Signatur | StAZH MM 3.71 RRB 1945/3146 |
Titel | Interpellation. |
Datum | 01.11.1945 |
P. | 1352–1354 |
[p. 1352] Am 29. September 1945 reichte Kantonsrat Ernst Keßler-Zürich eine Interpellation mit folgendem Wortlaut ein:
1. Trifft es zu, daß der Regierungsrat der Maschinenbau A.-G., AGT., Zürich, mit größeren finanziellen Mitteln beigestanden ist?
2. Aus welchen Gründen ist nach Auffassung des Regierungsrates diese Firma in die heutige prekäre Lage geraten und der finanzielle Beistand des Kantons notwendig geworden?
3. Welche Maßnahmen gedenkt der Regierungsrat vorzukehren, um die Aufrechterhaltung des Betriebes und vor allem die Existenz der Arbeiter und Angestellten sicherzustellen?
Auf Antrag der Direktion der Volkswirtschaft
beschließt der Regierungsrat:
I. Der Volkswirtschaftsdirektor wird ermächtigt, die Interpellation Ernst Keßler-Zürich namens des Regierungsrates wie folgt zu beantworten:
1. Der AGT. Maschinenbau-Aktiengesellschaft, vormals Firma M. Koch & Co., Eisengießerei und Maschinenfabrik, in Zürich, die eine Eisengießerei und Modellschreinerei, sowie die Fabrikation von Werkzeug-, Druck- und Holzbearbeitungsmaschinen betreibt, wurde durch Beschluß des Regierungsrates am 24. November 1934 auf Grund eines vorgelegten Sanierungsplanes ein grundpfandversichertes, verzinsliches Darlehen von Fr. 100 000 gewährt. Ein weiteres Darlehen von gleicher Höhe wurde durch die Stadt Zürich bewilligt. Durch diese Maßnahmen wollte man dem Unternehmen die Aufrechterhaltung des Betriebes ermöglichen und gleichzeitig der Belegschaft die Arbeitsplätze sichern. Das Vorgehen schien gerechtfertigt, weil im damaligen Zeitpunkt im Falle einer Still- [p. 1353] legung des Betriebes Staat und Gemeinden sehr große Leistungen in der Form von Taggeldern an die Arbeitslosen hätten in Kauf nehmen müssen. Es zeigte sich dann allerdings bald, daß es der Firma nicht möglich war, mit dem gewährten Darlehen aus ihrer bedrängten Lage herauszukommen. Ein Basler Bankhaus erklärte sich bereit, die erforderlichen weiteren Mittel zur Verfügung zu stellen unter der Bedingung, daß die öffentliche Hand auf ihre Darlehensguthaben teilweise verzichte. Dem Kanton ist aus diesem Geschäft ein Verlust von Fr. 70 000 erwachsen. Fr. 30 000 des 1934 bewilligten Darlehens wurden in den Jahren 1942/43 zurückbezahlt.
