Signatur | StAZH MM 3.39 RRB 1925/1283 |
Titel | Baulinien. |
Datum | 11.06.1925 |
P. | 424–427 |
[p. 424] In Sachen der Geschwister Stutz, Zürich 4, Rekurrenten, betreffend Bau- und Niveaulinien, hat sich ergeben:
A. Namens der Geschwister Stutz, Eigentümer der Liegenschaft, Kataster-Nr. 8924. zwischen Birmensdorferstraße und Werdstraße, in Zürich 4, rekurrierte Rechtsanwalt Dr. II. Maag-Hongler gegen die vom Großen Stadtrat Zürich am 27. Juni 1923 beschlossene Neufestsetzung der Bau- und Niveaulinien längs der linksufrigen Zürichseebahn, soweit durch sie das Grundstück seiner Klienten betroffen wird. Er stellte folgende Anträge:
1. Es seien für das Gebiet zwischen der Birmensdorferstraße, der Werdstraße und der jetzigen Seebahnlinie die alten, vom Regierungsrat am 12. Februar 1903 genehmigten Baulinien zu belassen.
2. Eventuell sei die Baulinie an der Birmensdorferstraße für das in Frage kommende Teilstück so weit nordwärts zu verschieben, daß sie in die Flucht straßenseits der beiden Wohnhäuser der Geschwister Stutz falle, und es sei die projektierte Baulinie gegen den künftigen Platz so weit nach Nordosten parallel zum Projekt zu verschieben, daß ihr Schnittpunkt mit der Baulinie (Hausflucht) Birmensdorferstraße in die Ecke des Hauses Assekuranz-Nr. 714 falle.
3. Weiter eventuell seien die Baulinie der Birmensdorferstraße und diejenige gegen den künftigen Platz möglichst viel nach Norden, respektive Nordosten zu verschieben, damit das Grundstück seiner Klientschaft mit mindestens der Hälfte seiner Grundfläche für die Zukunft überbaubar bleibe.
Zur Begründung seiner Anträge machte der Vertreter der Rekurrenten folgendes geltend: Durch die Baulinienziehung werde das große Grundstück der Rekurrenten bis auf einen kleinen Rest einer künftigen Überbauung entzogen. Eine Notwendigkeit hiefür liege aber nicht vor. Das ausgebaute Teilstück der Birmensdorferstraße zwischen dem künftigen Platz und der jetzigen Eisenbahnlinie könnte ganz wohl für sich behandelt werden: der Liegenschaft der Rekurrenten entlang brauche die Birmensdorferstraße keinen so großen Baulinienabstand. Auch wenn die Birmensdorferstraße das doppelspurige Tram beibehalte, so werde der Verkehr nicht gestört, wenn die Baulinie da bleibe, wo sie im Jahre 1903 festgelegt worden sei. Jedenfalls aber genüge im Sinne der Eventualanträge eine geringe Rückversetzung entweder in die Flucht der jetzigen Häuser seiner Klienten oder höchstens 2 - 3 m zurück. Auf alle Fälle rechtfertige sich insbesondere auch, die projektierte Baulinie gegen den künftigen Platz bedeutend nach Nordosten zu verschieben. Der Verkehr verlange jedenfalls keinen so langen freien Platz und dieser würde, wie auch die zu breite Straßenfläche, nur einen umso großem Staubentwickler abgeben. Es dürfe nicht vergessen werden, daß die Birmensdorferstraße in diesem Stück künftighin nicht mehr die Bedeutung für den Durchgangsverkehr haben werde, wie bis anhin; denn das Gesamtprojekt wolle ja auch direkte Verbindung des Kreises 2 mit Wiedikon schaffen, sodaß der bisherige Verkehr ab den Sihlbrücken über dieses Teilstück geringer werde. Er sei auch heute schon nicht groß, und es sei daher unverständlich, warum hier die Birmensdorferstraße eine so außerordentliche Breite erhalten solle.
