Signatur | StAZH MM 3.4 RRB 1890/0652 |
Titel | Bauordnung. |
Datum | 03.04.1890 |
P. | 140–141 |
[p. 140] In Sachen des Herrn Kienast-Kramer in Hottingen, Eigenthümers des Hauses zur „blauen Fahne“ an der Münstergasse, Zürich, Rekurrenten gegen einen Beschluß des Bezirksrathes Zürich, betreffend Beseitigung einer Kelleröffnung,
hat sich ergeben:
A. Laut Verfügung der städtischen Polizeiverwaltung vom 2. November 1887 hat sich die Behörde das Recht vorbehalten: „Die Kelleröffnung im Trottoir und im Hause zur „blauen Fahne“ auf Kosten des Hauseigenthümers schließen zu lassen und deren Benutzung zum Spediren von Bierfässern zu verbieten.“
B. Gegen diesen Passus verwahrte sich Herr Kienast-Kramer als Eigenthümer des Hauses unterm 7. November 1887 beim Stadtrath Zürich, indem erklärt wird, daß fragliche Kelleröffnung eine uralte sei und eine auf Recht bestehende Servitut auf Reichsboden begründe.
Dieses Begehren wurde unterm 20. Dezember 1887 vom Stadtrathe abgewiesen und Herr Kienast aufgefordert, die Oeffnung innert Zeitfrist, gemäß den unterm 20. Mai 1884 genehmigten Bauplänen, zu beseitigen.
C. Namens Kienast-Kramer rekurrirte Hr. Advokat Dr. Honegger gegen diesen Beschluß des Stadtrathes an den Bezirksrath Zürich, wozu bemerkt wird, daß eine Beseitigung dieses Schachtes einer totalen Entwerthung des Kellers gleichkäme, abgesehen vom gänzlichen Entzuge von Luft und Licht. Daß im aufgelegten Plan fragliche Lichtöffnung nicht eingezeichnet gewesen, sei ein leicht entschuldbares Versehen des zeichnenden Architekten und ändere nichts an der Sache.
D. Vom Stadtrathe Zürich wurde unterm 12. Juni 1888 der Rekurs Kienast in ablehnendem Sinne beantwortet, unter Hinweisung daraus, daß ein Bauherr bei Vornahme einer Umbaute nur diejenigen baulichen Aenderungen vornehmen dürfe, die in den genehmigten Plänen enthalten seien.
E. Der Bezirksrath beschloß unterm 2. August 1888:
1. Der Rekurs des Herrn J. A. Kienast-Kramer wird als unbegründet abgewiesen.
2. Rekurrent trägt die Kosten.
3. Mittheilungen.
Er stützte sich hiebei auf folgende Erwägungen:
Es handelte sich hier um eine Uebertretung des § 33 des Baugesetzes, die allerdings von der Baubehörde etwas spät entdeckt worden sei.
Ein vorgenommener Lokalaugenschein habe erzeigt, daß der schon längst vorhanden gewesene Schacht bei der Umbaute hätte wegfallen sollen, da in den Bauplänen von 1884 von einer solchen Oeffnung, nichts erwähnt sei, sondern nur 2 kleine Lichtöffnungen im Sockel des Gebäudes eingezeichnet seien. Zu einem Fortbestand des Schachtes wäre eine neue Bewilligung zur Abänderung des ursprünglichen Projektes nothwendig gewesen und sei der Stadtrath gesetzlich berechtigt, die Beseitigung desselben zu verlangen.
F. Gegen diesen Entscheid rekurriren Honegger und Zuppinger mit Eingabe vom 31. August 1888 an den Regierungsrath, worin die Rekurrenten des Bestimmtesten bestreiten, daß es sich hier um eine Uebertretung des § 33 der Bauordnung handle, indem sich dieser § nicht auf schon bestehende Einrichtungen beziehe etc.
G. In seiner Rekursbeantwortung verlangt der Stadtrath den Zustand, wie er in den genehmigten Plänen enthalten sei, also Beseitigung des Schachtes.
