Signatur | StAZH MM 3.54 RRB 1937/0981 |
Titel | Straßen. |
Datum | 08.04.1937 |
P. | 339–340 |
[p. 339] In Glattfelden, an der Kreuzstraße, wo sich die beiden Hauptverkehrsstraßen Zürich-Bülach-Rafz (B) und Winterthur-Weiach (U) schneiden, zerstörte ein Brand das Heimwesen des Jakob Meier-Gomringer am 23. Dezember 1936 fast gänzlich. Die Versicherungssumme beträgt auf Grund einer Schätzung aus dem Jahre 1931 bei Wiederaufbau Fr. 54,700. Die Brandresten wurden laut Schadenprotokoll zu Fr. 3,310 geschätzt, welchen Betrag die Geschädigten anerkannten.
Das zerstörte Anwesen stand hart an der Kreuzung der beiden wichtigen Straßen und bildete von jeher wegen ungenügenden Abstandes von der Grenze des öffentlichen Grundes eine Gefährdung für den Verkehr. Deshalb war man sich von Anfang an klar darüber, daß ein Wiederaufbau auf dem alten Grundriß nicht in Frage kommen könne. Der Bauherr will den Neubau ungefähr an der alten Stelle errichten, jedoch nach längeren Verhandlungen bedeutend von der Straße zurückgesetzt.
Die im Interesse des Verkehrs erfolgende Zurücksetzung des Neubaues von Wohnhaus und Ökonomiegebäude hat zur Folge, daß § 50 des Gesetzes über die Gebäudeversicherung vom 28. Januar 1934 zur Anwendung zu bringen ist. Der Staat und die Gebäudeversicherunganstalt haben dem Brandgeschädigten je zur Hälfte die Brandreste gemäß Schätzungsprotokoll voll zu entschädigen. Die Hälfte des Schätzungswertes der Brandreste beträgt Fr. 1,655. Ferner empfiehlt sich aus Billigkeitsgründen, die Differenz der Aufräumungskosten im Betrage von Fr. 1,500, die sich ebenfalls auf Grund des Schadenprotokolls ergeben, dem Brandgeschädigten zu ersetzen.
Der Grundeigentümer glaubte, vom Staat außer den vorgenannten Entschädigungen und den ordentlichen Subventionen für die Arbeitsbeschaffung, welche separat bei der Direktion der Volkswirtschaft nachgesucht werden, ein mehreres für die Zurücksetzung des Neubaues fordern zu können. Man konnte auf dieses Begehren nur unter der Bedingung eintreten, daß auf dem Landbesitz des Jakob Meier-Gomringer im Bereich künftiger Baulinien ein räumlich nach Plan begrenztes Bauverbot errichtet werde. Nach längeren Verhandlungen ließ sich die Unterzeichnung eines Grunddienstbarkeitsvertrages erwirken, nach dessen Wortlaut auf etwa 1500 m2 Vorgartengebiet ein Bauverbot gelegt und die Pflanzung von Bäumen und höheren Sträuchern u. s. w. untersagt wird. Die landwirtschaftliche Nutzung wird im übrigen nicht beeinträchtigt. Dadurch kann die Verbesserung der Verkehrsübersicht dauernd gewahrt werden. Nach den Vertragsbestimmungen ist diese dauernde Nutzungsbeschränkung des Grund und Bodens im Bereich der Straßenkreuzung mit einer einmaligen Abfindung von Fr. 1,500 (Fr. 1 pro m2) zu entschädigen. Der Grunddienstbarkeitsvertrag vom 2. April 1937 muß vor Ausrichtung dieses [p. 340] Betrages dinglich wirkend im Grundprotokoll eingetragen und der Brandplatz geräumt werden.
