Signatur | StAZH MM 3.43 RRB 1929/1041 |
Titel | Limmatwerk Wettingen (Wasserrecht). |
Datum | 24.05.1929 |
P. | 441–443 |
[p. 441] Am 2. Juni 1916 reichte die Firma Locher & Co., in Zürich, ein generelles [p. 442] Projekt ein für die Ausnützung der Wasserkraft der Linunat von der Reppisch bis zur Bahnbrücke in Wettingen zwecks Erlangung einer Konzession. Nachdem am Projekt mehrere Ergänzungen vorgenommen waren, erfolgte am 4. September 1918 die definitive Vorlage.
Gemäß Verfügung der Baudirektion Nr. 1949 vom 9. September 1925 wurde das Wasserrechtsgesuch vom Statthalteramt Zürich öffentlich bekannt gemacht. Laut Mitteilung desselben vom 15. Oktober 1925 sind innert der angesetzten Frist 30 Einsprachen, darunter mehrere Kollektiveingaben, eingegangen.
Die Baudirektion berichtet:
1. Das Limmatwerk Wettingen nach dem Locher’schen Projekt sah durch Einbau eines Wehres mit Kraftwerk zirka 100 m unterhalb der Eisenbahnbrücke Spreitenbach-Wettingen in der Limmat einen Aufstau derselben um zirka 17 m vor. Durch Anlegung eines Unterwasserstollens unter der Halbinsel Wettingen durch ergab sich bei Niederwasser ein Gefäll von zirka 23 m. Der Rückstau reichte in der Limmat bis auf die Höhe des Kraftwerkes Dietikon der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich. Die zu gewinnende Kraft sollte zwischen 6,400 bis 27,700 PS schwanken, wobei der Ausbau auf maximal 120 m3/sek. vorgesehen war. Das Limmatwerk Wettingen beansprucht das Flußgebiet der Kantone Aargau und Zürich. Gemäß Artikel 38 des Bundesgesetzes über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte werden Wasserrechte an Gewässerstrecken, die in verschiedenen Kantonen liegen, durch die beteiligten Kantone im gemeinsamen Einverständnis verliehen. Das Verfahren richtet sich laut Artikel 60 und 61 in jedem Kanton nach dessen Vorschriften.
Während dem Auflageverfahren trat die Stadt Zürich als Mitbewerberin um das Wasserrecht auf. Auf Grund eines Vertrages mit Locher & Co. wurde sie Ende 1925 Rechtsnachfolgerin im Gesuche. Sie veranstaltete hierauf zur weitern Abklärung des Projektes einen Wettbewerb, auf Grund dessen eine eigene Vorlage vom 20. Dezember 1926 eingereicht wurde. Das neue Projekt schließt sich in den Grundzügen demjenigen der Firma Locher & Co. vom Jahre 1918 an. Die Idee ist folgende:
Die Limmat wird mittelst einer zirka 100 m oberhalb der vorhandenen Straßenbrücke bei Wettingen-Kloster zu erstellenden Stauanlage auf Kote 380,24 (neuer Horizont) gestaut und in einer auf der rechten Talseite unmittelbar an die Stauanlage angebauten Kraftzentrale ausgenutzt. Um das Gefälle der unterhalb liegenden Flußserpentine miteinzubeziehen, wird diese durch einen Unterwasserstollen abgeschnitten und das Wasser erst beim vorhandenen Kanalauslauf der Fabrikanlage Wettingen-Kloster zurückgegeben. Von hier bis zum Wehr des Kraftwerkes Aue wird zwecks Ausnützung des RestgefälIes noch eine Vertiefung des Flußbettes vorgenommen.
Dadurch stellt sich das totale Nettogefälle auf maximal 23,16 m und im Jahresmittel auf rund 22,80 m. Die Anlage soll auf 120 m3/sek. ausgebaut werden, welche Wassermenge an zirka 100 Tagen des Jahres vorhanden sein dürfte. Die Staugrenze befindet sich wie im Locher'schen Projekt praktisch in der Limmat auf der Höhe des Maschinenhauses des Elektrizitätswerkes Dietikon. Die Reppisch wird etwas eingestaut. Beim Wehr des neuen Werkes sind fünf Überfallöffnungen und fünf Grundablässe vorgesehen. Bei einem höchsten Hochwasser von 735 m3/sek. genügen dem Abfluß 2 1/2 Grundablaßöffnungen. Die 5 Überfallöffnungen können zusammen zirka 315 m3/sek. bewältigen. Das Maschinenhaus enthält 4 Turbinen zu je 30 m3/sek. Wasser und direkt gekuppelte Generatoren, welche maximal 18,700 Kilowatt-Leistung ab Transformatorenklemmen abzugeben ermöglichen. Die totale Jahresproduktion beträgt 120 Millionen kWh. Zur Uferversicherung sind im Staugebiet einige Dämme zu erstellen und Dammerhöhungen vorzunehmen.
