Signatur | StAZH MM 3.75 RRB 1947/3498 |
Titel | Archiv für Handel und Industrie der Schweiz (Staatsbeitrag). |
Datum | 23.10.1947 |
P. | 1540–1541 |
[p. 1540] 1. Mit Beschluß Nr. 41 vom 4. Januar 1946 hat der Regierungsrat dem Archiv für Handel und Industrie der Schweiz für 1946 einen Staatsbeitrag von Fr. 5500 und ab 1947 bis auf weiteres einen solchen von Fr. 5000 zugesichert, nachdem ihm von 1936 bis 1942 ein Staatsbeitrag von jährlich Fr. 1500 und von 1943 bis 1945 ein solcher von Fr. 3000 ausgerichtet worden war (siehe Regierungsratsbeschluß Nr. 466 vom 18. Februar 1943). Ebenso hat der Gemeinderat der Stadt Zürich für das Jahr 1946 einen Beitrag von Fr. 5500 und einen solchen von Fr. 5000 von 1947 an bewilligt.
Mit Eingabe vom 28. April 1947 ersuchte die Kommission des Archivs den Regierungsrat, er möchte seinen jährlichen Beitrag auf Fr. 17 000 erhöhen. Ein gleiches Gesuch wurde an den Stadtrat Zürich gerichtet. Die Direktion der Volkswirtschaft hat die Gesuchstellerin mit Schreiben vom 1. Juli 1947 wissen lassen, daß eine Erhöhung des Staatsbeitrages für das Jahr 1947 nicht in Betracht kommen könne. Die Kommission des Archivs begründet ihr Begehren mit der Notwendigkeit des Aushaus und der Personalvermehrung des Archivs, sowie mit der durch die heutigen Zeitverhältnisse bedingten Erhöhung der Personalausgaben und Materialienkosten.
2. Träger des Archivs für Handel und Industrie der Schweiz ist ein Verein im Sinne der Artikel 60 ff. des Zivilgesetzbuches. Die Verwaltung wird durch eine Kommission besorgt, die heute 10 Mitglieder zählt. Die Archivleitung ist zurzeit einem Archivar übertragen, dem eine Hilfskraft zur Verfügung steht. Das Archiv wird durch Subventionen der öffentlichen Hand (Stadt und Kanton Zürich) und durch freiwillige Beiträge aus der Privatwirtschaft, finanziert. Organisatorisch ist das im Archiv untergebrachte Material auf sieben Abteilungen aufgeteilt, nämlich das Firmenarchiv, das Auslandsarchiv, die Abteilung Oeffentliche Finanzen, das Sachfragenarchiv, die Zeitschriftensammlung, die Handbibliothek und die Bibliographie der Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik.
Die Gesuchstellerin macht geltend, daß für die Durchführung der dem Archiv gestellten Aufgaben folgender minimaler Personalbestand notwendig sei:
a) Archivleiter
Vorbildung: Abgeschlossenes nationalökonomisches Studium, Wirtschaftspraxis.
Pflichtenheft: Archivleitung, Bibliographie, Überwachung der Sammlungen, Literaturnachweis, Auskünfte, Rezensionen.
Gehalt: Gemäß Besoldungsklasse 11 der Besoldungsverordnung des Kantons Zürich, entsprechend der Besoldung eines Handelsleiters einer höheren Schule der Stadt Zürich.
b) Archivadjunkt
Vorbildung: Abgeschlossenes national ökonomisches Studium. Für die Stelle ist ein junger Akademiker unmittelbar nach Studienabschluß vorgesehen.
Pflichtenheft: Verwaltung einzelner Abteilungen, Bibliographie, Ausschnittsammlung, Dossierrevision, Literaturnachweis, Auskünfte.
Gehalt: Gemäß Besoldungsklasse 6.
c) Archivassistent
Vorbildung: Maturität und einige nationalökonomische Semester, eventuell Diplom für den mittleren Fachdienst in Bibliotheken. Die Stelle ist insbesondere geeignet für einen Werkstudenten.
Pflichtenheft: Katalogisierung, Ausschnittsammlung und dokumentalistische Bearbeitung von Spezialfragen, Aufsicht im Lesesaal.
Gehalt gemäß Besoldungsklasse 1.
d) Archivkanzlistin
Vorbildung: Kaufmännische Lehre, Handelsschuldiplom, Sekretärinnenschulung oder ähnliches.
Pflichtenheft: Sekretariat, Aufsicht im Lesesaal, Katalogisierung, Ausleihedienst.
Gehalt: Gemäß Besoldungsklasse 1.