Im Frühjahr dieses Jahres geriet die AGT. neuerdings in Zahlungsschwierigkeiten. Im März stellte sie bei der eidg. Darlehenskasse ein Gesuch um Gewährung eines Überbrückungskredites. Auf den ablehnenden Bescheid, der erst im Juli erfolgte, sah sie sich veranlaßt, den städtischen Behörden mitzuteilen, daß sie sich außerstande sehe, der aus 350 Angestellten und Arbeitern bestehenden Belegschaft die Löhne zu bezahlen. Der Stadtrat wandte sich hierauf an die Kantonsregierung mit dem Ersuchen um Beteiligung an einer gemeinsamen zweiten Stützungsaktion. Der Regierungsrat erklärte sich bereit, zusammen mit der Stadt der Schweizerischen Volksbank in Zürich gegenüber eine Garantie zu leisten, um die Auszahlung der fälligen Arbeiterlöhne im Betrage von Fr. 50 000 zu ermöglichen. Diese Garantie bestand darin, daß Kanton und Stadt gemeinsam der Schweizerischen Volksbank einen allfälligen Verlust, der sich aus der Kreditgewährung von Fr. 50 000 auf einer für das Ausland bestimmten Maschine ergeben könnte, je zur Hälfte verbürgten. Es geschah dies in der Meinung, daß den Arbeitern nicht gekündigt werde. Anläßlich der Garantieübernahme stellte sich der Regierungsrat der städtischen Behörde gegenüber auf den Standpunkt, daß er die Angelegenheit als eine städtische betrachte und sich mit der Sache erst weiter befassen könne, wenn die Stadt über allfällig als notwendig erscheinende Maßnahmen bestimmte Vorschläge zu unterbreiten in der Lage sei. Die Behauptung des Interpellanten, es seien der Firma seit August Lohn Vorschüsse gewährt worden, an die Stadt, Kanton und Bund gleichmäßig beitrugen, ist somit unrichtig. Der Kanton, der vor diesen Vorschußzahlungen nie begrüßt wurde, wird sich, wie nun erst nachträglich beschlossen wurde, daran insofern beteiligen, als er einen Drittel allfällig eintretender Verluste übernimmt. Unrichtig ist auch die Behauptung, daß diese Lohnzahlungen à fonds perdu geleistet wurden. Die Lohnforderungen der Arbeiterschaft mußten an die Stadt zediert werden; diese besitzt daher im Liquidationsverfahren immerhin eine privilegierte Forderung, von der man erwartet, daß sie befriedigt werden kann.
Die städtischen Behörden haben sich dann in der Folge vorerst bemüht. Interessenten zu finden, die für eine ganze oder teilweise Übernahme des Betriebes hätten in Frage kommen können. An solchen fehlte es nicht, dagegen konnte in Anbetracht der in verschiedener Hinsicht bestehenden Unübersichtlichkeit über die Übernahmebedingungen keine Verständigung erzielt werden. Inzwischen hatte die Stadt, um eine Betriebseinstellung zu verhindern, weitere Zahltage zu übernehmen.
Ende September sah sich die AGT. gezwungen, das gerichtliche Nachlaßverfahren einzuleiten; es wurde ihr durch das Bezirksgericht Zürich mit Wirkung ab 4. Oktober eine Stundung von 4 Monaten gewährt. Gleichzeitig wurde ein Sachwalter eingesetzt.
Da die Gesellschaft nach eingetretener Stundung nicht mehr in der Lage war, den Fabrikationsbetrieb weiterzuführen und daher der Belegschaft auf den 13. Oktober die Kündigung zugestellt hatte, wurde durch Vertretungen des Bundes, des Kantons und der Stadt geprüft, was zur Sicherung einer Aufrechterhaltung des Betriebes getan werden könnte. Sie schlugen vor, daß ein Konsortium, bestehend aus Bund, Kanton und Stadt, in der Form einer einfachen Gesellschaft die Fortführung des Betriebes übernehmen sollte, bis längstens zum rechtskräftigen Abschluß des Nachlaßverfahrens der AGT. Dies in der Erwartung, daß es auf diesem Wege doch noch möglich sein werde, das Unternehmen als Ganzes auf einen neuen Interessenten oder eine Interessentengruppe zu übertragen. Der Regierungsrat hat am 25. Oktober diesem Projekte, mit dem auch der gerichtlich eingesetzte Sachwalter sich einverstanden erklärt hat, zugestimmt. Über die finanziellen Folgen dieses Vorgehens, die Bund, Kanton und Stadt zu gleichen Teilen zu tragen haben werden, wobei zu erwähnen ist, daß auch die Volksbank sich verpflichtet hat, einen Viertel allfälliger Gesellschaftsschulden des Konsortiums zu übernehmen, kann heute noch nichts Bestimmtes gesagt werden. Es wird dies wesentlich davon abhängen, wie lange es geht, bis ein geeigneter Käufer sich findet und zu welchen Bedingungen die Übertragung erfolgen kann.