2. Das Projekt des Limmatwerkes Wettingen ist am 17. Juni 1925 dem eidg. Departement des Innern vorschriftsgemäß zugestellt und von diesem am 30. Oktober 1925 in seiner generellen Anordnung genehmigt worden.
Nach Vorlage des städtischen Projektes traten die Verleihungsbehörden beider Kantone unter sich und mit der Stadt in die Konzessionsverhandlungen ein, und die Sache wurde derart gefördert, daß Ende 1928 ein fertiger Konzessionsentwurf vorlag.
Mit Schreiben vom 12./20. Dezember 1928 teilt der Regierungsrat des Kantons Aargau mit, daß er am 12. Dezember 1928 den Text der aargauischen Konzession für das Limmatwerk Wettingen festgestellt habe, worauf der Regierungsrat des Kantons Zürich am 24. Januar 1929 seinerseits die Konzession feststellte und den Stadtrat Zürich einlud, sich für die Annahme zu erklären.
Die Annahmeerklärung erfolgte unter Wunsch um einige redaktionelle Änderungen, die vorher mit den beiden Baudirektionen besprochen worden waren, am 6. April 1929.
3. Die auf die Veröffentlichung des Wasserrechtsgesuches im Jahre 1925 eingelaufenen und zu berücksichtigenden Einsprachen betreffen den Einstau vorhandener Wasserwerke, die Beeinträchtigung von Land und Gebäuden durch den Aufstau, geschädigte Fischerei, Erschwerung des Wasserablaufes aus Kanalisationen, Schädigung einer Trinkwasseranlage und sanitäre Bedenken gegen den Aufstau.
Zur Abklärung der Verhältnisse sind von der Baudirektion zwei Expertisen angeordnet worden, eine Expertise allgemeiner Natur, die vor dem Abschluß steht, und eine spezielle Expertise, die eingeleitet ist. Außerdem wurden verschiedene Untersuchungen vorgenommen, sodaß über die Folgen der Ausführung des Werkes im allgemeinen Klarheit herrscht.
Am 22. April 1929 wurde die amtliche Verhandlung abgehalten, zu der rund 50 Teilnehmer erschienen sind. Die Parteien waren hiebei darüber verständigt, daß der Verhandlung von vornherein die gesetzliche Wirkung zukomme, die ihr in der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 23. März 1929 zugesprochen wird.
In Würdigung der Einsprachen sind in der zu erteilenden Wasserrechtsverleihung eine Reihe von Bedingungen aufgenommen, die den öffentlichen und privaten Interessen Rechnung tragen, und der Verleihungsbehörde Mittel an die Hand geben, ordnend einzugreifen. Außerdem ist im weitern Verfahren auf Grund der Ergebnisse der bestellten allgemeinen Expertise den Parteien noch Gelegenheit geboten, eine gütliche Verständigung zu treffen, oder dann das Planauflage- und Expropriationsverfahren zu benützen.
Im übrigen sind anläßlich der Erteilung der Verleihung einige spezielle Vorbehalte zu machen, darunter über die Fischerei, den Ausbau des Elektrizitätswerkes Dietikon und die hygienischen Verhältnisse des Staugebietes.
4. Mit Schreiben vom 3. Mai 1929 teilt der Regierungsrat des Kantons Aargau mit, daß er die von den beiden Regierungen aufgestellte und von der Stadt Zürich angenommene Wasserrechtsverleihung mit den nachträglich gewünschten kleinen Abänderungen in empfehlendem Sinne nun an den aargauischen Großen Rat weiter leiten werde.
