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Staatsarchiv des Kantons Zürich

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SignaturStAZH MM 3.48 RRB 1934/1526
TitelBeamte (disziplinarische Entlassung).
Datum14.06.1934
P.515–516

[p. 515] In seiner Sitzung vom 26. März 1934 beschloß der Regierungsrat, gegen Emil Wespi, Verwalter der Zentralstelle für Bureaumaterialien, Druck- und Buchbinderarbeiten, bei der Bezirksanwaltschaft Zürich Strafklage wegen Amtspflichtverletzung einzureichen. Gleichzeitig wurde Wespi in Anwendung von § 4 des Gesetzes betreffend die Ordnungsstrafen vom 30. Oktober 1866 in seinem Amte einstweilen suspendiert. Der Grund für diese Maßnahmen lag darin, daß Wespi nach den Feststellungen der Finanzdirektion seiner Pflicht, den Bedarf des Staates an Bureaumaterialien zu möglichst günstigen Bedingungen zu decken, in verschiedenen Fällen grob zuwider gehandelt hatte. Die Strafanzeige gegen Emil Wespi wurde noch am gleichen Tage, das heißt am 26. März 1934, bei der Bezirksanwaltschaft Zürich eingereicht. Auf Grund der von der Finanzdirektion gegebenen Unterlagen wurde Wespi am 27. März 1934, vormittags 7 Uhr, verhaftet. Die Untersuchung wurde durch Bezirksanwalt Dr. Kägi geführt. Sie konnte am 23. Mai 1934 mit der Schlußeinvernahme abgeschlossen werden. Nach dem Schlußbericht des Bezirksanwaltes vom 6. Juni 1934 hat die Untersuchung gegen Wespi im wesentlichen folgendes ergeben:

1. Wespi hat sich wiederholt von Lieferanten der Zentralstelle für Bureaumaterialien, Druck- und Buchbinderarbeiten zu Wirtshausbesuchen, Autofahrten und dergl. einladen lassen.

Er hat sich ferner wiederholt von Lieferanten mit kleineren Naturalgaben beschenken lassen.

2. Wespi hat selbst an die Angestellten der Zentralstelle aus Mitteln des Staates Geschenke gemacht.

3. Wespi hat wiederholt verschiedenen Amtsstellen neue Schreibmaschinen gegen Rücknahme alter abgegeben, ohne für die neuen Schreibmaschinen einen Mehrpreis zu berechnen. [p. 516]

4. Wespi hat wiederholt größere Maschinen für den Staat eingekauft, ohne daß dafür ein Bedürfnis vorhanden gewesen wäre.

5. Wespi hat wiederholt mit größerem Gewinn Schreibmaschinen an Lieferanten der Zentralstelle vermittelt.

6. Wespi hat es zugelassen, daß der frühere Verwalter der kantonalen Zentralstelle, Locher, sich wiederholt bei der Zentralstelle mit allerlei Bureaumaterialien versorgte.

7. Wespi hat sich vom Lieferanten Pfeiffer für den Ankauf von 500 Schachteln Webster-Kohlenpapier eine Provision von Fr. 1 bis Fr. 1.50 pro Schachtel, insgesamt zirka Fr. 600, bezahlen lassen.

8. Wespi bezog verschiedene Bureauartikel durch eine ihm befreundete Frau namens Ris und ließ sich sodann von Frau Ris vom Gewinn, den sie an der Vermittlung gemacht hatte, je die Hälfte ausbezahlen. Insgesamt dürften die Wespi auf diese Weise zugeflossenen Provisionen zirka Fr. 10,000 ausgemacht haben.

9. Wespi ließ sich Briefumschläge, die von der Firma H. Goeßler & Co., in Zürich, hergestellt wurden, nicht von der Herstellerin direkt, sondern von der ihm befreundeten Firma Otto Wolfensberger & Co. liefern, obwohl sie bei direktem Bezug von der Firma Goeßler billiger gewesen wären.

10. Wespi bezog von der Firma Fridolin Hefti & Co., in Zürich, seit 1928 das Webster-Carbon-Papier zu Preisen, die erheblich höher waren als die Preise der Konkurrenz.

11. Wespi bezog von der Firma Eugen Keller & Co., in Bern, große Mengen saugfähigen Papiers zu Preisen, die erheblich höher waren als der Marktpreis solchen Papiers.

Ferner bezog er von der gleichen Firma sog. Wachsmatrizen zu Preisen, die erheblich höher waren, als sie von der Firma anderen Bezügern berechnet wurden.

12. Wespi ließ sich von den Firmen Weber, Adank & Deiß und Papierfabrik an der Sihl mehrfach Geldgeschenke geben in Beträgen bis zu Fr. 600.

Wespi ist hinsichtlich dieser Tatbestände im wesentlichen geständig. Daß er sich durch die erwähnten Handlungen grobe Amtspflichtverletzungen hat zuschulden kommen lassen, steht außer Frage. Nach § 62 des Gesetzes betreffend die Organisation und die Geschäftsordnung des Regierungsrates und seiner Direktionen vom 26. Februar 1899 kann ein Beamter, der Amts- oder Dienstpflichtverletzungen aus Absicht oder Fahrlässigkeit begangen hat, vom Regierungsrat vorzeitig entlassen werden. Es kann kein Zweifel bestehen, daß die von Emil Wespi begangenen Dienstpflichtverletzungen so schwer sind, daß sie seine sofortige Entlassung rechtfertigen. Wespi ist bereits seit 27. März 1934, gestützt auf § 4, Absatz 2, des Ordnungsstrafengesetzes in seiner neuen Fassung gemäß § 160 des Gemeindegesetzes vom 6. Juni 1926, in seinen Dienstverrichtungen eingestellt. Die Entlassung ist daher auf den Zeitpunkt seiner einstweiligen Einstellung, das heißt den 27. März 1934, zurückzudatieren. Das hat zur Folge, daß auch der Besoldungsanspruch im gleichen Zeitpunkt als erloschen gilt.

Auf Antrag der Finanzdirektion

beschließt der Regierungsrat:

I. Emil Wespi, geboren 1882, von Fischenthal, wird mit Wirkung ab 27. März 1934 aus seinem Amt als Verwalter der Zentralstelle für Bureaumaterialien, Druck- und Buchbinderarbeiten in Anwendung von § 62 des Gesetzes betreffend die Organisation und Geschäftsordnung des Regierungsrates und seiner Direktionen vom 26. Februar 1899 und § 4, Absatz 2, des Ordnungsstrafengesetzes vom 30. Oktober 1866 disziplinarisch entlassen.

II. Mitteilung an Emil Wespi, Enzenbühlstraße 118, Zürich 8, die Bezirksanwaltschaft Zürich, die Finanzdirektion, sowie an die Staatskanzlei.