Der Versuch, die Weiterexistenz eines Betriebes zu retten durch eine temporäre Übernahme der Betriebsführung durch die öffentliche Hand, ist neu und läßt sich nur vom Standpunkt der Arbeitsbeschaffung aus betrachtet verantworten. Man muß sich dessen bewußt sein, daß sich daraus für den Staat Folgen von großer Tragweite ergeben können. Irgendwelche Verpflichtungen des Staates für die Zukunft dürfen daraus nicht abgeleitet werden. Es wird unter allen Umständen von Fall zu Fall auf die wirtschaftliche Erhaltungswürdigkeit abgestellt werden müssen. Daß in dieser Hinsicht im Falle der AGT. nicht mit der wünschenswerten Sorgfalt vorgegangen werden konnte, liegt in der Eile begründet, mit der gehandelt werden mußte. Immerhin bietet die Zusicherung der Mitbeteiligung des Bundes, dessen Organe sich eingehend über den Betrieb zu orientieren Gelegenheit hatten und die insbesondere auch glauben, durch den nun eingeschlagenen Weg die Streichung des Betriebes von der schwarzen Liste erwirken zu können, eine Gewähr dafür, daß doch Aussicht besteht, den Arbeitern und Angestellten der AGT. ihre Arbeitsstätten zu sichern. Gleichzeitig wird durch die Überbrückungsaktion auch unsere Volkswirtschaft vor einem Verluste bewahrt, der immer entsteht, wenn die Belegschaft eines Betriebs sich auflöst.
Mit dieser Darstellung sind die erste und die dritte Frage des Interpellanten, die inhaltlich zusammengehören, beantwortet.
2. Die zweite Frage des Interpellanten, aus welchen Gründen die AGT. in eine prekäre Lage geraten sei, läßt sich heute einwandfrei noch nicht beantworten. Daß die Firma, deren Aktienkapital Fr. 300 000 beträgt, schon vor dem Kriege mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, wurde bereits dargetan. Nach ihrer Sanierung scheint sie sich dann erholt zu haben. Ihr Umsatz stieg von Fr. 459 000 im Jahre 1936 auf Fr. 5 776 000 im Jahre 1942, um dann im Jahre 1944 wieder auf rund die Hälfte zurückzugehen. Der Bestand der Arbeiter und Angestellten, welcher sich 1936 auf 169 Personen belief, erreichte im Jahre 1943 den Höchststand von 400 Personen. Anfangs 1945 beschäftigte der Betrieb noch rund 350 Personen. Die Zahl der Beschäftigten ist jedoch seit dem Juni dieses Jahres auf 262 gesunken. Die Behauptung des Interpellanten, daß die Firma gegenwärtig noch 350 Personen beschäftige, ist somit nicht richtig. Dividenden wurden 1935 - 1940 keine ausbezahlt, in den Jahren 1941 und 1942 betrugen diese 5%, im Jahre 1943 4% und 1944 noch 3%.
Die Firma tätigte während der Kriegszeit Exportlieferungen nach Deutschland und wurde deswegen von den Allierten auf die schwarze Liste gesetzt, deren Streichung zu bewirken ihr nicht gelang. Dies erwies sich für die stark auf den Export eingestellte Fabrikation als schwere Fessel. Bei der Umstellung auf ein zwar vorhandenes, aber wie es scheint, überdimensioniertes Friedens-Fabrikationsprogramm ergaben sich dann weitere Schwierigkeiten, für deren Überbrückung die Kapitalbasis der Gesellschaft sich als zu klein erwies. Ob und inwieweit durch die Betriebsleitung außer den bereits angeführten weitere Fehler begangen wurden, kann vorläufig nicht beurteilt werden.