Nach der aargauischen Gesetzgebung bedürfen im Aargau Verleihungen von neuen Wasserrechten über mehr als 2000 PS zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung durch den Großen Rat, während im Kanton Zürich der Regierungsrat endgültig zuständig ist. Wie bereits bemerkt, sind im vorliegenden Fall gemäß Artikel 38 des Bundesgesetzes über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte die Wasserrechte von den Kantonen Zürich und Aargau im gemeinsamen Einverständnis zu verleihen. Nachdem die Verleihung von der aargauischen Regierung an den Großen Rat geleitet worden ist, dürfte der Erteilung derselben durch Zürich unter Vorbehalt der aargauischen Genehmigung nichts mehr entgegenstehen.
Auf Antrag der Baudirektion
beschließt der Regierungsrat:
I. Der Regierungsrat des Kantons Zürich, im Benehmen mit dem Regierungsrat des Kantons Aargau, erteilt der Stadtgemeinde Zürich folgende Wasserrechtsverleihung für das Limmatwerk Wettingen (Wasserrecht Nr. 90 Z.): Siehe Beilage.
II. Die Wasserrechtsverleihung unter Dispositiv I wird nur unter folgenden speziellen Bedingungen erteilt:
1. Mit der Finanzdirektion des Kantons Zürich ist ein besonderes Fischereiabkommen abzuschließen.
2. Mit den Eigentümern der vom projektierten Limmatwerk Wettingen beeinträchtigten Wasserwerke in Oetwil, Wasserrecht Nr. 39, Bezirk Zürich, und in Dietikon, Wasserrecht Nr. 21, Bezirk Zürich, ist wenigstens eine grundsätzliche Einigung über die Ablösung ihrer Wasserrechte zu treffen. [p. 443]
3. Über die zum Schutz des tiefliegenden Hinterlandes unterhalb Dietikon gegen den erhöhten Wasserspiegel von der Beliehenen zu treffenden Maßnahmen ist der Baudirektion ein befriedigendes Ausführungsprojekt vorzulegen.
4. Die Beliehene hat eine allfällige Einsprache gegen einen künftigen Umbau oder eine Erweiterung des Kraftwerkes Dietikon, Wasserrecht Nr. 21, Bezirk Zürich, auf Verlangen der Baudirektion zurückzuziehen, sofern deren Prüfung ergibt, daß die Rechte der Beliehenen nicht erheblich beeinträchtigt werden, und unter der Bedingung, daß die Schadenersatzpflicht der Beliehenen infolge Einstaues des Kraftwerkes Dietikon durch das Limmatwerk Wettingen nur anerkannt wird im Rahmen der derzeitigen Verleihung des Kraftwerkes Dietikon.
III. Die Bedingungen von Dispositiv II, Ziffern 1, 2 und 3, sollen vor Inkrafttreten der Verleihung erfüllt werden.
IV. Der Regierungsrat behält sich vor, diese Wasserrechtsverleihung ohne Entschädigung zu widerrufen, sofern die Dispositive II und III nicht erfüllt werden und wenn nicht binnen eines Jahres gemäß Artikel 41 der Verleihung durch Austausch von Erklärungen festgestellt ist, daß über die Bedingungen der Verleihung zwischen den Verleihungsbehörden der Kantone Aargau und Zürich Einverständnis besteht.
V. Dem Regierungsrat bleibt vorbehalten, sofern sich im Staugebiet des Linunatwerkes Wettingen Übelstände in hygienischer und sanitärer Hinsicht durch die Abwasser der Stadt Zürich zeigen sollten, die Stadt Zürich als Eigentümerin der städtischen Abwasseranlage dazu zu verhalten, wirksame Maßnahmen zur Beseitigung der Übelstände zu treffen.
VI. Es wild festgestellt, daß die Verleihung gemäß Dispositiv I laut Schreiben des Stadtrates Zürich vom 6. April 1929 als angenommen gilt.
VII. Für die dem Kanton Zürich laut Artikel 33, Absatz 2, der hiemit erteilten Verleihung zu entrichtenden Gebühren wird spätestens bei Inkrafttreten derselben noch Rechnung gestellt werden.
VIII. Mitteilung an den Stadtrat Zürich, an die Gemeinderäte Dietikon, Oetwil a. L. und Geroldswil, an das Statthalteramt Zürich, das Grundbuchamt Schlieren unter Hinweis auf Artikel 48 der Verleihung, sowie an die Direktionen der Finanzen, des Gesundheitswesens und der öffentlichen Bauten.