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Staatsarchiv des Kantons Zürich

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SignaturStAZH MM 3.4 RRB 1890/0013
TitelHaaben.
Datum04.01.1890
P.7–8

[p. 7]

A. In Folge einer Beschwerde der Schiffergesellschaft am Zürichsee vom 22. August 1887, dahingehend, es befinde sich mit Ausnahme von Meilen und Erlenbach längs den beiden Seeufern keine einzige Haabe, welche auch nur ein, geschweige mehrere beladene Schiffe aufnehmen könnte, wurden die Statthalterämter Horgen und Meilen von der Direktion der öffentlichen Arbeiten unterm 27. Februar 1888 eingeladen, die Seegemeinden anzuhalten, die Interessen der Schiffahrt durch gehörige Instandstellung sicherer Landungsplätze zu wahren, d. h. die bestehenden Haaben auszubaggern.

Gleichzeitig wurde die von der Schiffergesellschaft geäußerte Ansicht, die ungenügende Wassertiefe der Haaben sei der Verbesserung der Abflußverhältnisse des See’s zuzuschreiben, als falsch bezeichnet, da diese Verbesserungen nur die höhern nicht aber die niedern Wasserstände gesenkt haben.

B. Als sich unterm 25. Februar 1889 das Präsidium der Schiffergesellschaft am Zürichsee, Herr Hch. Baumann in Richtersweil neuerdings beschwerte, daß die Haaben in Zollikon, Thalweil und Rüschlikon immer noch nicht ausgebaggert worden seien, wurde durch Verfügung vom 8. März das Statthalteramt Horgen nochmals eingeladen, die Gemeinden Rüschlikon und Thalweil allen Ernstes anzuhalten, ihre Haaben gehörig zu vertiefen.

C. Mit Eingabe vom 16. September (eingegangen den 12. Oktober), berichten die Gemeinderäthe von Thalweil, Stäfa, Männedorf, Wädensweil, Horgen, Oberrieden und Rüschlikon, es seien dem Befehle vom 27. Februar 1888 einige Gemeindebehörden bereits nachgekommen und andere hätten Voranschläge aufstellen lassen, aber überall ergebe sich, daß die verlangten Arbeiten den Gemeinden sehr große Kosten verursachen. Im Weitern wird sodann wiederum die Ansicht ausgesprochen, die Regelung des Seewasserstandes komme zwar den Seeanwohnern sehr zu statten, allein es erwüchsen den Gemeinden durch die anbefohlene Tieferlegung ihrer Haaben ganz besondere Auslagen, weßhalb dieselben das Gesuch stellen:

1. Daß die noch nicht hergestellten Haaben auf Staatskosten vertieft werden;

2. daß denjenigen Gemeinden, welche diese Arbeit berei[t]s vollzogen haben, die bezüglichen Kosten aus der Staatskassa vergütet werden.

Die Direktion der öffentlichen Arbeiten berichtet:

D. Die Nothwendigkeit, die bestehenden Haaben von Zeit zu Zeit auszubaggern, ist durchaus nicht neu, ebensowenig aber auch das Bestreben einzelner Gemeinden, sich diesen Anforderungen zu entziehen. So erging an die Gemeinden am rechten Seeufer unterm 9. März und 23. November 1877 die Aufforderung, die Haaben in einen für die Sicherheit der Schiffe genügenden Zustand zu bringen, jedoch ohne Erfolg. Erst im Winter 1879/80, nachdem der Kantonsrath durch Beschluß vom 17. Februar 1879 den Regierungsrath eingeladen hatte, mit voller Energie, nöthigenfalls unter Androhung von Buße und Exekution die Pflichtigen zur Reinigung der Haaben am rechten Seeufer anzuhalten, kamen die Gemeinden den Weisungen des Statthalteramtes Meilen mehr oder weniger nach. Es mußten jedoch schon unterm 17. Januar 1885 auf erneuerte Beschwerde der Schiffleute wieder 6 Gemeinden am rechten Seeufer zum Instandstellen derselben aufgefordert werden.

Sowohl die Neuerstellung wie die Austiefung von bestehenden Haaben wurde jeweilen durch bedeutende Staatsbeiträge (ca. 1/3) unterstützt. So erhielten an die Austiefung der Gemeindehaaben am 28. Dezember 1886 Meilen Fr. 800, am 30. Juli 1887 Erlenbach Fr. 800, am 17. November 1888 Wädensweil Fr. 1600 (Austiefen des Seegrundes bei der Haabe ob der Au), am 5. Januar 1889 Uetikon Fr. 700 und am 13. April 1889 Kilchberg Fr. 1000.

