Selfhtml

Staatsarchiv des Kantons Zürich

Zentrale Serien seit 1803 online:

https://www.zh.ch/staatsarchiv



SignaturStAZH MM 3.90 RRB 1955/0636
TitelInterpellation.
Datum03.03.1955
P.287–288

[p. 287] Kantonsrat Fritz Reiss-Bäretswil hat am 21. Februar 1955 folgende Interpellation eingereicht:

1. Ist der Regierungsrat nicht auch der Meinung, dass die vom Stiftungsrat des Kreisspitals Wetzikon beschlossene Beschränkung der Zahl der zugelassenen Aerzte Ungleichheiten zur Folge hat?

2. Hält der Regierungsrat nicht auch dafür, dass der Uebergang zum Chefarztsystem für das Kreisspital Wetzikon grundsätzlich die geeignetere Lösung wäre?

3. Erklärt sich der Regierungsrat allenfalls bereit, für das Zustandekommen dieser Lösung seine guten Dienste zu leisten?

Auf Antrag der Direktion des Gesundheitswesens

beschliesst der Regierungsrat:

I. Der Gesundheitsdirektor wird ermächtigt, die Interpellation Fritz Reiss-Bäretswil namens des Regierungsrates wie folgt zu beantworten:

Das Kreisspital Wetzikon ist seit dem Jahre 1941 in die Rechtsform einer privatrechtlichen Stiftung gekleidet. An ihr beteiligt und im Stiftungsrat durch Delegierte vertreten sind die fünf Kreisgemeinden Wetzikon, Bäretswil, Gossau, Grüningen und Seegräben. Wie aus der Stiftungsurkunde hervorgeht, gehört zu den Befugnissen des Stiftungsrates u. a. die Bestimmung darüber, wie das Krankenhaus ärztlich geleitet werden soll. Der Stiftungsrat ist somit zuständig zur Entscheidung der Frage, ob der ärztliche Dienst am Kreisspital nach dem Chefarztsystem oder nach dem System der freien Arztwahl versehen werden soll. Er gab einer mittleren Lösung den Vorzug, nämlich einem System mit beschränkter Arztwahl. Von den zurzeit acht in den Kreisgemeinden prakti- [p. 288] zierenden Aerzten sind deren fünf als Spitalärzte zugelassen. Diese vor einigen Jahren erfolgte Regelung hat zwangsweise eine Ungleichheit gegenüber den nicht zugelassenen Aerzten zur Folge. Es liegt dies in der Natur einer jeden zahlenmässigen Beschränkung und lässt sich nicht vermeiden, wenn der damit angestrebte Zweck nicht beeinträchtigt oder verunmöglicht werden soll. Dieser Zweck liegt im vorliegenden Falle in der Rücksichtnahme auf den Spitalbetrieb, den zu viele voneinander unabhängig im Spital tätige Aerzte erschweren. Die zu verschiedenen Zeiten erfolgenden Besuche der Spitalärzte erfordern eine längerdauernde Bereitschaft des Personals, die mit einer Mehrbelastung bzw. Verlängerung der Arbeitszeit verbunden ist oder die Anstellung zusätzlicher Arbeitskräfte erforderlich macht. Wohl kann man sich fragen, ob die Zulassung eines sechsten Arztes die Verhältnisse wesentlich beeinflusst hätte. Es handelt sich da um eine Ermessensfrage, die der mit den Verhältnissen vertraute Stiftungsrat am besten beurteilen kann. Hätte er dem Gesuch des sechsten Arztes entsprochen, so hätte sich dieselbe Frage der Zulassung beim siebenten oder achten Arzt wiederholt, ganz abgesehen davon, dass die in den andern Kreisgemeinden tätigen und bisher am Spital nicht zugelassenen Aerzte bei Berücksichtigung des zuletzt zugezogenen Arztes mit dem gleichen Recht ihrerseits einen Anspruch auf Zulassung geltend machen könnten.

Bei der Frage, ob ein Spital dem System der freien Arztwahl oder dem Chefarztsystem den Vorzug geben soll, ist in erster Linie auf die Grösse der Anstalt abzustellen. Bei grösseren Spitälern, d. h. solchen mit über 100 Betten, erweist sich das Chefarztsystem im allgemeinen als vorteilhafter, während kleinere Krankenhäuser ebensogut beim ursprünglichen System der freien oder beschränkten Arztwahl verbleiben. Eine starre Regel gibt es nicht, da neben den Erfahrungen allgemeiner Art beim Entscheid jeweils noch weitere Faktoren zu berücksichtigen sind. Beim Kreisspital Wetzikon, das 93 Betten für Erwachsene aufweist, zu denen noch 22 Kinder- und 14 Säuglingsbetten kommen, liegt in bezug auf die Vorteile des einen oder andern Arztsystems ein Grenzfall vor. Nachdem der ärztliche Dienst den Bedürfnissen der Kranken bisher entsprochen hat, drängt sich ein Uebergang zum Chefarztsystem nicht auf. Unter den fünf Spitalärzten befinden sich ein Spezialarzt für Chirurgie FMH. und ein solcher für innere Medizin FMH., sodass die Patienten im Hinblick auf die Behandlungsmöglichkeiten gegenüber einem Chefarztspital in keiner Weise benachteiligt sind. Sollte sich später eine Erweiterung des Spitals als notwendig erweisen, so wird der Stiftungsrat bei dieser Gelegenheit den Uebergang zum Chefarztsystem erwägen müssen. Sofern dies vom Stiftungsrat oder einer der beteiligten Gemeinden gewünscht werden sollte, ist der Regierungsrat bereit, seine guten Dienste zu leisten, um den wenig fruchtbaren Spitalstreit in Wetzikon beilegen zu helfen.

II. Mitteilung an die Direktion des Gesundheitswesens und an die Mitglieder des Regierungsrates.