Die Bausektion I des Stadtrates Zürich beantragte mit Vernehmlassung vom 2. Juli 1924, die sämtlichen Begehren der Rekurrenten abzuweisen. Für die Verbreiterung des Baulinienabstandes der Birmensdorferstraße an der fraglichen Stelle von 15 m auf 20 m seien folgende Erwägungen maßgebend gewesen: Die Verbreiterung des Baulinienabstandes von 12 m auf 15 m im Jahre 1917 habe schon zum Ausdruck gebracht, daß die Distanz von 12 m der Bedeutung der Birmensdorferstraße nicht entspreche. Die Ansetzung des Minimalbaulinienabstandes des Baugesetzes stehe in keinem Verhältnis zur Rolle der Straße als Radial- und verkehrsreiche Ausfallstraße durch den Kern des Stadtkreises 3 nach Albis- [p. 425] rieden, Uitikon, Birmensdorf, in den Bezirk Affoltern, das Reppisch- und Reußtal. Als Durchgangs- und interne Hauptverkehrsstraße gewinne die Birmensdorferstraße in nächster Zeit stark an Bedeutung. Der Charakter der Birmensdorferstraße als Hauptstraße des Stadtkreises 3 komme je länger je mehr zum Ausdruck. Damit sei auch die stets wachsende Bedeutung der Straße als Tramstraße gegeben, besonders da die projektierte Aufhebung des Bahnüberganges über die Linksufrige die durchgehende Einlegung einer Doppelspur, durchgehenden Betrieb, die Aufhebung des so störenden Umsteigeverkehrs und die Steigerung der Fahrgeschwindigkeiten ermögliche. Zu betonen sei weiter, daß die Verlegung des Stationsgebäudes Wiedikon an die Birmensdorferstraße durch die Gemeindeabstimmung vom 18. Mai 1924 entschieden sei; ferner, daß die Baulinien der projektierten verlängerten Morgartenstraße nunmehr rechtskräftig seien, weil der Regierungsrat den Rekurs des Quartiervereins Oberes Hard und Zürich 4 gegen die Aufhebung der Baulinien der Weberstraße durch Beschluß Nr. 985/1924 abgewiesen habe. Mit diesem Hinweis sei die Verbreiterung der Bauliniendistanz der Birmensdorferstraße von 15 m auf 20 m begründet; sie sei erforderlich, um die Möglichkeit der späteren genügenden Verbreiterung zu wahren. Für eine Straße von der künftigen Bedeutung der Birmensdorferstraße seien eine Fahrbahn von 11 - 12 m und 2 Trottoirs von 4 - 4,5 m Breite unerläßlich. Den Baulinienabstand zu verschmälern, gehe auf dieser Strecke nicht an, wo sie den Verkehr aus 3 andern Straßen mit Bauliniendistanzen von 17 und 18 m aufzunehmen haben werde. Die Verschmälerung wäre außerdem unmittelbar vor dem künftigen Bahnhofgebäude Wiedikon höchst unzweckmäßig. Es sei daher nur noch die Frage zu beantworten, ob die Vorschiebung der Baulinie Birmensdorferstraße-Werdstraße bis auf die nordöstliche Flucht des Gebäudes der Rekurrenten nach der Forderung der Rekurrenten zugestanden werden könnte. Die angestellten Untersuchungen hätten gezeigt, daß dies aus verkehrstechnischen Gründen nicht möglich sei. Die Vorschiebung der Baulinie und damit der Bauflucht verhindere eine flüssige Überleitung des Verkehrs aus der Morgartenstraße in die Birmensdorferstraße. Sie ergäbe eine unübersichtliche und daher gefährliche Verkehrskreuzung besonders für den zunehmenden Fuhrwerk- und Autoverkehr. Die bestmögliche Gestaltung dieser Verkehrskreuzung sei namentlich in Hinsicht auf die Straßenbahn erforderlich. Die Vorlegung der Baulinie ergäbe aber auch eine so schmale Baufront, daß sie nicht mehr als Platzwand wirken könne und ästhetisch sehr unbefriedigend wäre.