Die von den Seegemeinden schon wiederholt produzirte Ansicht, daß die Verbesserungen des Seeabflusses tiefere Wasserstände zur Folge haben und dadurch die Austiefung der Haaben nothwendig werde, muß als falsch zurückgewiesen werden. Die tiefsten Seestände seit Einführung regelmäßiger Pegelbeobachtungen (1811), traten in den Jahren 1830 und 1854 mit 2,79 in am Stadthauspegel ein. Seit 1854 sank der See nie mehr so tief und waren die niedrigsten Stände: 1858 = 2,75, 1871 = 2,57, 1872 = 2,58, 1873 = 2,58, 1882 = 2,72, 1885 = 2,57, 1887 = 2,56 und 1889 = 2,68 m. Ueberhaupt ist das Mittel der jährlichen tiefsten Stände der Jahre 1846 – 1880 = 9 cm. höher als dasjenige der Jahre 1811–1845. Eine Senkung der mittleren und niedern Seestände ist weder früher noch jetzt angestrebt worden, sondern es soll im Gegentheil sobald der See unter den mittleren Stand absinkt, der Abfluß so regulirt werden, daß er höchstens dem Zufluß gleichkommt und bei noch niedrigerem Stand nur dem nothwendigen Bedarf der Wasserwerke entspricht. Mit der projektirten Beseitigung einer Mühle am obern Steg wird sich dieser Bedarf in Zukunft noch reduziren.

Von den in neuester Zeit projektirten Verbesserungen der Abflußverhältnisse ist bis jetzt nur die Ausbaggerung der Limmat vom See bis zum obern Mühlesteg ausgeführt und dadurch das nothwendige [p. 8] Gefäll auf dieser Strecke reduzirt worden. Dieses Gefäll war schon vor der Ausbaggerung im Jahre 1886 bei kleinem Seestande sehr gering und betrug bei einem Pegelstand von 2,25 m. (alter Pegel = 20“), welcher dem mittleren Stande der Monate Januar und Februar der Jahre 1846–1880 entspricht, durchschnittlich 6,5 cm. und nachher 5 cm., es fand daher eine Reduktion von 1–2 cm. statt.

Daß die tiefern Seestände in den Jahren 1885, 1887 und 1889 ihre Ursache nicht in der Aenderung der Abflußverhältnisse in Zürich haben, zeigt auch ganz evident die folgende Vergleichung mit den entsprechenden Ständen des Wallensee’s:

Zürichsee.

1884 1885 1886 1887 1888 1889

Jan. Febr. Jan. Febr. Jan. Febr. Jan. Febr. Jan. Febr. Jan. Febr.
2,17 2,25 2,43 2,45 2,19 2,32 2,30 2,48 2,28 2,41 2,58 2,47
2,27 2,29 2,57 2,56 2,32 2,39 2,40 2,56 2,37 2,46 2,68 2,68

Wallensee.

4,12 4,19 4,40 4,36 4,18 4,31 4,30 4,44 4,25 4,39 4,56 4,41
4,19 4,24 4,45 4,46 4,32 4,34 4,34 4,48 4,36 4,44 4,63 4,62

Hieraus ist ersichtlich, daß besonders tiefe Stände des Zürichsees mit besonders tiefen Ständen des Wallensee’s, vor und nach der Baggerung, zusammenfallen und dieselben somit auf außerordentliche Abnahme des Zuflusses zurückzuführen, sind.

Schließlich muß noch bemerkt werden, daß es weder für die staatlichen Behörden eine erfreuliche, noch für die gesuchstellenden Gemeinden eine rühmliche Erscheinung ist, wenn die Letzteren, welche im Ganzen nicht schlecht situirt sind, sofort den Staat, der mit großen Kosten im alleinigen Interesse der Seeanwohner die Hochwasserstände des See’s zu senken unternimmt, für die vermeintlichen Inkonvenienzen, welche diesem Unternehmen zugeschrieben werden, verantwortlich machen wollen.

Nach Einsicht eines Antrages der Direktion der öffentlichen Arbeiten

beschließt der Regierungsrath:

1. Auf das Gesuch der Gemeindräthe Thalweil, Stäfa, Männedorf, Wädensweil, Horgen, Oberrieden und Rüschlikon um Uebernahme der Kosten für Austiefen der öffentlichen Haaben auf Rechnung des Staates wird nicht eingetreten.

2. Mittheilung an die Gemeindräthe Thalweil, Stäfa, Männedorf, Wädensweil, Horgen, Oberrieden, Rüschlikon und an die Direktion der öffentlichen Arbeiten.