Währenddem sich die Aufwendungen für Miete, Heizung, Reinigung, Büromaterial, Telephon, Porti usw. auch bei der vorgesehenen Intensivierung der Dokumentationstätigkeit des Archivs voraussichtlich nicht wesentlich erhöhen werden, sind nach den Ausfüllungen der Gesuchstellerin vermehrte Mittelfür die Sammlungen dringend notwendig. Ein großer Teil der aus der Schweiz stammenden Archivalien kann zwar kostenlos beschafft werden. Dies ist aber für das wieder erhältliche ausländische Material nur selten der Fall. In der heutigen Zeit und in der Zukunft ist es jedoch unumgänglich, daß die Zahl der Abonnements der ausländischen Wirtschaftszeitschriften erheblich vergrößert wird. Heute führt das Archiv wenigstens wieder drei englische Zeitschriften. Für die Zukunft ist das Abonnement auch von mindestens je 1 - 2 amerikanischen, französischen, italienischen und Später auch wieder deutschen Publikationen vorgesehen. Neben diesen und anderen Anschaffungen wirken sich auch die stark gestiegenen Materialpreise und die Verteuerung vor allem der Buchbinderarbeiten aus.
Unter Berücksichtigung aller Erfordernisse legt die Kommission des A[r]chivs dem Regierungsrat folgenden Voranschlag vor:
Einnahmen | ||||||
Subventionen | ||||||
Kanton Zürich | Fr. | 17 000 | ||||
Stadt Zürich | “ | 17 000 | Fr. | 34 000 | ||
Beiträge | “ | 6 000 | ||||
Verschiedenes | “ | 500 | ||||
Ausgaben | ||||||
Personalaufwand | ||||||
Gehälter: | ||||||
a) Archivleiter | “ | 7 800 | ||||
b) Archivadjunkt | “ | 5 200 | ||||
c) Archivassistent | “ | 3 600 | ||||
d) Kanzlistin | “ | 3 600 | ||||
Teuerungszulagen (45%) | “ | 9 100 | ||||
Personal Versicherung | “ | 3 000 | ||||
AHV.-Arbeitgeberbeitrag | “ | 600 | Fr. | 32 900 | ||
Sachaufwand | ||||||
Abonnemente, Druckschriften | Fr. | 2 000 | ||||
Materialien, Mobiliar | “ | 1 000 | ||||
Buchbinderarbeiten | “ | 1 000 | “ | 4 000 | ||
Verwaltungsaufwand | ||||||
Miete | Fr. | 400 | ||||
Heizung, Beleuchtung, | ||||||
Reinigung | “ | 1 200 | ||||
Büromaterial | “ | 400 | ||||
Telephon, Porti | “ | 600 | ||||
Diverses | “ | 1 000 | “ | 3 600 | ||
Fr. | 40 500 | Fr. | 40 500 |
Die Prüfung des vorliegenden Gesuches gab Veranlassung, die Tätigkeit und die Aufgaben des Archivs für Handel und Industrie in seinem Verhältnis zur Zentralbibliothek, zum schweizerischen Sozialarchiv und zum schweizerischen Wirtschaftsarchiv (Basel) näher abzuklären. Eine Überschneidung der Aufgaben das Archivs für Handel und Industrie mit denen der Zentralbibliothek bestellt nach einem Gutachten der Direktion der Zentralbibliothek nicht. Das Archiv hält sich strikte an seinen Archivcharakter, das heißt es erwirbt an Büchern nur diejenigen, welche die Archivbenützer bei der Arbeit im Lesezimmer benötigen (Handbücher, Nachschlagewerke), und sammelt das Material der Dokumentation (Geschäftsberichte, Kursblätter, Zeitungsausschnitte und andere kleine Literatur), welche in Dossiers zusammengestellt werden. Solches Material besitzt und sammelt die Zentralbibliothek grundsätzlich nicht. Am ehesten könnten bei den Zeitschriften unnötige Doppelabonnements Vorkommen. Um dies aber zu vermeiden, verständigen sich Zentralbibliothek und Archiv seit jeher, indem die erstere im wesentlichen die wissenschaftlichen Zeitschriften übernimmt, während das Archiv die einzelnen Fachzeitschriften des Gewerbes und der Industrie, die Firmen- und Verbandszeitschriften und ähnliche Erscheinungen sammelt. Mit dem schweizerischen Sozialarchiv mögen gewisse Überschneidungen der Tätigkeit auf Randgebieten Vorkommen. Sie sind jedoch unvermeidlich und weder organisatorisch noch finanziell von Belang. Im ganzen sind die Aufgaben der beiden Institute reinlich geschieden. Das Sozialarchiv pflegt die Gebiete der Soziologie und der Sozialpolitik, das Archiv für Handel und Industrie diejenigen der Handels-, Gewerbe-, Verkehrs-, Währung« und Agrarpolitik, der öffentlichen Finanzen und der Privatwirtschaft. Die Arbeitsleistung und auch die [p. 1541] Zusammenarbeit zwischen den drei Instituten Zentralbibliothek, Archiv für Handel und Industrie und schweizerisches Sozialarchiv, ist bereits vorhanden. Was das Verhältnis zum Schweizerischen Wirtschaftsarchiv in Hasel anbelangt, sei darauf hingewiesen, daß auch in Zürich ein dem Baslerinstitut ähnliches Archiv im Hinblick auf die Bedeutung von Zürich als Universitätsstadt und Wirtschaftszentrum seine volle Berechtigung hat. Dabei ist zu berücksich[t]igen, daß sich die Arbeitsbereiche der beiden Archive in Zürich und in Basel nicht völlig decken. Wohl kann das Schweizerische Wirtschaftsarchiv in Basel dank der Förderung, die ihm der Kanton Basel-Stadt angedeihen läßt, ein außerordentlich weites Arbeitsgebiet pflegen. Anderseits sammelt das Zürcherarchiv über zahlreiche Firmen und Sachfragen Materialien, die das Baslerinstitut nicht besitzt und an denen es infolge seiner Lage auch nicht im gleichen Maße interessiert ist. Das Archiv für Handel und Industrie pflegt überdies als einziges Institut im der Schweiz dem bibliographischen Nachweis der ausländischen Buch- und Zeitschriftenliteratur.