B. Der Bezirksrat wies am 31. Juli 1924 den Rekurs ab. Die Rekurrenten übersähen, daß bereits im Jahre 1917 der Baulinienabstand von 12 m als ungenügend befunden und für das die Geschwister Stutz betreffende Teilstück der Birmensdorferstraße auf 15 m rechtskräftig festgesetzt worden sei. Daß nun seither der Verkehr auf der Birmensdorferstraße in steter Zunahme begriffen sei und nach der in Aussicht stehenden Vollendung der neuen Bahnhofanlage Wiedikon noch größer werde, unterliege keinem Zweifel. Auch dadurch, daß mit Fertigstellung der Straßenüberführung das größte Hemmnis in der Entwicklung der Birmensdorferstraße beseitigt werde, werde sie als Durchgangs- und interne Hauptverkehrsstraße in nächster Zeit an Bedeutung stark gewinnen. Zufolge des doppelspurigen Ausbaues der Straßenbahn und angesichts des in steter Zunahme begriffenen Autoverkehrs für solche Hauptstraßenzüge sei die Erstellung einer Fahrbahn von 11 - 12 m und beidseitigen Trottoirs von 4 - 4,5 m das Minimum dessen, was der Bedeutung der Straße entsprechend verlangt werden müsse. Daher sei auch der Vorschlag der Rekurrenten, das Teilstück zwischen Gartenhof- und Parallelstraße enger zu gestalten, beziehungsweise auf eine Distanz von 90 - 100 m mit einem Baulinienabstand von 15 m oder nur 10 - 12 m zu belassen, nicht annehmbar. Eine solche Einschnürung gegen den Bahnhof Wiedikon hin wäre im Interesse einer richtigen Abwicklung des Verkehrs verwerflich.
Dem Eventualbegehren der Rekurrenten, die Verbreiterung durch Zurücklegung der nördlichen Baulinie vorzunehmen und zwar soweit, daß die südliche Baulinie in die straßenseitige Flucht der beiden Wohnhäuser der Geschwister Stutz falle, sei entgegenzuhalten, daß die Anschneidung der beiden Wohnhäuser schon im Bebauungsplan von 1917 vorgesehen und mit ihm in Rechtskraft erwachsen sei, daß es daher keinen Sinn hätte, die auf der Nordseite der Straße befindlichenneuern und wertvollem Gebäude auch noch anzuschneiden, ganz abgesehen davon, daß die neu projektierte und vom Regierungsrat genehmigte Einführung der Morgartenstraße, behufs einer flüssigen Linienführung derselben, die südliche Rückwärtsverlegung der Baulinie in der Liegenschaft der Rekurrenten bedinge.
Was nun die Baulinie zwischen Birmensdorferstraße und Werdstraße anbelange, so sei ihre Zurücklegung im städtischen Projekt ebenfalls begründet. Sie erhalte eine Länge von 18 m gegenüber 12 m nach dem Vorschlag der Rekurrenten, die sie weiter gegen den Platz vorschieben möchten. Bedenken in verkehrstechnischer Hinsicht müßten den Ausschlag geben für die Annahme des städtischen Projektes, das auch in ästhetischer Beziehung gerechtfertigt erscheine und den Vorzug gegenüber dem Vorschlag der Rekurrenten verdiene, wenn es als Platzwand einen befriedigenden Anblick gewähren solle.