Die finanziellen Leistungen des Staates stellen sich also - ohne die Subvention für Arbeitsbeschaffung - wie folgt:
Fr. “ | 51,390 1,655 | Entschädigung für Brandschaden halbe Entschädigung der Reste | Gebäudeversicherung |
“ | 1,655 | halbe Entschädigung der Reste des Staates an die Gebäudeversicherung |
“ | 1,500 | Aufräumungskosten laut Schadenprotokoll des Staates an den Bauherrn |
“ | 1,500 | Abfindung des Staates an den Bauherrn für Bauverbot nach Vertrag vom 2. April 1937. |
Mit den Aufräumungsarbeiten wurde bereits begonnen. Die Kontrolle des Baugespannes hat ergeben, daß der Gebäudesockel hinter den im Lageplan 1 : 250 durch projektierte «Baulinien» umgrenzten Zonen des Bauverbotes errichtet wird. Nach den Vertragsbestimmungen sollte zu gegebener Zeit die Aufstellung von Baulinien oder genügend erweiterten Bauabständen im Sinne von § 31 des Straßengesetzes festgesetzt werden.
Auf Antrag der Baudirektion
beschließt der Regierungsrat:
I. Im Schadenfall Jakob Meier-Gomringer, Kreuzstraße, in Glattfelden, werden der kantonalen Gebäudeversicherungsanstalt in Anwendung von § 50 des Gesetzes über die Gebäudeversicherung vom 28. Januar 1934 Fr. 1,655 als die Hälfte der Entschädigung für Brandreste gemäß Schadenprotokoll vom 26. Dezember 1936 ausgerichtet.
II. Der Staat bezahlt dem Brandgeschädigten ausnahmsweise einen besonderen Beitrag von Fr. 1,500 an die Planierungsarbeiten des Brandplatzes.
III. Der zwischen Jakob Meier-Gomringer und dem Kreisingenieur I am 2. April 1937 vor Notariat Eglisau abgeschlossene Grunddienstbarkeitsvertrag betreffend Errichtung eines allgemeinen Bau- und Pflanzverbotes auf dem durch den Plan 1 : 250 näher bezeichneten Vorgartenland wird genehmigt, Der Vertrag lautet:
Dienstbarkeits-Vertrag
betreffend
Bau- und Pflanzverbot.
1.
Der jeweilige Eigentümer folgender Grundstücke:
1. Glattfelden Kat.-Nr. 3323, 1 ha 96 Aren 38 m2 Land an der Kreuzstraße, in Glattfelden, mit den Gebäudlichkeiten, die der Eigentümer errichten läßt, bestehend aus Wohnhaus und Ökonomiegebäude (s. Gr. Bl. 2757);
2. Glattfelden Kat.-Nr. 3322, Gebäude Nr. 2, mit 2 ha, 32 Aren, 63 m2 Grundfläche und Umgelände, daselbst (s. Gr. Bl. 2758);
sodann im Gemeindebann Bülach:
3. zirka 2 ha, 20 Aren Wiesen, die Waid genannt, im Schöckfeld. Lindi, und an der Kreuzstraße (s. Glattfelden, Bd. 36, pg. 240 - 7-, Bülach, Bd. ?, pg. ?);
und
4. zirka 24 Aren Acker im Brunnacker (ibid. Ziffer 10, Bülach, Bd ?, pg. ?),
zurzeit Eigentum des Jakob Meier-Gomringer, geboren 1870,
an der Kreuzstraße, Glattfelden, ist gegenüber
dem Staate Zürich und den Gemeinden Glattfelden und Bülach
gehalten:
a) Innerhalb des auf dem einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages bildenden Lageplan 1:250 auf drei Seiten des Straßenkreuzes als «Bauverbotszone» bezeichneten Landes, das durch rote Linien in der Form von erweiterten Bauabständen nach § 31 des Straßengesetzes -Baulinien - begrenzt ist, keine die Verkehrsübersicht störenden oder behindernden baulichen Anlagen (Plakatsäulen, Plakatwände, Reklamen, Benzinanlagen, Kioske oder andere nicht näher bezeichnete Bauten, einschließlich Provisorien aller Art) weder selbst zu errichten, noch deren Aufstellung durch Drittpersonen zuzulassen. Darunter sind auch Gebäude irgendwelcher Art verstanden.