Der im Gesuch als wünschenswert bezeichnete Personalbestand des Archivs für Handel und Industrie ist in Wirklichkeit nicht oder nur um eine Person höher als in den Kriegsjahren. Allerdings konnte damals die nunmehr teils dem Adjunkten, teils dem Assistenten zugedachte Arbeit durch schweizerische Notstandsarbeiter und ausländische Flüchtlinge besorgt werden, welche das Archiv finanziell nicht belastetem und nach außen nicht in Erscheinung traten. Es erhebt sich jedoch die Frage, ob dem Archiv vorläufig nicht der Verzicht auf die Assistentenstelle zugemutet werden könnte. Dadurch ließen sich die Beiträge der beiden Subvenienten (Kanton und Stadt Zürich) um zusammen Fr. 6000 kürzen (Grundgehalt des Assistenten Fr. 3600 plus 45% Teuerungszulage plus 10% Versicherungs- und Lohnausgleichskassenbeiträge des Archivs). Die Beiträge des Kantons und der Stadt Zürich hätten somit nur noch je Fr. 14 000 zu betragen. Infolge dieses Verzichts müßten zwar voraussichtlich gewisse Arbeiten dahinfallen oder zurückgestellt werden. Dies wäre aber dann nicht der Fall, wenn die finanzielle Unterstützung von privater Seite, die heute einen jährlichen Betrag von nur Fr. 6000 ausmacht und daher als bescheiden betrachtet werden muß, entsprechend gesteigert würde. Eine stärkere finanzielle Beteiligung der Privatwirtschaft, die an dem Archiv in bedeutendem Maße interessiert ist, erscheint als zumutbar und muß bei Bewilligung eines höheren Staatsbeitrages als bisher vorausgesetzt werden. Es ist notwendig, daß alle interessierten Kreise in angemessener Weise an der Finanzierung des Archivs mitwirken. Aus dieser Erwägung kann über die Bewilligung eines jährlichem Staatsbeitrages von Fr. 14 000 nicht hinausgegangen werden.
Abschließend läßt sich feststellen, daß der Bestand des Archivs für Handel und Industrie der Schweiz und sein Ausbau nach dem von der Gesuchstellerin dargelegten Programm einem öffentlichen Bedürfnis entsprechen. Für Wirtschaft und Studentenschaft, aber auch für die privaten und öffentlichen Verwaltungen und Verbände stellt das Archiv ein Institut dar, welches, wie die Frequenzzahlen bekräftigen, als Notwendigkeit angesprochen werden darf. Da die Förderung der Entwicklung und der Ausgestaltung des Archivs nur dann möglich ist, wenn die finanziellen Mittel vorhanden sind, rechtfertigt sich die Zusicherung eines erhöhten jährlichen Staatsbeitrages von Fr. 14 000 unter der Bedingung, daß die Stadt Zürich einen jährlichen Beitrag in gleicher Höhe bewilligt.
Auf Antrag der Direktion der Volkswirtschaft
beschließt der Regierungsrat:
I. Dem Archiv für Handel und Industrie der Schweiz wird ab 1948 bis auf weiteres ein jährlicher Staatsbeitrag von Fr. 14 000 aus Budgettitel 2600.950 unter der Bedingung zugesichert, daß die Stadt Zürich einen gleich hohen jährlichen Beitrag bewilligt.
II. Mitteilung an das Archiv für Handel und Industrie der Schweiz (Präsident Prof. Dr. Büchner), Zähringerplatz 6, Zürich, an den Stadtrat Zürich, sowie an die Direktionen des Erziehungswesens, der Finanzen und der Volkswirtschaft.