C. Gegen den Beschluß des Bezirksrates rekurrierte innert nützlicher Frist Rechtsanwalt Dr. Maag an den Regierungsrat. Der an den Bezirksrat gerichtete Hauptantrag, es möchte die Baulinie vom 12. Februar 1903 bestehen bleiben, wird fallen gelassen; dagegen wird beantragt:
1. Es sei die Baulinie an der Birmensdorferstraße für das in Frage kommende Teilstück soweit nordwärts zu verschieben, daß sie in die Flucht straßenseits der beiden Wohnhäuser der Rekurrenten falle, und es sei die projektierte Baulinie gegen den künftigen Platz soweit nach Nordosten parallel zum jetzigen Projekt zu verschieben, daß ihr Schnittpunkt mit der Baulinie (Hausflucht) Birmensdorferstraße in die Ecke des Hauses Assekuranz-Nr. 714 falle.
2. Eventuell seien die Baulinien der Birmensdorferstraße und des künftigen Platzes möglichst nach Norden, respektive nach Nordosten zu verschieben, damit das Grundstück der Rekurrenten mit mindestens der Hälfte seiner Grundfläche für die Zukunft überbaubar bleibe. Zur Erreichung dieses Zweckes sei eventuell auch die bisherige Baulinie an der Werdstraße um 3 m nach Süden zu verschieben für die Länge des fraglichen Baublockes.
Der Vertreter der Rekurrenten begründet seine Anträge folgendermaßen: Die Bedeutung der Birmensdorferstraße und der Werdstraße für den künftigen Innenverkehr und den Durchgangsverkehr würde von den Vorinstanzen viel zu hoch eingeschätzt. Schon heute werde kein Fuhrwerk, das die Badenerstraße herabkomme, um nach Birmensdorf zu fahren, bei der Brückenwage links in die krumme und rückwärts gezogene Birmensdorferstraße einfahren, sondern in die direkte, breite Zweierstraße hinein. Diese Verbindung sei kürzer und auch, da die Trambahn fehle, ungehinderter. Dies bleibe sich gleich, auch wenn am Zweierplatz die Einfahrt zur Birmensdorferstraße verbessert werden sollte. Ebenso würde der Ausbau der Morgartenstraße und die damit geschaffene Verbesserung der Zufahrt zur Birmensdorferstraße keinen Erfolg haben können. Die Fuhrwerke, welche von der Quaibrücke aus kämen, um nach Birmensdorf zu fahren, würden sich nicht ins enge Selnauquartier mit dem doppelgeleisigen Tram in der Selnaustraße verrennen, um über die Stauffacherbrücke durch eine künftige Morgartenstraße in die Birmensdorferstraße zu gelangen. Für den Innenverkehr aber sei die Birmensdorferstraße an und für sich heute schon mehr als breit genug und zwar auch dann, wenn der Bahnhof Wiedikon an dieselbe verlegt werden sollte. Anerkannt werden müsse, daß die Birmensdorferstraße die Hauptstraße des Kreises 3 werde, als Überlandstraße es vielleicht heute schon sei. Da sie aber den Hauptverkehr aus der Zweier- und Kalkbreitestraße erhalte und da sie künftighin weiteren Verkehr direkt aus dem Kreis 2 übernehmen werde, lasse diese Bedeutung der Straße für den Kreis 3 dennoch keinen Schluß zu für die Bedeutung des fraglichen Teilstückes.
Betrachte man die Dinge so, wie sie wirklich seien, so müsse man sagen, daß das angefochtene Projekt weit übers Ziel hinausschieße. Das schöne große Bauareal zwischen der Birmensdorferstraße, der jetzigen linksufrigen Eisenbahn und der Werdstraße werde durch die projektierten Baulinien so zusammengeschnürt, daß der Rest wenigstens im nördlichen Teile unmöglich mehr praktisch überbaut werden könne. Auch wenn nach dem jetzigen Hauptantrag die projektierte Baulinie der Birmensdorferstraße in die Hausflucht der bestehenden Häuser der Rekurrenten gelegt werde, werde damit genug [p. 426] Platz für die Verbreiterung der Fahrbahn geschaffen; eventuell möge der Baulinienabstand auf 15 m angenommen werden, wie es der Stadtrat früher vorgesehen habe. Auf alle Fälle rechtfertige es sich auch, die Baulinie am künftigen Platz gegen Nordosten stark hinauszuschieben. Der Platz werde auch dann noch mehr als groß genug sein. Die Morgartenstraße werde eine wenig belebte Straße werden; sie werde kaum viel über die Bedeutung einer Quartierstraße hinauskommen; auch sie sollte man entgegen dem Projekt bedeutend schmäler erstellen.