H. Der Bezirksrath hält am rekurrirten Beschlusse fest, ohne demselben Weiteres beizufügen.
J. Die Direktion der öffentlichen Arbeiten berichtet:
Trotz mehrfach wiederholter Reklamation bei den Parteien konnten die Pläne für die Umbaute nicht erhältlich gemacht werden, da aber allseitig zugegeben wird, es seien in der Façade nur zwei kleine Kellerlichter in den maßgebenden Plänen vom Jahre 1884 eingezeichnet gewesen, so mag der Entscheid auch ohne Einsichtnahme der Pläne endlich doch gefällt werden.
Ans den Akten geht hervor, daß die Formalitäten, wie sie § 27 der Bauordnung vorschreibt, in durchaus richtiger Weise erfüllt wurden und es hat der Bauherr die Umbaupläne unterzeichnet dem Stadtrathe eingereicht.
Wie bereits erwähnt, waren in diesen Plänen in der Façade gegen die Münstergasse nur 2 kleine Kellerlichter aufgeführt, ein [p. 141] schon früher bestehender in das Trottoir vorspringender Schacht wurde nicht eingezeichnet.
Wenn die Rekurrenten sagen, es sei dies auf ein Versehen des Technikers zurückzuführen, so muß hier festgestellt werden, daß solche Einwände nie berücksichtigt werden dürfen.
Wenn die Bauordnung nach § 27 die Einreichung genau angelegter Pläne für alle Bauten verlangt, so ist selbstverständlich, daß bei Umbauten in den Plänen nicht nur die Neuanlage, sondern auch das schon Bestehende aufgeführt werden muß, da nur dann eine richtige Beurtheilung der Pläne seitens der zuständigen Behörden erfolgen kann. Die Einreichung unvollständiger Pläne involvirt eine Täuschung für die Baubehörden, ob diese nun absichtlich oder ein Versehen sei, so gibt sie dem Stadtrath das Recht, auf Ausführung der Baute nach eingereichtem Projekt zu dringen.
Mit Rücksicht auf diesen Spezialfall sagt § 27, Abs. 1, es sei namentlich in den Plänen die Stellung des Unternehmens in Bezug auf den öffentlichen Grund klar zu legen. Von diesem Gesichtspunkte aus kommt § 33 der Bauordnung voll und ganz zur Anwendung und es hat der Rekurrent allfälligen Schaden, der aus Nichtbeachtung dieser Vorschrift ihm erwachsen sollte, selbst verschuldet.
Uebrigens macht der Stadtrath laut Verfügung vom 2. November 1887 von dem ihm zustehenden Recht möglichst schonenden Gebrauch, indem er die Zufahrt und das Abladen von Bier nur für größere als einspännige Fuhrwerke verbietet, während doch zugegeben werden muß, daß auch Einspänner an dieser Stelle den Verkehr stauen und eine Gefahr für das Publikum sind.
Endlich ist darauf hinzuweisen, daß durch Anlage einer Privatstraße gegen die hinteren Gebäudetheile der „blauen Fahne“ der Keller vom Hofe aus bedient werden kann, eine Schädigung für den Besitzer also thatsächlich nicht besteht.
Es liegt für die Oberbehörden kein Grund vor, den Stadtrath zu hindern, bei geeigneter Gelegenheit solche, auf Kosten des Reichsbodens noch bestehende, verkehrsgefährliche Einrichtungen zu beseitigen.
Nach Einsicht eines Antrages der Direktion der öffentlichen Arbeiten
beschließt der Regierungsrath:
1. Der Entscheid des Bezirksrathes Zürich in Sachen Kienast-Kramer wird gutgeheißen und der Rekurs auch hierseits abgewiesen.
2. Rekurrent trägt die zweitinstanzlichen Kosten, bestehend in 3 Fr. Staats-, 2 Fr. Kanzlei-, nebst den Ausfertigungs- und Stempelgebühren.
3. Mittheilung an die Herren Honegger und Zuppinger zu Handen ihres Klienten, an den Bezirksrath Zürich und den Stadtrath Zürich, sowie an die Direktion der öffentlichen Arbeiten je unter Rückstellung der bezüglichen Akten.