3. Mit Bezug auf den Wohlfahrtsfonds der AGT. ist der Sachverhalt folgender: Die AGT. hat unter der Bezeichnung «Wohlfahrtsfonds der AGT.-Maschinenbau-Aktiengesellschaft» am 1. Oktober 1942 eine Stiftung im Sinne von Artikel 80 ff. des schweizerischen Zivilgesetzbuches errichtet, die am 7. Januar 1943 ins Handelsregister eingetragen und am 5. März des gleichen Jahres der Aufsicht des Bezirksrates unterstellt wurde. Die Stiftung bezweckt die Fürsorge für die Angestellten und Arbeiter und ihre Angehörigen beim Eintritt einer Notlage infolge hohen Alters. Invalidität, Krankheit, Tod oder Arbeitslosigkeit. Bei der Gründung überwies die Firma der Stiftung einen Betrag von Fr. 150 000, bestehend in einer Buchforderung an die Gesellschaft, Dieses Vorgehen stellt im Einklang mit Artikel 673, Absatz 3, des Obligationenrechtes, wonach das Vermögen einer Stiftung in einer Forderung an [p. 1354] die Stifterin bestehen kann. Da die Arbeitnehmer an den Wohlfahrtsfonds keine Beiträge leisteten, konnten sie an dessen Verwaltung nicht mitwirken und es konnte auch die in Artikel 80 des Fabrikgesetzes vorgesehene Kontrolle durch das Fabrikinspektorat nicht durchgeführt werden. Dagegen hat der Bezirksrat die ihm übertragene Aufsicht ausgeübt. Richtig ist, daß unter den Ausgaben in der Fondsrechnung neben einer Ausgabe von Fr. 5450 an Angestellte und Arbeiter zwei Posten figurieren für Versicherungsprämien für den Direktor und den Präsidenten des Verwaltungsrates. Diese Versicherungsabschlüsse erfolgten jedoch, bevor der Bezirksrat die Aufsicht über die Stiftung ausübte. Die Belastungen des Fonds sind jedoch nach kurzer Zeit durch eine Rückzahlung der Prämie und durch eine neue Einlage der Firma nahezu ausgeglichen worden. Heute beträgt das Stiftungsvermögen rund Fr. 155 000. Sichergestellt ist dieses Vermögen nicht; da es sich jedoch um eine privilegierte Forderung handelt, dürfte es nicht richtig sein, daß «der Rest» der Stiftung nur noch in einem verlorenen Anspruch an die Firma besteht, wie der Interpellant dargetan hat.
Der Interpellant hat im weiteren behauptet, die AGT. werde von außen geleitet. Die offizielle Führung bestehe nur aus Strohmännern. Sitzungen des Verwaltungsrates finden nur selten statt. Ein nicht genannt sein wollendes Basler Bankhaus dirigiere die Geschäfte und sei beflissen, die Gewinne sofort abzuschöpfen.
Dazu ist zu sagen, daß die Aktien der AGT. in den Händen von drei Personen, die zugleich den Verwaltungsrat und die Direktion stellen, vereinigt sind. Daß trotzdem ein außenstehendes Bankhaus die Geschäfte leite und die Gewinne abschöpfe, wird von den Organen der Stadt, die bisher Gelegenheit hatten, sich mit der Lage der Firma zu befassen, entschieden verneint.
Zu der Behauptung des Interpellanten, daß Sitzungen des Verwaltungsrates nur selten stattgefunden hätten, haben sich die Organe der AGT. selber geäußert. Sie wünschen eine Richtigstellung, indem sie darauf hinweisen, daß der Verwaltungsrat seit Jahren jede Woche zwei- bis dreimal zusammengetreten sei. Wir halten uns für verpflichtet, von der Rechtfertigung der Firma an dieser Stelle Kenntnis zu geben.
II. Mitteilung an die Mitglieder des Regierungsrates und an die Direktion der Volkswirtschaft.