Nur eventuell würden die Rekurrenten verlangen, die Baulinien so festzusetzen, daß wenigstens die Hälfte ihres Areals überbaubar bleibe. Den Verkehrsinteressen unbeschadet, ließe sich dies leicht durch eine Verminderung des Baulinienabstandes der Birmensdorferstraße und eine möglichste Herausschiebung der Baulinie des Platzes erreichen. Insbesondere brauche die Birmensdorferstraße hier keinen Baulinienabstand von 20 m. 16 m, eventuell 18 m, wären übergenug. Jeder Meter, den man dem Grundstück der Rekurrenten lasse, sei für dessen praktische Überbauung durchaus nötig. Es wird die Frage angeregt, ob nicht eine Reduktion des Baulinienabstandes der Werdstraße in dem für das Grundstück der Rekurrenten fraglichen Teilstück am Platze wäre. Die Werdstraße sei hier die reinste Sackgasse, eine Quartierstraße minderer Bedeutung. Als man den Baulinienabstand hier 18 m angenommen habe, seien ganz andere Verhältnisse Vorgelegen als heute. Wenn die Morgartenstraße und mit ihr das streitige Teilstück der Birmensdorferstraße wirklich für den Verkehr die Bedeutung erhalten sollten, wie die Vorinstanzen annehmen, so werde daneben die Werdstraße alle und jede Bedeutung, die sie heute noch gehabt habe, verlieren.
In ihrer Vernehmlassung vom 19. September 1924 beantragt die Bausektion I der Stadt Zürich Abweisung des Rekurses. Die Birmensdorferstraße sei Ausfall- und Überlandstraße auch schon im Kreise 4, da sie besonders den Verkehr vom rechten See- und Limmatufer, aus dem seewärtigen Stadtzentrum u. s. w. ins Reuß- und Reppischtal aufzunehmen habe. Die Durchführung der Verbreiterung der Selnaustraße als wichtige Zufahrt zur Morgarten- und Birmensdorferstraße werde allerdings zur Bewältigung des Verkehrs erforderlich werden. Die Baulinien der Birmensdorferstraße seien aber selbstverständlich heute schon auf den künftigen Ausbau der Zufahrten hin zu wählen und dürften nicht bloß den Bedürfnissen der allernächsten Zukunft angepaßt werden. Auch bei der Gestaltung des Platzes, das heißt der Straßenerweiterung im Schnittpunkt der Werd- und Birmensdorferstraße, sei heute schon die künftige Entwicklung des Verkehrs aus der Richtung Bürkliplatz-Stauffacherbrücke-Morgartenstraße und die Bedeutung der Birmensdorferstraße als Geschäfts- und Tramstraße genügend zu berücksichtigen. Eine Verengerung der Birmensdorferstraße an dieser Stelle wäre unzulässig. Es wird dafür auf die Vernehmlassung im Verfahren vor Bezirksrat und auf die dem Bezirksrat zugestellte Planpause verwiesen. Es seien deswegen auch die Eventualbegehren der Rekurrenten abzuweisen und zwar auch insofern, als darin die Reduktion des Baulinienabstandes der Werdstraße bei der Einmündung in die Birmensdorferstraße angeregt werde. Die Festsetzung der Baulinien der Werdstraße sei rechtskräftig und könne schon deswegen nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Rekursverfahrens sein, ganz abgesehen davon, daß die Frage der Reduktion der Bauliniendistanz der Werdstraße erst vor der 2. Instanz aufgeworfen werde. Zudem sei es unzutreffend, daß die Werdstraße nach der Ausführung der Morgartenstraße eine vollständig veränderte Verkehrsbedeutung erhalte und zur Quartierstraße, ja zu einer Sackgasse degradiert werde. Die Werdstraße mit ihrer direkten Fortsetzung in der Erlachstraße gewinne nach der Vollendung des Umbaues der linksufrigen Zürichseebahn an selbständiger Bedeutung.
