprojekt in dem Sinne abgeändert, daß der Zugang zum Hause der Rekurrentin über die bestehende Freitreppe an der Seestraße, sowie der Zugang zum Weinkeller der Rekurrentin unter dieser Freitreppe hindurch ungeschmälert bestehen bleiben. Der Trottoirrandstein ist. so wie im Gutachten des Kantonsingenieurs vorgesehen, beim Hause der Rekurrentin vorbei um ca. 0,5 m gegen die Straße zu verschieben und die Freitreppe zur Erzielung der nötigen Lichtweite von 1.80 m vom Trottoirniveau bis zur obersten Treppenplatte, so wie im Gutachten des Adjunkten des Kantonsbaumeisters vorgesehen, um eine Stufe zu heben, nötigenfalls unter etwelcher Senkung des Trottoirniveaus am Hause der Rekurrentin vorbei. Die erste Stufe der vom Trottoir aus unter der Freitreppe in den Keller führenden Kellertreppe ist wenigstens 20 cm einwärts unter die Leibung der Freitreppe zu verlegen und der Kellereingang ist durch eine zweite äußere Kellertüre gegen das Trottoir abzuschliessen.

II. Die Kosten bleiben außer Ansatz.

III. Mitteilung an: a) Rechtsanwalt Dr. Züblin, in Zürich, zuhanden der Rekurrentin Frau Äberli-Wirz, in Erlenbach, unter Rücksendung der eingelegten Akten, b) an Rechtsanwalt Dr. A. Keller in Zürich zuhanden des Gemeinderates Erlenbach unter Rückschluß der vom Gemeinderat Erlenbach eingelegten Akten, c) an den Bezirksrat Meilen unter Rückschluß seiner Akten, d) die Baudirektion, e) die Justizdirektion.