Signatur | StAZH MM 3.4 RRB 1890/0002 |
Titel | Namensänderung. |
Datum | 04.01.1890 |
P. | 3–4 |
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A. Mit Zuschrift vom 4. November 1889 stellt Herr Heinrich Michel (alias Lehmann) in Zürich das Gesuch, den von ihm bisher getragenen Familiennamen Lehmann beibehalten zu dürfen, – indem er anführt
Am 11. August 1850 sei er als Sohn des Heinrich Lehmann, Steinmetzmeister, von und in Unterstraß und der Salomea Bachofen geboren worden.
Im Jahr 1851 sei sein Vater gestorben, worauf er und seine Mutter in der Familie seines Onkels bezw. seiner Tante, nämlich der Eheleute Friedrich Salomon Michel, Schmiedmeister, von und in Zürich und der Barbara Rosina Bachofen Ausnahme gefunden haben. Von diesem Zeitpunkte an sei er von den Eheleuten Michel wie ein eigenes Kind gehalten und erzogen worden und als denselben dann im Jahre 1864 ihr einziger Sohn durch den Tod entrissen worden, haben sie sich entschlossen, ihn (den Petenten) zu adoptiren. Diese Adoption sei am 16. Dezember 1865 von der Justizdirektion bewilligt und am 23. Dezember 1865 vom Bezirksrathe Zürich als vollzogen erklärt worden.
Trotzdem er von da an den Geschlechtsnamen der Adoptiveltern hätte tragen sollen, sei er gleichwohl überall, in und außer dem Hause, bei dem Familiennamen Lehmann benannt worden.
Unter diesem Namen sei er konfirmirt worden, habe gegen Einkauf am 12. Januar 1875 das Bürgerrecht der Stadt Zürich erhalten und sei er in den Militär-Kontrolen eingetragen.
Am 20. Februar 1882 habe er sich mit Anna Rosenberger von Birmensdorf verehelicht. Im Ehescheine figurire er mit dem Namen „Lehmann“ und unter demselben Namen sei auch die kirchliche Trauung erfolgt.
Ein am 24. März 1883 von seiner Ehefrau in Uster geborner Knabe sei auf den Namen „Lehmann“ im Geburtsregister eingetragen und getauft worden und habe daselbst als Heinrich Lehmann die Schule besucht.
Seit beinahe 40 Jahren (vom Datum des Vollzuges der Adoption an gerechnet seit 24 Jahren) habe er also unter dem Namen „Lehmann“ gelebt und verkehrt und kennen ihn Verwandte, Bekannte und Geschäftsfreunde; als „Lehmann“ habe er in verschiedenen Anstellungen, und seit einer Reihe von Jahren selbständig gearbeitet.
Nun verlangen auf einmal die städtischen Controlbehörden, daß er und seine Familie fortan den Adoptivnamen „Michel“ führen. Allerdings spreche das Gesetz hiefür; wenn dies trotzdem bisanhin nicht geschehen sei, so trage er daran die geringste Schuld. Er sei zur Zeit der Adoption noch ein Knabe gewesen. Niemand habe ihn „Michel“ benannt und die Behörden haben ihn in öffentlichen Urkunden und Registern mit seinem angebornen Namen „Lehmann“ aufgeführt. Daß er sich hiegegen nicht aufgelehnt habe, sei wohl begreiflich.
Wenn er nun noch in seinem 40. Altersjahre den Namen „Michel“ annehmen müßte, so hätte dies eine Reihe von Schwierigkeiten und Nachtheile für ihn zur Folge. Das Zutrauen, der Kredit etc., welche er als „Lehmann“ genieße, würden leiden und er in geschäftlicher Hinsicht erheblich geschädigt.
Wolle dem Gesetze Genüge geleistet werden, so müssen die Einträge in den Zivilstandsregistern und den sämmtlichen übrigen bürgerlichen und militärischen Registern nachträglich geändert werden, währenddem, wenn seinem Ansuchen entsprochen werde, nur ein thatsächlich schon bestehender Zustand die rechtliche Sanktion erhalte.