In seiner Vernehmlassung vom 2. Oktober 1924 beantragt der Bezirksrat Zürich ebenfalls Abweisung des Rekurses.
Es kommt in Betracht:
1. An dem streitigen Baulinienstück der Birmensdorferstraße zwischen Gartenhofstraße und linksufriger Zürichseebahn bestehen vom Regierungsrat genehmigte Baulinien vom 9. Dezember 1871 mit einem Baulinienabstand von 12 m. Am 13. Oktober 1917 hat der Große Stadtrat mit dem Bebauungsplan II. Teil längs der tief gelegten linksufrigen Zürichseebahn die Verbreiterung des Baulinienabstandes auf 15 m beschlos sen. Am 4. Dezember 1917 ist die Ausschreibung im kantonalen Amtsblatt erfolgt, ohne daß von den heutigen Rekurrenten damals dagegen rekurriert worden wäre. Dem Regierungsrat ist diese Vorlage allerdings wegen anderer Rekurse gegen Bau- und Niveaulinien noch nicht zur Genehmigung unterbreitet worden. Nichtsdestoweniger ist der Bezirksrat in seinem Entscheid vom 31. Juli 1924 mit Recht davon ausgegangen, daß bereits im Jahre 1917 der Baulinienabstand der Birmensdorferstraße beim Grundstück der Rekurrenten in für die Rekurrenten verbindlicher Art und Weise auf 15 m festgesetzt worden sei.
2. Der Streit dreht sich in erster Linie um die Bauliniendistanz der Birmensdorferstraße. Die Rekurrenten beantragen, es sei längs ihres Grundstücks die südliche Baulinie der Birmensdorferstraße soweit nordwärts zu verschieben, daß sie in die Flucht straßenseits der beiden Wohnhäuser der Rekurrenten falle, eventuell möglichst weit nordwärts, damit das Grundstück mit mindestens der Hälfte seiner Grundfläche noch überbaubar bleibe.
Aus der beantragten Verlegung der südlichen Baulinie der Birmensdorferstraße in die Flucht der Häuser der Rekurrenten bei Belassung der gegenüberliegenden Baulinie ergäbe sich ein Abstand von 13 in. Nachdem, wie oben bemerkt, gegen die im Jahre 1917 beschlossene Baulinienverbreiterung auf 15 m seinerzeit nicht rekurriert worden ist, ist das Begehren der Rekurrenten schon formell unzulässig. Dasselbe ist aber auch materiell nicht gerechtfertigt. Die Birmensdorferstraße hat den Charakter einer Hauptverkehrsstraße, indem sie Zürich mit einem Kantonsteile, dem Amte, verbindet, allerdings nicht von der Bedeutung wie zahlreiche andere, die auch noch dem Verkehr über die Kantonsgrenze hinaus dienen. Lokal vermittelt sie den Verkehr vom Nordwesthange des Ütliberges und einem Teil von Albisrieden mit dem Stadtkern. Wäre die Birmensdorferstraße die einzige bedeutende Straße, welche diesen Verkehr von außen gegen das Stadtinnere (Zweierplatz) aufzunehmen hätte, so wäre ohne weiteres zu sagen, daß der geplante Baulinienabstand von 20 m auf der ganzen Strecke einem tatsächlichen zukünftigen Bedürfnisse entspreche. Neben der Doppelspur der Straßenbahn sind zwei Fahrbahnstreifen sowohl für den Lokalverkehr wie für den durchgehenden eine Notwendigkeit; hiefür sind 11 - 12 m Breite erforderlich. Trottoir und Vorgarten von je 4 - 4V2 m Breite sind für die in Frage stehenden Verhältnisse angemessen, jedenfalls nicht zu hoch gegriffen.