b) Innerhalb der sub lit. a vorstehend genannten «Bauverbotszonen» dürfen auch keine Bäume, mehr als 1 m über Straßenniveau hohe Sträucher gesetzt oder Pflanzungen (Bohnen etc.) angelegt werden, die geeignet sind, die Verkehrsübersicht zu behindern. Frei gestattet sind Grasnut zung und Fruchtanpflanzungen auf jetzigem Niveau des Terrains beidseits der Straßen von Bülach nach Rafz und von Glattfelden nach Rorbas.
2.
Der jeweilige Eigentümer der hievor genannten vier Liegenschaften wird sich zu gegebener Zeit der Festsetzung von erweiterten Bauabständen im Sinne des Straßengesetzes oder von Baulinien im Sinne des Baugesetzes, die nicht eine weitergehende, als die auf dem diesem Vertrag zu Grunde liegende und im genannten Plan umfänglich bezeichnete Baubeschränkung bilden, nicht widersetzen. Diese Verpflichtung wirkt gegenüber dem Staat, sowie den Gemeinden Glattfelden und Bülach.
3.
Dieser Vertrag wird im Sinne von Artikel 963, Absatz 1, des schweizerischen Zivilgesetzbuches in dreifacher Ausfertigung - mit dem Vorbehalt der Genehmigung durch den Regierungsrat - vom derzeitigen Eigentümer, Jakob Meier-Gomringer, Glattfelden, und dem Vertreter des Staates. Ingenieur des I. Kreises, unterzeichnet.
4.
Vorbehältlich der Genehmigung dieses Vertrages durch den Regierungsrat zahlt der Staat Jakob Meier-Gomringer nach bezw. bei der Eintragung des Dienstbarkeitsvertrages ins Grundbuch, welche sofort nach erfolgter Genehmigung erfolgen muß, Eintragung in Glattfelden und Bülach, die Summe von Fr. 1,500 (Franken eintausendfünfhundert) als einmalige Entschädigung für die Beschränkung der Benützung des innerhalb der «Bauverbotszonen» gelegenen Bodens.
5.
Dieser Vertrag ist auf Kosten des Staates in das Grundbuch einzutragen, dem bestehenden Grundpfandrecht im Range nachgehend.
Belastet sind die auf Seite 1 aufgeführten vier Grundstücke (Bann Glattfelden und Bülach).
IV. Sowohl die in Ziffern I und II genannten Beträge von Fr. 1,655 und Fr. 1,500, als auch die im Dienstbarkeitsvertrag vom 2. April 1937 vorgesehene Entschädigung von Fr. 1,500 gehen zu Lasten des Fonds für Hauptverkehrsstraßen.
V. Die Gemeinderäte Bülach und Glattfelden werden eingeladen, gestützt auf § 31, Absatz 3, des Straßengesetzes von 1893 Baulinien entsprechend den im Dienstbarkeitsvertrag vom 2. April 1937 festgesetzten Bau- und Pflanzverbotszonen festzulegen. Gleichzeitig sind im Einvernehmen mit der Baudirektion auch für die an die Kreuzung der Hauptverkehrsstraßen Zürich/Rafz und Winterthur/Weiach anschließenden Straßenstücke Baulinien mit 30 m Baulinienabstand festzusetzen. Die Baulinienvorlage ist dem Regierungsrat bis spätestens 31. Juli 1937 zur Genehmigung zu unterbreiten.
VI. Mitteilung an Jakob Meier-Gomringer, zur Kreuzstraße, in Glattfelden, das landwirtschaftliche Bauamt des Schweizerischen Bauernverbandes, in Brugg, die Gemeinderäte Bülach und Glattfelden, die Grundbuchämter Bülach und Eglisau, an letzteres unter Beilage eines Vertragsdoppels mit dem Plan 1:250, sowie an die Direktionen der Volkswirtschaft, des Innern und der öffentlichen Bauten.