Endlich sei noch darauf hinzuweisen, daß seine (nun verstorbenen) Adoptiveltern auf die Annahme ihres Geschlechtsnamens seinerseits kein besonderes Gewicht gelegt haben; denn sie haben ihn selbst beim frühern Namen (Lehmann) genannt und verschiedene amtliche Akte, so den Erwerb des städtischen Bürgerrechtes, auf seinen angebornen Namen veranlaßt. Es liege, also auch in dieser Richtung in dem gestellten Begehren nicht etwa eine Impietät gegenüber den Adoptiveltern.
Als Beweis für die gemachten Ausführungen legt Petent vor:
1) Bewilligung der Justizdirektion an die Eheleute Michel-Bachofen zur Adoption des Heinrich Lehmann.
2) Beschluß des Bezirksrathes Zürich betr. Vollzug der Adoption.
3) Bürgerrechtsurkunde des Stadtrathes für H. Lehmann.
4) Militär-Dienstbüchlein für Heinrich Lehmann.
5) Trauschein für die Eheleute Lehmann-Rosenberger.
6) Geburtsschein für einen Knaben derselben.
7) Ausweis für obigen Knaben betr. Wegzug aus dem Schulkreis Uster.
8) Geschäftsbriefe, Rechnungen etc.
B. Der Stadtrath Zürich und der Gemeindrath Unterstraß empfehlen in ihren Gutachten vom 12. November und 9. Dezember 1889 das Gesuch zur Entsprechung, beide im Wesentlichen mit folgender Begründung:
Aus der Eingabe und den beigelegten Akten erhelle, daß der Gesuchsteller, trotzdem er schon im Jahre 1865 adoptirt worden sei, den Namen seiner Adoptiveltern bis zur Stunde noch nicht angenommen, sondern immer den angebornen Familiennamen geführt habe, daß er nur unter diesem Namen bekannt sei, und daß auch die Behörden auf Grund der maßgebenden Registereinträge ihn mit diesem Namen bezeichnet haben.
Wenn sich das Gesuch rechtlich dennoch als ein solches um Namensänderung darstelle, so sei es thatsächlich doch ein solches um Beibehaltung des bisher geführten Familiennamens und es fallen deshalb alle diejenigen Bedenken weg, welche derartigen Begehren mit Recht entgegengehalten werden, so insbesondere die für die Zivilstandsregisterführung und für den Verkehr aus einer Namensänderung sich ergebenden Schwierigkeiten, indem auf dem einen und dem andern Gebiete der vom Petenten gewünschte Zustand deshalb bereits bestehe, weil die Adoption in diesen Richtungen nicht vollzogen worden sei. Auch falle zu Gunsten des Gesuchstellers ins Gewicht, daß die öffentlichen Behörden in einem gewissen Maße das jetzige Verhältniß dadurch mitveranlaßt haben, daß sie Jenen, bezw. dessen Adoptiveltern auf die gesetzliche Vorschrift der Namensänderung nicht aufmerksam gemacht und bei den verschiedenen Akten, bei denen sie mitzuwirken hatten, nicht auf dem Gebrauche des durch die Adoption erlangten neuen Familiennamens bestanden haben. Unter den obwaltenden Umständen liegt es nicht nur im Interesse des Petenten selbst, sondern auch in demjenigen der öffentlichen Kontrolführung, daß dem Gesuchsteller die Beibehaltung des Namens „Lehmann“ gestattet werde, damit nicht in allen Listen und Akten Aenderungen vorgenommen werden müssen.
C. Mit Antwortschreiben vom 31. Dezember 1889 schließt sich der Bezirksrath Zürich dem Antrage des Stadtrathes Zürich und des Gemeindrathes Unterstraß auf Entsprechung des Gesuches an.
In Zustimmung zu den Anträgen der vorbenannten Behörden, und nach Einsicht eines Antrages der Direktion des Innern,
beschließt der Regierungsrath:
1. Dem Heinrich Michel bezw. Lehmann in Zürich wird die Bewilligung ertheilt, den bisher getragenen Familiennamen Lehmann für sich und seine Familie auch fernerhin zu führen.
2. Mittheilung an denselben unter Rücksendung der eingelegten Akten, an den Bezirksrath Zürich, an den Stadtrath Zürich und den Gemeindrath Unterstraß, letzteren je zu Handen der Zivilstands- [p. 4] Ämter und Kontrolbeamten, sowie an die Direktionen des Militärs und des Innern.