Da die Zweierstraße und die Kalkbreitestraße als Parallelstraßen zur Birmensdorferstraße als deren Entlastungs-straßen in Betracht kommen, könnte man annehmen, daß sie mindestens einen Teil des Fuhrwerkverkehrs übernehmen könnten, falls der jetzige Ausbau oder der Bau auf Grund des von den Rekurrenten begehrten reduzierten Baulinienabstandes dem spätern Verkehr der Birmensdorferstraße nicht mehr genügen würde. Die Zweierstraße besitzt aber gerade auf dem hier maßgebenden Teilstück von der Seebahnstraße stadtwärts selbst nur einen Baulinienabstand von 12 m; ihr späterer Ausbau wird etwa noch für den Lokalverkehr ausreichen, dagegen eine Belastung mit durchgehendem Verkehr nicht mehr erlauben. Auf diese Entlastungsstraße könnte daher für die Zukunft nicht mehr abgestellt werden. Die Kalkbreitestraße hat heute schon mehr den Verkehr des Stadtteiles zwischen Badener- und Langstraße und nördlich mit der Birmensdorferstraße zu vermitteln, als den vom Stadtinnern über die Badenerstraße. Sie wird deswegen für die Zukunft von ihrem Einzugsgebiet weiter belastet, sodaß eine Verkehrsüberleitung zur Entlastung der Birmensdorferstraße nicht angezeigt wäre.
Ganz allgemein weisen die Erfahrungen darauf hin, daß vorhandene gute Anlagen bedeutender Verkehrsstraßen, wenn sie einmal da sind, besser für die voraussichtlichen Bedürfnisse ausgebaut werden, als daß man für diese halbe Lösungen (zum Beispiel Entlastungsstraßen) baut, die dann schließlich weder dem Verkehr noch der Bebauung dienen können. Aus diesen besondern und allgemeinen Gründen sollte auch die Birmensdorferstraße soweit wie möglich ins Stadtinnere für einen zukünftigen Straßenbahn-, Wagen- und Personenverkehr ausgebaut werden können, wozu der vorgeschlagene Baulinienabstand von 20 m die Vorbedingung ist. Wenn in bedeutenden Verkehrsstraßen Einengungen von Fahrbahn oder Gehwegen auf kurze Strecken und über beschränkte Zeit auch angängig sind, so dürfen solche Provisorien nicht zum vornherein durch die Festsetzung von Baulinien ohne Not geschaffen werden. [p. 427]
Der Einwand, daß die Birmensdorferstraße stadtwärts auch nicht 20 m Baulinienabstand habe, also auch nicht entsprechend dem hier in Frage kommenden Teilstück ausgebaut werden könne, muß entgegengehalten werden, daß der Verkehr der Birmensdorferstraße von der Einmündung der Werdstraße an stadtwärts auch noch von dieser übernommen wird und später von der Morgartenstraße Richtung Stauffacherbrücke gegen das Selnau.
Im weitern ist zu prüfen, ob die Verkehrsinteressen und Verkehrsbedürfnisse die Zurücklegung der projektierten Platzbaulinie beim Zusammentreffen der Werd- und Birmensdorferstraße, wie es in der Baulinienvorlage der Stadt geschehen ist, verlangen, oder ob die Anforderungen des Verkehrs, entsprechend dem Begehren und im Interesse der Belassung einer großem Bauparzelle der Rekurrenten, eine Vorschiebung dieser Baulinie nach Nordosten zulassen.
Die Zurücklegung der Baulinien im Winkel Birmensdorferstraße-Werdstraße um rund 15 m hinter die heute geltende Baulinie hängt zusammen mit der Verschiebung der südlichen Baulinie der Birmensdorferstraße und wird weiter seitens der städtischen Verwaltung mit verkehrstechnischen und ästhetischen Momenten begründet. Würde die im Winkel zwischen Birmensdorferstraße und Werdstraße durch Regierungsratsbeschluß vom 12. Februar 1903 genehmigte Baulinie in ihrer gegenwärtigen Lage belassen, so würde ihre Länge zufolge der zurückverlegten Baulinie der Birmensdorferstraße von zirka 19 m auf zirka 11 m verringert. Ob eine Gebäudeflucht von nur 11 m Länge ästhetisch anfechtbar ist oder nicht, dürfte schwer zu entscheiden sein; immerhin darf darauf verwiesen werden, daß sich auf demselben Bebauungsplan Fassaden von gleicher oder wenig größerer Längenausdehnung vorfinden. Es sind nun aber nicht ästhetische Momente, die zu Gunsten der Vorlage der Stadt den Ausschlag geben. An und für sich ist die Einmündung der Morgartenstraße, welche den Verkehr aus dem Stadtinnern über die Stauffacherbrücke nach der Birmensdorferstraße vermittelt, in die Birmensdorferstraße an der Stelle, wo die Werdstraße und die Gartenhofstraße einmünden, keine glückliche. Aus dieser Erkenntnis hat die Bauverwaltung jedenfalls auch das letzte Teilstück der Morgartenstraße gegenüber den genehmigten Baulinien zwischen Birmensdorferstraße und Werdstraße um zirka 15 m zurückgelegt. Da die Einführung der Morgartenstraße in die Birmensdorferstraße, etwa zwischen Gartenhofstraße und Weberstraße, wo der Verkehr auf kurze Strecke nach Richtungen geordnet ist, unter Zusammenlegung mit der Weberstraße heute kaum mehr möglich ist, ist diese vorgeschlagene «Platzgestaltung» für die Ermöglichung einer sichern Verkehrsabwicklung erforderlich. Würde die Lage der Baulinie zwischen Birmensdorfer- und Werdstraße belassen und nur ihre Länge zufolge Zurücksetzung der südlichen Baulinie der Birmensdorferstraße vermindert, so hätte das zur Folge, daß die von der Birmensdorferstraße in die Morgartenstraße einbiegenden Fuhrwerke zu wenig Sicht in die Werdstraße hätten und hieraus Verkehrsstörungen und -gefährdungen erwachsen würden. Dafür, daß das Längenmaß dieser Bauflucht absolut 18 m betragen müsse, wird kaum ein Beweis zu erbringen sein. Wenn aber derartige Straßeneinmündungen schon gewählt werden müssen, durch Verhältnisse gezwungen, die nicht mehr zu ändern sind, erscheint die Vorsorge für eine reibungs- und gefahrlose Abwicklung des Verkehrs jedenfalls geboten, und aus diesem Grunde darf die zum Zwecke der übersichtlichen Gestaltung der Straßenmündung geplante Zurücksetzung der Baulinie in ihrem Ausmaße auch nicht vermindert werden.
Mit diesen Ausführungen erledigen sich sowohl Haupt- wie Eventualbegehren. Der Rekurs ist unter diesen Umständen abzuweisen.
Der Regierungsrat, nach Einsicht eines Antrages der Baudirektion, beschließt:
I. Der Rekurs wird abgewiesen.
II. Die Kosten, bestehend in einer Staatsgebühr von Fr. 60, nebst den Ausfertigungs- und Stempelgebühren, werden den Rekurrenten auferlegt.
III. Mitteilung an Rechtsanwalt Dr. H. Maag-Hongler, in Zürich 1, zu Handen der Rekurrenten, an den Bezirksrat Zürich, den Stadtrat Zürich und an die Baudirektion.